- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 16
Die Schicksalsschlacht
Die Schicksalsschlacht
Am Anfang war Gott, am Ende herrschten wir. Es existierte nichts, was sich hätte uns in den Weg stellen können. Unsere ersten Feinde brachen wie trockene Ähren in einem tosenden Sturm und gingen kurz darauf in lodernden Flammen auf, wie in einer zu trockenen Sommerperiode. Ihre graue Asche verteilte sich in alle vier Himmelsrichtungen, bis hinein in die Ewigkeit, die alleinig noch die Existenz dieser Rasse bezeugen kann. Die letzten zerbarsten in einem todbringenden Inferno aus Feuer und Pest. Wurden dahingerafft und in ihre Atome zersetzt.
Wir waren schlimmer als der Sensenmann und unser Eintreffen war ebenso unausweichlich. Unsere Natur war weder gut, noch war sie böse. Unsere Angriffe weder gerecht, noch ungerecht. Oft wurden wir verglichen mit einer Naturgewalt, die einfach passierte. Ich selbst sehe uns als perverse Laune des allmächtigen Schöpfers.
In uns schlummert ein unermesslicher Hunger nach Macht, Ruhm und Zerstörung. Unsere ersten Schlachten erweckten eine Kreatur, die möglicherweise lieber im Schlafe der Ewigkeit hätte verweilen sollen. Je mächtiger wir wurden und je ruhmreicher wir unsere Kriege führten, desto stärker wurde die Kreatur und lenkte immer einflussreicher unser Schicksal.
Ich habe Angst und beginne leicht zu zittern, wenn ich an die Zukunft denke. Denn es ist nicht abwegig zu sagen, dass wir möglicherweise bald gezwungen sein werden, den ehemaligen Platz der Kreatur einzunehmen und uns bittersüßen Schlafe hingeben werden. Dann haben wir, als letzte Bastion menschlicher Tugenden und Werte, gegen uns selbst verloren. Übrig wird eine leblose Hülle bleiben, die genau das sein wird, was man über sie sagt. – Eine Naturgewalt, ohne Gefühle oder Verstand. Ein Ambosshammer, geschwungen von Thor höchst persönlich.
Vielleicht werden wir eines Tages wieder zum Leben erweckt, aber möglicherweise ist es dann zu spät. Für alles gibt es nämlich seine Zeit. Für Licht und für Schatten. Für Fehler, die man macht und für das Lernen aus diesen Fehltritten.
Denn was sollen wir dann anfangen, mit unfruchtbaren Wüsten auf unbewohnten Planten? Mit wem sollen wir dann Gedanken austauschen, über Erfahrungen, die wir gemacht haben? Diese Einsicht haben wir spät erhalten - zu spät. Wir waren davon überzeugt, dass die Dominanz oder gar die Gleichmachung ersehnte Eintracht und damit verbundenen Frieden und Glück bringe. Aber es ist die Vielfalt, die durch Reichtum an Toleranz und Nächstenliebe, Eintracht in ihrer Vollkommenheit herbeiführen kann.
So scheint es, als hätten wir den letzten Schritt vom Sims über dem Abgrund fast schon vollendet, aber nur fast. Nichts ist unvorhersehbarer, als die verschlungenen und unergründlichen Wege des Schicksals.
„Alpha Prätorian?! Es ist Zeit“, meldete eine helle Frauenstimme.
„Ja,...ja,... ich komme.“, antwortete der Gerufene müde.
Langsam stand er von seinem Stuhl auf, strich seine graue Uniform glatt und verließ seufzend den Raum. Mit schnellem Schritt eilte er durch ein Labyrinth einsamer und langer Flure, bis er eine in Gold gefasste Tür erreichte. Wie von Geisterhand öffnete sie sich lautlos und er trat in den dahinterliegenden Raum.
Es war ein großer, prunkvoller Konferenzsaal. Er stammte noch aus der alten Zeit, aus der goldenen Zeit. Alpha Prätorian zählte 32 Männer und Frauen, die auf Stühlen platz genommen hatten. Es handelte sich dabei um die höchsten Senatoren, Militärgeneräle und Geheimdienstchefs.
