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Serie Die Salzkure

Seniors
Beitritt
28.12.2009
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Anmerkungen zum Text

Zweiter Teil der "Stechgroschen-Saga" um die beiden Bluthunde Schambatist und Traugott.

Die Salzkure

Die Brüh is gut. Geht tief inn Balch unds wärmts Herz.
Mit Mark ausm Knochen vom Hirsch sacht der Schankwirt und wischt mitem Tuch übern Tisch. Habts gut geruht dahinten im Kabuff.
Ich warn Stein die Nacht. So schwer un tot. E schwere Stein.
Der Schankwirt lacht.
Noch ne Schal. Habn ja n langen Weg vor uns.
Wollts nach Fenergierscheid aufm Rappen?
Wennst uns lässt.
Traugott stopft die Pfeife mit sei türkische Tabak.
Schaunwer wo der Werber uns hinhabn will.
Nach Salzkure sacht der Werber un setzt sich auf die Bank. Er kommt da ausm Schankhaus geschlichn mit seiner Joppe aus Brokat unm Hut. Da wirds gesammelt. Kennts ihr. Sacht ihr kennt n Jennes. Jennes is mein Nam',
Die Minen am Grenzeck zu Schwarzau meinst?
Des weiße Gold sacht der Werber. Weldergoven un Schwarzau, die wollens okkupieren. Doch die Schürfrecht gehörn ja doch dem Großherzog von Fenergierscheid.
Die gibter nich her. Denn da wirds geschachert.
Das Salz geht bis nach Schweden und Kleinarmenien un bis in de Ingelheimer Kolonien. Wer ‘s Salz hat, der lobpreist n Herrn!
Istn langer Ritt zur Salzkure … da möchtman was ze fresse un ze saufe habn un Strauchdiebe un andere Kalamitäten wartn noch auf einen da am Wegesrand sacht Traugott.
Der Werber stellt zwei Seckel aufn Tisch. Ich halts Wort. So isses immer schon gewesn.
Sin ja zwei ganze Tage aufm Rappen bis zur Salzkure.
Der Großherzog wird schon nich wegsterbn.
Herrn findwer ja viele aufm Weg sacht der Traugott. Kommst dann mit uns.
Der Werber schüttelt den Kopp. Ziehts bis nach Vierheilig. Da wartn noch andere gute Leut.
Die wirst da sicher finden.
Er nickt. An der Salzkure da wartens mit ner Kartätsche. Die liegen immerzu auffer Lauer. An manche Tagen lugen die Schwarzauer gern rüvver, wisst. Dann kriegn die wat vorn Kopp.
Wennd in Vierheilig durchkommst sacht der Traugott un nimmts Seckel in die Hand.
Ich hab ind Luft geguckt. Bin auf meinen Wegen auf keinen wie euch getroffen.
Auf kei Bluthund.
Sold is Sold sag ich un steh auf. Aber die Herrn, die feinen Herrn bleibn doch stets die gleichn.

Die Luft macht einem den Kopp klar. Manchmal denk ich, es riecht immerzu nach Blut, alles duftet nach Blut, wie innert Schlacht. Aufn Balch mitm Messer un das Gescheid raus un der Mann verstürbt langsam. So.
Das freie Jülich. Weizenfelder noch un nöcher. Wir reiten Schritt. Schauen in den Himmel. Brummerling un Buttervogl. Traugott mit seiner Pfeif. Bauern aufn Feldern mit ihr langn Sensn. Frouwe sacht Traugott. Frouwe sieksch! Er winkt ein paar Jungmädchen, die unter einem Lindbaum stehn.
In Fenergierscheid, beim Großherzog, da kauf ich mich bei ner Trosshur ein. Drei Tag lang! Nur aufn Abtritt geh ich da.
Sparst dir die Reppa. Holst dir eh nur n Schanker.
Du magst ja doch die Altchen in den Stuben, Schambatist, ich weißes nun einmal.
Allgemach spür ich die Jahr mijn Vriend. De Knochn. De Kopp. Verkehrt isn Altchen nich.
Beim Barras ind Palz da sachte einer, ein Mann hätt nur a gewisse Anzahl Schlachten in sich. An einem fernen Tage muss auch mal Schluss sei.
Mit nem großen Seckel voll Reppa in die Ingelheimer Kolonien. Da is immer werm. Noch n adrettes Altchen un dann wart ich aufn Gevatter Tod.
Traugott lacht. So einer wie du muss nich aufn Tode wartn, der kümmt so oder so.
Ich wink den Jungmädchen unterm Lindbaum. Na, so ne Hupfdohle täts auch.

Unds wird n schöner Tag. Die Sonne schingt herunter un wärmt unsere Köpp un das glatte Fell der Rappn un mir wirds schläfrig.
Hab Flammoh sacht der Traugott. Könnt ne zerschnittene Maus essn. Oder ne Säu.
Warts ab. In Letzeburg fressnwer Megries.
Bah! Mein Knan hat ja auch immer das Zeuch aus den Kalbsköppen gefressen wie nur was. Mit Rosmarin un Stücken vom Schwarzbrot im Feuer gebacken un so ausm Kessel gelöffelt. Pfui Deivel! Das gönn ich meinem ärgsten Feind nich!
Bist ja auch n Barbar. Meine Meuder war ne franzmännische, vergiss das man nich. Die hat die Singvögel mitm Garn gefangen un dann am Spieß gebraten, so dass es ne wahre Pracht war. Das Fleisch zerging dir auffer Zunge!
Jetzt gucken wa erstmal die Jungmädchen. Die Fenergierscheider brauchen gute Leut un mir sind gute Leut. Lass uns rumhaun mit einer von denen.
Wir zügeln die Rappen un steigen ab.

Die Jungmädchen tragen die reinweißen Röcke der Keuschheit, doch in ihren Augen blitzts ja schon auf, das unschuldigste Verlangen, nach dem sich jedes Männerherz immerzu verzehrt. Nach den Schlachten schlägt man in den Wirtshäusern oder den Zelten die Stunden tot miten Trosshuren, aber es sin ja doch nur ergraute Weibsbilder, die schon alles un jeden gesehen habn. Die ham rumgehaun mit Schweden un Dänen un Habsburgern un Landsknechten un auch den räudigsten Bauernjungen, die Schönheit ist ihnen auf den Feldern versickert gleich neben dem geschwärzten Blut un all den anderen gärenden Säften, die aus den Poren der fauligen Körper rinnen. Ihre Haut ist fahl un runzlig geworden, un immer mehr werden sie zu Skeletten, immer näher kommen sie dem Tode, nur wollen se eben nich alleine sterben.

Aber Schönheit, die reinste Schönheit, die, die wehtut wenn manse denn erkennt, die ist so selten wie ein Girasol, der edelste Stein den man in den Ingelheimer Kolonien kennt. So eine Schönheit ists, so hell un zart dass man se nich mal anfassen mag, dass man Furcht davor bekommt, se zerspringt in tausend Splitter, un so starrst du se an weißt nicht recht, was tun? Diese Schönheit, die wirkliche, die macht das mit einem, die lässt einen erstarren un verfallen in einen solch zauberigen Halbschlaf, dass sich dein Geist nicht mehr lösen mag, immerzu biste gefangen inner Schönheit un mit der Schönheit.

Die Jungmädchen heißen uns willkommen un sie lächeln ihr wundervollstes Lächeln, ein Lächeln dass man ja nur hat, wenn einem noch kein Leid widerfuhr, wenn man noch nix von den großen un lauten Schrecken der Welt weiß. Im freien Jülich ist es wahrlich ein Paradies, die fettesten Zölle un der Klerus ohne Befugnisse, der Handel blüht un die Handwerkerzünfte verarbeiten die besten Erze un feinsten Metalle. Die Klingen der Jülicher Messer zerschneiden Kehlen in aller Welt!

Lasst euch ansehen, ihr Jungmädchen, sach ich, un schon hat Traugott eine im Arm, sie versinkt ganz im Stoff seiner löchrigen Bluse un streichelt seine Narben un Blessuren un küsst sei Fratz.
Die hab ich von nem lausigen schwedischen Degen, sacht er un nimmt ihre Hand un legt sie auf sei Wang, mitten auf die Naht. Des nachts wirdse manchmal heiß, das kümmt vom Blut, wenns in Wallung is in den Träumen.
Sie lächelt keck un zeigt Zahn un Zunge.

Eine schaut ja aus wie gemalt, ihr Gesicht glatt un weiß wie feinster Marmor aus Griechenland, un ich wink sie heran un sag Alors, alors, meine Holde, meine Schönste!, gehn wir doch runter zum Fluss un sind dort unter uns, un sie schließt ihre Äuglein un legt ihre Hand in meine. Unten am Fluss ist die Luft kühl un riecht nach nassem Moos, das Gewässer steht nahezu in seinem Bett, so zäh un dunkel wie Molasse, un wir setzen uns ins niedrige Gras un schauen über die Weiden, zwischen den Linden stehen Gehöfte, die Dächer der Scheunen sin mit hellem Stroh gedeckt, fette Kühe un Schweine un Hennen, die Eier legen noch un nöcher, un ich sag ihr, wies is, manchmal denk ich dran, mich niederzulassen mitnem Weib, auf Deivel komm raus an nur einem Ort bleiben, sich setzen un nimmer aufstehen, Kinder inne Welt setzen solange bis der Fraiß sich die ersten holt, un da lachtse un sacht, komm, ich les dir ausser Hand, meine Mutter hats mir gezeigt, un die hats von ihrer, sliegt inner Familich, sachtse, un dann streicht se mir übern Arm un ich öffne die Hand un dann fährt se mitm Finger die dünnen Linien im Fleisch nach, un ich schau ihr in die Augen bisse se zumacht, sie ist so schön wie die Ammen auf den Gemälden der Flamen, eine Madonne die noch von nix Bösem weiß, un dann umschließt sie meine Hand mit der ihrigen, sie ist ganz klein un zart mit schlanken Fingern, ich könnt se so zerbrechen, die Hand, swürd gehen wie bei nem trockenen Ast, doch dann sachtse, schau her, du wirst durch ein dunkles Tal müssn, doch am Engk, da ist Licht. Am Engk ist immer Licht sach ich, wenn dus letzte Mal die Augen schließt un aufsteigst innen Himmel da fährst aufm Strahl davon, sLicht fährt dich zun Engeln hinauf. Da lacht sie. Komm, sachtse, komm her, un sie greift nach meinem Kopp un legt ihn in ihren Schoß un ich lieg da un schau in den Himmel un schau in ihre Augen, dann fängt se an, leis ne Melodie zu summen, wie tausend Immen in ihrm Rachen klingts, un ich merks in jem Knochen, szieht mich runter ins Dunkel, als läg der Alp auf mir druff, immer schwerer un schwerer un dunkler wirds.

Das frühe Licht trifft die Augen, so dass es schmerzt, n kurzer Stich un dann is man wach. Nur der Duft is noch da, der Duft der Jungmädchen, so rein un unschuldig. Ich geh runter ans Ufer zum Fluss un wasch mirs Gesicht, das Wasser is klar un schmeckt wie e nasse Stein, un ganz wie besoffn fühl ich mich, ganz ineinandergedreht, de Mund trocken un de Zunge dick wie n Egel.
Sirenen warns, sacht der Traugott. Er sitzt schon mit seiner Pfeif aufem Stein vor nem Röhricht, die blekke Föös im seichten Gewässer. Die habn uns in Schlaf gesungen.
Gesummt habense, sag ich. Gesummt wie n Stock Immen. Ich träumt schon ich sei n Zeidler.
Ach, Schambatist, die Haut, die Haut von denen war ja so glatt … un duften tatense nach frischem Teig mit Nelken un Zimt, so duftetense, herrlich!
Traugott, so wars, Recht hast. Könntenwer doch nur hier unsere Zelte aufschlagen un dann bleiben!
Tscha, un denn? Traugott zeigt auf die Gehöfte am anderen Ufer. Bist dafür einer? Jeden Morgend raus un die Viecher füttern, den Hennen ihre Ei kleue, die Milchküh zappe un die Klaue immer inned Mist?
Fällst doch jeden abend auf ding Altchen, shätt uch was für sich!
Aber sieksch … die Haut von denen bleibt ja doch nich so glatt, nie un nimmer bleibt die so glatt, un duften tun se schon bald nur noch nach ner rottigen Alraune, oder? Schambatist? Was sagst dazu?
Lass aufsitzen sag ich.

In den Tag un weiter über Flur un Pflaster, an Weizenfeldern vorbei, die Ähren golden gebacken von der Sonne, verreiterten Greutungern gleich nehmen wir den Weg wieder auf in Richtung Süden zur Salzkure hin. Das freie Jülich ist lang un flaches Land, nur ab un an blickt man auf die bewaldete Ville, wie Köpp erheben se sich am Horizont, die Hügel un Steigungen, grün ists hier überall, wohin man auch schaut. N Bauer karrt Äppl auf seinem Karren ins nächste Dorf, un wir geben ihm n Reppa ausm Seckel un nehmen ihm ne Handvoll ab. Süß un gut sindse, die Äppl, wir geben auch den Rappen davon ze fresse.

