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Die Nacht friert nie

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09.11.2007
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Die Nacht friert nie

Ich bin mir nicht sicher, ob es sein Gesicht ist. Ob es seine Augen sind oder sein Mund, der reglos über dem Kinn liegt. Er sieht aus wie ein Gemälde, nicht wirklich. Die kalte Hand liegt in meiner, als ich mit der anderen versuche seine Wange zu berühren, um sanft mit den Fingerspitzen am Wangenknochen entlang zu fahren. Damals im Sommer tat ich dasselbe. Meine Finger glitten über seine Haut, die von der Sonne warm war und leicht unter dem sanften Druck meiner Kuppen nachgab, nun streichen sie über etwas kaltes Lebloses, das Grautöne annimmt und nur im Ansatz an sein schönes Gesicht erinnert. Sein Lächeln zeigte seine perlmutfarbenen Zähne und zauberte mir ein Glänzen in die Augen, das nur für dieses eine Lächeln bestimmt war, jetzt hingegen warte ich nur auf ein einziges Zucken seiner Mundwinkel. Sein Lächeln bleibt stumm und das Glänzen verschwimmt zu Salzwasser. Ich weiß nicht… weiß nicht warum ich bleibe und etwas liebkose, das mich nicht fühlt. Wo ist er, wo ist sein Gefühl? Es kann doch nicht sein, dass es weg ist. Einfach so. Die starken Arme, die mich umarmten, die groben Hände, die mir sanft die Tränen aus dem Gesicht streichen konnten. Sie liegen einfach nur da und fühlen keine meiner Berührungen, die mir plötzlich so sinnlos erscheinen, dass ich aufstehen muss, mich wegdrehe und auf meine Hände blicke, die sich umarmen, in der Hoffnung sie würden sich gegenseitig Trost spenden.

Trost perlt ab,
er ist wie ein Lied,
das erklingt und plötzlich verstummt
in der Dunkelheit.

Als ich so da stehe merke ich das erste Mal, dass ich alleine bin. Nur der Wind, der meine Silhouette in der Dunkelheit umschmeichelt gesellt sich zu mir. Wäre er noch da, würde er meine Hand nehmen und mich küssen. Der Gedanke daran, dass die Gestalt des Mannes, die hinter mir liegt, aufstünde, um mein Alleinsein verschwinden zu lassen scheint fern. Dieser Gedanke flößt mir mehr Angst ein, als dass er mich tröstet. Ich will diese kalte Haut nie wieder spüren, sein verstummtes Atmen hören oder in die toten Augen blicken, in denen ich nichts mehr sehen kann. Ich hatte nie versucht perfekt für ihn zu sein, doch sah ich in seinem Blick, dass ich genau das für ihn war. Mein Kopf füllt sich mit der Melodie der Nacht. Es rinnt alles an mir hinab, bis meine Gedanken in den Boden sinken, ich selbst ein Teil der Nacht werde und mich fallen lasse. Erst dann merke ich, dass er auch perfekt war. Perfekt für mich war.
Ich spüre meine Haare, die die Blätter auf der Erde kitzeln, doch sogar die Blätter wagen nicht unter dieser Berührung zu lachen. Sie knirschen leidend als sie zu meinem Bett werden.
Glasklarer Wind trägt die Tränen davon.

Ich würde nicht weinen,
wenn meine Augen es nicht wollten.
Ich würde nicht hier liegen,
wenn meine Glieder es nicht sollten.

Mir ist nicht kalt, es sind nur meine Finger, die zittern. Wie könnte ich auch die Kälte spüren? Die Nacht friert nie.

 

Salve GreenLeaf,

ich stelle mal Vermutungen an: ein toter Mann liegt im Wald. Neben ihm seine trauernde Geliebte, vielmehr Ex-Geliebte, die ihn velleicht sogar höchst selbst gemeuchelt hat; schließlich bedeutet der Allerwerteste ihr nichts mehr.
Das ist dramatisch, und ich fühle mich fast verpflichtet, es anrührend zu finden, allzumal Du inhaltliche Leere mit hübschen Worthülsen kaschierst:

Die Nacht, die nie friert, Blätter, die nicht lachen, ein glasklarer Wind. Dazu zwei lyrische Einschübe.

