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Die Nachtreise

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04.12.2001
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Die Nachtreise

Aus Serbische Geschichten

Die Nachtreise

Teil 1 Die Überraschung


Der Eilbus, den man auch Balkanexpress nennt, und der zweimal die Woche Zürich-Belgrad-Nice bedient, donnert mit hoher Geschwindigkeit durch die Nacht. Er ist gut belegt. Es ist eine kühle, leicht neblige Spätherbstnacht mit einer miserablen Sicht. Obwohl der Fahrer äusserst konzentriert wirkt, scheint er guter Dinge zu sein. Er summt mit, ja er betet es nahezu, das schwermütige serbische Volkslied, welches sanft melancholisch durch das grünlich abgedunkelte Wageninnere zu schweben vermag.
Rade heisst er, der Fahrer, der Serbe Rade, wie schon zuvor sein Vater, sein Grossvater, und manchmal denkt er, es wäre schön auch endlich einen Sohn zu haben. Doch die Frauen die er kennt, wollen ihren Mann des Nachts zu Hause haben. Die sehnen sich nach Zärtlichkeit und Geborgenheit, auch wollen die dann, ab und an, ihre Wohllust ausleben. zumindest ein paar Jährchen. Bei diesem Gedanken beginnt er zu schmunzeln. Na ja, denkt er, für schöne Stunden habe ich ja Vesna, meine mollig-knackige Freundin. Die ist sanft-fordernd aber auch willig und manchmal fast gierig. So ist mir das gerade recht. Da gibt es kein wenn und aber. Dass sie neben im noch zwei oder drei andere Lover hat stört ihn nicht. Hauptsache keine Verpflichtungen und, dass sie’s immer mit Gummi treibt. Auch gibt sie ihm daumendick belegte Rauchwurstbrote mit auf seine langen Reisen. Ein gutes Mädchen seine Vesna.
So also ist er nicht unzufrieden mit seinem Leben, zumal er in gut zwei Stunden abgelöst wird.
Dann wird man die Ungarische Grenze erreicht haben. Die phosphoreszierende Borduhr zeigt ihm die Zeit, 02Uhr33.Der Nebel hat sich etwas gelichtet, die Sicht jetzt nahezu normal. Er zündet sich eine Zigarette an und erhöht nochmals ein wenig die Geschwindigkeit. Er ist in seinem Element, er fühlt sich glücklich, als Profi, als Kapitän der Autobahn.
Krze, der zweite Fahrer zwängt sich plötzlich, noch längst nicht erwartet, mühsam aus der Schlafkabine, die direkt über den rechten Vorderrädern liegt. Er ist ein stattlicher Mann mit einem Vorzeigebauch. Ein leichter Knoblauchgeruch entströmt seinem weit aufgerissenem Mund. Der Gute gähnt herzhaft, und lässt einen knarrenden Wind sausen.“ Du abartiges Schwein“ empfängt ihn unser guter Rade. “ Verpestest mir die Luft im Cockpit. Wir sind hier nicht bei Dir zu Hause, falls du so etwas überhaupt hast.“ Der so Gerügte grinst verschmitzt und mit heiserer und noch schlaftrunkener Stimme meint er trocken:“ Kannst dich dafür etwas früher hinlegen, oder dich mal unter den Passagieren etwas umsehen. Hab da zwei flotte Häschen ausgemacht. Die Eine scheint mir ein strammer Feger zu sein. Da habe ich Brüste ausmachen können die deine schmutzige Fantasie bestimmt anregen könnte. Na ja geh schon, scheiss dir nicht in die Hose, versuch dein Glück! Ich übernehme.“
Das wiederum lässt sich Rade nicht zweimal sagen. Ein listig-vorfreudiges Lächeln huscht über sein Gesicht ,er drosselt das Tempo, fährt rechts ran auf den Pannenstreifen und stoppt den Bus.