Vor nem Wäldchen is ne gute Stube un wir kehren ein. Im Schankraum sitzen paar der launigen Dorfgesellen auf Bankssitzen an ihren Tischen un laben sich am grünen Woi.
Füll zwei Bartmänner, guter Vatter, sach ich zum Schenk, un der lacht un greift hinter sich ans Faß un füllt die Krüg.
Wollts ihr Grünen?
Was lagert sonst im Holz?
Hochvergorenes Honigbier un Angesetzten aus wilden Mirabellen, so geschmeidig wie n Kuss von nem jungen Weib.
Hatt lang kei Bier mehr. Was sagst, Schambatist?
Zwei von denen un zwei Pinnchen Schabau.
Der Schenk nickt un zappt am Hahn. Wo wolltern hin? Hab eure Rappen draußen gesehen un eure staubigen Galoschen da.
Ind Westen nach Fenergierscheid.
Seid ihr Abenteuerliche?
Traugott nimmt ein Schluck ausm Bartmann. Bluthun sindwer.
Er lacht. Da brauchense ja grad genug von in Fenergierscheid. Ham sich inne Köpp jekriecht mit den Schwarzauern.
Schenk, sag ich. Was weißtn darüber? Über die Fenergierscheider un Schwarzauer un die Kriegsfürsten, denen es so sehr nach unserem Blut gelüstet?
Ach, macht er un winkt. Is doch üverall et Gleiche. Krisse wat, bisste wat, krisste nix, biste nix.
Mit solchen Dingen habter ja im freien Jülich nix zu schaffen, sacht Traugott un stellt sein Bartmann ab. Machst nochmal voll, isn gutes Bier.
Des freie Jülich is halt frei, so sachts ja der Name schon.
Kei Mensch un kei Tier is jemals frei, sach ich. Nich mal die Erd is frei. Nur da wo die Sonn schinge däjt keimt un wächst et, selvst ausn besten Krume kommt von sich aus kei Kraut un kei Frucht.
Ich füll euch nochens die Bartmänner uff, sacht da der Schenk. Die Gesellen an den Tischen lugen die ganze Zeit rüvver, un ich weiß, dasse n Spielchen am köcheln habn.
Bist gut miten Würfeln, Traugott?
Ich spiel nich, sacht er. Wenns nich um Leben un Tod geht, dann machts mich nur trüb im Kopp.
Ich versuchs, Traugott. Fortuna sei mir hold.
Is dei Seckel, sacht er. Mach, wied wills.
Fischauge oder Glückshaus?
Die Gesellen schauen auf vom Brett.
Ma spille nit mit Fremde.
Noi Noi, nu seids nich so. Lasstn alten Mann doch sei Spaß.
Du bis kei alter Mann …
Sacht wer?
Sag ich.
Spille tut ihr schon um Reppa?
Feinste Cöllner Mark. Ich mag wies Silber scheint, wenn ichs poliert hab.
Bist schon et Waisenkalb hier - spille, redde, lungere, sach ich un stell den Seckel aufn Tisch. Un musst nie vor wem Buße tun.
Buße tue ich nur vorm Herrgott ablegen. Was hastn in deinem Seckel da?
Genuch für Bier un Schabau.
Der Geselle nickt. Na, dann setz dich mal zu uns, aale Mann. Ma spille Fischaug. Kennst das?
Ich habs schon so oft gespillt, ich habs schon widder verjesse!
Da lachense alle, die Geselle.
Wennd nur Reppa hast, dann jede Runde einen un wennd verlierst zehne.
Zehne?
Man stürbt ja nicht davon, aber leben muss man doch, so oder so.
Ich setz mich auffe Bank un leg n Reppa nebens Leder, auf dem wir würfeln.
Gimmesch gimmesch, sach ich un lass die Würfel durch die geschlossnen Hängk rollen, bisse aufm Leder landen. Drei un Fünf, Pasch bis zum Auge.
Sieksch, sacht der Gesell. Abern Pasch musste erstmal würfln.
Ich vertrau aufm Herrgott. Fünfe auf einem, fünfe auf beiden, uns Auge is meins.
Herrje, Fortune is immer bei den Beginnern, lacht er. Zehne sag ich, zehne gibts.
Von dem Sümmchen geb ich ne Runde fürs ganze Konvent!
Alle brüllen se un alle heben se ihre Krüge.

Fischauge un Glückshaus un Siebener, was man nur würfeln konnt wurd gespielt in der Küche damals un noch mehr, Kartenspiele wie Harte Hand un Laus un Schabernack … mein Vater war einst n ansehnlicher Spieler, gut in allem war es bei Woi un Gesang so gab, un er hatse mir alle gezeigt, alle Spiele die er kannte. Sgibt kein Geheimnis wie man gewinnt, man muss nur lernen stets richtig hinzusehen um dann alsbald dem anderen die Strähne abzuschneiden - sGlück kommt, musst nur warten, bisses zu dir geht. Un wenns gewinnen erstmal selbstredend wird verärgerts die Fortuna un sie leert ihr Füllhorn ganz rasch aus. Dann schlägtse dir ne Wunde un übergibt and nächsten Gesellen.

Zehne um Zehne gewinnemer täte! Doch ma tuns ohne bös Blut. Die Gesellen sehns uns an un schweigen still. Heut bleiben die Klingen in der Scheide. Ma trinke fleißig un fressn auch die Wurst vom Eber, die der Schenk anschleppt.
Hey ihr da, sacht einer von denen Gesellen, wenn ihrd uns ausgenommen habt wie n Karpfen, kommter mit zun Gockel? Mit dinge Fortune gwinnst noch ne Königreich!
Momang, mijn Herr. Meinst Gickel gegen Gickel? fragt Traugott un erwacht aus singe Träum.
Jaja, sieksch. Draußen aufm Gehöft vorem Dorf lassen sie die Kikeri gegeneinand antretn, evve mitenem Sporn aus Jülicher Stahl, duurt nie lang … kannst manchmal zehn Duelle in einer Nacht sehn, geht rasch, un wenn de Fortune bei dir hast, machst aus deinem Seckel gleich zwei.
Traugott nickt. Aber Schambatist? Müsse ma hin, was sagst?
Du willst es eh, also was noch lamentieren?

Wer Freunde will für die Nacht zahlt die Zeche un er zahlt die ganze. Der Wirt nimmts dankend. Ein Marsch von einer Meile, sacht einer der Gesellen un wir ziehen die Joppen an un gehn hinaus in die Nacht, die samtschwarz üvver dem Land un über dem freien Jülich liegt, das niemals frei is, niemals frei sein wird. Durch die Gassen, üvver die Wies, Feuer brennen vorm Gehöft, dort ist schon Betrieb, Dutzend Männer stehen beisamm, rauchen un saufen un fressens Ferkel was am Span hängt, un ein Geck musiziert auf einer Fabule mit fünf Saiten un singt zeternd von Okzitanien un unser Haufen wird begrüßt von einem großen Dunklen, von dem ich denk, er sei ein Mohr un ich seh in Traugotts kurz messendem Blick, dass ern sich ausguckt - gute Bein, gute Arm, wo steck ich de Klinge hin? wenns drauf ankommt, aber er nickt nur un lacht un da weiß ich, er hat genug Krüge in seinem Balch so dass er nur die Nacht durchkriegen will. Er winkt uns heran un wir gehn weiter zu einem Geselln, der am Faß Frisches zapft. un gut tuts inner Kehle, nach zwei drei Schlucken sindwer ganz bei uns inner Nacht, das Firmament üvver uns, Lichter über Lichter unds Feuer wärmt von außen unds Bier von innen.

Dann kommt der Aufruhr in alle hinein un wir bewegen uns wie n Gewalthaufen als Ganzes inne Scheune wo Fackeln im Pech brennen. Da steht die Arena aus gehaunen Drahtschlingen, ein Rund auf feinem Sand un die Gickel in den Käfigen nebeneinand, ganz nah um se ordentlich zu reizen, die Lappen schon gschwollen. Sgibt Bier ausm Faß und die Gesellen zechen ordentlich. Traugott bringt zwei Schnellen un wir kippen das süffige Helle in ein paar raschen Zügen.
Setzen immer auf den Gewinner, sacht er un reicht dem Mohr eine Handvoll Reppa.
Un dein Kompagnon, der Fetzer da? fragt er. Willst was setzen oder nur glotze?
Na, selbstredend setz ich ebenso ne Handvoll. Aber nur wenn ichs Blut der Verlierer trinken kann.
Ihr seid mir rechte Bluthund, sacht da der Mohr un lacht. Ich hoff, ihr habt schon dem ein oder anderen Franzmann den Kopp eingeschlagen.
Wir schlahn all Köpp in, wenns sein muss, sacht der Traugot schnell. Wenn der Kopp sGewicht in Gold aufwiegen tut.
Gold is weich, un n Kopp is hart.
Die Köpp der Franzmänner sind auch nich härter wie die der anderen, glaubts ruhig.
Dann füllt sich die Scheune immer rascher un es wird ein großes Gedränge um die Arena, der Rauch ausn Pfeifen beißt innen Augen, die Gesellen schrein sich an un schütten sich Schabau inne Kehlen.
Sind Altenglische, sacht der Mohr, die treten an gegen die Bantams ausm fernen Indien. Jedes Jahr kümm Händler ausm Osten un zeigen se her un tauschense gegen feinstes Stahl oder gleich gegend n Dutzend geschärften Klingen … die han nix zu tun damit im Osten, aber des hier könnense.
Bepackt sindse ja, sach ich. Musklen wie n Mann. Habt ihr denen die Sporne abgeschnittn un durch Klingen ersetzt?
Der Mohr nickt. Scharf wie Nicker sind se jetzt, der Schmied ausm Dorf unten machtse uns feddich. Wird kurz un blutig sach ich dir. Die gehn sich so anne Hälse, kannst nich einmal zwinkere un nich zweimal gähne, schon isses vorbei.

Die ersten Gickel werden ind Arena gesetzt noch im Käfig.
Der ruude da, sacht Traugott, dasn Bantam. Der sieht mir recht grauslig aus, dem sprengts fast die Brust.
Ich sehs, Traugott. Auf den?
Auf den.
Nun gut. Evve der Verlierer zahlt de Zech!

Die Käfige gehn uff, kleine Kehsge uss gebogenem Drahtgestäng, un die Gickel fliegen ins Rund, scharren mit den blekke Föß im Sand erömm, un einer der Händler schlägt n wilden Takt auf seiner Fosseluka, Bang Tram Bang gehts, ein Getöse wie bei der Ankunft sächsischer Husaren, un die schönen Gickel stolzieren umher un strotze vor Kampfeslust, siegessicher wie alle Krieger vord Schlacht, denn an sei eigenen Untergang glaubts keiner, ma sind all unsterblich. Steh auf, Herr, dann zerstreuen sich deine Feinde, dann fliehen deine Gegner vor dir. Im Rund fliehste nich, die Gickel können ja nirgends hin, die sin nur da um sich die Bälche aufzutun, bis de Gedärm raushängen wie de Fädchen an Mutters Rock. Die Könige, die Fürsten all die durch deren Adern sblaue Blut fließt habn ja fein reden, denn die schaun in die Sonn un lassens sich gut gehn, während wir die Köpp ihrer Feinde einschlagen. sLeben is kurz un swird immer kürzer.

Zack zack gehts, un da kleben die Gickel in der Luft schon aneinand, verkeilen tun die sich wie Männe un Frouwe des nachts wenns Blut in Wallung kümmt. Dadang, dadang, dadang schlägts auf der Fosseluka un die Gesellen schrein als würdt man se gleich füsilieren, un nu endlich geben die Gickel nach was wa verlangen, die Sporne so spitz wie Nicker landen innen Hälsen, der Ort versenkt sich untern Federn unds Rote spritzt umher wie Nebel, un nachm Kikeriki un nem dumpfen Flügelschlag steht nur noch einer von den Kämmen aufrecht, der andere atmet sterbend innen Schmutz.
Noch müssenwer kei Blut saufn, sacht der Traugott un der Mohr lacht un sacht Fortuna is evve mit euch, ihr verteufelten Bluthund.

Der dude Gickel wird einfach nebens Kehsge gelegt un Kinder komm un nehmenen mit un bringense den Händlern, die ihnen die Köpp abdrehen unds Blut in Blechtassen füllen unds warm saufen. Der nächste Kampf beginnt alsbald, swird auffe Fosseluka geprügelt wie auf die Leiber der Schweden annodazumal unds Gedränge wird noch heftiger, der Haufen sammelt sich umme Arena un aus alln Mündern wird geschrien als rutschense am Spieß.