Als er sich leise in einer der vorderen Reihen gesetzt hatte, verdunkelte sich der Raum und die Wand vor ihm zeigte plötzlich leeren Weltraum. Einen Augenblick später tauchte eine kleine Gruppe X7 Weltraumjäger aus den unendlichen Weiten auf. Es waren die technisch perfektesten und kleinsten Kampfeinheiten, die jemals ein Wesen produziert hatte. Ein einziger Jäger hatte genügend Feuerkraft um zehn Welten der Beta 3 Größe zu zerstören.
Plötzlich fing der Raum um die Jäger herum an zu flimmern und mehre Objekte enttarnten sich. Dann passierte alles blitzschnell. Innerhalb eines Herzschlages beschossen die Objekte die Jäger und verwandelten diese in rasende Feuerbälle. Einen weiteren Moment später waren die Objekte verschwunden und Licht flutete den Saal.
Für eine kurze Zeit, die Alpha Prätorian jedoch länger vorkam als eine halbe Ewigkeit, herrschte Grabesstille. Das nervöse Klopfen eines Schuhs auf dem glatten Marmorboden wurde unerträglich laut.
Ein weißhaariger Mann ging schwerfällig zu einem imposanten Rednerpult. So langsam schritt er voran, als könne und wolle er die Last, die ihm auferlegt wurde, nur mit großer Mühe tragen. Leise, aber mit einer so durchdringenden Stimme, dass es trotzdem jeder verstehen konnte, sagte er: „Diese Bilder haben uns heute morgen erreicht. Wir haben sie überprüfen lassen und mussten zu unserem Grauen feststellen, dass es sich nicht um Fälschungen handelt. Dies ist tatsächlich passiert. Ich hätte nie, nicht einmal in meinen furchtbarsten Fieberträumen gedacht, dass ich jemals berichten müsste, dass der Stolz unserer Flotte, eine Gruppe X7 Jäger von unbekannten Objekten zermalmt worden ist. Ich hätte nicht einmal gedacht, jemals wieder von einem unbekannten Objekt sprechen zu müssen.“, der weißhaarige Mann machte eine Pause, die sich in die Länge dehnte. Fast hätte man denken können, er wäre ein alter, verwirrter Greis.
Er, der Alpha Prätorian gerufen wurde, blickte sich um und beobachtete die Menschen um ihn herum. Für die meisten war diese Nachricht der Zusammenbruch ihrer davor so fest verankerten Welt gewesen. Dieses Ereignis würde mit absoluter Sicherheit nicht nur die anwesenden Leute traumatisieren, sondern die gesamte Menschheit, schätze er. Ab diesem Tag, ab dieser Stunde, würde sich eine ganze Zivilisation neu orientieren müssen. Ihre makellose Siegerweste war mit ihrem eigenen Blut bespritz worden. So eine verheerende Katastrophe hatte es in der neuen Zeit noch nie gegeben.
Er selbst hatte glücklicherweise diese Aufzeichnung schon morgens erhalten. So dass er die schrecklichen Bilder hatte verarbeiten können und nun relativ gefasst auf seinem Stuhl saß. Der Grund, für seine frühe Benachrichtigung des Dramas war, dass seine Spezialeinheit sofort mit der Aufklärung des Falles beauftragt worden war.
„Wurden schon Gegenmaßnahmen getroffen?“, fragte der erste in den Raum.
„Diese Dreistigkeit können wir uns nicht bieten lassen. Die Schuldigen müssen gesucht und zur Strecke gebracht werden.“, rief ein zweiter empört.
„Genau!“, rief ein dritter sehr produktiv.
Der weißhaarige Mann nickte und antwortete: „Beruhigen sie sich, beruhigen sie sich. Wir haben die Prätorianer mit dem Fall betraut. Sie werden die Schuldigen sicherlich bald gefunden haben, oder etwa nicht Alpha Prätorian?“
Der Angesprochene stand auf und antwortete: „Nun, sie sind nicht das Volk, ihnen muss ich keine falschen Hoffnungen machen. Meine Leute haben vor fünf Stunden den Ort des Geschehens erreicht und mit den besten Scannern die Gegend nach Spuren abgesucht. Ohne Erfolg!“ Die letzten beiden Worte rasten wie ein Peitschenknall durch den Raum.
