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Die Nadelspitze oder Das Werkzeug der Verdammnis

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04.02.2005
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Die Nadelspitze oder Das Werkzeug der Verdammnis

Langsam schlich er sich durchs Unterholz. Sein langer Mantel hing nur noch in Fetzen an ihm herunter und die schwarzen Stiefel hatten längst ihren einstigen Glanz verloren. Die Dunkelheit hatte sich allmählich herabgesenkt und hier und da konnte man die klagenden Laute der Käuzchen und Uhus vernehmen. Weit entfernt heulte ein wilder Hund den schaurig-schönen Vollmond an, der wie zum Greifen nah am Himmel stand.
Es raschelte leise, während er sich vorsichtig voranwagte. Nur einen halben Meter neben ihm fiel der Pfad steil ab. Bloß keinen Fehler machen, ermahnte er sich, sonst ist alles vorbei. Ein kalter Windzug umstrich seine krumme Nase und leckte wie eisiger Atem an den Stoppeln seines Bartes. "Verdammte Kälte", brummelte er vor sich hin und schob mehrere Äste beiseite. Sie gaben den Blick auf ein weitläufiges Tal frei, das sich unter ihm erstreckte. Behutsam kletterte er an einer dicken Baumwurzel auf den unbefestigten Weg darunter und ließ sich geräuschlos fallen.
Dann sah er sich nach allen Seiten um.
Er unterdrückte den Impuls, erleichtert aufzuatmen, denn man konnte nie wissen, ob nicht doch einer von ihnen irgendwo versteckt hinter einem morschen Baumstumpf lauerte oder kopfüber in den Wipfeln hing und die Umgebung mit roten Augen überwachte. Sogleich wandte er sich wieder dem Weg zu. Er führte fast geradewegs ins Tal, es gab nur wenig Deckung, doch somit auch weniger Orte, an denen sie sein konnten. Eine Wolke schob sich vor den Mond und nahm ihm die Sicht.
Er zog seinen Mantel enger um die breiten Schultern und tat einen energischen Schritt nach vorn. Bange machen gilt nicht, lautete seine Devise, und er wollte sie auf keinen Fall durch diese Biester zunichte machen lassen. "Das wäre ja noch schöner", murmelte er und zog die Nase hoch. Die Sterne über ihm leuchteten matt wie verblichene Glühwürmchen am Morgen und schienen ihn wie Tausend blasse Augen zu beobachten.
Stück für Stück legte er behutsam auf dem mit trockenem Laub bedeckten Weg zurück und roch den vermodernden Geruch der Blätter. Dieser erschien ihm unwahrscheinlich stark, je weiter er hinabstieg. Wäre es vielleicht möglich, dass?? Ein seltsames Gefühl überkam ihn. Etwas, das er nie verspürt hatte, und was doch eines der urältesten auf Erden war. Es trat als Warnung, als Mahnung oder auch als Einbildung auf. Nur dieses Mal war es eine wachsende Gewissheit. Jene Ahnung, war es, die ihm die Kehle zuschnürte, ihm den Schweiß aus den Poren trieb und sein Herz zum Rasen brachte.
Wie vom Blitz gerührt blieb er abrupt stehen und versuchte durch das Halbdunkel vor sich etwas zu erkennen. Im selben Moment gab die Wolke den Mond wieder frei und er sah unweit von sich entfernt eine einzelne Gestalt lässig an einem Baum lehnen. Ihre hellblonden Haare hingen ihr teilweise als Locken ins Gesicht und ließen dieses dadurch ungeheuer blass erscheinen. Durch den Schatten der umstehenden Bäume war es unmöglich, die Kleidung zu erkennen, doch er wettete, dass es nur Schwarz sein konnte.
Die Gestalt hatte die Arme vor sich verschränkt. Weiße, schmächtige Hände glänzten matt im Dunkel und blieben unbeweglich wie die einer Marmorstatue. "Ich habe dich bereits vor einer halben Stunde erwartet", zischte die Gestalt und kam in fließenden Bewegungen auf ihn zu. Er wich geschockt zurück. "Wer ... wer sind Sie?", stammelte er mit einer piepsigen Stimme, die er von sich überhaupt nicht kannte.
Kalte, blaue Augen leuchteten im Antlitz seines Gegenübers auf und ein blassroter Mund war darin zu erkennen, als er weiter ins Licht trat. Sein nachtschwarzer, mit dicken Knöpfen besetzter Mantel reichte bis zum Boden und betonte seine mädchenhaft schlanke Figur. "Aber Magnus", sagte er in belehrendem Tonfall. "Weshalb stellst du Fragen, deren Antworten du dir selbst geben kannst?"
Magnus schluckte. Woher kannte dieser ... Herr seinen Namen?
"Ist es nicht gefährlich hier? So ganz ... allein?" Der Fremde ließ seinen Blick prüfend durch die Umgebung schweifen und nahm dann wieder Magnus in Augenschein. Dieser wich weiter zurück, denn ihm war etwas an dem Fremden aufgefallen. Er verfluchte sich dafür, dass er zu so später Stunde - bei Nacht! - das schützende, warme Heim verlassen hatte. Wie gefühlslose Puppenaugen fixierten ihn die hellblauen Punkte im Gesicht seines Gegenübers. Mehr und mehr schienen sie ihre Farbe zu wechseln.
"Magnus", fuhr der Fremde mit rauer Stimme fort, "nie wieder wird es einen Sonnenaufgang für dich geben." Er schluckte. "Sie ... Sie können mir keine Angst einjagen", erwiderte Magnus und hob demonstrativ den Kopf. "Tatsächlich?"
Der Fremde lachte kurz auf. Es klang wie geborstenes Metall. "Ich weiß, was in dir vorgeht. Du bist uns gar nicht so unähnlich. Immerhin" - er machte einen weiteren Schritt auf Magnus zu, wobei sein Mantel leise raschelte - "hast du mehr oder weniger dieselbe ... Waffe benutzt, um deinen Willen geschehen zu lassen." Magnus war verwirrt. Sein Gegenüber grinste nur, war jedoch darauf bedacht, die Lippen nicht zu hoch zu ziehen.
"Na komm schon", forderte er ihn auf. " Zeig mir, mit welcher Waffe du gemordet hast!"
Beim letzten Satz war eine orkanartige Windböe von ihm ausgegangen, die Magnus ins Gesicht schlug und zu Boden wirbelte. Als er aufblickte, standen ihm seine brünetten Haare wie zerlaufene Farbfäden in der Miene, die das Gefühl zeigte, das für ihn bis dahin so unmöglich schien wie ein Spaziergang auf dem Mond. Angst.
Der Fremde lächelte mit Genugtuung und schaute überlegen auf ihn herab. "Nun?"
Zögernd griff Magnus in seine weite Manteltasche, wobei er aus seinem Zittern kein Geheimnis mehr machte. "W... w... wenn Sie d... d... das m... meinen, dann ..." Er förderte einen winzigen, dünnen, metallisch glänzenden Gegenstand zutage und hielt ihn in seiner vom Schmutz und Staub des Weges bedeckten Hand dem Fremden entgegen.