Man weißs ja, eines Tages landen auch unsre Schnauzen aufm gleichem Wege im Schmutz, im Schlamm aufenem Feld weit drusse innen Wäldern, wo niemand uns höre wird, die Schreie unds schwere Atmen unds Stöhnen wenn der Tod dann doch kommt un uns erlöst zum Schluss. Da wirste von fremden Händen verscharrt unter feuchtem Laub un der Regen un die Erd fällt auf dich drauf un ganz langsam zerfällste zu Staub, die Würmer kriechen durch die durch un Füchse nagen an deinen Knochen, uns is nich von ungefähr dass alle die mitm Schwert un vom Schwert leben die Erd fürchten wie lieben. Se is doch unsre Mutter sagenwer un bald bald kehrenwa heim.

Ich hab noh was hinge im Zelt, sacht der Mohr. Swird dir gfalle.
Aber skein Dolch, den de mir bis zem Heft reindeuen tust?
Da lacht er. Nee, sglatte Haut. Ich kenn keinen der se nich mag anner jungen Maid.
Gewonnen hab ich genug, sag ich un klopf auf mein Seckel.
Musst nix berappn. Ma feiere. Erzählst mir paar deiner Gschicht vom Blut un Beuschel.
Da kennst sicher selbst genug von.
Kenne ja, nur gehört hab ich se noch nich alle.

Traugott schüttelt den Kopp. Ich machs Dreifache ausm Seckel, ich häng gerad an nem Zopf, den mir Fortuna ausm Himmel runtergelassen hat, siehs mir nach, Hure han ich in Fenergierscheid noh genuch.
Behalts Messer ja bei dir, sach ich, un da lacht der Traugott nur.
Die Zelte sind groß un rund un ausm schweren Stoff der Südgerber. sduftet nach Weyrauch un Kümmel, un auf den niedrigen Tischen liegen Laibe weißen Brots un güldene Schalen voll flüssiger Schokolade.
Nous vivons de la mort et pour la mort, eh?, sacht der Mohr un ich bleibe im Zelt stehen.
Tôt ou tard, nous serons tous réduits en poussière.
Er nickt. Nich heute, mein Freund, nich heute. Staub un Asche, Ruhm un Ehre - nurs Herz von ner schönen Frau bringt uns heim.
Heim, wo solls sein? Ich habs ja schon lang verjessen.
Hinger der großen Wasserscheid, sacht der Mohr. Wurd als Kind von mei Stamm fortgenommen un bin bei Franzmännern in Neuchatel flügge gewordn. Räudig wars, aber als ich kräftig genuch war, hab ich n Vatter erschlahn mit ner Sens. Kopp ab wie n Henker. Seitdem war ich rastlos, bis ich ins freie Jülich kam. Isn guter Ort.
Ja, sag ich. Isses.
Wir setzn uns auf n Ducarey un er gießt schaumigen Roten in zwei Schnellen. Das Kerzenlicht tanzt an den Wänden des Zelts un der Duft von Belladonna dringt mir entgegen.
Da glänzts im Blick, wusst ichs doch. Wer einmal den Duft inned Nase hatte, der vergisstn nie.
Habs lang nich mehr geraucht, sach ich. Daletzt im Andalus.
Im Andalus hab ich Trak gekaut, aber sbeste Trak behaltense ja für sich selvst, das kümmt gar nich erst bis nach Jülich.
Na na, vom Trak kauen bleibt mir der Matz unge … da rührt sich nix mehr, sag ich un da lachter.
Von ganz hinge ausm Zelt kommen die Weiber un eine schöner wied andere. Sie setzn sich neben uns, liegen uns ze Füß, räkeln sich auf glänzenden Seidenkissen.
Dunkel wied Mokka vom Bosporus un hell wied frische Milch vonnert jungen Kuh, wasde wills, ich habse.
Die pflückste auf deinen Wegn, sach ich, un dann bleibense bei dir?
Die pflück ich nich, die komm ze mir aus aller Herren Länder. Die hören mein Nam’ un dann wissenese, snguter Mann. Ich zerhau se nich un quäl se nich miter Neunschwänzigen un ze fresse jibbet auch immer genuch. Wenn se einer kitzelt, wo er nich soll, schneid ichem die Gurgl durch, un Belladonna könnense rauchen wie se wollen, solange se nich die Beine zu straff kreuze.
Die Pfeif, die er inne Händ halt is lang unds Mundstück geformt wie a leeres Schneckenhaus.
Dunnemals, als ichs erste Mal den dünnen Rauch trank, da hatt ich auch ne Pfeif wie diese, n Zierstück aus den persischen Höhen.
Meine is vom schwarzen Meer. Habse mitgebracht von ner Reise.
Er reicht mir die Pfeif un Zündhölzer.
Wenn ich die rauch, muss ich dir die Hand reichn un dei Nam’ erfahren, so als sein wir ein Blut.
Hieron, sachter. Hieron is mein Nam’.
Ich zünd eins der Hölzer an unds Belladonna knistert. Die schwarzn Kügelchn glühn hoch un der Rauch kriecht langsam de Gurgel hinab.
Ind Lungen, ind Herz spürsts, ne dunkles, durstiges Bumm wie vond Fosseluka, rapp rapp rapp kräuselts sich im Kopp un du legst dich nieder wie auf salzigem Wasser.
Schambatist, sag ich, das is mein Nam’, aber nur mei Meuder is ne franzmännische.
Der Hieron nimmt die Pfeif an sich. Das da is Ngala, sacht er, meine schönste Braut, un dies is Pertucha, is auch meine schönste Braut.
Hast nur schöne Bräute, ich sehs ja.

Un se riechen nach Marrakesch, nach Würz un Tram un feinem Öl, un ich versink in ihrm Haar un dann sin ihre Lippen auf mir un auf meinen, dann legen wir uns auffe seidige Laken un se liebkosen un necken mich un dann hab ich meine Finger überall auf ihrer nackten weichen Haut.

Der tausend Faden tiefe Schlaf, der die Seele zur Perle werden lässt, die kostbar verborgen innen Schenkeln von ner schönen Braut liegt. Man träumt, man träumt als sei man unter Wasser, grad so dass mans Licht vun dr Sonn sehen kann un wies langsam tänzelt. Die Bräut sind fott un ich wühl mich ausn Laken un zieh mich an.

Hieron sitzt im vornem Feuer. sdämmert bereits. Vögel am klaren Himmel.
Was meinst, Schambatist? Is die Welt ze klein für Männer wie uns? Manchmal denk ich schon, ich würd noch immer davonlaufen, wie damals als ich n Bub war. Nur vor was? sgibt nix mehr, was mir Furcht macht. Nich der Hessel un nich der Drud un nich die Hex … kei Schwert un kei Musket.
E Mann hat nur a gewisse Zahl an Schlachten ind Herz un ind Hand, danach wirder rasch müd, des denk ich. Davonlaufen, ja. Doch was wennd Beine nich mehr künne?
Hieron schnalzt mit der Zung. Hier isn Pott Kaffee, sind gute Bohnen, dunkel un ölig, ausm Senegal.
Is des hinge der Wasserscheide, der Senegal, ja?
Kann mich kaum mehr erinnere. sis wie n Fetzen von nem Gemälde, nur n schmaler Streifen vom Ganzen, stehts fehlts was, un die Ferv is ze dunkel, immer isses ze dunkel, denn da hats geleuchtet, ich sachs dir, Schambatist, als würds Land brennen, lichterloh.
Is de Erinnerung, mijn Vriend, in der stehts noch im Licht sag ich un trink den letzten Schluck vom Kaffee. Aber wer weiß, ob es heut nich schon im Düsteren, in der Dämmnis liegt?
Kümm, Schambatist, ich will dir was zeigen …
Wir gehn ums Zelt herum un da hinterm Fluss liegt n Hain, die Buchen stehn wie Infanteristen vored Schlacht, gerad un stramm un hart.
Traun tu ich keiner Seel, Schambatist. Un ich kenn die Mensche, ich sehs in de Aug …
Un was sieckste in mei Aug?
Dasse n Bluthund bist.
Wir lachn.
Suchst n Hessel oder n anderen Waldgeist hier im Hain?
Ach wo. Hieron bleibt neben nem aufgeworfnen Hügel stehn un scharrt mitm Fuß die Erd weg. Vertraun tu ich keiner Seel, nur damit des weißt, Schambatist.
Er öffnet ne Truh, die er im Dreck vergraben hat. Musketen, Schrotschüßer, Dolche, Pistoln.
Wartest aufet große Schlacht?
Ich such se nich, sacht er. Ich will nur nich mit nem aufgeschlitzten Balch zwischen de Bräut erwachn. Er bückt sich un hebtn Langgewehr heraus.
Ne Bickerstaff. Habse von einem der ausn Ingelheimer Kolonien zurückgekehrt is un hier durch kam. Abgerissner Bursch, un er wollt nur Bräut un Woi, Woi un Bräut … so hatter eben gzahlt. Ich will, dass du se trägst, Schambatist.
Hieron sach ich, bistn guter Mann, einer der Besten, evve szuvell. Kann ich nich, kann ich nich annehmen. sBickerstaff isses feinste wasesgibt.
Isn Königreich wert aufm Schlachfeld wennd Fosseluka attaque! prügelt. Sag, mon frere, habich Recht?
Hast Recht, Hieron, hast Recht.
Er drückt se mir inned Hand, die Bickerstaff, un es is n Kunstwerk, mit langem un reich verzierten Schaft, ner Basküle aus gedengelten Stahl un ner Zündnadel wie von Dreyse.
Kanns nie wieder gutmachen, Hieron. Je te suis redevable pour toujours.
Non, sacht er, non. Geh zud Bräuten un trink die Bartmännchen mit gut Gehopftem un eines fernen Tages, da kreuzen sich unsere Weg ewidder, un da wirste mirs Levve rettn. So wirds sein, Schambatist.
Dann gilts, Hieron.
Mer umarme uns un gehn zurück zur Zeltburg.

Pferdeschweiß un Sattelfäule sacht der Traugott. Er steht da ohne Ungerbutz vorm Zelt un reckt sich. Des is, was ich riech, Schambatist.
Ding Matz is jelv, was haste getriebn die ganze Nacht, die halbe?
Die Bräut han mir da von Dingen berichtet … der Herrgott kenntse allein.
Dinge? Was weißt du von de Dinge?
Ich weiß was de Herrgott weiß. Is das ne Bickerstaff in deine schmuddlige Hängk?
So wahr mir Gott hülf, Traugott.
Du bissene Heid, Schambatist. Nur de Heid kriehn die schönste Dinge, so isses, so wars.
Lass aufsitzn, Traugott. Han die aal Knochn genuch weggehangn.

sfällt schwer zu gehn, ich sachs, wies is. sfreie Jülich mit de Bräut so wunerschön wied Forst inned sieche Sonn. Un du muss gehn, muss gehn un schlachtn die fremde Söhn von de fremdn Müttern un die Vatter füsilierst, weil se aufbegehren gegn die hillige Ordnung, das n anderer nimmt, was ihm nich gehört. Ich guck mich um aufm Rappn un seh den Rauch von Feuer un denk an Hieron, der Mohr, der nun mei Bruder is für alle Ewigkeit.

Ich kannt ma ne Frouw, e schöne Braut, sie kam aus Santiago Terracastro, un sie konnts nur mit zwei Burschn. Musstn immer zwei sein, sons gings nich.
Traugott, gibt ebn solche Bräut un solche.
Dann reitnwer schweigend durchs Gelände, in unseren Gedanken noch inner Nacht verhaftet, am schönen Fleisch un am herrlichen Duft, im Belladonnarausch zugetan.
Die Grenz naht, gleich hinterm Hügel isse, da liegt Fenergierscheid, das kleinste Fürstentum südlich von Chaltouva, einst Protektorat der mächtigen Ingelheimer.

Im Himmel kreuzen Raben un die Wolken werdn dunkel.
Lass, Traugott. nSturm is da un kommt rasch näher. Kehrenwer wo ein. Fenergierscheid kann uch noch ne Tag un ne Nacht wartn.
Hat kei Sinn, meinst?
Ich schüttel den Kopp. Dann regnets schon Fäden ausm Himmel als ob es nimmermehr aufhörn will.
Wir ziehn die Kapuzen über un reitn still den Hügel hinab. Im Tal liegt ein Meiler. Die Dächer mitm schwatzem Ried gedeckt un schlohweißer Rauch steigt ausn Kaminen.
Da vorn is ene Schänk. Traugott zügelt den Rappen. Ne Nacht aufm Stroh un beim warmn Feuer, swär niches Schlechteste.
So wirds gemacht.
Aufm Hügelgrat sehen wir runter aufn engen Kessel, wo die Fenergierscheider Grenz liegt. Dunkle Wolken satt un voll mit Regn hängen überm Tal, sblitzt un bangt un der Wind weht heftiger.
Ich spürs wie man den Schlaf kommen spürt, ne Gewissheit schwer wie n Schmiedeeisen. Schleicht sich ein un dann isses da ganz plötzlich.
Was hast denn nur, Schambatist?
Da is nix Gutes, da wartet nix Gutes sach ich. Da in Fenergierscheid. Ich spürs innen Knochen, tief drin spür ichs.
Du un dinge Jeister! Traugott lacht. Ma könnt üvverall singe Beuschel verliere, nit nur in Fenergierscheid.
Fünfzigtausend Silbergroschen sind se wert gewesn, die Grimoires, die sie gesammelt un dann verbrannt hatten, mitm freien Willen ohne Zwang, so stehts beim Apostel Lukas. Doch die Ahnung gibts ganz ohne Zauberbuch un ohne Preis, die is einfach da, Traugott.
Ma sin verhext, willst sagen?
Nur dassich ne Ahnung hab über was Böses, das da vor uns im Dunkel liegt …
Bist un bleibst ne aale Braucher, Schambatist. Was sacht nun deine Grimoire bei drohendem Unheil?
Dass man de Mäntel umdrehen soll.
De Mäntel?
Dann prallt der böse Zauber dran ab, verstehst?
I verstonn mijn Herr, i verstonn!

