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Die Phantastik in der Literatur

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01.05.2009
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Die Phantastik in der Literatur

Spekulative Fiktion / Phantastik – Genres und Subgenres chronologisch nach Ersterscheinung Romane

Science Fiction
Erster Vertreter Thomas More: Utopia (1516, GB)

Zwei Hauptkategorien: Hard Science Fiction und Soft Science Fiction
- Klassische SF, Weltraumabenteuer, Zeitreisen
- Utopie, Dystopie, Postapokalypse, sozialkritische und politische SF
- Steampunk, Alternative History / Parallel Universe
- Cyberpunk (1990er -), Space Opera, Bio-SF, Alien/Space Horror


Horror
Erste Vertreter

Das Kernstück bzw. Grendel-Erzählung im Beowulf (Legende um 600 CE, Skandinavien & Niederschrift um 700, England)
Prosagedicht Marie de France: Bisclavret – Der Werwolf (12. Jh, Frankreich)
Roman: Horace Walpole: The Castle of Otranto (1764, GB)

Historisch hauptsächlich:
- Schauerromane (dt. Romantik)
- Penny Sheets (Kurzgeschichten, Fortsetzungsnovellen)
- Gothic Novel
Bis ins Spätviktorianische Zeitalter unterteilt in
a) Horror: das Sublime / Erhabene sowie Abenteuergeschichten, in denen sich das Übernatürliche als realistisch herausstellt (heute kaum noch existent), und
b) Terror: das, was wir heute unter dem Horrorgenre verstehen.

Hauptkategorie: Weird Fiction / Horror
Subgenres:
- Klassische Gespenstergeschichten, Paranormale Thriller
- Horror mit Wurzeln in traditionellen Volkslegenden: Vampire, Werwölfe, Untote / Zombies etc.
- Moderne Gothic Novel (in den USA Subkategorie: Southern Gothic, 1990er -)
- Splatterpunk (90er) / Torture Porn / Extreme – hier auch, wenn keine paranormalen Elemente vorkommen, aber eine irreal anmutende Überhöhung der Täter stattfindet, v.a. bei Serienmorden, sexueller Gewalt, Kannibalismus -> Psychopathologie).


Fantasy
Erste Vertreter
Roman: George MacDonald: Phantastes - A Faerie Romance for Men and Women (1858, GB)

Die Kernerzählung von Beowulf passt hier ebenfalls.
- Heldengeschichten, Epen mit Phantastik-Elementen incl. historische Protofantasy, Kunstmärchen, moderne Märchen (Traditionelle Volkslegenden / Sagen und Schöpfungsgeschichten gehören nicht zur Phantastik, da sie als Mythen und nicht als rein fiktionale Geschichten verstanden werden.)
- High Fantasy / Klassische Fantasy
- Low Fantasy / Contemporary oder auch speziell Urban Fantasy, Science Fantasy
- Dark Fantasy (anders als die deutsche Bezeichnung Dunkle Phantastik): eher Liebesschnulzen
- Coming-of-Age / Jugendliteratur mit phantastischen Elementen
- Historienromane mit paranormalen Elementen (diese können auch, wie beim urspr. Horror, am Ende aufgeklärt bzw. rational wegerklärt werden)
- Sozialpolitische Fantasy


Magischer bzw. Spekulativer Realismus
Erster Vertreter Lewis Carroll: Alice in Wonderland (1865, GB)

Zwei Hauptkategorien: Südamerikanischer und Nord-/Osteuropäischer/Baltischer MR.
- Symbolismus
- Surrealismus (seltener Expressionismus) mit phantastischen Elementen
- Sozialkritischer bzw. politischer MR
- Fiktionalisierte Autobiographien


Anmerkungen:
Da es zwischen nahezu allen Genres und Subgenres der Phantastik Crossover gibt, sind diese nicht extra erwähnt. Besonders häufige Kombinationen mit anderen eigenständigen Genres sind: Erotik (bes. mit Horror und Fantasy), Krimi / Thriller (meist mit Horror, auch MR) und Romantik (mit allen außer Hard SF).

Der brutale Thriller mag von Horrorfans gelesen und in entsprechenden Verlagen angeboten werden, aber er gehört nicht in die Phantastik.

Graphic Novels können genug erzählerische Qualität haben, um als Literatur zu gelten. Es gibt literarische Comix in allen genannten Genres der Phantastik.

Traditionelle Volkslegenden und Schöpfungsgeschichten gehören nicht zur Phantastik und gelten nicht als Märchen, da sie nicht als Fiktion verstanden wurden bzw. werden.

New Weird ist ein in den USA verwendetes Marketing-Label für eine kleinere Gruppe amerikanischer Autoren, aber keine von der Literaturwissenschaft anerkannte Genrebezeichnung bzw. Kategorie.

 
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Diese kleine Übersicht lag schon länger auf meiner Festplatte, und da es hier einige Diskussionen um Genres und Zuordnung von Themen gab, stelle ich die jetzt mal ein.

Dabei fiel mir auf, dass Asterix einzelne Genres und Untergenres der Phantastik mit sehr guten und detaillierten Beschreibungen und mehr erzählerisch eingestellt hatte – da seine Einteilung (die so auch auf Wikipedia steht) aber Genres mit Untergenres und Themen auf teils einer Ebene vermischt, setze ich meine Liste als quasi Doppelpost extra. Sie ist die gängige Einteilung wie in den Literaturwissenschaften verwendet.

Sicher werden sich immer Subgenres finden, die hier fehlen, aber ich habe versucht, die jeweiligen Hauptströmungen zu nennen, so dass die Übersichtlichkeit erhalten bleibt.