Beide wechseln ihre Tachoscheiben, der Nachtexpress nimmt wieder Fahrt auf, wird schneller und rast jetzt ebenso donnernd durch die Nacht wie zuvor.
Rade schnuppert kurz an sich, streicht die Haare zurückt und reibt sich ein parfümiertes Wässerchen ins Gesicht. Er lächelt süffisant. „ Na dann“, denkt er,“ auf in den Kampf! “
Die meisten der Passagiere schlafen, dösen zumindest. Leises Schnarchen hier, ein Hüsteln dort, jemand beschäftigt sich mit einer Knistertüte Chips. Eine völlig normale Nachtfahrt in seinem heissgeliebten Balkan-Express. Nichts Ungewöhnliches und doch wird er auf einmal unruhig. Irgend etwas wird auf ihn zukommen er spürt das, aber zum Teufel was? Welch ein Süppchen ist da wieder am köcherln. Seine Nasenflügel vibrieren leicht. während er sich katzenartig durch den Mittelgang nach Hinten bewegt.
Eine warme Hand berührt ganz sanft die seine. “He Fahrer setz dich doch einwenig zu mir. Bist sicher müde. Nimm doch ein Schlückchen Calvados aus meinem Flachmännchen!“ Die Stimme die das sagt erscheint ihm dunkel, rauchig-erotisch, leicht spöttisch .Die grünliche Nachtbeleuchtung, der schwer-süssliche Moschusduft dieser Frau der ihm entgegen dringt, versetzt ihn in Erregung. Er wähnt sich für einen Moment in einem Belgrader Nachtclub. Rade schluckt leer und setzt sich wortlos neben diese Frau.
Er wirkt nervös, seine Handflächen werden feucht und er beginnt leicht zu transpirieren. Die Frau lächelt unmerklich und führt seine Hand unter ihre Seidenbluse an ihre prallen Brüste. “Das mein Süsser magst du, magst du sehr, ich vermeine dies zu erkennen. Du bist mir schon in Zürich aufgefallen. Du bist ein Mann, ein wahrer Mann und weißt du, “jetzt flüstert sie nahezu unhörbar, ich will dich, ich bin scharf auf dich.“! “Jaaah“, das bin, bin, bin ich auch“ ,Rade stöhnt“ ich will es tun, mit dir, gleich jetzt und hier. In meiner Hose herrscht Platznot und dem muss, denke ich, abgeholfen werden!“ Die Frau scheint nun ebenfalls erregt zu sein und sie raunt ihm zu:“ Ich bin die Svetlana, meine Freunde nennen mich die scharfe Sveti. Komm beeilen wir uns, bevor wir an der Grenze zu Ungarn sind. Wir treiben es in deiner Schlafkabine, wir ziehen da eine ganz grosse Nummer durch, Liebster ist dir das recht?“
Und ob teure Sveti, ich geh jetzt nach vorn, du kommst nach, in etwa fünf Minuten. Die Reisenden müssen davon nichts mitbekommen. Das könnte mich, weiss Gott den Job kosten. Lautlos erhebt er sich, um nahezu auf Zehenspitzen die Schlafkabine aufzusuchen. Mit fahrigen Händen versucht er noch etwas Ordnung ins zerwühlte Bett zu bringen und einen Kerzenstummel anzuzünden. Dies misslingt ihm gründlich.
„Keine Umstände mein Süsser,“ vernimmt er bereits Svetlanas rauchige Stimme“ .Ich bin heiss wie du wohl auch. Alsdann lass es uns tun.“
Rades Hose fällt zu Boden. Fahrig und doch gierig greift er nach Svetlana. Die lässt mit einem tiefen Stöhnen ihre letzten Hüllen fallen.
Der hartgesottene, mit vielen Wässerchen gewaschene Fernfahrer wird blass, leichenblass. Der Himmel scheint einzustürzen Jesus, Maria ,heiliger Nicolai. Ihm wird schlecht, der Schweiss perlt auf seiner Stirn und er zittert heftig.
„Du Dreckskerl, du Sittensau, du Lustmolch, hau ab ehe ich dir die Fresse poliere!“
Sein ungläubiger Blick stiert auf das erigierte, pralle Glied
„Allmächtiger, der Slobodan!“
Der Schankbursche Slobodan ,oh mein Gott!