Der Meiler is ne düsterer. Eins der Gehöfte nur noch a verlassene Ruin. Nur in der Schänk ists hell erleuchtet. Scheint, als hätt sichs ganze Gesinde hier eingfunden. Wir binden die Rappen an der Mauer fest un öffnen die Pfort. Heiß beißt uns de Rauch inne Augen. Die Geselln schweign un schaun uns an.
Wollts ihr hier?
Gute Leut seid ihr mir, sacht der Traugott. Die Gäst erstma anspuckn umse dann abzukassiere.
Han nix un wulln nix, sacht einer der Gesellen.
Un im Chor singe tunse auch. Ich leg n Reppa aufn Tisch. Wir ham n Tag im Sattel verbracht un nu sind unsre Kehln drüsch.
Na, krisst schon was für dinge Reppa da.
ne Schnelle Woi un ne Lager für die Nacht.
Sollt ihr habn. Wollt n Sturm abwarten, klug wärs ja.
Wir nehmen die Schnellen un setzn uns ans Fenster un schaun ausm Bleiglas.
Sieksch, wasn Wetterchen, sacht der Traugott. Ham deine Jeister Recht ghabt.
Um des zu ahnen brauchts kei Jeister. Da musst einfach nur nich blind sein.

Des Kwartier is neben der großen Scheune, un wir hörn die Küh innert Nacht un das schwere Bumms der Kartätschen. Wir liegn da im Dunkel un starren an die Decke wo der Mond fahl un hell durch die Ritzen schimmert.
Hörst das, Schambatist?
Ich hör nix.
Die könnens kaum erwartn.
Die werden sich schon noch umschaun.
Im Traum seh ich, wie n Blitz das Dach aus Reet zerschlägt un wir in unserer Haut brennen, wies knuspert un kracht un schwatz wird un wir schrein wie am Spieß uns große Loch kommt in das wer alle stürzen zum Schluss, un wir fallen un fallen auf ewiglich.

Am Morgen zahlnwer für et warme Brüh uss Knochenmark un gebratene Eier vonnert Wachtel. Auf den Rappen hinab ins Tal un hier könnenwa schon s Schwarzpulver un n feuchten Lehm ausn Kartätschen innert Luft schmecken, die Schlachten kümm näher un der Kampf, der faulige Gestank vom Tode. Hier steht der Nebel dick wie Supp un wir reiten langsam an nem Bach entlang, lassen die Rappen saufen un atmen den Duft der Fichtennadeln ein, ausn Wäldern tief un dunkel.

Anner letzten Schlucht gehts durchene Engstell raus ausm Tal übern Enswaader Pass, so nah an der Fratze der Ville vorbei, dass de das schwatze Gestein berühren kannst mit jeder deiner Hängk, un unge das drohend dunkle Maul, ei Schritt falsch unds reißt dich hinab innen Schlund.
Am Pass brennt n großes Feuer un wir sehn den dichten Rauch schon von Weitem innen klaren Himmel quellen.
Ganzer Konvent hat sich da anner Eiche versammelt, siecksch?
Ich sehs, Traugott.
Könnt ma glatt meinen, die ham wat vor.
Ham die auch sach ich un zeig auf n Bengel mitem Strick umn Hals. Den da juckt gleich et Hanf.
Herrminje, so jung isser, so jung.
Mer zügeln die Rappen un bleiben vorm Pulk stehen.
Wo wolltern hin? sacht da einer der Geselln.
Übern Enswaader.
Fenergierscheid oder Schwarzau?
In Himmel wolln mer, mir sin Betbrüder.
Betbrüder, das ich net lach, sacht der Geselle.
Was hatn der Bub da ausgefressn, dassern gleich den Hals langmachen wollt?
Der het ze vell jebetet.
Aber man kann doch net ze vell bete, mijn leeve Herr! Nur wenner Barbaren vonnen Ingelheimer Inseln seid, doch dann wärs n anderer Schnack, dann müsst ich ja euchn Hals langmachen, weiler nich annen leeven Herrjott gleuve tät.


Er schaut uns an un sieht die Bickerstaff inner Satteltasche. Der steht mitm Deivel im Bunde, sacht er dann. De Küh han keen Milch mehr gebn un die Kinder kriehtn de Fraiß noch un nöcher. Han et mit Salz probiert un Rezitate ussm hilligen Buch, evve der Bengel hat ja doch alle Zeichn erkannt. So bleibt uns nur dies üvvrig, da müssenwern uffknüpfn.
n Hexer isses, Schambatist, n Hexer. Der Lütt da? Tuste dran glauben?
Ich glaub an nix, weil nix an mich glaubt.
Wenner nich n Kopp verliert am Strang, isses kei Hexer. Wir werdens gleich erfahrn.

Man siehts innen Augen, wie uss Glas sindse, man guckt gleich ganz tief innen Kopp rinn un da is nur noch Leere. Man gibt sich ab mit dem was kommt. Man geheißt den Tod willkomm.
Der Bub wird aufn Schemel gestellt un der Strang üvvern dickn Ast geworfen un verknotet am Stamm.
Gute Meute, gute Beute, so hängt den Bären an die Eiche sach ich un Traugott lacht. Wir lehn uns in den Sätteln zurück un in den Konvent kümmt Laune, alle werdense lauter un lauter, alle schreien se nach dem Bub un waser nich Böses getan hätt, n halbes Kind isser noch oder n ganzes, doch die Meute will dasser hängt damits wieder still wird im Tal, damit die Geister schweigen zwischenem Nebel in den Wäldern. Ich sehs in den Blickn un in ihrn Fratzen, die Haut so pudrig weiß wie Kalk un die Augn so rund un blekk wie rostige Taler.

Du Hungk! schreit ne Frouw, du aale Hungk! un de Speichel rinnt ihr üvvers Kinn un dann trittse den Schemel fott. Knack gehts un da baumelt schon der Bub am Strang, die Schling trekk sich zu un presstem die Luff ab. Japsen tut er un a Gurgeln drängt ihm ausm Maul un dann isses mit einem Mal aus, da zappelt nix mehr, da macht ihm der Hanf n letztes Mal n Halse lang.
Kopp is noh dran, sacht Traugott. Isses ja doch nur n Bub.
n Bub der was vum leeve un was vum sterve weiß. Ich dreh mich im Sattel un schau auf de Meute, die Dörfler zerstreun sich langsam aufn Feldern un Traugott will schon losreitn, doch ich sach: Wart nochens. Nur a bissche.
Was willst hier noch, Schambatist?
De Hängk, mijn Vriend, de Häng. Mortua Manu. Ma zerreivt se zu nem Pulver un zerblästs vornem Gesicht. Schützt dich vor Sühne un öffnet dir Tor un Schloss.
Schambatist, ich reit mit dir ans End der Welt, bisswer wegkippe ins ewiglich Dunkle, aber ich schwör, in deim Kopp gehts nich mit rechten Dingen zu. Wenns nach der Deposita geht, dann hätts du da gehange am Hanf un nich der Jung.
So hätts sei könne, Traugott.
Die Meute zieht von dannen biswer allein zurückbleiben an der Eich un dem Bub.
Lass n noch was baumeln sach ich. Bis se alle weg sin.
Seht her sacht da einer der letzten Geselln. Nu is Ruh. Der Deivel ism ausser Haut gefahren. Kei Fluch mehr, kei nix.
Hastn denn gesehen den Deivel? Wie er ihm ausser Haut gefahrn is?
Den Deivel kann man nich sehn sacht er da un schüttelt n Kopp un geht.
Reitnwer bis zu dem Wäldchen davorn, Traugott. Die luure mer ze vell.
Unter tief hängenden Ästen stopfenwer unsere Pfeifn un rauchn genüsslich.
Was machst mitn Hängk?
Die reibenwer in Salz damit se uns nich zerfalln. Ich führ se im Leder mit biswer se brauchn. Lass nur, Traugott, ich weiß ja doch, was ich tu.
N feiner Niesel geht los un ivh steck mir die Pfeif zwischen die Zäng un reit los.
Wennst gut machst, dann is einer am Strick ratzfatz weg. Der fällt unds zieht ihn zu Bodn unds geht knack un so endet er. Doch wenner zu tief fällt un zu schwer is dabei dann kanns ihm schon mal den Kopp vom Hals reißen, ich habs ja selbst gesehen, das vergisst nicht. Da sprudelst rot ausm Nacken un manchmal is noch so viel Leben in den Kerlen, dasse davon gehen wollen, die wandeln dud üvvr die Erd, et Fleisch noh roh un ganz warm. Oft verreißts den Strick un dann ziehts denen die Gurgel nur zu un da erstickense dann langsam dran, da kannst alle Ferv sehn von rud zu blau, so blau wie die prallsten Traubn im hohn Sommer.
Ich hab gesehn wie se an den stärksten Bäumen längs der Schlachtfeldern gebaumelt ham, junge Gesellen un alte alsgleich, die Uniformen schmutzig von Schlamm un vum trocken Blut.
Noch isser am zucken, der Hexer, der Jung, die Augn weit aufgerissn im Schreck, aufn Lippen a Schrei der keiner mehr wird, der stumm is un bleibt.
Schärfst dei Kling für solch unheimlich Ding, damits rasch geht un du dich nich mühst.
Ich hörn Traugott atmen, als ich schneid. skratzt un kracht am Knochn un zäh rinnts Blut die Kling entlang un tropft dann vom Ort auffe Erd. Der Hexer luurt mich an, als sei noch Lebn in ihm drin, als sei die Seel noch nich ganz fortgegang,
Swird uns noh nütze sach ich un wickel die Hängk ins Leder.
Am jüngsten Gericht, Schambatist, da wirst dafür lichterloh brennen un schwatz wie Kohle werdn.
Alle werdenwer zu Staub, so isses immer gewesen un so wirds bleibn.

Ma reitn durchn Regen un alsbald schmeckn mer des Salz innert Luft.
sriecht wie am Meer sach ich, un der Traugott schiebt sich n daumendicken Priem inne Backe un speit braunen Saft.
Ich hasses Meer ja. Wenns mir auffe Decke tropft da werd ich zum keuschen Reh im finsteren Wald.
Mir isses auch unheimlich. Wennst Lot versenkst unds geht inne Tiefe un findet kein End …
Mitn Stiefln aufm Schlamm bleiben sach ich.

Die Grenzposten ausm freien Jülich sin allesamt verlassn, das Land dahinge steht kahl im Strich un der Regn wird stark.
Da sieksch wofür se uns all die Reppa gegeben ham.
sis als könnt ichs Schwatzpulver schon rieche. Traugott speit sei Saft aufn Boden. Unds is auch mir nich geheuer, Schambatist. Der Herrgott, der leeve, der hät wat met uns für.
Nix, waswer nich schon jesenn han.

Et ränt. Mer reitn üvver den Enswaader hinab ins Tal, ma sehn en Reineke mit räudigem Fell un Krähen, die auffem Felsen n Stück Aas verpicken. Der Pass is eng un gewundn wie ne Natter, knapp nebenem Tritt reißts ab, man fällt inne Schlucht hinab
un innen Strom, der sich schäumt un bäumt un einen fortreißt damit sich die Lungen uffblähen un man dud kieloben schwimmt bis der Fährmann den dunsigen Leib schließlich holen kommt.
Bin mal so ne Klippe runger un in’n Fluss gefalln, sacht der Traugott da. Im Reckendorfer Land war des, lang ists her. Der Rappen is auf mich druff, des schwere Ding drückt mich runge ins Nass, un ich sauf fast ab, krieg kaum die Schnauze raus un schnapp na Luff, knapper wirds, un dann rammt das Vieh n Stein inner Mitte un ich häng da dran wie so n aale Lumpen, un in dem Rappe is noch kräftig Seele drin, der tritt un rast un ich schweb da wie en halbet Leich, un ich sachs wie et wor, da hab ichs Messer zogen un dem Rappen sei Keul abgemacht, da sprudelts raus ausm wie ne heißer Geysir, un der tät röhren un schrein, un als es nun endlich ab war bin ich ausm Fluss gekrabbelt mit der Keul noch inner Hand. Alors, alors!, swar kälter als inner frostigen Nacht sach ich, die Joppe un die Galoschen aus un Holz fürn Feuer gesucht, un wie ich so da die Scheit zurechtleg un drauf wart, dass de Flintstein drüsch wird, da denk ich mir, beim heiligen Ihames, die Keul leg ich üvver die Glut un hau se mir in Magen!
Hattest denn Salz dabei? Fleisch ohne Salz is fad wie aal Milch.
Ich han immer Salz dabei, das lernst ja früh beim Kommiss, Salz un n Flintstein, ich trags im Gürtel mit mir, so verlier un vergess ichs net.
Wars denn gut, der Biss?
Wars beste Fleisch wo ich je gefressen han! Halbdud un nackt als hätt mich der Schöpfer grad gekalbt, was denkst?

