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Die Rückkehr der Dodos
Für Frau Satan
»Scheiß Stau!«, fluchte Satan. »Ich muss pissen wie ein Elch! Wasn los? Hat da vorne wer ne Taube überfahren?« Sie meckerte schon seit zehn Minuten in einer Art und Weise, dass selbst Darth Vader sich die Ohren zugehalten hätte. Die archaische Sprache, die sie dabei benutze, hätte jedem anderen Wesen die Zunge verknotet. Gott schien sich davon jedoch kaum beeindrucken zu lassen und ließ ihren Blick gelangweilt über die Essener Innenstadt schweifen. Der Regen prasselte munter und lautstark auf den schwarzen BWM, immer wieder neue interessante Muster auf den Scheiben hinterlassend. Gottes Zeigefinger lenkte einige Tropfen und malte mit ihnen Häuser, Blumen, Strichmännchen und schließlich die Weltformel in neun universellen Sprachen. Ihre Langeweile schien grenzenlos.
»Ich hab auch keine Lust auf Stau, glaub mir doch.« Gott seufzte.
»Kann nicht wenigstens die Sonne scheinen?« Während sie auf dem Fahrersitz hin und her rutschte, fixierte Satans Blick Gottes Kunstwerke. Sofort verdampften die Tropfen aus Angst, ihnen könnte Schlimmeres widerfahren.
Gott schüttelte den Kopf. »Du weißt genau, dass Petrus immer noch sauer auf mich ist.«
»Hat der Idiot dir immer noch nicht verziehn, dass ich seinen Bruder habe?«
Gott nickte resigniert.
»Nee is klar!« Satan schnaubte. »Jetzte bin ich es wieder Schuld, oder was?« Sie griff nach ihren Zigaretten und hielt Gott die Packung hin. »Kippe?« Während Gott sich eine ansteckte, formierte Satan die Tropfen auf der Frontscheibe zu einem Atompilz. »Lass uns Schluss machen mit dem Scheiß.«
Gott verschluckte sich am heißen Rauch. „Geht’s nicht etwas subtiler? Du willst doch nur aufs Klo, oder?«
Satan nickte eifrig und die Zigarette in ihrem Mund wippte auf und ab. »Jupp!«
»Okay.« Gott schnippte zweimal mit dem Finger.
Die Ereignisse überschlugen sich.
Der Regen vergaß vor Schreck einen Moment lang zu fallen, als der Boden zu beben begann und die umstehen Hochhäuser bedrohlich schwankten. Ein rhythmisches Brummen bahnte sich seinen Weg aus den Tiefen der Erde und ließ Satan entsetzt die Augen aufreißen. „Oh SHIT!“ Panisch blickte sie auf Gott, die in eine tiefe Ruhe versunken auf das Schauspiel der einstürzenden Häuser starrte. Die Autos vor und hinter ihnen verschwanden mit einem lauten “PLOPP”, als die überraschte Luft in die plötzlich leeren Räume fiel. Zwei Minuten und vier Sekunden später schien die Apokalypse vorbei.
Satan starrte auf die drei Meter Straße, die vor ihnen im Nichts verschwanden. Vor Schreck hätte sie sich fast in die Hose gemacht.
»Wie gedenkt Frau Gott uns von hier wegzuschaffen?« Sie bemühte sich ruhig zu bleiben, scheiterte aber an ihrem höllisch explosiven Temperament. Flammen glühten in ihren Augen und Schwefelgeruch erfüllte das Auto. Gott schaute ratlos auf das absolute Nichts vor ihnen.
»Öh ... irgendwie?« Sie schaute sich unschlüssig um.
Die Fahrertür knallte heftig. Gott beobachtete erschrocken, wie Satan auf etwa fünf Meter anwuchs. Ihre Haut färbte sich dunkelrot. Hörner aus Flammen schossen aus ihrem Schädel. Ihr Klumpfuß krachte auf den Asphalt, hinterließ ein tiefes Loch.
Gott öffnete vorsichtig die Autotür und murmelte: »Dass die Frau aber auch immer gleich so aus der Haut fahren muss.« Sich räuspernd schlich sie um das Auto herum auf Satan zu. »Frau Satan, kommen Sie, wir haben schon Schlimmeres überstanden. Denk nur an Odin und seine Eskapaden.«
Satan stierte wild auf Gott hinunter. »Klar, lenk nur ab. Ich muss pissen, Fraugottnochmal! Ihr Götter macht immer so einen verdammten Scheiß und ich halt meinen Kopf hin. Nie denkt ihr auch nur einmal nach.«
Gott kramte ihr Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer.
»Was solln das jetzt wieder werden?« Misstrauisch beäugte Satan sie.