Tei 2 Der Bücherwurm


Ein Mann aber, in diesem dahinjagenden Bus ist wach, hellwach. Er sitzt bequem an einem Tischchen und schreibt auf Teufel komm raus. Seine Gesichtszüge sind entspannt und sein Tun scheint ihm Freude zu bereiten. Er raucht eine Zigarette und schmunzelnd schaut er den Kringeln nach. Welch eine Nacht, denkt er, und sein Blick huscht zur hellerleuchteten Borduhr.04.32 stellt er befriedigt fest und er weiss, dass in wenigen Minuten die Ungarische Grenze erreicht ist.
Wie von Geisterhand geweckt, erwachen nach und nach die meisten Passagiere. Flüstern erst, dann wünscht man sich Dobor Dan , irgendwo rülpst jemand und ein fettes untersetztes Männlein furzt hemmungslos, was ungemeines Gelächter, oder eben auch betretene Gesichter hervorzurufen vermag. Ein erster säuischer Witz macht die Runde. Der Witzbold verpasst, was ihn fürchterlich zu ärgern scheint, die Pointe und erntet eisiges Schweigen. Unser Mann am Tischen lehnt dankend ein Stück Dauerwurst, das ihm sein Gegenüber anbietet, ab. Dieser wird sauer und er zeigt das auch. Da schlägt dieser westliche Rüpel, diese schreibende Lachnummer meine Gastfreundschaft aus. Der war wohl noch nie im Balkan. Der kennt wohl das Wort Gastfreundschaft nur vom Hörensagen. Das muss eine ungehobelte Gebirgskreatur sein. Ein Neandertaler vielleicht. Meine Mammuschka würde dem die ungewaschenen Hammelbeine lang ziehen.
Seine wilden Überlegungen werden durch eine blechern klingende Lautsprecherstimme unterbrochen. Es wird die Nähe des Grenzübergangs durchgegeben und dass man die Dokumente bereit halten solle. Routine eben.
Unser schreibender Wurstablehner blickt nochmals zur Uhr.05.15.Er klappt seinen Laptop zu, kramt nach seinen Papieren und bietet seinem Gegenüber verschmitzt eine Zigarette an.
Dieser lächelt, bedient sich und murmelt:“ Du mein Freund, bist ein guter Mann, irgendwie wie hab ich das geahnt, ja gewusst. Gott schütze dich!“ Ja so ist das nun mal. Verstehe unsereiner den Balkan.
Der Bus hält. Zwei Zollbeamte mit steinernen Gesichtern, bodenlangen Mänteln, derben Stiefeln und prunkvollen Steifhüten mustern mit geübt missmutigem Blick die Passagiere und kontrollieren die Pässe und Visen. Der Grössere der Beiden, eine imposant- stattliche, reichlich mit Ordensblech behangene Erscheinung bleibt beim Mann am Tischchen stehen. Dem entgegengestreckten Pass schenkt er kaum Beachtung. Er starrt auf den Tisch auf dem, neben Wurst und Käseresten, eben auch der Laptop des „Gebirglers“ steht.“ Wozu das“ fragt er in ausgezeichnetem Deutsch“. Wollen sie das Ding etwa schmuggeln, verhökern? Solch neumodisches Zeug kommt mit äusserst suspekt vor. Solche Dinger tragen zur totalen Verblödung der Menscheit bei. Ein gutes Buch oder ein mit Hingabe handschriftlich verfasster Brief scheint ausser Mode geraten zu sein. Wohin, frage ich sie, führt denn das noch hin?“