Der Pass senkt sich hinab ins Tal, in die Ebene, die flach un grün is. Vor nem Hain stehn die Grenzer un da weht auch die rote Flagge der Soldbank.
Da isses. Fenergierscheid.
Is wat, da is wat, Schambatist. Da seh ich keinen anner Soldbank, unds is nie was Gutes. Sag, was denkst?
Sold is Sold, das is was ich denk, Traugott. Willst umkehrn? Denen in Chaltouva erklären, was geschehen is? Die Magda, der Engel, un der dude Gansertjunge?
Nee, ach wo! Hast scho Recht, gehnwa. Schlahn den Schwarzauern n Schädel ein.

Un so reitnwer weiter ins fremde Land, ins große, ins kleine Fenergierscheid, un et ränt un ränt, so dass mer kaum die eihn Hängk sehn könn. Könn nich mehr Heim, weil wo solls sein? In den Auen, so lusch un gut, da wo die Väter drei Fuß im Dreck liehn, die Mütter ihre Trän vergießen üvver der drüschen Erd? Mer reitn weiter. Mer reitn.

 

Nur ganz kurz & da werd ich gar nicht erst fragen, ob die Kunstsprache einem Dialekt nachgebildet ist,

lieber jimmy,

aber so viel oder doch wenig vorweg, Schriftzeichen versuchen einen Laut „abzubilden“, und bereits im zwoten Satz gelingt es m. E. nicht, wenn es heißt

Geht tief inn Balch unds wärmts Herz.
dem ich als ergänzendes Zeichen den Apostroph empfehle, denn was da steht hört sich lautschriftlich wie folgt an

[Geht tief in Balch unds wärmts Herz ~ [‘ge: ’ti:f ’in ’balχ untz ’wχrmtz ’hertz]

tatsächlich wird er aber ein „inden“ (also im Gleichklang des schlichten "in"), das verschluckte „de“ [də] klingt aber i. d. R. nach, also „[‘ge: ’ti:f ’in`n ’balχ untz ’wχrmtz ’hertz]“

Ähnlich hier und doch ganz anders

Mit Mark ausm Knochen vom Hirsch sacht der Schankwirt und wischt mitem Tuch übern Tisch.
„mit’m“ (das „ausm“ kann gar nicht anders, einen stummen Laut zwischen s'm anzubringen)

wird also auch eine grafische Herausforderung ...

findet der

Friedel,
der wahrscheinlich ab Mittwoch hierorts wieder sein Unwesen treiben wird.

Tschüss & in Bälde auf dem Felde!

 

So, gestückelt ...

Hey @jimmysalaryman ,

hab schon gesehen, dass da gerade ordentlich Texte von dir kommen und ärgere mich auch, dass ich gerade null Zeit aufbringen kann für das Forum. Dem guten @erdbeerschorsch schulde ich auch noch eine Antwort.
Das was ich gerade (so zur Hälfte) gelesen habe, erstaunt mich. Wo hast du diese Sprache her? Wie hast du dir das erarbeitet? Oder ist das mehr so ein intuitiver Mix aus Mittelhochdeutsch und verschiedenen Dialekten? – Finde die Lexik des ganzen Textes wirklich enorm und beeindruckend auf seine Weise. Da steckt Hingabe drin. Und doch tragen so Milieubeschreibungen, dieses Dreckige, die kulinarischen Beschreibungen, die kurzen landschaftlichen und reflexiven Inputs, das Sprechen über eine bestimmte Art von Männer- und Gesellschaftsbildern unverwechselbar deine Handschrift. Ich finde auch keine Stelle, die mich zu Änderungsvorschlägen veranlassen würde. Es gibt Stellen, wo Wörter gefühlt nicht passen oder dem Dialekt bzw. der speziellen Lexik entgleiten – aber da denke ich mir dann: das ist doch alles im Rahmen, ist in diesem Rahmen nicht 'falsch' oder wäre anders nicht 'richtiger'. Warum? Weil ich schon denke, dass das seinen Konstruktionscharakter niemals verbergen kann und auch nicht muss (da hilft es jetzt nicht an der Stelle irgendwie noch was an irgendeiner 'Authentizität' zu schrauben) – wegen dieser Lexik, wegen dieser Hingabe, die da drinsteckt – weil das unweigerlich, selbst bei ungeneigten Lesenden mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer willing suspension of disbelief führt. Was ist jetzt für mich die Konstrunktion? Erstens: Die Sprache, die selbst mit viel Vertrauen in den Autor nach einem phantasie-angereicherten Mix klingt, selbst wenn es nicht so sein sollte; zweitens: die Erzählposition bzw. die Graphie, also Schreibweise. Die Zeit des Mittelhochdeutschen ist fast ausschließlich eine Zeit mündlichen Erzählens. Schriften sind nicht selten gereimt, um auswendig gelernt zu werden. Der Versuch einer Graphie im Sinne einer Rollenprosa kommt mir per se anachronistisch vor. Ähnliches gilt anders auch für Peeperkorns Mittelalter-Texte, deren straighte, schnörkellose Prosa. Aber auch mit dieser Rollenprosa funktioniert das über die suspension of disbelief für mich.
Wie soll es der Sache auch einen Abbruch tun, wenn es sich auch einfach nicht vermeiden lässt – das ist jener Teil der Konstruktion, der auf das Wohlwollen der Lesenden angewiesen ist und das wird der Text in den meisten Fällen auch zugestanden bekommen.
Hast du The Last Duel gesehen? Das kam mir bei der Szene mit den jungen Frauen. Da habe ich kurz gedacht, dass jetzt auch nur die Perspektive des Mannes auf diese Szene geschildert wird. In The Last Duell klingt es ja aus der einen Perspektive wie ein lustiges Spiel mit einer Jungfrau, die sich etwas ziert. Als die Frau später ihre Perspektive schildert, klingt es für den Zuschauer nach einer Vergewaltigung. Aber in deiner Geschichte scheint es einvernehmlicher zuzugehen, wenngleich auch das dadurch gebrochen wird, dass die beiden Gefährten ja in den Schlaf gesungen werden. Eine spannende Wendung. Vielleicht verträgt die Stelle aber noch mehr Konflikt. Die Situation gibt vieles her ...

Ich hoffe, diese analytischen Ausführungen klingen nicht zu kalt oder desinteressiert. Keines von beidem ist der Fall. Ich finde das bis hierhin eine wirklich toll erzählte Geschichte mit einer ganz ungewöhnlichen Sprache (fast so ein mittelalterlicher Bukowski-Tonfall, der sich da manchmal im Dialog ergibt :D ) und freue mich aufs Weiterlesen!
Noch eine willkürliche Auswahl besonderer Stellen:

Das freie Jülich. Weizenfelder noch un nöcher. Wir reiten Schritt. Schauen in den Himmel. Brummerling un Buttervogl. Traugott mit seiner Pfeif. Bauern aufn Feldern mit ihr langn Sensn. Frouwe sacht Traugott. Frouwe sieksch! Er winkt ein paar Jungmädchen, die unter einem Lindbaum stehn.

Ist schon ein tolles Panorama, was du da mit wenigen Sätzen einfängst.

Du magst ja doch die Altchen in den Stuben, Schambatist, ich weißes nun einmal.

Middle-age-Bukowski :D

die Schönheit ist ihnen auf den Feldern versickert gleich neben dem geschwärzten Blut un all den anderen gärenden Säften, die aus den Poren der fauligen Körper rinnen

Finde ich super gut.

Aber Schönheit, die reinste Schönheit, die, die wehtut wenn manse denn erkennt, die ist so selten wie ein Girasol, der edelste Stein den man in den Ingelheimer Kolonien kennt. So eine Schönheit ists, so hell un zart dass man se nich mal anfassen mag, dass man Furcht davor bekommt, se zerspringt in tausend Splitter, un so starrst du se an weißt nicht recht, was tun? Diese Schönheit, die wirkliche, die macht das mit einem, die lässt einen erstarren un verfallen in einen solch zauberigen Halbschlaf, dass sich dein Geist nicht mehr lösen mag, immerzu biste gefangen inner Schönheit un mit der Schönheit.

auch das.

Lasst euch ansehen, ihr Jungmädchen, sach ich, un schon hat Traugott eine im Arm, sie versinkt ganz im Stoff seiner löchrigen Bluse un streichelt seine Narben un Blessuren un küsst sei Fratz.
Die hab ich von nem lausigen schwedischen Degen, sacht er un nimmt ihre Hand un legt sie auf sei Wang, mitten auf die Naht. Des nachts wirdse manchmal heiß, das kümmt vom Blut, wenns in Wallung is in den Träumen.
Sie lächelt keck un zeigt Zahn un Zunge.

Hier die Stelle: Verträgt das nicht etwas mehr Konflikt?

da un schau in den Himmel un schau in ihre Augen, dann fängt se an, leis ne Melodie zu summen

Auch super.

Danke dir bis hierhin für den sehr schönen Text! Bin wohl doch nicht der erste. Mal schauen, wer gleichzeitig mit mir an seinem Kommentar geschrieben hat und ehe mir fertig geworden ist ...

Wird (hoffentlich) fortgesetzt ...

 

dem ich als ergänzendes Zeichen den Apostroph empfehle, denn was da steht hört sich lautschriftlich wie folgt an

Hallo @Friedrichard

ich bin da noch unschlüssig, wie ich das machen soll. Ich hab eben einen alten Kipling Roman beendet, und da hat es der Übersetzer es so gelöst, dass er auf Apostrophe etc komplett verzichtet hat. Ich nehme mal an, es soll sich so organischer lesen. Ich würde das momentan auch befürworten, eben weil ich auch auf sonstige Zeichen bei der Dialogführung verzichtet habe; mal sehen! Aber ja, das müsste ich alsbald irgendwie lösen, denn wenn der Text weiter wächst und man dann später alles bearbeiten muss, geht sicherlich auch etwas vom intendierten Sound verloren. Ich überlege.

Danke dir für deine Zeit und deinen Kommentar.

Hallo auch an @Carlo Zwei , den ich schon etwas im Forum vermisst habe. Dank auch an dich für Zeit und Kommentar.

Lexik, ich habe soeben ein neues Wort gelernt. Kannte ich noch nicht. Also, keine Ahnung, um deine Frage direkt zu beantworten. Ich lerne seit einiger Zeit Niederländisch, und da gibt es ja sprachliche Verwandschaften mit dem Ripuarischen, also dem Rheinischen, und im Grunde ist es so ein Kauderwelsch aus diesen Sachen wohl, was sich da aus meinem Jell-O Gehirn quetscht.

s gibt Stellen, wo Wörter gefühlt nicht passen oder dem Dialekt bzw. der speziellen Lexik entgleiten – aber da denke ich mir dann: das ist doch alles im Rahmen, ist in diesem Rahmen nicht 'falsch' oder wäre anders nicht 'richtiger'.
Das würde mich natürlich interessieren, welche spezifischen Wörter du meinst, oder wo dir das aufgefallen ist; weil trotz das es eine Kunstsprache ist, sollte die natürlich irgendwie eine Kohärenz aufweisen und nicht allzusehr auffällig bzw ausfällig im Sinne des Organischen sein, es sollte nicht auffallend anders klingen.