Hier die Links zu Asterix Posts:
Phantastik: https://www.wortkrieger.de/showthread.php?61638-Genre-Fantastik
Fantasy extra: https://www.wortkrieger.de/showthread.php?61639-Genre-Fantasy

 
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Hallo Katla,

an sich Genre, die ich weiträumig umgehe, aber, wohlwissend, wie schwierig es ist, eine Systematik aufzustellen, lässt sie mich stutzen - aber wahrscheinlich nur, weil ich bisher nur sehr flüchtig mich für Literaturwissenschaft interessiert hab.

Aber wird Morus tatsächlich unter "SF" geführt, wo er doch lange vor Marx' Reich der Freiheit das Privateigentum anprangerte (wie ja auch Luther das Zinswesen - Geld kalbt nicht). Warum nicht gleich das Paradies als rückwärtsgewandte Utopie und die Offenbarung des Johannes als Apokalypse mit ihren Urgewalten nächst der Sintflut, wo schlicht der Meeresspiegel (oder auch nur der des Schwarzen Meeres) steigt ...?

Wieso wird dann Platos Staat - ein Vorbild des Morus - nicht genannt?

Und ist der Begriff "Alternative History" nicht nahe bei der alternativen Nachricht?

Warum taucht dann nicht der Siegfriedmythos (Drachentöter) parallel zum Beowulf auf? Oder gar das NIbelungenlied - immerhin wird darinnen von Siegfried ein Löwe gefangen im Rechtsrheinischen und selbst der mittelalterliche Hörer wusste doch, das es im Hessischen keine Löwen gab ...

Tatsächlich verschlüsselt der/die Autor/en den alten Mythos mit fränkischen und burgundischen jüngeren Sagen den Kreuzzug Barbarossas (weshalb Gibikungen/Burgunder - Barbarossa hat das historische Burgund sozusagen "heim ins Reich" geführt), nicht in der linksrheinischen röm. Germania, sondern in Ungarn an der Donau untergehen mussten, und Barbarossas Cousin, (Heinrich) der Löwe immer ein widerspenstiger Gefolgsmann blieb, den es zu zähmen galt.

Interessant wäre vielleicht noch, wo Löns' "Wehrwolf" eingruppiert würde ...

Halt Fragen eines Laiendarstellers ...

Tschüss

Friedel

 
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Lieber Friedl,

Danke für deine Rückmeldung. :-)

Einige deiner Anmerkungen und Fragen lösen sich, wenn du nochmal schaust, was ich geschrieben habe.

Die alten Griechen haben - soweit ich weiß ;) - nicht den Roman entwickelt, und diese Systematik geht wie gesagt nach Romanen, nicht nach Ersteinflüssen. Horrorgeschichten wurden sicher schon am Lagerfeuer erzählt, aber auch die Urzeitmenschen kannten keinen Roman. Und die Gothic Novel war eigentlich eine Gothic Short Story aus den Penny Sheets, aber auch dort: nicht das Medium, um das es hier in der Chronologie geht.

Zu dem Nibelungenlied siehe meine Anmerkungen zu Legenden und Märchen. Beowulfs Kernerzählung gilt eben durch die nicht-legendenhafte Fiktionalität / Erzählform als Vorläufer, nicht durch die Verwendung von phantastischen Elementen. Z.B. der von den christlichen Schreibern drangeklatschte Drachenkampf gilt - wie Siegfrieds Geschichte - schon nicht mehr dazu.

Klar kann man sich immer fragen, ob man der literaturwisschenschaftlichen Einordung 'privat' so zustimmt oder nicht, aber das war hier nicht mein Ansatz - ich wollte ich eine gültige Einordung für interessierte Schreiber hier, die einfach offiziell gilt.

Und nur, weil eine Einzelperson / du das Genre nicht magst, ist es ja nicht sinnlos, solche Kategorisierungen vorzunehmen, oder? ;) Ich hatte viele sehr spannende Seminare zur Phantastik, bei der es absolut keinen Grund geben sollte, sie stiefmütterlich oder abschätzig zu behandeln. Das kam schon in den 1800ern außer Mode, und jetzt so circa +250 Jahre später bin zumindest ich nicht mehr bereit, eine solche Haltung anzuerkennen. Damit disqualifiziert sich der Kritiker heutzutage selbst.

Ganz liebe Grüße (ist überhaupt nicht unfreundlich gemeint, aber das Thema "Ist Phantastik ernstzunehmende Literatur?" ist schon lange keines mehr),
Sonnigst, Katla

 
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Musst Dich nicht entschuldigen,

Katla,

ich habs ja gesagt, Laiendarsteller der ich bin. Und dass System(atik) norwendig ist, ist ja auch keine Frage.

Aber mir blutet das Herz, z. B. Morus unter SF zu finden, was auch Erarsmus v. Rotterdam verwirren könnte, hat der ja dieses Gespräch - nix anderes ist Utopia - angeregt. Immerhin hat Luther - mit dem Erasmus ja auch Verbindungen hatte - eine demokratisch-republikanische Neuerung in den Gemeinden eingeführt: Die Wahl der Presbyter als Repräsentanten der Gemeindemitglieder und das Recht des Presbyteriums, den Pfarrer selbst zu bestimmen, ohne ihn von Rom vorgesetzt zu bekommen.
Ob sich Luthers ähnliche Ansicht wie die des Morus zum Privateigentum durch seine Heirat und Übernahme eines größeren Anwesens und Haushalts gewandelt hat, weiß ich allerdings nicht.

Na, dass die Griechen nicht den Roman erfunden haben, wusste das Friedchen durchaus. Der Franzose hat schon mal das Wort erfunden und dann noch kräftig gereimt, was in einer Zeit herrschenden Analphabetismus' - der wir uns vorsichtig dank moderner Medien wieder annähern - den auswendigen Vortrag erleichtert.

Tschüss

Friedel

 

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