Nahezu erschöpft ringt er nach Atem.“ mein verfluchtes Asthma“, denkt er,“ muss wohl den alten Doktor in der Kreisstadt wieder einmal aufsuchen.“ Er wirft einen kurzen Blick in den Pass des Laptopmannes und fragt ihn nach seinem Beruf.“ Ach Herr Oberzollbeamter, ich bin nur ein kleiner Schreiberling der über Mystik und Mythen des Balkans während der 500jährigen Besatzung durch die Türken schreibt. “Der Zöllner scheint zu erstarren.“ Ja Mann, welchen Scheiss wollen sie mir denn da unterjubeln. Seine Stimme wird hart und scheppernd. “Sie und Schriftsteller, da grölen ja die Mäuse und die Schweine verenden an Lachkrämpfen. So einen Seich hat mir in meiner gewiss 30jährigen Dienstzeit noch niemand unter meine Nase reiben wollen! Mann, sind sie einem Irrenhaus abgängig? Brauchen sie vielleicht einen Arzt? Psychische Sofort-Hilfe? Heilige Mutter Gottes was mutest du mir alles zu?Säufer,Schmuggler,Schwerst-Kriminelle,Drogenkuriere,Papierlose, Halsabschneider, Terroristen, Nutten und deren Zuhälter, Ehebrecher, Pädophile, entweihte Priester und Pornografen, und jetzt, als Krönung sozusagen noch einen falschen Schriftsteller!“ Er fixiert den Mann, er tut dies unerbittlich-gründlich, nahezu stechend.“ Im Übrigen“, lamentiert er weiter,“ im Übrigen bin ich, der alte Josip, ein belesener Mann, dem man nichts aber auch gar nichts vormachen kann. Ich habe mir mein, gewiss umfangreiches Wissen, in der Leihbücherei unseres Dorfes angeeignet. Auch hat mir meine liebe, frühverstorbene Ehefrau Irina, Gott hab sie selig, jeweils zu Ostern und am Feste Christi schöngeistige Bücher geschenkt. Die habe ich dann, der vielen Stromausfälle die unser Dorf heimsuchen wegen, oft bei Kerzenlicht gelesen, nahezu verschlungen. Wissen sie denn, sie Furz, wer mich seit vielen Jahren begleitet?“ Nein, ich will es ihnen sagen, Hölderlin, Kant, Thomas Man, Schoppenhauer, Freud, Jan Lüthy’s „Snobless Oblige“, Tucholsky, H.H.Kirst, Gottfried Keller und natürlich auch Väterchen Lenin!“ Er seufzt leise, sein Blick wirkt verklärt und er ist stolz. Ein Sohn der Puszta eben. Edelmütig, warmherzig, der Scholle und dem Schöngeist treu, und wie wir jetzt wissen..........belesen!
„Also wie denn, was denn“, jetzt schöpft der musische Zollbeamte tief Luft um unbeirrt und mit enormer Lautstärke weiterzufahren:“ Was sie Wicht, haben sie den geschrieben? Hat man je eine durch sie verfasste Zeile gedruckt? Mann sie sind wohl ein „Vondenandernabschreiber“. Heraus mit der Wahrheit!“
„Na ja“ erwiderte jetzt der Mann und sieht zum Zollbeamten hoch. Er scheint amüsiert zu sein,“ mein Erstling war ein Roman der im Mafiamilieu spielt,“ Die wundersamen Geschichten des Don Pipo“, dann war da noch..........“
„Allmächtiger, grosser, gütiger Gott, heilige Mutter Maria“, der Zöllner wird blass,leichenblass und sein ganzer Körper zittert wie Espenlaub. Sein Hals schwillt an und kalter Schweiss tritt auf seine Stirn. Er reisst sich den Schlips vom Hals, wobei drei Hemdknöpfe zu Boden fallen. Die Mütze liegt längst am Boden und er trampelte wie wild auf ihr rum. Jetzt stiert er den Fremden mit feuchten Augen an:
„Heilige Dreifaltigkeit, gebenedeite Jungfrau das ich das erleben darf.“
„Sie müssen Pit Staub sein....... aus der Schweiz!“
Josip weint.