Weil ich schon denke, dass das seinen Konstruktionscharakter niemals verbergen kann und auch nicht muss (da hilft es jetzt nicht an der Stelle irgendwie noch was an irgendeiner 'Authentizität' zu schrauben) – wegen dieser Lexik, wegen dieser Hingabe, die da drinsteckt – weil das unweigerlich, selbst bei ungeneigten Lesenden mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer willing suspension of disbelief führt.
Tja, ich denke, das ist so eine Sache. Natürlich ist das alles eine große Konstruktion, das kann man nicht verbergen, die Frage ist eben, wie man das liest. Ich glaube, viele würden das vielleicht als tatsächlich historischen Stoff verorten, es gibt ja auch, Katla hatte mich belehrt, den sogenannten spekulativen Historismus, wo sich einfach alternativen Welten durchgesetzt haben, das ist aber wohl in Deutschland als Genre noch nicht so ganz angekommen bzw angenommen worden. Hat vielleicht auch etwas mit unserer speziellen Vergangenheit zu tun, man würde das wahrscheinlich als Revisionismus begreifen, wenn es plötzlich urdeutsche Fiktion ohne die NS-Zeit gäbe. Man kann natürlich das Ganze auch als eine Art Schelmenroman lesen; ich habe da zwei Romane neulich gelesen, die ähnlich operieren, wo Zeit und Raum nie wirklich verortet werden, irgendwann im 13 Jahrhundert oder im 18ten, aber nie genau, und dieses Vage lässt schon sehr viel Spielraum, aber ich habe schnell gemerkt, dass diese Vagheit eben ein Winkelzug ist, der dich von vielem befreit, vor allem auch von Plot und Charakterentwicklung. Man liest das als eine Art Kabinettstück und ist beeindruckt und gefangen genommen von diesem historischen Sepia-Schleier, aber man fragt sich viele Dinge nicht so direkt, wie man sie sich bei anderen Texten fragen würde; man legt an solche verbrieften Figuren (auch wenn sie das gar nicht sind im eigentlichen Sinne) andere Parameter an, man hat da andere Erwartungen, finde ich, man ist vielleicht auch nicht ganz so streng. Ich wollte, so mal als Vorgabe an mich selbst, einfach so etwas wie einen deutschen Western schreiben, aber eben deutsch und nicht nur eine abgekupferte John Wayne Nummer. Da ist die Frage ja immer wieder: warum können das Deutsche nicht? Weil wir natürlich historisch einfach anders gewachsen sind und eben keine Weiten wie in Nebraska oder Montana haben und auch nie hatten, und auch nicht diesen Mythos des Westens, der ja eine Art heiliges Versprechen darstellte von Freiheit und Reichtum und unendlichen Möglichkeiten und Individualität, das finden wir in Deutschland nicht. In Kanada ist es zum Beispiel der Norden, da ist der Norden dieser Mythos der unbezähmbaren Nature, des echten, wirklichen Freiraums, der Mensch kommt in der Wildnis zu sich etc. Wir können als Autoren also nicht auf diese Konzepte zurückgreifen. Die so oft beschrieben frontier der Amis als Grenze zwischen roher Wildheit und Zivilisation, die ständig umkämpft ist und sich ständig verschiebt, die gibt es hier nicht und gab es auch nie. Also was tun? Meine Lösung war eben, gar nicht erst zu versuchen, diese Western oder Genreregeln auf das urtümlich Deutsche zurückzuführen, sondern etwas Eigenes zu finden. Söldner waren da erstmal die beste Wahl, um diese Kleinheit und Kleinstaaterei zu beleuchten, du hast, wenn du aus dem Westen kamst und nach Berlin wolltest, 80 Grenzstationen passiert! Da steckt ja so viel Potential dahinter, wer sich nicht alles mit wem bekriegt und warum, und dann eben diese Figur des Schambatist, der auch ein Braucher ist, einer der noch mit dem Aberglauben verbunden ist aber doch nur so halb, ein halber Heide sozusagen. Na ja, das sind jetzt meine eigenen wilden Theorien wie ich das Setting für mich umsetzen wollte, ist ja immer die Frage ob das nachher auch so funktioniert, aber ich kann momentan einfach nur sagen, dass es mir eine saugroße Freude bereitet, das zu schreiben, es macht Spaß, ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß beim Schreiben. Deswegen werdet ihr wahrscheinlich weitere Kapitel ertragen müssen! :D
Hier die Stelle: Verträgt das nicht etwas mehr Konflikt?

Ich denke, ich würde dir sofort Recht geben, aber vielleicht sollte man das schon auch als ganze Komposition begreifen in Verbindung mit dem ersten Teil, und der war schon recht hart und drastisch, da wollte ich jetzt nicht gleich bei der nächsten Szene, die solches Potential durchaus hätte, direkt auf die Tube drücken; es ist auch immer eine kleine Klischeefalle, überall dort, wo Frauen auftauchen, dieses Potential zur Gewalt zu installieren, die Typen sind ja sowieso bedrohlich und gefährlich, das muss man nicht dadurch noch extra beweisen, das wäre wie in einem Noir-Roman, wo nicht nur alle Figuren schrecklich böse sind und daherreden, sondern der Erzähler auch noch, das wirkt dann schnell zuviel und drüber und verliert auch einfach an Boden, an Substanz.

Danke dir bis hierhin für den sehr schönen Text! Bin wohl doch nicht der erste. Mal schauen, wer gleichzeitig mit mir an seinem Kommentar geschrieben hat und ehe mir fertig geworden ist ..
Ja hey, ich danke dir fürs Lesen, ist ja kein ganz kurzer Text, und ich bin damit auch noch lange nicht durch!

Gruss, Jimmy

 

Hallo Jimmy,

Ja, hat mir gut gefallen. Danke für's Mitnehmen in diese dunkle Vergangenheit. Habe mir 'ne Black Metal Platte aufegelegt und deine Geschichte dazu gelesen. Täuscht es mich, oder ist dies bereits der dritte Teil rund um den "Stechgroschen" bzw. die beiden Bluthunde Schambatist und Traugott? Oder war der Letzte nicht aus demselben Universum ... (?) Jedenfalls habe ich das Gefühl, Du hast hier betreffend der Sprache, diesem Sprech, nochmal eine Schippe draufgelegt. Anfangs war's wieder etwas beschwerlich, da reinzukommen, aber sobald ich mich daran gewöhnt hatte, ging das dann sehr gut und es entwickelte einen regelrechten Sog. Da sind auch schöne Bilder drin und obwohl ich den Text im Allgemeinen eher als dreckig warnehme (soll ein Kompliment sein), hat mir dieses Gegensätzliche sehr gut gefallen. An der ein oder anderen Stelle hatte ich das Gefühl, Du fällst etwas aus dem bisherigen Duktus, ich versuche unten, einen oder zwei Abschnitte als Beispiel aufzuführen. Auf jeden Fall kann ich mich meinem Vorredner anschliessen: Ich finde es beeindruckend, wie Du diese Sprache durchziehst und kann nur erahnen, wie viel Mühe und Arbeit da drinsteckt. Chapeau!

Die Charaktere des Schambatist und des Traugotts sind mir in diesem Text auf jeden Fall näher gekommen als noch im Stechgroschen, dort war der Fokus ein anderer, das Töten und so, aber hier werden die beiden für mich richtig greifbar, sie werden menschlicher, trotz ihrer Arbeit und es sind gerade auch ihre individuellen Ansichten auf die Welt, die mich die beiden dreidimensionaler erleben liessen. Fand ich insgesamt sehr gelungen.

Aber Schönheit, die reinste Schönheit, die, die wehtut wenn manse denn erkennt, die ist so selten wie ein Girasol, der edelste Stein den man in den Ingelheimer Kolonien kennt. So eine Schönheit ists, so hell un zart dass man se nich mal anfassen mag, dass man Furcht davor bekommt, se zerspringt in tausend Splitter, un so starrst du se an weißt nicht recht, was tun? Diese Schönheit, die wirkliche, die macht das mit einem, die lässt einen erstarren un verfallen in einen solch zauberigen Halbschlaf, dass sich dein Geist nicht mehr lösen mag, immerzu biste gefangen inner Schönheit un mit der Schönheit.
Das ist so eine Stelle, wo der Text für mich etwas aus dem bisherigen Duktus etwas rausfällt. Vielleicht weil die Sprache bisher schön räudig und auch ein wenig rotzig war, und dann kommt hier das über die Schönheit, vielleicht habe ich das den beiden, dem Schambatist und dem Traugott, irgendwie nicht recht zugetraut, dass sie auch so denken können, dass sie diese Schönheit überhaupt erkennen und benennen können.

Unten am Fluss ist die Luft kühl un riecht nach nassem Moos, das Gewässer steht nahezu in seinem Bett, so zäh un dunkel wie Molasse, un wir setzen uns ins niedrige Gras un schauen über die Weiden, zwischen den Linden stehen Gehöfte, die Dächer der Scheunen sin mit hellem Stroh gedeckt, fette Kühe un Schweine un Hennen, die Eier legen noch un nöcher, un ich sag ihr, wies is, manchmal denk ich dran, mich niederzulassen mitnem Weib, auf Deivel komm raus an nur einem Ort bleiben, sich setzen un nimmer aufstehen, Kinder inne Welt setzen solange bis der Fraiß sich die ersten holt, un da lachtse un sacht, komm, ich les dir ausser Hand, meine Mutter hats mir gezeigt, un die hats von ihrer, sliegt inner Familich, sachtse, un dann streicht se mir übern Arm un ich öffne die Hand un dann fährt se mitm Finger die dünnen Linien im Fleisch nach, un ich schau ihr in die Augen bisse se zumacht, sie ist so schön wie die Ammen auf den Gemälden der Flamen, eine Madonne die noch von nix Bösem weiß, un dann umschließt sie meine Hand mit der ihrigen, sie ist ganz klein un zart mit schlanken Fingern, ich könnt se so zerbrechen, die Hand, swürd gehen wie bei nem trockenen Ast, doch dann sachtse, schau her, du wirst durch ein dunkles Tal müssn, doch am Engk, da ist Licht.
Das ist ein (!) Satz. Liest sich durch die vielen Kommas sehr atemlos, ich bin mir aber nicht recht sicher, ob das an der Stelle passt, bzw. was deine Intention hier war? Es geht ja hauptsächlich um die Beschreibungen der Umgebung, dann um das sesshaft werden und auch um das Handlesen. Durch das Atemlose geht da ein wenig Information verloren, habe ich das Gefühl, vielleicht an der ein oder anderen Stelle mit Punkten arbeiten, damit das in seiner Gesamtheit besser aufgenommen werden kann? Also vielleicht einfach die drei Themen hier, Umgebungsbeschreibungen, Gedanken zum Niederlassen und das Handlesen klarer unterteilen? Nur so eine Idee, mir ging's etwas zu schnell hier, dieser Monstersatz rauschte so an mir vorbei, obwohl doch einige Dinge drinstecken und der auch gut geschrieben ist an sich.

Sie lächelt keck un zeigt Zahn un Zunge.
Kleine Details wie das hier lassen den Text für mich lebendig werden. Sehr schön gemacht.

Aber sieksch … die Haut von denen bleibt ja doch nich so glatt, nie un nimmer bleibt die so glatt, un duften tun se schon bald nur noch nach ner rottigen Alraune, oder? Schambatist? Was sagst dazu?
Lass aufsitzen sag ich.
Hier musste ich grinsen ob seiner trockenen Antwort. Toller Dialog! Allgemein finde ich die Dialoge gut gelungen und sie tragen für mich eine Menge dazu bei, dass ich den Text als authentisch wahrnehme. Klasse. An der ein oder anderen Stelle fiel es mir etwas schwer zu erkennen, wo jetzt wer spricht, oder ob überhaupt gesprochen wird, wegen der fehlenden Kennzeichung der direkten Rede, aber auch das hat sich nach den ersten paar Absätzen schnell gelegt und es passt auch zum Text, insofern also sehr konsequent das alles, fügt sich gut in das Gesamtbild ein, dass ich von der Geschichte bekomme.

Ich spiel nich, sacht er. Wenns nich um Leben un Tod geht, dann machts mich nur trüb im Kopp.
Schöne Charakterisierung hier. Top. Das zeigt für mich gut dieses Raue und Rohe der Protagonisten. Fand ich sehr toll.

Herrje, Fortune is immer bei den Beginnern, lacht er.
Bei "Beginnern" habe ich kurz gestockt und dachte mir so: Wieso redet der jetzt Englisch? :D

Fischauge un Glückshaus un Siebener, was man nur würfeln konnt wurd gespielt in der Küche damals un noch mehr, Kartenspiele wie Harte Hand un Laus un Schabernack … mein Vater war einst n ansehnlicher Spieler, gut in allem war es bei Woi un Gesang so gab, un er hatse mir alle gezeigt, alle Spiele die er kannte. Sgibt kein Geheimnis wie man gewinnt, man muss nur lernen stets richtig hinzusehen um dann alsbald dem anderen die Strähne abzuschneiden - sGlück kommt, musst nur warten, bisses zu dir geht. Un wenns gewinnen erstmal selbstredend wird verärgerts die Fortuna un sie leert ihr Füllhorn ganz rasch aus. Dann schlägtse dir ne Wunde un übergibt and nächsten Gesellen.
Diesen Ausflug hätte es für mich nicht gebraucht. Es ist meiner Meinung nach auch so klar geworden, dass er sich mit dem Spielen einigermassen auskennt und an der Stelle erfährt man lediglich, dass sein Vater auch ein guter Spieler war und er das wohl von ihm geerbt hat. Auch das mit dem Glück: War für mich eher nebensächlich. Die Stelle könnte man kürzen/weglassen, sie wirkt so als Rückblick dazuwischengeschoben und nimmt dem Text etwas von seinem Tempo bzw. von der Direktheit dieser Szene in der Schänke. Sie fügt für mich jetzt auch nicht viel zur Charakterisierung hinzu.

wird begrüßt von einem großen Dunklen, von dem ich denk, er sei ein Mohr un ich seh in Traugotts kurz messendem Blick, dass ern sich ausguckt - gute Bein, gute Arm, wo steck ich de Klinge hin? wenns drauf ankommt, aber er nickt nur un lacht un da weiß ich, er hat genug Krüge in seinem Balch so dass er nur die Nacht durchkriegen will.
Das habe ich an der Stelle nicht ganz verstanden. Also der Alkohol macht ja eher aggressiv als das er beruhigend wirkt, von daher dachte ich erst, der müsste mit den Krügen in seinem Balch eher streitlustiger auftreten? Nun ja, ich red hier halt auch nur von meiner eigenen Erfahrung bezogen auf den Alkohol, kann ja auch sein, dass ihn das Trinken auf eine Art glücklicher macht, also ihm ein gutes Gefühl gibt, so dass er sich nicht mehr mit jemand anderem messen muss.