»Ich ruf bei der Gewerkschaft an und erklär denen, dass die Apokalyptischen Reiter nichts damit zu tun hatten, was denkst du denn?«
Nach kurzer Schleimerei legte Gott wieder auf. »So das hätten wir. Nun öh... hättest du Lust auf nen Kaffee? Ich lad dich auch ein.«
»Nur wenn ich endlich auf ein gottverdammtes Klo komme!«
»Okay Sekündschen.« Gott öffnete die Fahrertür, griff in den Fußraum und zauberte sieben Einkaufstüten voll mit Schuhkartons hervor und hielt einige hoch.
»Hier, du trägst auch was.«
Grummelnd nahm Satan ihr die Tüten ab und schrumpfte langsam wieder auf Normalmaß. »Denk dran ich muss das Auto um sechs wieder zurückgeben, also merk dir die Stelle. Und jetzte mach hinne Mensch!«
Gerade als die Beiden auf göttliche, nicht näher bekannte Weise verschwinden wollten, begann das bisschen Boden unter ihnen erneut zu vibrieren. Satan schaute auf ihre Füße und verdrehte die Augen »Was hast du nun wieder gemacht? Mah... ich platz gleich.«
Gott sah hilflos ins Nichts. »Ich hab nichts gemacht! Ehrlich.« Im leeren Raum vor ihnen begann ein kleines, blaues Licht zu leuchten.
Satan staunte »Scheiße, du erschaffst noch ein Universum? Eins reicht dir wohl nicht. Na hoffentlich hat das da Klos.«
»Ich tu wirklich nichts!« Gottes Stimme überschlug sich fast.
Das Licht vor ihnen breitete sich immer weiter aus, bis es schließlich die schmächtige Gestalt von Petrus annahm - auf seiner Schulter seine Katze Mimi. Satan stöhnte. Sie hasste Katzen! Eine Toilette wäre ihr weitaus lieber gewesen. Aber man bekommt schließlich selten was man will.
Petrus Augen blitzten wütend, als er zu sprechen begann. »Was soll der Scheiß?« Als er merkte, dass seine Stimmbänder noch nicht bei ihm waren und er sich anhörte wie ein Clown auf Helium, räusperte er sich. »Was soll der verdammte Scheiß? Ahh schon besser. Wie konntet ihr es wagen die Welt zu vernichten? Die ganzen Pflanzen, die Tiere ... den Papst!« Er holte rasselnd Luft. »Wer soll denn jetzt die Gläubigen auf den rechten Weg führen?«
Gott zuckte mit den Schultern. »Welche Gläubigen?«
Satan drehte sich grinsend weg und hüstelte dezent. Petrus Blick wanderte von einer zur anderen und wieder zurück. »Ihr verarscht mich wohl?«
»Nee.« Gott schaute ihn erstaunt an. »Sollten wir etwa?«
Satans Druck wurde schlimmer und ihre Gesichtszüge verhärteten sich. »Scheiße Gott! Tu was, bitte.«
Petrus starrte Gott an. »Aber ... aber ... das ist nicht fair.« Er verschluckte sich fast. »Ich hab mir soviel aufgebaut ... mein eigenes Imperium. Was soll ich noch hier, wenn keiner mehr da ist?« PLOPP und er war verschwunden.
Gott lächelte zufrieden. »Die Stelle wollt ich eh wegrationalisieren.«
Satan fing an, von einem Bein aufs andere zu hüpfen. Gott schaute sie mitleidig an und machte sich daran, die Welt neu zu erschaffen. Gedankenversunken erschuf sie einen Kontinent nach dem anderem. Etwas zupfte an ihrer Jacke, als sie gerade Europa formte. »Können wir Holland weglassen?«
Gott hielt inne. »Holland? Wieso Holland? Und man nennt das Niederlande.«
»Ja ... egal, wie man das nennt. Können wir es weglassen?«
Nachdenkliche Falten erschienen auf Gottes Stirn. »Wieso ist dir das plötzlich wichtiger als ein Klo?«
»Die haben meine Dodos ausgerottet.«
»Deine?«
»Ja, meine. Die Pokerrunde 1490, du erinnerst dich? Luzern? Neben dem Scheiterhaufen?«
Gott stöhnte. »Okay ... deine. Aber wieso soll Holland nun verschwinden?«
Satans Unterlippe bebte. »Die Dodos waren niedlich!«
Seufzend ließ Gott die Schultern hängen. »Okay ... schau mal.« Sie tippte auf einen Punkt im Indischen Ozean und erschuf dort eine winzige Insel. »Ich geb dir diese Insel und zwei Dodos, ein Männchen und ein Weibchen. Keine Ahnung, was du an den hässlichen Tauben findest, aber mach was draus!«
Satan hüpfte wieder von einem Bein aufs andere, diesmal jedoch aus Freude. »Aber einen Wunsch hätt ich noch.«
»Was denn?« Gott verlor langsam die Nerven.
»Mach mir ein verdammtes Klo!«
ENDE