Jagodina/Serbia im Oktober 2001
Landquart/Schweiz

Aus Serbische Geschichten

Die Nachtreise

Teil 1 Die Überraschung


Der Eilbus, den man auch Balkanexpress nennt, und der zweimal die Woche Zürich-Belgrad-Nice bedient, donnert mit hoher Geschwindigkeit durch die Nacht. Er ist gut belegt. Es ist eine kühle, leicht neblige Spätherbstnacht mit einer miserablen Sicht. Obwohl der Fahrer äusserst konzentriert wirkt, scheint er guter Dinge zu sein. Er summt mit, ja er betet es nahezu, das schwermütige serbische Volkslied, welches sanft melancholisch durch das grünlich abgedunkelte Wageninnere zu schweben vermag.
Rade heisst er, der Fahrer, der Serbe Rade, wie schon zuvor sein Vater, sein Grossvater, und manchmal denkt er, es wäre schön auch endlich einen Sohn zu haben. Doch die Frauen die er kennt, wollen ihren Mann des Nachts zu Hause haben. Die sehnen sich nach Zärtlichkeit und Geborgenheit, auch wollen die dann, ab und an, ihre Wohllust ausleben. zumindest ein paar Jährchen. Bei diesem Gedanken beginnt er zu schmunzeln. Na ja, denkt er, für schöne Stunden habe ich ja Vesna, meine mollig-knackige Freundin. Die ist sanft-fordernd aber auch willig und manchmal fast gierig. So ist mir das gerade recht. Da gibt es kein wenn und aber. Dass sie neben im noch zwei oder drei andere Lover hat stört ihn nicht. Hauptsache keine Verpflichtungen und, dass sie’s immer mit Gummi treibt. Auch gibt sie ihm daumendick belegte Rauchwurstbrote mit auf seine langen Reisen. Ein gutes Mädchen seine Vesna.
So also ist er nicht unzufrieden mit seinem Leben, zumal er in gut zwei Stunden abgelöst wird.
Dann wird man die Ungarische Grenze erreicht haben. Die phosphoreszierende Borduhr zeigt ihm die Zeit, 02Uhr33.Der Nebel hat sich etwas gelichtet, die Sicht jetzt nahezu normal. Er zündet sich eine Zigarette an und erhöht nochmals ein wenig die Geschwindigkeit. Er ist in seinem Element, er fühlt sich glücklich, als Profi, als Kapitän der Autobahn.
Krze, der zweite Fahrer zwängt sich plötzlich, noch längst nicht erwartet, mühsam aus der Schlafkabine, die direkt über den rechten Vorderrädern liegt. Er ist ein stattlicher Mann mit einem Vorzeigebauch. Ein leichter Knoblauchgeruch entströmt seinem weit aufgerissenem Mund. Der Gute gähnt herzhaft, und lässt einen knarrenden Wind sausen.“ Du abartiges Schwein“ empfängt ihn unser guter Rade. “ Verpestest mir die Luft im Cockpit. Wir sind hier nicht bei Dir zu Hause, falls du so etwas überhaupt hast.“ Der so Gerügte grinst verschmitzt und mit heiserer und noch schlaftrunkener Stimme meint er trocken:“ Kannst dich dafür etwas früher hinlegen, oder dich mal unter den Passagieren etwas umsehen. Hab da zwei flotte Häschen ausgemacht. Die Eine scheint mir ein strammer Feger zu sein. Da habe ich Brüste ausmachen können die deine schmutzige Fantasie bestimmt anregen könnte. Na ja geh schon, scheiss dir nicht in die Hose, versuch dein Glück! Ich übernehme.“
Das wiederum lässt sich Rade nicht zweimal sagen. Ein listig-vorfreudiges Lächeln huscht über sein Gesicht ,er drosselt das Tempo, fährt rechts ran auf den Pannenstreifen und stoppt den Bus.
Beide wechseln ihre Tachoscheiben, der Nachtexpress nimmt wieder Fahrt auf, wird schneller und rast jetzt ebenso donnernd durch die Nacht wie zuvor.