Gold is weich, un n Kopp is hart.
Da habe ich den Vergleich nicht ganz geschnallt. Wieso ist das Gold weich?

Dunnemals, als ichs erste Mal den dünnen Rauch trank, da hatt ich auch ne Pfeif wie diese, n Zierstück aus den persischen Höhen.
Hier bin ich über den Ausdruck des "Rauch trinkens" gestolpert. Konnte ich nix mit anfangen. Was ist hier gemeint? Schon einfach das Rauchen an sich, oder?

Hieron sitzt im vornem Feuer.
Bin mir nicht ganz sicher, aber entweder fehlt da was oder es ist ein Wort zuviel.

In Himmel wolln mer, mir sin Betbrüder.
Betbrüder, das ich net lach, sacht der Geselle.
Was hatn der Bub da ausgefressn, dassern gleich den Hals langmachen wollt?
Der het ze vell jebetet.
Auch hier: Sehr toller Dialog und für meinen Geschmack die genau richtige Dosis schwarzen Humors :D

Ich glaub an nix, weil nix an mich glaubt.
Nun ja, stimmt das? Zumindest die Auftraggeber der Bluthunde müssen doch an sie glauben, sonst würden sie die Aufträge jemand anderem erteilen? Und ans Gold bzw. an die Reppa glaubt er doch zumindest, nicht? Oder an den Tod ...

Wennst gut machst, dann is einer am Strick ratzfatz weg. Der fällt unds zieht ihn zu Bodn unds geht knack un so endet er. Doch wenner zu tief fällt un zu schwer is dabei dann kanns ihm schon mal den Kopp vom Hals reißen, ich habs ja selbst gesehen, das vergisst nicht. Da sprudelst rot ausm Nacken un manchmal is noch so viel Leben in den Kerlen, dasse davon gehen wollen, die wandeln dud üvvr die Erd, et Fleisch noh roh un ganz warm. Oft verreißts den Strick un dann ziehts denen die Gurgel nur zu un da erstickense dann langsam dran, da kannst alle Ferv sehn von rud zu blau, so blau wie die prallsten Traubn im hohn Sommer.
War mir bisschen zu erklärend, da die Sache mit dem Henken und was dabei alles passieren kann. Habe ich mir direkt schon vorgestellt gehabt, dieses Szenario mit dem Kopf, der abreissen kann, als ich als Leser in die Szene eingestiegen bin. Ist wohl bei dem Jungen auch eher unwahrscheinlich, sagt er ja selbst, da muss man schon ein ordentliches Körpergewicht auf die Waage bringen, damit sowas passieren kann. Nun kann auch sein, dass ich da etwas Vorwissen habe, für mich hätte das aber etwas kürzer gehalten werden können.

Ich hasses Meer ja. Wenns mir auffe Decke tropft da werd ich zum keuschen Reh im finsteren Wald.
Mir isses auch unheimlich. Wennst Lot versenkst unds geht inne Tiefe un findet kein End …
Mitn Stiefln aufm Schlamm bleiben sach ich.
Auch sehr schön. Sind halt keine Seemänner die beiden, sondern auf dem Lande verhaftet.

Der Pass is eng un gewundn wie ne Natter, knapp nebenem Tritt reißts ab, man fällt inne Schlucht hinab
un innen Strom, der sich schäumt un bäumt un einen fortreißt damit sich die Lungen uffblähen un man dud kieloben schwimmt bis der Fährmann den dunsigen Leib schließlich holen kommt.
Komischer Umbruch an der Stelle. Wohl nicht gewollt, nehm ich an.

Hattest denn Salz dabei? Fleisch ohne Salz is fad wie aal Milch.
Ich han immer Salz dabei, das lernst ja früh beim Kommiss, Salz un n Flintstein, ich trags im Gürtel mit mir, so verlier un vergess ichs net.
Das mit dem Salz fand ich zu stark an den Leser gerichtet. Dürfte es dem Schambatist nicht klar sein, dass der Traugott immer Salz dabei hat? Ich weiss jetzt nicht, wie lange die beiden schon zusammen reiten, aber sie gehen ja demselben Handwerk nach, sind aus demselben Holz geschnitzt, ich dachte, das mit dem Salz ist dort einfach Grundwissen, also das der Schambatist das genau so macht und fand deshalb seine Frage hier etwas überflüssig.

Ja, ich weiss jetzt nicht, obs Fenergierscheid und das freie Jülich und so wirklich gegeben hat, habe das auch nicht recherchiert, ich habe das dem Text einfach abgekauft, weil das alles sehr organisch und auch echt wirkt, auch die Geschehnisse und die Dialoge, so als müsst's genau so gewesen sein und nicht anders. Was mir ausserdem gut gefallen hat, dass Du diese wiederholenden Elemente nicht so exzessiv gebraucht hast, wie das noch beim Stechgroschen der Fall war oder die ich auch in anderen Texten von Dir wahrgenommen habe, da hatte ich dann rasch das Gefühl, ah, das ist so ein Trick des Autors: Einfach oft genug wiederholen, dann muss es auch wahr sein. Ich finde, das hast Du gar nicht immer nötig, denn bspw. bei diesem Text hier hatte ich auch so ständig das Gefühl, dass mir da was Authentisches erzählt wird, dieser Detaillierungsgrad und die teilweise auch unbekannten, aber gut klingenden Begriffe, da passt alles zusammen, greift ineinander und es ergibt in seiner Gesamtheit ein stimmiges und grimmiges Bild dieser vergangenen Tage.

Vielleicht abschliessend: Einen Roman würde ich wohl nur schwer durchhalten, allein wegen der Schreibweise, aber so als "kleine Häppchen", als Kurzgeschichte(n), funktionieren diese Ausflüge mit dem Schambatist und dem Traugott sehr gut, da würde ich gerne - etappenweise - noch mehr Teile von lesen.

Ja, hat mir sehr gefallen, der Text.

Beste Grüsse,
d-m

 

Habe mir 'ne Black Metal Platte aufegelegt und deine Geschichte dazu gelesen.

Hallo @deserted-monkey und vielen Dank für deine Zeit und den sehr guten Kommentar.

Ja, krass. Ich kenne mich mit BM und so null aus, Katla hatte mir letztens schon was in diese Richtung empfohlen, ich muss da dringend mal reinhören, auch wenn ich da schon etwas Angst vor habe, haha.

Täuscht es mich, oder ist dies bereits der dritte Teil rund um den "Stechgroschen" bzw. die beiden Bluthunde Schambatist und Traugott? Oder war der Letzte nicht aus demselben Universum ... (?)
Ja, der Hessel kommt da auch drin vor, ich konnte nicht widerstehen, aber im Grunde sind das verschiedene Geschichten, Universum klingt direkt so groß angelegt, aber es sind einfach Texte, die mich gerade beschäftigen und raus wollen, da jetzt von Universum wie bei King oder Tolkien zu sprechen, halte ich für, sagen wir: verfrüht. Was nicht ist, kann noch werden! :D

Da sind auch schöne Bilder drin und obwohl ich den Text im Allgemeinen eher als dreckig warnehme (soll ein Kompliment sein), hat mir dieses Gegensätzliche sehr gut gefallen. An der ein oder anderen Stelle hatte ich das Gefühl, Du fällst etwas aus dem bisherigen Duktus, ich versuche unten, einen oder zwei Abschnitte als Beispiel aufzuführen.
Ja, vielen Dank. Ich versuche natürlich hier, durch den doch relativ atemlosen und auch brutalen Einstieg, also den Stechgroschen-Text, erstmal etwas vom Gas zu gehen, nicht direkt wieder Szene an Szene. Ich weiß gar nicht, ob man schon von Entwicklung der Charaktere sprechen kann, für mich ist das hier so ein klassisches Übergangskapitel, im Kopf habe ich so sechs bis sieben im Umfang 7000 Wörter, das muss man schon etwas austarien, damit es eine schöne Wellenbewegung bleibt und auch ein Finale, was dann würdig erscheint. Ist eine gute Beobachtung mit den sprachlichen Ausreißern, ich kann das noch nicht so sehen wie ein vollkommen fremder Leser, auch weil ich mir noch nicht die Gedanken gemacht habe, wie ich das in Gänze durchziehen will. Es ist schon nochmal krasser als im Stechgroschen, also etwas oraler noch, dadurch verschiebt sich einiges, das muss ich selbst erstmal sacken lassen.

Die Charaktere des Schambatist und des Traugotts sind mir in diesem Text auf jeden Fall näher gekommen als noch im Stechgroschen, dort war der Fokus ein anderer, das Töten und so, aber hier werden die beiden für mich richtig greifbar, sie werden menschlicher, trotz ihrer Arbeit und es sind gerade auch ihre individuellen Ansichten auf die Welt, die mich die beiden dreidimensionaler erleben liessen. Fand ich insgesamt sehr gelungen.
Das ist ein schönes Lob, weil es schon auch so gedacht war. Hier gibt es eine längere Strecke, die sich auf die beiden konzentriert, wo es auch mehr Interaktion auf persönlicher Ebene gibt und nicht direkt das Messer rausgeholt wird.
Das ist so eine Stelle, wo der Text für mich etwas aus dem bisherigen Duktus etwas rausfällt. Vielleicht weil die Sprache bisher schön räudig und auch ein wenig rotzig war, und dann kommt hier das über die Schönheit, vielleicht habe ich das den beiden, dem Schambatist und dem Traugott, irgendwie nicht recht zugetraut, dass sie auch so denken können, dass sie diese Schönheit überhaupt erkennen und benennen können.
Ich verstehe, was du meinst. Es ist natürlich auch so, dass man da vorsichtig sein muss als Autor, nicht diesen Archetypen harte Schale und weicher Kern zu implementieren, aber im Grunde muss ich gestehen, den genau so vor Augen zu haben. Das wird sich sicher im weiteren Verlauf noch verfestigen oder beweisen, also wie ist der so geworden oder warum tickt der so, und ich wollte ihn hier nur vage schattieren, er ist schon jemand, der Schönheit erkennt und diese auch zu würdigen weiß. Ist jetzt die Frage, ob er selbst genau dieses sprachliche Register hat, das ist halt eben etwas, was ich mich auch ganz generell frage. Da sind wir, glaube ich, total im Bereich des Spekulativen, weil es könnte sein oder auch nicht, die Frage wäre eher, ist es wahrscheinlich innerhalb dieser festgelegten fiktiven Welt?

Nur so eine Idee, mir ging's etwas zu schnell hier, dieser Monstersatz rauschte so an mir vorbei, obwohl doch einige Dinge drinstecken und der auch gut geschrieben ist an sich.
Werde ich mir näher ansehen, mir ist nicht aufgefallen, dass das nur ein Satz ist, haha.
An der ein oder anderen Stelle fiel es mir etwas schwer zu erkennen, wo jetzt wer spricht, oder ob überhaupt gesprochen wird, wegen der fehlenden Kennzeichung der direkten Rede, aber auch das hat sich nach den ersten paar Absätzen schnell gelegt und es passt auch zum Text, insofern also sehr konsequent das alles, fügt sich gut in das Gesamtbild ein, dass ich von der Geschichte bekomme.
Ja, das verstehe ich gut. Mir geht das bei McCarthy zum Beispiel auch immer so, dass ich manchmal nicht genau weiß, wer spricht, oder ob es sogar eine unbeteiligte Stimme ist, die sozusagen aus dem Off nur etwas scheinbar Nebensächliches erzählt, das macht er ja öfters. Ich habe dann aber bemerkt, worauf er eigentlich (so glaube ich jedenfalls in meiner amateurhaften Meinung) hinauswill, und das ist ein Text mit totalem Zug. Es ist nicht so, dass dann nur eine Person etwas Präzises sagt, sondern der ganze Text kommunziert mit einem, mit dem Leser - das klingt irgendwie seltsam esoterisch jetzt, aber für mich spielt das dann keine Rolle, ob ich genau weiß, wer was spricht, denn alles ist mehr oder weniger auf Augenhöhe, alles passiert so gegenwärtig und wird aufgenommen, es saugt einen richtig ein. Was bleibt ist ein gesamter Eindruck. So habe ich das hier auch versucht, eben den Fokus nicht auf einen Charakter zu setzen, sondern auf das ganze Universum, wenn du es so sagen willst, auch wenn mir klar ist, dass es hier ja einen wirklichen Erzähler gibt und ich denke, die Perspektive ist auch nicht ganz unproblematisch, aber dieses Selektive wird aufgebrochen durch dieses vielleicht etwas Zusammenhanglose, Rhizom-artige, das sich dann wieder zu einem großen Ganzen zusammensetzt, bestenfalls!