"Ja, fürwahr ein beachtlich kleines Werkzeug", meinte dieser anerkennend. "Kaum vorstellbar, dass man damit einen Menschen umbringen könnte, aber was hältst du denn ... hiervon?" Er griff Magnus grob ans Kinn, damit dieser ihn ansah, und bleckte die Zähne. Magnus versuchte sich loszureißen, doch der Fremde hielt ihn locker mit nur einer Hand in Schach. Der Geruch nach Tod, den er schon beim Abstieg wahrgenommen hatte, wurde nun unerträglich. Doch was noch viel schlimmer war und sich jetzt als wahr herausstellte, waren die langen, weißen Dornen, die wie Diamanten im Licht funkelten. Als er sie vorhin meinte zu sehen, tat er sie leichtfertig als optische Täuschung ab, aber jetzt bestand kein Zweifel mehr:
Der Fremde war einer von IHNEN.
"Was ... wollen ... Sie von ... mir?", brachte er unter schweren Atemzügen hervor. Der Fremde grinste und leckte sich genüsslich über die Lippen. "Ich werde dich mittels der mir verliehenen Macht mit in die Dunkelheit hinabziehen. Du wirst sterben", verkündete er und sah Magnus mit seinen stechenden Augen wie ein konzentrierter Magier an.
Panisch versuchte Magnus, sich zu befreien, doch sein Gegner schien die Kraft eines ganzen Dutzends seiner Art in sich zu vereinen. "Sie können ... mir ... nichts anhaben!", schnaufte er, wobei er den aufsteigenden Würgereiz unterdrücken musste, den der faulig stinkende Atem des Fremden auslöste.
"Du kannst mir nicht entkommen", meinte er lächelnd und ein schauriges Heulen gesellte sich zu den vertrauten Geräuschen der Nacht. Der Urheber jenen Heulens konnte nicht mehr weit entfernt sein.
"Hörst du? Er wartet bereits." Wieder erklang es. Diesmal aggressiver, ungeduldiger. Seltsam vertraut, doch irgendwie ... verfremdet hallte es in Magnus' Ohren wider.
Die Augen seines Gegenübers waren tief und unergründlich wie der Strudel der Zeit, in welchem er zu ertrinken drohte. Sie gewannen an Macht, je verzweifelter er sich bemühte, bei Verstand zu bleiben; er war kaum mehr in der Lage, klar und frei zu denken.
Als das Jaulen ein drittes Mal erschallte, schien bei ihm der Groschen gefallen zu sein. Ein ersticktes Schluchzen entrang sich seiner trockenen Kehle. Tränen traten ihm in die Augen und er schluckte schwer. Seine Knie drückten sich hart in den Untergrund, verursachten Schmerzen, die ihm kribbelnd den Rücken hinaufwanderten und im Kopf wie ein Bohrer herumstocherten. Dennoch zwang er sich zur Beherrschung, wenngleich diese auf ein äußerst geringes Minimum geschrumpft war. "Was hast du mit ... Bobby gemacht?", krächzte er.
Der Fremde grinste wieder und entblößte seine langen Hauer, die im funkelnden Mondlicht wie große Haifischzähne aussahen. "Er war schwer krank, der arme Junge", erklärte er in einem sarkastischen Unterton. "Ich habe ihn geheilt; er wird nie wieder Schmerzen empfinden ... und auch der Tod wird ihn nun nicht mehr auf die Schippe laden können", fügte er nach einer gekonnten Kunstpause hinzu.
Magnus' Gesicht verzog sich zu einer verzweifelten Grimasse. Er wusste, was dies zu bedeuten hatte. Der Fremde, der eindeutig jener Sorte Wesen angehörte, die außerhalb der Natur standen, sprach die Wahrheit. Sein Adoptivsohn war nun auf ewig seiner Seele beraubt und auch der Himmel würde ihm niemals mehr offen stehen. Mit den nadelspitzscharfen Eckzähnen und einem unstillbaren Durst hatte der Fremde ihm die Hoffnung auf Erlösung genommen. Aber gab es da nicht eine gewisse Parallele zwischen ihm und dem Fremden? Denn auch er war nicht gerade die Unschuld vom Lande.
Als Jüngling hatte er sich in seinem früheren Wohnort verbotenerweise mit der Dorfschönheit Marie, die zugleich die Tochter eines reichen Kaufmanns war, an einem entlegenen Platz getroffen und ihr häufig Geschenke gebastelt, da er nicht sehr wohlhabend gewesen war. Einmal hatte er ihr aus glänzend weißem Papier eine originalgetreue Rose gefaltet, die gut zu ihrem langen, schwarzen Glockenkleid passte, das sie wie einen trauernden Engel aussehen ließ mit ihrem wallenden, hellblonden Haar.
Natürlich war sie begeistert von seiner Handwerkskunst und bat ihn sogleich, die zierliche Papierrose zu befestigen. Und da er gerade nichts Anderes bei der Hand hatte, zog er eine dünne Nähnadel aus der Tasche seiner ausgewaschenen Hose. Mit den feierlichen Worten "Mit dieser Rose werde ich mich an dir verewigen" wollte er ihr das liebeserklärende Schmuckstück soeben anbringen, als er plötzlich einen wütenden Aufschrei hinter sich vernahm. "Du räudiger Bettler! Rühr meine Tochter nicht an!"
Vor Schreck waren seine Finger abgerutscht und die Spitze der Nadel hatte sich tief in das Herz seiner Geliebten gebohrt. Diese hatte ihn ebenso geschockt angesehen und nach Luft geschnappt. Schon war ein dünnes Rinnsal zu erkennen gewesen, das sich auf dem kostbaren Stoff als dunkle Flecken abzeichnete und noch bevor ihr Vater sie beide erreicht hatte, war sie in seinen Armen verstorben.
Als man sie in der Dorfkapelle aufgebahrt hatte, war er in einem unbeobachteten Augenblick zu ihr herangeschlichen und hatte ihr zum Abschied einen Kuss auf ihr ausgeblutetes Herz gegeben, auf dass ihm verziehen werde. Doch es hatte nichts genützt. Alles war umsonst gewesen und ihr Vater hatte ihn mit Schimpf und Schande davongejagt.
Von da an hatten die Träume begonnen. Süße Träume, in denen sie glücklich miteinander vereint waren. Seine Sehnsucht nach ihr war nie völlig verloschen und schien mit jedem Verdrängungsversuch nur noch stärker zu werden. Noch heute, selbst in diesen Momenten der Angst um sein Seelenheil, glaubte er den süßen, schweren Blütenduft jenes Abends zu riechen, der ihn, vermischt mit ihrem dezent aufgetragenen Parfum, regelrecht betäubt und seiner Sinne beraubt hatte. Um über die Trauer ihres Verlustes hinwegzukommen, hatte er sich abgesetzt und einen kleinen, halb verhungerten Jungen aufgenommen, welcher ihm all die Jahre ein treuer und teurer Freund geworden war.