Rade schnuppert kurz an sich, streicht die Haare zurückt und reibt sich ein parfümiertes Wässerchen ins Gesicht. Er lächelt süffisant. „ Na dann“, denkt er,“ auf in den Kampf! “
Die meisten der Passagiere schlafen, dösen zumindest. Leises Schnarchen hier, ein Hüsteln dort, jemand beschäftigt sich mit einer Knistertüte Chips. Eine völlig normale Nachtfahrt in seinem heissgeliebten Balkan-Express. Nichts Ungewöhnliches und doch wird er auf einmal unruhig. Irgend etwas wird auf ihn zukommen er spürt das, aber zum Teufel was? Welch ein Süppchen ist da wieder am köcherln. Seine Nasenflügel vibrieren leicht. während er sich katzenartig durch den Mittelgang nach Hinten bewegt.
Eine warme Hand berührt ganz sanft die seine. “He Fahrer setz dich doch einwenig zu mir. Bist sicher müde. Nimm doch ein Schlückchen Calvados aus meinem Flachmännchen!“ Die Stimme die das sagt erscheint ihm dunkel, rauchig-erotisch, leicht spöttisch .Die grünliche Nachtbeleuchtung, der schwer-süssliche Moschusduft dieser Frau der ihm entgegen dringt, versetzt ihn in Erregung. Er wähnt sich für einen Moment in einem Belgrader Nachtclub. Rade schluckt leer und setzt sich wortlos neben diese Frau.
Er wirkt nervös, seine Handflächen werden feucht und er beginnt leicht zu transpirieren. Die Frau lächelt unmerklich und führt seine Hand unter ihre Seidenbluse an ihre prallen Brüste. “Das mein Süsser magst du, magst du sehr, ich vermeine dies zu erkennen. Du bist mir schon in Zürich aufgefallen. Du bist ein Mann, ein wahrer Mann und weißt du, “jetzt flüstert sie nahezu unhörbar, ich will dich, ich bin scharf auf dich.“! “Jaaah“, das bin, bin, bin ich auch“ ,Rade stöhnt“ ich will es tun, mit dir, gleich jetzt und hier. In meiner Hose herrscht Platznot und dem muss, denke ich, abgeholfen werden!“ Die Frau scheint nun ebenfalls erregt zu sein und sie raunt ihm zu:“ Ich bin die Svetlana, meine Freunde nennen mich die scharfe Sveti. Komm beeilen wir uns, bevor wir an der Grenze zu Ungarn sind. Wir treiben es in deiner Schlafkabine, wir ziehen da eine ganz grosse Nummer durch, Liebster ist dir das recht?“
Und ob teure Sveti, ich geh jetzt nach vorn, du kommst nach, in etwa fünf Minuten. Die Reisenden müssen davon nichts mitbekommen. Das könnte mich, weiss Gott den Job kosten. Lautlos erhebt er sich, um nahezu auf Zehenspitzen die Schlafkabine aufzusuchen. Mit fahrigen Händen versucht er noch etwas Ordnung ins zerwühlte Bett zu bringen und einen Kerzenstummel anzuzünden. Dies misslingt ihm gründlich.
„Keine Umstände mein Süsser,“ vernimmt er bereits Svetlanas rauchige Stimme“ .Ich bin heiss wie du wohl auch. Alsdann lass es uns tun.“
Rades Hose fällt zu Boden. Fahrig und doch gierig greift er nach Svetlana. Die lässt mit einem tiefen Stöhnen ihre letzten Hüllen fallen.
Der hartgesottene, mit vielen Wässerchen gewaschene Fernfahrer wird blass, leichenblass. Der Himmel scheint einzustürzen Jesus, Maria ,heiliger Nicolai. Ihm wird schlecht, der Schweiss perlt auf seiner Stirn und er zittert heftig.
„Du Dreckskerl, du Sittensau, du Lustmolch, hau ab ehe ich dir die Fresse poliere!“
Sein ungläubiger Blick stiert auf das erigierte, pralle Glied
„Allmächtiger, der Slobodan!“
Der Schankbursche Slobodan ,oh mein Gott!


