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Die Maschine
Die Maschine und der Schlüssel
Die Maschine und der Schlüssel
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Solange ich zurückdenken kann, arbeitete ich im Maschinenraum, wo ich, wie die vielen mir unbekannten Personen um mich herum, mein Leben in die Kraft steckte, die Hebel und Räder der Maschine zu bewegen und ihr monotones Rattern und Rauschen in Gang zu halten. Synchron bewegten wir unsere Arme im Rhythmus ihres schnaufenden Atems, zu tausenden eingepfercht in die sechs kahlen Wände des Maschinenraumes, die sich wie die rostigen Gitter eines Käfigs an uns schmiegten. In gleißendes Licht getaucht schimmerte der Schweiß der Männer, deren Keuchen sich in das Dröhnen der Maschine mischte, auf ihrer erblassten Haut, unter denen angespannte Muskeln rhythmisch zuckten.
Einer hatte einst gefragt, wozu die Maschine liefe. Es konnte ihm keiner beantworten. Ein anderer wollte erfahren, wie sie funktioniere. Er glaubte zu wissen, dass das Geheimnis im beständigen Drehen der winzigen Zahnräder liege, die sich einander pausenlos am Laufen hielten.
Ich stellte mir solche Fragen nie, denn die Maschine war da, und ich musste an ihr arbeiten, was sonst hätte ich auch tun sollen. Aus dem Maschinenraum führte kein Weg hinaus, die grauen Wände wurden nur von Rohren und Kabeln geschmückt, die wie Adern im rostigen Korpus der Maschine mündeten.
Doch wozu der Schlüssel, den ich bei mir trug? Kein anderer schien ihn zu besitzen, nur ich, obwohl ich doch nur einer von vielen war. Ich konnte mich nicht erinnern, dass er mir jemals gegeben worden wäre (von wem auch), noch dass ich ihn jemals benutzt hätte. Am drängendsten stellte sich mir jedoch nicht die Frage, warum gerade ich ihn trug, sondern zu welchem Schloss er wohl gehören mochte.
So verließ ich eines Tages meinen Platz an den Hebeln der Maschine (sie lief auch ohne mich weiter, genug andere verrichteten ihre Arbeit an ihr) und lief von einer Ecke des Maschinenraumes in den anderen, die Wände nach einem verborgenen Durchgang betastend. Doch mir wollte sich keine Tür zeigen, die zu einem anderen Raum geführt hätte, noch erblickte ich auch nur die leiseste Ahnung eines Schlosses, das dem schweren Schlüssel in meiner Hand einen Sinn gegeben hätte.
Ich verlor ihn jedoch nie aus meinen Gedanken, auch als ich schon längst wieder zur Maschine zurückgekehrt war, und dachte in jeder Minute, die verging, über das sonderbare Werkzeug nach, das ich stets bei mir trug.
Ich weiß nicht mehr, wann es war, als ich das Schloss schließlich fand. Ich hätte es gar nicht sehen können, denn es war noch nicht da. Ich musste mich mit meinen Gedanken völlig von der Maschine lösen und den Raum mit einem anderen Blick erneut abtasten (wobei ich so manchem meiner Kollegen den Ellbogen in den Körper stemmen musste, um mir Platz zu schaffen), bis ich jenen Fleck an der Wand fand, der sich in meinen Gedanken als geeignet erwies, eine Tür mit passendem Schloss zu tragen. So schlug ich ein Loch in die Wand und zimmerte mit alten Brettern eine Tür hinein; mit dem schweren, eisernen Schlüssel vermochte ich das Schloss zu öffnen und die Tür aufzureißen, und durch den dahinterliegenden Raum entschwand ich und ließ das Dröhnen der Maschine mit schnellen Schritten hinter mir. Nie bin ich zurückgekehrt.