"Und jetzt wird er ein noch besserer Gefährte sein", riss ihn der Fremde aus seinen Gedanken. Magnus blinzelte schwach. In seinem Kopf drehte sich alles und versonnenen Blickes sah er dem Blassen in die durchdringenden Augen, in welchen er langsam versank wie in tiefem, bodenlosem Wasser. Ein leises Rascheln neben ihm, gefolgt von einem schnellen Hecheln, drang an sein Ohr, doch er hatte nicht mehr die Kraft und den Willen, den Kopf zu drehen.
Der Fremde bettete ihn behutsam auf den staubigen Weg und beugte sich zu Magnus hinab. Sein Gesicht veränderte sich leicht, wurde femininer und die Haare länger. Dann flüsterte eine helle Frauenstimme: "Nun werden wir endlich gemeinsam einhergehen und niemand, nicht einmal der Tod, wird uns trennen können." Magnus gab keine Antwort darauf. Seine letzten verbliebenen Verstandskräfte starteten einen finalen, vergebens unternommenen Hilfeschrei, doch dieser verhallte im Nichts, als sich Maries scharfe Zähne in sein Herz bohrten und sie genüsslich aufsaugte, was sich aus den kleinen Wunden ergoss. Sie waren so groß wie Nadelstiche.
Von Nähnadeln.