Trotzdem fühle ich mich nach dem Lesen nicht befriedigt, weil sich diese Bilder eben nicht mit Inhalt verknüpfen. An manchen Stelen klingen sie sogar gewollt staatstragend:

trägt die Tränen davon, die meine Augen weinen
Ja wer bitte soll sonst weinen? Die Nase? Owohl,die heult mit, schließlich läuft ein Großteil der Tränenflüssigkeit über einen Verbindungskanal vomAuge ins Riechorgan. Daher "Rotz und Wasser heulen".

So ein bisschen Erdung täte der KG ganz gut. Und Handlung. Und Prots. Dass die hübschen Bilder was zum Arbeiten haben, und nicht hohl vor sich hinkollern müssen.

Gruß und gute Zeit,
Pardus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Pardus,

danke für die Kritik erstmals.
Ich bemerke gerade, dass man meinen Text auch anders interpretieren kann, da meine Vorstellung eigentlich gar nicht so wirklich war, dass er ihr nichts mehr bedeutet und sie ihn ermordet hat. Es ging mir auch nicht so wirklich darum wie er jetzt umgekommen war, sondern einfach nur um die Gefühle, die sie empfinden könnte.

"Ich weiß nicht… weiß nicht warum ich bleibe und etwas liebkose, das mir nichts mehr bedeutet"
-> Damit meinte ich nicht "ihn" als Person, sondern viel mehr den Körper. Für sie ist "Er" nicht mehr vorhanden und sie sieht ihn nicht mehr in seinem Körper. Sie findet es sinnlos etwas zu liebkosen, das ihr nichts mehr bedeuten kann, da seine Seele sozusagen nicht mehr in seinem Körper ist.

Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, ob mir in dieser Geschichte mehr Handlung gefällt, da es vielleicht so wie es jetzt ist keine wirkliche Kurzgeschichte ist, aber man mehr von den Gefühlen mitbekommt, als wenn ich jetzt noch z.B. einen Förster einbaue, der sie findet oder so etwas in der Art.
Ich überleg's mir noch ; )

Achja, das mit den Augen. Ich war mir da auch nicht so sicher, ob ich's stehen lassen soll oder nicht, aber ich werde das jetzt entfernen, da es eigentlich wirklich überflüssig ist.

LG
Marlene

 

Salü GreenLeaf,

Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, ob mir in dieser Geschichte mehr Handlung gefällt, da es vielleicht so wie es jetzt ist keine wirkliche Kurzgeschichte ist, aber man mehr von den Gefühlen mitbekommt, als wenn ich jetzt noch z.B. einen Förster einbaue, der sie findet oder so etwas in der Art.

Das ist so ein Knackpunkt. Von den Gefühlen bekomme ich eben gar nicht so viel mit, wenn sie ohne Rahmen daherkommen. Sie stehen dann einfach nackt im Raum und ich kann keine Beziehung zu ihnen und der Person, die auf die Blätter sinkt, herstellen. Es muss ja nicht gerade ein Förster :) sein, der Handlung bringt. Schon ein kurzer Blick auf das, was gestern geschah oder woher die Verse stammen - (seine Lieblingsverse oder ihre? Aus einem früher mal gemeinsam gelesenen Buch? Hat er sie gedichtet oder ein gemeinsam geliebter Autor?) - könnte einen Rahmen geben, der mich 'zwingt' in das Bild hineinzugehen, mich umzuschauen, teilzunehmen an der Situation und dann auch weiter darüber nachzudenken. So bleibt für mich als Leserin einfach zu viel Freiraum.

Liebe Grüsse,
Gisanne

 

Hallo Gisanne,

Danke für deine Kritik. : )
Mein Gedanke war anfangs, dass man dem Leser den Freiraum lässt sich zu überlegen, wie er diese Situation und die Beziehung dieser beiden Personen interpretiert. Ich wollte ihn/sie auch überlegen lassen, was zwischen den beiden sein könnte, um diese Reaktion der Ich-Erzählerin nachvollziehen zu können.
Jedoch denke ich nun auch etwas zu viel Freiraum gelassen zu haben, da dieser Punkt ja auch schon in beiden Kritiken bemängelt wurde. Ich werde die KG sobald als möglich überarbeiten.