Tei 2 Der Bücherwurm


Ein Mann aber, in diesem dahinjagenden Bus ist wach, hellwach. Er sitzt bequem an einem Tischchen und schreibt auf Teufel komm raus. Seine Gesichtszüge sind entspannt und sein Tun scheint ihm Freude zu bereiten. Er raucht eine Zigarette und schmunzelnd schaut er den Kringeln nach. Welch eine Nacht, denkt er, und sein Blick huscht zur hellerleuchteten Borduhr.04.32 stellt er befriedigt fest und er weiss, dass in wenigen Minuten die Ungarische Grenze erreicht ist.
Wie von Geisterhand geweckt, erwachen nach und nach die meisten Passagiere. Flüstern erst, dann wünscht man sich Dobor Dan , irgendwo rülpst jemand und ein fettes untersetztes Männlein furzt hemmungslos, was ungemeines Gelächter, oder eben auch betretene Gesichter hervorzurufen vermag. Ein erster säuischer Witz macht die Runde. Der Witzbold verpasst, was ihn fürchterlich zu ärgern scheint, die Pointe und erntet eisiges Schweigen. Unser Mann am Tischen lehnt dankend ein Stück Dauerwurst, das ihm sein Gegenüber anbietet, ab. Dieser wird sauer und er zeigt das auch. Da schlägt dieser westliche Rüpel, diese schreibende Lachnummer meine Gastfreundschaft aus. Der war wohl noch nie im Balkan. Der kennt wohl das Wort Gastfreundschaft nur vom Hörensagen. Das muss eine ungehobelte Gebirgskreatur sein. Ein Neandertaler vielleicht. Meine Mammuschka würde dem die ungewaschenen Hammelbeine lang ziehen.
Seine wilden Überlegungen werden durch eine blechern klingende Lautsprecherstimme unterbrochen. Es wird die Nähe des Grenzübergangs durchgegeben und dass man die Dokumente bereit halten solle. Routine eben.
Unser schreibender Wurstablehner blickt nochmals zur Uhr.05.15.Er klappt seinen Laptop zu, kramt nach seinen Papieren und bietet seinem Gegenüber verschmitzt eine Zigarette an.
Dieser lächelt, bedient sich und murmelt:“ Du mein Freund, bist ein guter Mann, irgendwie wie hab ich das geahnt, ja gewusst. Gott schütze dich!“ Ja so ist das nun mal. Verstehe unsereiner den Balkan.
Der Bus hält. Zwei Zollbeamte mit steinernen Gesichtern, bodenlangen Mänteln, derben Stiefeln und prunkvollen Steifhüten mustern mit geübt missmutigem Blick die Passagiere und kontrollieren die Pässe und Visen. Der Grössere der Beiden, eine imposant- stattliche, reichlich mit Ordensblech behangene Erscheinung bleibt beim Mann am Tischchen stehen. Dem entgegengestreckten Pass schenkt er kaum Beachtung. Er starrt auf den Tisch auf dem, neben Wurst und Käseresten, eben auch der Laptop des „Gebirglers“ steht.“ Wozu das“ fragt er in ausgezeichnetem Deutsch“. Wollen sie das Ding etwa schmuggeln, verhökern? Solch neumodisches Zeug kommt mit äusserst suspekt vor. Solche Dinger tragen zur totalen Verblödung der Menscheit bei. Ein gutes Buch oder ein mit Hingabe handschriftlich verfasster Brief scheint ausser Mode geraten zu sein. Wohin, frage ich sie, führt denn das noch hin?“