Diesen Ausflug hätte es für mich nicht gebraucht. Es ist meiner Meinung nach auch so klar geworden, dass er sich mit dem Spielen einigermassen auskennt und an der Stelle erfährt man lediglich, dass sein Vater auch ein guter Spieler war und er das wohl von ihm geerbt hat.
Ist notiert.

Nun ja, ich red hier halt auch nur von meiner eigenen Erfahrung bezogen auf den Alkohol, kann ja auch sein, dass ihn das Trinken auf eine Art glücklicher macht, also ihm ein gutes Gefühl gibt, so dass er sich nicht mehr mit jemand anderem messen muss.
So habe ich das gedacht, er ist so angetrunken, dass er gutmütig wirkt. Auch so ein Archetyp, der angetrunkene sanfte Riese, haha.

Da habe ich den Vergleich nicht ganz geschnallt. Wieso ist das Gold weich?
Gold gilt ja als sehr weiches Metall, deswegen. Es lässt sich, meine ich, sogar mit den Fingern verbiegen.

Hier bin ich über den Ausdruck des "Rauch trinkens" gestolpert. Konnte ich nix mit anfangen. Was ist hier gemeint? Schon einfach das Rauchen an sich, oder?
Ja, dieses Belladonna ist ja so etwas wie Opium, und die Opiumraucher sprachen immer etwas verklärt davon, den Rauch zu trinken, das sah durch die langen Pfeifen wohl auch so aus, nicht dass ich mich damit auskenne, ich habe es bei de Quincey (meine ich) gelesen.

Nun ja, stimmt das? Zumindest die Auftraggeber der Bluthunde müssen doch an sie glauben, sonst würden sie die Aufträge jemand anderem erteilen? Und ans Gold bzw. an die Reppa glaubt er doch zumindest, nicht? Oder an den Tod ...
Stimmt, da muss ich nochmal ran.

Das mit dem Salz fand ich zu stark an den Leser gerichtet. Dürfte es dem Schambatist nicht klar sein, dass der Traugott immer Salz dabei hat?
Voll erwischt. Das ist Wissen, über das beide verfügen, und ja auch etwas, was mir selbst oft an anderen Texten auffällt, dass sich oft die Charaktere gegenseitig etwas erklären, was keiner Erklärung bedarf ... und dann kommt so was! Ich setz mich in die Ecke und schäme mich eine Runde. Wird bei der Überarbeitung geändert! :D

Ja, ich weiss jetzt nicht, obs Fenergierscheid und das freie Jülich und so wirklich gegeben hat, habe das auch nicht recherchiert, ich habe das dem Text einfach abgekauft, weil das alles sehr organisch und auch echt wirkt, auch die Geschehnisse und die Dialoge, so als müsst's genau so gewesen sein und nicht anders.
Fenergierscheid gibt es, ist aber ein Dorf mit 30 Einwohner hier um die Ecke. Ich habe da einfach mal dreist alles zusammengeklaut oder schlicht erfunden. Es gibt auch keine Waffe mit den Namen Bickerstaff und kein Instrument, dass Fosseluka heißt, aber sie sind in meiner Fantasie entstanden und JETZT gibt es sie eben! :D Ich glaube, man hat hier auch keine Wahl, entweder man steigt da ein und muss es dann auch glauben, oder man sagt von vorneherein, nee, das is nix für mich, ich glaub das nicht. Es ist schön, dass du dies so liest und es auch glaubst, oder es erstmal nicht hinterfragst mit einem strengen rationalen Kalkül. Klar kann man sagen, bei jedem Film und jedem Buch muss ich eine gewisse mentale Gymnastik betreiben, weil manchmal sich Protagonisten jetzt genau so verhalten müssen, wie es die Geschichte braucht und nicht, wie es vielleicht in der Wirklichkeit wäre. Ich bin mir da selbst auch noch unschlüssig, wie weit man da gehen kann, um den Leser nicht vor eine Barriere zu stellen, eine Hürden, die er dann nicht bereit ist zu überspringen.

Vielleicht abschliessend: Einen Roman würde ich wohl nur schwer durchhalten, allein wegen der Schreibweise, aber so als "kleine Häppchen", als Kurzgeschichte(n), funktionieren diese Ausflüge mit dem Schambatist und dem Traugott sehr gut, da würde ich gerne - etappenweise - noch mehr Teile von lesen.
Ich fürchte, ich auch nicht. Ich plane das eventuell so in sechs bis sieben Kapiteln, vielleicht 150 Seiten, dass ist nicht wirklich ein Roman und auch sicherlich nicht die Kategorie Buch, die sich jetzt sehr gut verkauft, weil das Thema wahrscheinlich fast niemanden interessiert, und vielleicht verliere ich auch mittendrin die Lust daran, aber zur Zeit bereitet mir dieses Projekt unfassbar viel Spaß, weil ich endlich mal wieder in die Vollen greifen kann, ohne Rücksicht auf Verluste, eine Geschichte die nach allen Regeln der Kunst wirklich erfunden ist, und das ist gerade eben für mich unbezahlbar. Ich bin echt dankbar dafür, dass es hier überhaupt Leser gibt, die ihre kostbare Zeit für so etwas opfern und sich auch Gedanken noch machen, das empfinde ich als sehr hohes Gut in unserer so schnelllebigen Zeit. Wollte ich nur mal loswerden!

Nochmals vielen Dank, d-m.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman
Obwohl ich nicht so gescheit daher parlieren kann, wie diejenigen, die vor mir kommentiert haben, möchte ich doch ein paar Gedanken hier lassen zu Deiner Geschichte. Zuvor muss ich anmerken, dass Deutsch nicht meine Muttersprache ist, geschweige denn verstehe ich Niederländisch oder Rheinisch. Deshalb war diese Geschichte eine spezielle Herausforderung für mich, die ich gerne angenommen habe. Und richtig Spass damit hatte.

Obwohl Du nirgends erwähnst, in welcher Zeit das Ganze spielt, dachte ich mir, das muss während oder kurz nach dem 30 jährigen Krieg sein, vermutlich weil Du Kämpfe mit Schweden und Dänen erwähnst. Und wieviel Schambatist (in meinem Kopf immer Jean-Baptiste ausgesprochen, konnte nichts dagegen machen) und Traugott, die beiden Bluthunde, in zwei Tagen erleben und wie Du ihre Erlebnisse beschreibst, ist schon sehr gutes Handwerk. Die Sprache, einmal brutal und schrecklich, zum Beispiel wo der Junge aufgehängt wird, sinnlos und ohne Gnade und die beiden sitzen auf ihren Rappen und schauen zu, und dann wieder so schön und fast schon romantisch (die Szene mit den Jungmädchen) hat mir ausgesprochen gut gefallen, als ich sie denn verstand, und ich hatte sofort lebendige Bilder im Kopf, die mir auch blieben und ich mich vermutlich auch später noch daran erinnern werde. Keine beliebige Geschichte, sondern eine mit Gehalt. Ich könnte noch weitere Szenen erwähnen, wie z.B. der Hahnenkampf oder wie Du den Alterungsprozess der Frauen beschreibst, doch möchte ich es im Moment dabei belassen.

Ich werde jetzt den ersten Teil der Stechgroschen-Saga lesen und freue mich schon darauf.

Gerne mehr davon.

Viele Grüsse
Aida Selina

 

Obwohl Du nirgends erwähnst, in welcher Zeit das Ganze spielt, dachte ich mir, das muss während oder kurz nach dem 30 jährigen Krieg sein, vermutlich weil Du Kämpfe mit Schweden und Dänen erwähnst.

Hallo @Aida Selina und auch dir vielen Dank für deine Zeit und deinen Kommentar.

Ja, du hast Recht, vor meinem inneren Auge passiert das auch in dieser Zeit. Leider gibt es wenig bis gar keine Literatur aus dieser Zeit, es sind auch allgemein wenige Überlieferungen. Manche Historiker sind ja der Ansicht, dass sich Deutschland nie davon erholt hat (oder was damals noch nicht Deutschland war). Ich weiß nicht, ob das eine steile These ist, aber es ist sicher eine interessante und auch brutale Zeit gewesen, so aus der 21 Jahrhundert Erste Welt Perspektive gesprochen. Die Herausforderung hier ist ja für mich, eine Art Scheinwelt zu erschaffen, die aber dennoch so real wirkt, als könnte es sie wirklich gegeben haben. Dafür muss es irgendwelche Indikatoren im Text geben, den er ist ja ansonsten kein übermäßiger Fantasytext, es gibt keine Drachen oder Zwerge, nur Königreiche und Waffen und Drogen, die es in echt nie gegeben hat.

Die Sprache, einmal brutal und schrecklich, zum Beispiel wo der Junge aufgehängt wird, sinnlos und ohne Gnade und die beiden sitzen auf ihren Rappen und schauen zu, und dann wieder so schön und fast schon romantisch (die Szene mit den Jungmädchen) hat mir ausgesprochen gut gefallen, als ich sie denn verstand, und ich hatte sofort lebendige Bilder im Kopf, die mir auch blieben und ich mich vermutlich auch später noch daran erinnern werde
Schön, wie du das liest. Bei längeren Sachen versuche ich oft, eine Art erzählerischer Sinus zu erschaffen, also Berge und Täler, durch die man als Leser mit der Geschichte schreitet, weil man den Charakteren im besten Falle folgen möchte und mit ihnen mitfiebert. Das geht meiner Meinung nach nur, wenn man beides hat, Szenisches und erzählende Passagen, ein wenig Vertiefung des Charakters und dann wieder action, also nicht nur bamm bamm bamm eins nach dem anderen reinknallen, dann verliert alles an Effekt und Wirkung. Also sind diese Rückmeldungen, was Lesetempo und einzelnen Passagen und dann das Ganze betrifft, sehr willkommen, und umso besser, wenn es dann funktioniert.
Keine beliebige Geschichte, sondern eine mit Gehalt.
Na ja, das sehen wir dann mal ganz am Ende! Danke dir für deinen Einblick und deine Meinung.

Gruss, Jimmy

 

Das freie Jülich. Weizenfelder noch un nöcher.

Ich fang nun mal damit an, dass die („adverbiale“) Steigerung von „noch“ zu ’nem „noch und „nöcher“ sicherlich nicht nur von meiner Frau Mutter verwendet wurde, wiewohl sie nicht im ripuarischen (der südlicheren Erscheinungsform im „rheinfränkischen“ Sprachraum Deiner Helden,) sondern in Ostpreußen geboren wurde und mit neun Jahren im Pott strandete, in einem Schmelztiegel aus sächsischen (Westfalen/Münsterland) und niederrheinisch, fränkischen Dialekten, die nahtlos ins Niederländische übergehn.

Schriftsprachlich/graphisch wäre da sicherlich Lautschrift genauer, aber auch wesentlich anstrengender sowohl in der ’ni:dər’ʃrift (gelegentlich klanglich eher eine „’ni:da’ʃrift“) als auch im „L/laut“ lesen, um Abweichungen von der Standardsprache aufzuzeigen.

Da geb ich aber (un)gerne zu, dass hierorts ja auch eher Entspannung denn Anstrengung gesucht wird, selbst wenn gelegentlich akustisch unfreiwillig seltsame Wortspiele gelingen mögen, wie hier ein möglicher Imperativ „war(ə)n“ und ein Untoter grüßen lässt

Ich warn Stein die Nacht. So schwer un tot
da ließe ein Apostroph ein stummes e [ə] nachklingen und die Kunst des Vortragenden die Pause zwischen der gekürzten Konjunktion und dem Adjektiv nicht unbedingt zum Untoten zusammenwachsen.

Das überraschende aber ist doch, dass die Zeichensetzung im gesprochenen und somit flüchtigen Wort nebensächlich wird (man spricht zwar mit wohlgesetzten Pausen, die aber eher der akustischen Dramaturgie als den Regeln der Zeichensetzung folgen. Hier fällt’s das erste Mal auf

Mit Mark ausm Knochen vom HirschKOMMA sacht der Schankwirt und wischt mitem Tuch übern Tisch. Habts gut geruht dahinten im Kabuff.

Hier
Noch ne Schal.
wird - wenn auch ein relativ geringes - Risiko eingegangen, en Schal mit ner Schal[ə] zu velwechsern

Sicherlich lässt sich noch dies und das finden, aber ich denke, dass Du weißt, was ich meine. Interessant ist das Projekt allemal, dass ich ihm mit Interesse folge, in der eigenen Hoffnung, ein Projekt in Sachen Attila/Etzel /@Katla doch noch ausführen zu können und durch den (von mir dazu ausgewählten) heiligen Viktor (deutsch: Siegfried, altripuarisch Segebert) der niederfränkische Dialekt, der ja heute nahtlos ins niederländische übergeht und im salfränkischen (vor allem Flanderns), zu Ehren käme. Aber momentan haben andere Dinge Vorrang für den

Friedel

 

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