LG
Marlene

 

Salve Green Leaf,

"Ich weiß nicht… weiß nicht warum ich bleibe und etwas liebkose, das mir nichts mehr bedeutet"
-> Damit meinte ich nicht "ihn" als Person, sondern viel mehr den Körper. Für sie ist "Er" nicht mehr vorhanden und sie sieht ihn nicht mehr in seinem Körper. Sie findet es sinnlos etwas zu liebkosen, das ihr nichts mehr bedeuten kann, da seine Seele sozusagen nicht mehr in seinem Körper ist.
Ich hoffe, Du hast noch nie ein geliebtes Wesen, gleich ob Mensch oder Tier, verloren.
Die Gefühle der Prota, wie Du sie Dir vorstellst, gehen meilenweit an der Realität vorbei.
Nicht einmal Fremde, die ein wenig Respekt für einen Toten empfinden, sehen den Leichnam nur als Hülle - umso weniger, wenn jemand diese Person sehr geliebt hat.
Da ist Scheu oder Befremden, den Körper anzufassen, weil es einem wie ein Sakrileg vorkommt - sehr behutsames, achtsames, zärtliches Berühren.
Hilflosigkeit auch, weil das Unterbewusstsein sich weigert, den Tod als Faktum anzuerkennen, und üer den Körper mit der Seele in Kontakt treten möchte, was aber nicht mehr geht.
Manchmal auch leidenschaftliche Verzweiflung - aber nie diese Sachlichkeit, dieses rationale Bewerten.

Wenn Deine Prota so reagiert, hat sie einen ernsthaften Knacks (was Du im Sinne der Geschichte ausschlachten solltest), oder der Mann hat ihr tatsächlich nicht viel bedeutet, oder er ist schon ein paar Wochen tot - wenn er dann noch im Wald rumliegt und sie ihn streichelt, wären wir wieder beim psychischen Schaden.

Nix für ungut,
Pardus

 

Hallo Pardus,

Entschuldigung, dass ich erst jetzt schreibe, aber ich bin nicht dazu gekommen gleich zu antworten.
Also ich wollte sie nicht als verrückt darstellen, jedoch dachte ich bei dieser Frau an eine Frau, die ihr eigenes Leben nicht als wichtig empfindet. Der Mann der am Boden liegt war ihr Mittelpunkt im Leben. Es kann auch sein, dass sie depressiv ist. Der Anfang lässt auch offen wie lange sie schon bei ihm sitzt. Es wäre vielleicht besser gewesen diese anfänglichen Gefühle, von denen du erzählst, auch zu beschreiben, jedoch ging es mir eher darum, dass sie ja nun zu ihm gehen möchte. Es war ja schließlich Absicht, dass ich sie nicht weitergehen, weiterleben, oder von jemandem finden ließ. Sie liegt dort um zu sterben. Um zu ihm zu gelangen. Wenn sie tot ist hat sie ihn wieder, denkt sie, und sein Körper bleibt auf der Erde und sie wird ihn somit nie mehr fühlen oder spüren, wie sie es in ihrem Leben tat. Der Körper ist ihr nicht wichtig, da sie nicht seine kalte Haut spüren will, sondern "ihn" haben will und dafür sich selbst - ihr Leben - opfert.

So dachte ich es mir...hm.

LG
Marlene

 

Sorry, aber von Minderwertigkeitskomplex, Suizidalität und dergleichen kam bei mir gar nichts an.
schreib Dir am besten erst mal auf, was Du im Kopf hattest, in die Geschichte zu packen, und lies sie dann nochmals durch, ob es auch drin steht. Gedanken lesen können wir nicht.

 

Ich habe die Geschichte ein wenig verändert und hoffe, dass sie jetzt vielleicht verständlicher ist.

 

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