Ein Geheimdienstchef meldete sich wütend zu Wort: „Das kann nicht sein. Sie haben schlampig gearbeitet. Können sie mir erklären, wie sich jemand unseren Scannern entziehen kann? Es bleibt immer eine Spur zurück. Das lernt man schon in der Grundausbildung! Aber ich habe noch eine wichtigere Frage. Kann mir jemand erklären, wie es möglich ist, dass uns eine fremde Rasse angreift, obwohl wir die einzig übriggebliebene sind? Die letzte Rasse haben wir vor über fünfzig Jahren vernichtet. Wer von uns hat diesen entsetzlichen Fehler zu verantworten?“
Alpha Prätorian erwiderte mit ruhiger Stimme: „Nun, ich möchte keine voreilige Schlüsse ziehen. Aber wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass dies der erste Kontakt mit einer Rasse war, welche der unseren ebenbürtig, wenn nicht überlegen sein könnte. Woher sie kommt, können wir zur Zeit noch nicht sagen. Daher ist auch keiner Schuld daran.“
„Uns ebenbürtig oder sogar überlegen sein soll?“, lachte eine schrille Frauenstimme hysterisch.
„Überlegen sie mal, was sie da sagen. Nur weil jemand oder etwas ein paar unserer modernsten Jäger zerstört hat, bedeutet dies noch längst nicht, dass er es mit uns aufnehmen kann. Wir besitzen schließlich noch Hunderttausende dieser Flugeinheiten. Hat schon jemand daran gedacht, dass es ein Attentat war, welches in unseren eigenen Reihen geplant und durchgeführt worden ist?“
Ein lautes Raunen jagte durch den Raum und wurde sogleich von einer hitzigen Diskussion abgelöst.
Der weißhaarige Mann am Rednerpult ärgerte sich augenscheinlich darüber und versuchte wieder Ruhe in den Saal zu bekommen: „RUHE! Wenn sie denken, sie hätten einen produktiven Beitrag zu leisten, dann stehen sie auf und warten, bis sie an der Reihe sind. Ansonsten schweigen sie! Anderen Falls lasse ich sie aus diesem Raum entfernen. Wir müssen uns mit einem sehr prekären Fall befassen. Da kann ich angemessenes Verhalten ihrerseits erwarten.“
Schlagartig hörten die Diskussionen auf und alle Augenpaare wandten sich wieder dem alten Mann zu.
„Wie würden sie weiter vorgehen, Alpha Prätorian?“, fragte er.
„Zur Zeit halten sich noch fünfzig meiner Flieger in dem gefährdeten Gebiet auf. Sie sollten von zwei Geschwadern des Militärs abgelöst werden. Darüber hinaus müssen alle Flotten und Gefechtsstationen in höchste Alarmbereitschaft versetzten werden. Unser Geheimdienst sollte derweilen die Möglichkeit einer Verschwörung aus den eigenen Reihen eingehend überprüfen. Der Rest von uns wird einen Plan ausarbeiten, unser Bevölkerung möglichst schonend über der Katastrophe zu informieren.“
Bevor irgendjemand darauf antworten konnte, wurde die Tür zum Saal rüde aufgestoßen. Ein Unteroffizier stürzte herein und eilte auf den Vorsitzenden zu. Er salutierte einmal vor ihm, dann flüsterte ihm leise etwas ins Ohr und hastete wieder aus dem Saal.
Die Gesichtsfarbe des alten Mannes wurde schlagartig so weiß wie sein schütteres Haar. Krampfhaft klammerte er sich ans Rednerpult, als hätte er Angst zusammenzubrechen.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis er sich gesammelt hatte. Der Lautstärkepegel im Raum hatte sich wieder erhöht.
„Ruhe, Ruhe!“, sagte der alte Mann zittrig, „Soeben habe ich die Nachricht erhalten, dass wir jeglichen Kontakt zu ZSG346 und ZSG347 verloren haben. Ein technisches Problem wird ausgeschlossen.“
Irgendjemand hinter Alpha Prätorian flüsterte entsetzt: „Oh mein Gott, das ist nur ein paar Systeme von uns entfernt.“
Wenn die erste Nachricht den strahlenden Thron zum Wanken gebracht hatten, dann war die zweite der Todesstoß gewesen.
Plötzlich öffnete sich wieder die Saaltür. Alle Personen schreckten ängstlich zusammen und wollten die Nachricht, die der hereinkommende Unteroffizier überbringen würde, erst gar nicht vernehmen.
