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Die Pariser Metro
Ich kratzte mir die Nase und nahm die abgestorbene Haut ab. Ich zog einfach die oberste Schicht ab, und die Nase blieb ein weißer Fleck, mitten in meinem braunen Gesicht.
„Mensch, ist ein langer Streifen“ sagte Ella, mir gegenüber sitzend, meine tote Haut in meiner Hand betrachtend. Ein Zigeuener begann zu spielen und ich dachte mir, die Pariser Metro hat schon was an sich.
„Stell dir mal vor, alle würden ihre Haut so abziehen und sie da liegen lassen“, sagt Ella. Und ich denke mir, jetzt fehlt nur noch eine fliegende Braut und ein paar Hühner, die mit ihren Flügeln klatschen, und die Inszenierung einer „Kusturica Szene“ wäre perfekt.
Wir stellen uns vor, wie die überfüllte Pariser Metro wohl aussehen würde, wenn alle ihre Häute so im vorbeigehen hinterlassen würden. Es wäre ein Haufen Häute, so viel, dass alle drüber steigen und manche sogar drauf sitzen würden. Wie skurril, die Vorstellung.
Die Metro fährt weiter und der Zigeuner ist nicht zu überhören, und wir sind doch „straight“ Ella, oder? Wie würden wohl die Taschen und Schuhe aus menschlicher Haut aussehen? Vorausgesetzt man nimmt nicht die Orangen-Haut, oder vielleicht doch? Mann nimmt auch alle Narben, Tatoos und Implantate mit. Dann wären sicher alle Tierschutzvereine glücklich und zufrieden, keine Schlangen- Tiger- und Co-, bloss Homo sapiens- Taschen und Schuhe. Ob die günstiger wären?
„Ein Möbelstück mit menschlicher Haut überzogen wäre eine einmalige Diplomarbeit“, denke ich mir laut, während wir weiterfahren und keine fliegende Braut und (Gott sei Dank) keine Hühner in Sicht sind. Das Geklapper der Metro begleitet uns weiterhin.
„Entweder schmeissen die mich dann raus, oder machen Schlagzeilen mit mir“.
Ein umgedrehter Hut steht zwischen uns, aufs Geld wartend. „Kein Kommentar Blicke“ wechseln wir ab, Ella und ich. Ist doch Mittag erst, und lebt Herr Kusturica nicht in Paris?
„Ein Sessel mit menschlicher Haut überzogen, und ich sag´s erst bei der Diplompräsentation, was für prachtvolles Material das sei.“
Wir steigen aus, nachdenklich. Gehen die Pariser Metro Gänge entlang, endlose Gänge. Hier wäre viel Haut zu finden, denke ich mir, sage es aber nicht.
„Und was? Minenfelder sind etwa O.K?!“, meint Ella laut.