 

Hi Sandra

so das Positive vorweg: die Atmosphäre in der Story hat mir gut gefallen. Damit hast du eigentlich schon die Basis für eine gute Geschichte gelegt.

Die Charakterisierung deiner Protagonistin hast du auch gut hinbekommen. Nur er bleibt ziemlich blass.

nur die Handlung ist nicht wirklich logisch. Dass man jemand mit einer Nadel aus Versehen ins Herz ersticht halte ich doch für äußerst unwahrscheinlich. Man (und besonders Frau ;)) ist ja gerade da besonders geschützt. Und warum sollte sie sich dann in einen Vampir verwandeln :confused:

Außerdem ging mir das Ganze viel zu schnell. Lass sie doch noch ein bisschen Katz und Maus spielen. Dass er sich noch ein bisschen mehr wehrt. Und die Umstände ihres Todes solltest du auch noch ausbauen.

Also mit ein paar Renovierungen und der Atmosphäre kann die Geschichte ziemlich gut werden

Grüße
Texter

PS. Könntest vielleicht mal bei anderen gucken und kommentieren

 

Hallo Sandra,
Obwohl ich Vampirfan bin hat mir deine Geschichte nicht so gut gefallen. Mir fehlte vor allem die Erklärung weshalb sie Vampirin wird.
Zudem dachte ich sie würde ihn lieben, warum will sie ihm dann den Untod schenken?
Vampire sind so gut wie immer nah am Wahnsinn, (okay ist meine Erfahrung *grins*) und das ewige Leben ohne Sonne hinterlässt Spuren an der Psyche. Sie leidet, warum hasst sie ihn? Ihr Tod war ein Unfall. Und ihn aus Rache zu einem der Ihren machen? Ich weiß nicht, dann wäre ein Verfluchen im Moment des Todes sinnvoller gewesen.
Allerdings ist die Atmosphäre wirklich gut getroffen.

soweit, ergebenst
Harlekin

 

Tja, das sind interessante Ansätze. Stimmt schon; wenn ich darüber nachdenke, ist es unlogisch, aber sie wollte ihn einfach über den Tod hinaus lieben und sah darin die einzige Möglichkeit, dies zu tun. Und dass man jemanden nicht mit einer Nähnadel töten kann, ist mir wohl bewusst, aber ich dachte mir, ein mysteriöses Element gibt dem Ganzen ein gewisses Interesse.
Trotzdem danke für eure Tipps. Es ist gut, andere, Außenstehende etwas lesen zu lassen, weil sie unvoreingenommener sind als der Schreiber selbst, der sich ja sein eigenes Bild von seinem Werk schafft. Sobald ich Zeit habe, werde ich meinen Beitrag überarbeiten.
Bis dahin, bleibt kritisch ;-)

 

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