Nahezu erschöpft ringt er nach Atem.“ mein verfluchtes Asthma“, denkt er,“ muss wohl den alten Doktor in der Kreisstadt wieder einmal aufsuchen.“ Er wirft einen kurzen Blick in den Pass des Laptopmannes und fragt ihn nach seinem Beruf.“ Ach Herr Oberzollbeamter, ich bin nur ein kleiner Schreiberling der über Mystik und Mythen des Balkans während der 500jährigen Besatzung durch die Türken schreibt. “Der Zöllner scheint zu erstarren.“ Ja Mann, welchen Scheiss wollen sie mir denn da unterjubeln. Seine Stimme wird hart und scheppernd. “Sie und Schriftsteller, da grölen ja die Mäuse und die Schweine verenden an Lachkrämpfen. So einen Seich hat mir in meiner gewiss 30jährigen Dienstzeit noch niemand unter meine Nase reiben wollen! Mann, sind sie einem Irrenhaus abgängig? Brauchen sie vielleicht einen Arzt? Psychische Sofort-Hilfe? Heilige Mutter Gottes was mutest du mir alles zu?Säufer,Schmuggler,Schwerst-Kriminelle,Drogenkuriere,Papierlose, Halsabschneider, Terroristen, Nutten und deren Zuhälter, Ehebrecher, Pädophile, entweihte Priester und Pornografen, und jetzt, als Krönung sozusagen noch einen falschen Schriftsteller!“ Er fixiert den Mann, er tut dies unerbittlich-gründlich, nahezu stechend.“ Im Übrigen“, lamentiert er weiter,“ im Übrigen bin ich, der alte Josip, ein belesener Mann, dem man nichts aber auch gar nichts vormachen kann. Ich habe mir mein, gewiss umfangreiches Wissen, in der Leihbücherei unseres Dorfes angeeignet. Auch hat mir meine liebe, frühverstorbene Ehefrau Irina, Gott hab sie selig, jeweils zu Ostern und am Feste Christi schöngeistige Bücher geschenkt. Die habe ich dann, der vielen Stromausfälle die unser Dorf heimsuchen wegen, oft bei Kerzenlicht gelesen, nahezu verschlungen. Wissen sie denn, sie Furz, wer mich seit vielen Jahren begleitet?“ Nein, ich will es ihnen sagen, Hölderlin, Kant, Thomas Man, Schoppenhauer, Freud, Jan Lüthy’s „Snobless Oblige“, Tucholsky, H.H.Kirst, Gottfried Keller und natürlich auch Väterchen Lenin!“ Er seufzt leise, sein Blick wirkt verklärt und er ist stolz. Ein Sohn der Puszta eben. Edelmütig, warmherzig, der Scholle und dem Schöngeist treu, und wie wir jetzt wissen..........belesen!
„Also wie denn, was denn“, jetzt schöpft der musische Zollbeamte tief Luft um unbeirrt und mit enormer Lautstärke weiterzufahren:“ Was sie Wicht, haben sie den geschrieben? Hat man je eine durch sie verfasste Zeile gedruckt? Mann sie sind wohl ein „Vondenandernabschreiber“. Heraus mit der Wahrheit!“
„Na ja“ erwiderte jetzt der Mann und sieht zum Zollbeamten hoch. Er scheint amüsiert zu sein,“ mein Erstling war ein Roman der im Mafiamilieu spielt,“ Die wundersamen Geschichten des Don Pipo“, dann war da noch..........“
„Allmächtiger, grosser, gütiger Gott, heilige Mutter Maria“, der Zöllner wird blass,leichenblass und sein ganzer Körper zittert wie Espenlaub. Sein Hals schwillt an und kalter Schweiss tritt auf seine Stirn. Er reisst sich den Schlips vom Hals, wobei drei Hemdknöpfe zu Boden fallen. Die Mütze liegt längst am Boden und er trampelte wie wild auf ihr rum. Jetzt stiert er den Fremden mit feuchten Augen an:
„Heilige Dreifaltigkeit, gebenedeite Jungfrau das ich das erleben darf.“
„Sie müssen Pit Staub sein....... aus der Schweiz!“
Josip weint.


Jagodina/Serbia im Oktober 2001
Landquart/Schweiz

 

Hallo Pit

Wunderbare Geschichte mit einer lustigen Wende im ersten Teil...
Sehr gut erzählt - Geschichten zum süchtig werden.
Ich freu mich schon auf "Der Polterabend"!
Weiter so!

Väterchen Lenin!“ Er seufzt leise, sein Blick wirkt verklärt und er ist stolz. Ein Sohn der Puszta eben. Edelmütig, warmherzig, der Scholle und dem Schöngeist treu, und wie wir jetzt wissen..........belesen!

 

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