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Die Ratte

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12.01.2007
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Die Ratte

Am späten Abend irgendeines beliebigen Tages streifte ein armer Tagelöhner, sein Name war Heinz Hermann, auf der Suche nach etwas Essbarem durch die menschenleere Stadt Bonga Wonga, als er dabei versehentlich eine Mülltonne umstieß, die laut scheppernd zu Boden krachte, und einige seiner zahlreichen Gläubiger aus dem Schlaf riss. Schon seit Monaten schuldete er ihnen eine gewisse Summe Geldes und andere diverse Gefälligkeiten, welche er seinen Gläubigern zurückzuerstatten nicht bereit war, und trotz seiner hastigen Versuche, zu entfliehen, waren schon nach kürzester Zeit jene Männer mit abgebrochenen Flaschenhälsen in den Fäusten zur Stelle, und bildeten einen Halbkreis um den armen Herrn, fest entschlossen, ihn (auf welchem Wege auch immer), von der Last seiner Schulden zu befreien.
Heinz Hermann, dem sein Leben zwar nicht besonders teuer, aber dennoch lieb war, wusste sich nicht zu helfen- sollte sein Leben auf so schändliche Weise enden? Er war doch noch jung, 53, um genau zu sein, und hatte sogar noch fast alle Haare auf dem Kopf. So zog er unter heroischen Gesten einen Flachmann aus der Jackentasche, und leerte ihn mit einem großen Schluck, bis seine Hände nicht mehr zitterten. Nun war er bereit, seinem Schicksal mit Würde entgegenzutreten. Doch plötzlich, als er die Hoffnung fast schon aufgegeben hatte, erblickten seine rot geränderten Augen einen offenen Schacht im Boden, einen offenen Gulli, in den er, ohne weitere Überlegungen anzustellen, sprang. Zu spät nahm er den stechenden Geruch der unter ihm liegenden Kloake wahr, und er holte tief Luft, als das faulige Wasser über seinem Kopf zusammenschlug, und ihn ganz verschluckte. Eine Ewigkeit verging, bis er wieder auftauchte, und seine Hände auf dem glitschigen, erhöhten Kanalrand Halt fanden. Als er endlich im Trockenen stand, durchnässt und stinkend (wenn auch sein vorheriger Geruch bereits kein lieblicher war), machte er einen Schritt vorwärts, und trat auf etwas Weiches. „He, pass doch auf, wo du hintrittst!“ fiepste eine dünne Stimme aus dem Dunkeln. „Wozu habt ihr Menschen denn Augen, wenn ihr sie nicht benutzt?“ „Wer ist da?“ fragte Heinz Hermann, und machte einen Schritt rückwärts. Zu seinen Füßen konnte er ein kleines, graues Pelztier ausmachen. „Verzieh dich“, piepste das Stimmchen unfreundlich, „du hast hier nichts zu suchen…“ „Ich werde nicht gehen, “ antwortete der Tagelöhner, „bevor du mir nicht sagst, was hier gespielt wird… wer bist du?“ Und er ließ seinen Fuß bedrohlich über dem Nagetier schweben. „Also gut…“ die Stimme wurde etwas kleinlauter „Ich bin Gott“.
Der Held unserer Geschichte blickte ungläubig auf das Nagetier. „Wie bitte? Du?“ Selbst, wenn Heinz an einen Gott geglaubt hätte, wäre es ihm schwer gefallen, den Schädling zu seinen Füßen damit in Zusammenhang zu bringen. „Du denkst doch nicht, dass ich dir das abkaufe. Was machst du denn dann bitteschön in der Kanalisation?“ Die Ratte verdreht die Augen, offensichtlich war sie Fragen solcher Art nicht gewohnt. „Ich verstecke mich, du Dummkopf, sieht man das denn nicht?“ „Und vor wem?“ „Vor Luzifer“. Eine Pause entstand, und das beklagenswerte Tier fügte erklärend hinzu: „ Wie du vielleicht weißt, kommen wir, also ich und meine Engel, ursprünglich aus dem Paradies. Den Schlüssel dazu hatte ich stets sorgsam verwahrt. Doch eines Tages schickte ich einen meiner Erzengel, Gabriel hieß er, um im Garten Eden nach dem Rechten zu sehen, und gab ihm jenen Schlüssel mit auf den Weg. Unglücklicherweise verlor er unterwegs den Schlüssel, der durch die Wolkendecke, geradewegs in die Hölle fiel. Luzifer, ausgerechnet dieser hinterhältige…. egal- jedenfalls fand er ihn, und mobilisierte all seine Teufel, um ins Paradies einzufallen. Ich… na ja, ich stand gerade unter der Dusche, und konnte nicht eingreifen, als sie das Schloss zum Himmelstor knackten, und in mein Reich eindrangen". Das Tier machte eine wehmütige Kunstpause. "Ich konnte gerade noch fliehen, und diese unwürdige Gestalt annehmen, der arme Gabriel jedoch…“ Das Tier blickte unglücklich auf ein Häuflein Federn zu seiner Linken. „Gerupft haben sie ihn. Und seitdem herrschen die Teufel über MEIN Reich! Oder was glaubst du, warum euer Planet den Bach runtergeht? Jedes Mal, wenn die Menschen zum Himmel beten, beten sie zu Luzifer- und das gibt ihm neue Kraft, für weitere Untaten, während ICH hier sitze, und auf jemanden warte, der mir hilft…“ Das Tier sah ihn mit bettelnden, tränenfeuchten Augen an. Das beseelte Heinz Hermann mit neuer Hoffnung, und mit großer Vorsicht nahm er die Ratte auf den Arm und kletterte die rutschige Leiter des Schachtes hinauf, wo seine Gläubiger noch immer auf der Suche nach ihm waren. „Da ist er ja!“ rief einer von ihnen, und die anderen kamen sofort herbei gerannt. Helles Licht umgab plötzlich Heinz Hermann, und er holte tief Luft. „Seht, wen ich euch hier bringe“, und er hielt die Ratte hoch über seinem Kopf in seinen Händen, und trat nahe an seine Gläubiger heran. „Er kann sprechen. Verkauft ihn an den Zoo, wir sind quitt“.

Später erzählte man sich, dass eine Gruppe Männer durch einen fahrenden Wanderzirkus sehr reich und berühmt geworden sei… aber das ist natürlich nur ein Gerücht.

 

Hi birdy,

und herzlich willkommen.
Bei der Geschichte hätte ich ja gedacht, wie wäre männlichen Ursprungs, was aber natürlich mehr über mich und meine Vorurteile verrät, als über deine Geschichte.
Auf alle Fälle fand ich sie amüsant, stilistisch sicherlich nicht großartig, in der Idee vielleicht sogar noch nicht völlig ausgereizt, aber besser unter- als überreizen.
Netter Nonsens für zwischendurch.

Lieben Gruß, sim

 

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