Die Nutte und der König
Dichter Nebel erfüllt die nassen und kalten Straßen der Stadt. Gullydeckel geben diesen Nebel ab, der aus tausenden Fäkalien stammt, die unter diesen Straßen ihren Weg zur Kläranlage angetreten sind. Leise pfeift ein Lufthauch und verteilt den Dampf überallhin.
Gestalten flitzen herum, vermummt in schwarzen Kleidern und schwarzen Schuhen. Sie sind fast unsichtbar, nur kurz stören sie die Harmonie des Partikelschauspiels. Es sind hunderte, vielleicht sogar tausende, genau kann man es nicht sagen. Sie steuern alle wie ein riesiger Vogelschwarm in eine Richtung, jeder bewaffnet mit Hass und Rache. Ihre Augen sind das einzige, das man in der Nacht noch sehen kann. Sie glühen vor Zorn und Verzweiflung. Jedem, der sie alle beobachtet, fällt eines auf: sie sind auf der Jagd. Fleischfressende kleine Vögel die hungrig nach Verderben und Blut sind. Die große Frage ist nur, wo sie ihre Beute reißen werden. Kein Geräusch ist von ihnen wahrzunehmen, nur der Wind pfeift seine eisige Melodie, ganz so wie auch davor, als sie noch nicht die Dunkelheit gebar.
Das Auge folgt ihnen, um Ecken, durch Häuserschluchten, Unterführungen, an Autos und Menschen vorbei. Immer noch ist nicht ersichtlich wohin der Schwarm der Mörder steuert. Nur das Auge sieht sie. Wenn es genau aufpasst. Und dann bleiben sie stehen. Vor den vielen Gestalten ist ein Mann zu sehen, der Behangen ist mit Gold und Diamanten, wie ein König. Er hat seine Hose heruntergelassen und eine jämmerliche, ausgedörrte, hässliche Gestalt steht vor diesem Menschen, den Kopf langsam vor und zurück bewegend. Es ist grausam mit anzusehen, wie die zerstörte und gebückte Gestalt sich des Geldes wegen erniedrigt. Währen die vielen Drogen und Männer in ihrem Leben nicht, hätte sie es niemals geschafft, sich und ihren kleinen Sohn am Leben zu halten.
Alle die dunklen Gestalten haben sich jetzt vor dem dreckigen König aufgestellt und beobachten ihn. Er merkt nichts, nur das kniende Etwas sieht was vor sich geht. Sie steht auf, reißt panisch die Augen auf, fängt an zu schreien und fällt hin. Der Kreis schließt sich um den König, der wild fluchend versucht, die kleine Nutte zu schlagen. Doch er kommt nicht so weit. Noch während er im Begriff ist seine Hand zu heben, hört die Zeit auf zu fließen. Wie in einer künstlichen Szene aus Stein und Wachs steht alles Leben still.
Sie fallen über den König her, zerfetzten seine Kleider und fressen seine Haut, bis nur noch ein mageres Skelett übrig bleibt. Man sieht des Königs Eingeweide. Das Herz schlägt nicht, es ist erstarrt. Eine der Gestalten packt es sich und reißt es aus der Rippenhöhle heraus, als habe es schon zu lange in seinem dicken Nest gepumpt und dort zu viel Leid und Schmerz verursacht. Sie wirft das Herz auf den schmutzigen Boden und quetscht es mit ihrem Schuh durch die Öffnung eines jener Gullydeckel.
Die Gestalten lösen sich in einem ekelerregenden Dunst auf und die Zeit nimmt wieder ihren Lauf. Der König ist nicht gefressen! Doch, die Hand zur Hälfte hebend, fällt er wie ein toter Sack zu Boden und bleibt dort liegen bis er zu dem Skelett wird, welches das Auge vorher wahrnahm.
Die Nutte steht wieder auf, sieht sich um, merkt was passierte und fängt an, die Leiche zu schänden. Wie eine Hyäne steht sie über ihm, reißt alles das Glitzert und Funkelt vom gefallenen König weg, blickt sich verstohlen um und steht, gestützt von kranken, dünnen Beinen, auf. Sie schlägt jetzt in blinder Wut auf ihn ein, bis die Beine das traurige Schauspiel nicht mehr mitmachen und läuft dann so schnell es geht auf ihren krakeligen Stelzen davon.