Wenige Augenblicke später sprach der weißhaarige Mann, der versuchte vergeblich Haltung zu bewahren: „In an Betracht der Dinge sage ich Freunde und Mitstreiter zu euch. Ein wahrer Wirbelsturm zeiht auf uns zu. Eben ist ein X1Jäger eingetroffen. Er gehörte dem 2. Geschwader der 125. Division an. Diese war zwischen ZSG344 und ZSG341 stationiert. Er hatte sich mit seinem Wingman auf Patroullienflug nach ZSG342 befunden. Als er wieder zu seinem Mutterschiff zurückkehren wollte, war eine Schlacht zwischen der 125. Division und einer fremden Streitmacht ausgebrochen. Die 125. Division war hoffnungslos unterlegen. Teile der fremden Raumschiffe, vor allem größere Schlachtschiffe, ließen daher schon von ihrer Beute ab und bewegen sich nun exakt auf diesen Planeten zu. Deshalb hatten beide sofort Kurs auf uns genommen, um uns zu warnen. Leider wurden sie bemerkt und eine heftige Verfolgungsjagd begann. Sein Wingman opferte sich letztendlich, damit dieser tapfere X1Jäger unbeschadet uns die brisante Nachricht überbringen konnte.“
„Gott steh uns bei!“, flüsterte wieder ein jemand hinter Alpha Prätorian.
Der weißhaarige Mann atmete einmal tief durch und erklärte dann: „Hiermit rufe ich den Notstand aus! Jeder von Ihnen weiß, was zu tun ist. Lange standen wir auf der Siegerseite und kämpften gegen minderwertige Gegner. Heute müssen wir beweisen, dass wir nicht ohne Grund die vorherrschende Rasse in diesem Universum sind!“
Alpha Prätorian stand zögernd von seinem Stuhl auf und verließ den Saal. Mittlerweile dröhnten laute Sirenen und kündigten Alarmstufe Rot an. Er ging nicht zurück in sein Quartier, sondern direkt zum Schiffshangar. Dort hatte man schon ein Shuttle bereitgestellt, das ihn zum Mutterschiff der Prätorianer bringen sollte. Es war schwerer Kreuzer, mit dem es nur wenige Schiffe im ganzen Universum aufnehmen konnten.
Auf dem Schiff angekommen, begab er sich auf dem schnellsten Wege zur Brücke und befahl den Abflug seiner Kampfeinheiten gegen die feindlichen Invasoren.
Im Gegensatz zur hysterischen und aufgeheizten Stimmung auf dem Planeten, war seine Besatzungscrew relativ ruhig. Aber sie waren auch nicht unbegründet bei den Prätorianern aufgenommen worden. Nicht ohne Stolz konnte Alpha Prätorian behaupten, dass er die fähigste Einheit der Menschheit anführte.
Eine Stunde später erreichten seine Einheiten den Treffpunkt. Auf den ersten Blick schien es so, als wären sie alleine im All. Doch auf den Scannern erkannte man Zehtausende getarnter, verbündeter Schiffe, welche in Wartestellung gegangen waren. Von kleinen Jägern, bis hin zu großen Zerstörern.
Eine Ewigkeit später erfassten die Scanner die ersten feindlichen Schiffe. Sie waren ungetarnt. Entweder waren sie bei der vergangenen Schlacht stark beschädigt worden oder fühlten sich absolut sicher.
Alpha Prätorian lief es kalt den Rücken hinunter. Seine Rückenmuskulatur hatte sich unangenehm verspannt. Noch ein paar tausend Kilometer, dann würde er den Feuerbefehl geben und eine Schlacht um die Existenz des menschlichen Reiches würde entbrennen. Um ihn herum befanden sich die fähigsten Krieger, die das bekannte Universum zu bieten hatte. Aber würde dies ausreichen, um die Unbekannten abzuwehren? War die Naturgewalt, Thors Hammer, mächtig genug dazu? Hatten nicht auch sie, die Menschen es irgendwann geschafft, Naturgewalten in den Griff zu bekomme und zu bändigen? Die kommende Schlacht würde es zeigen.
Für alles gibt es eine Zeit. Für das Errichten von Imperien, für das Sichern von Imperien und für den Fall von Imperien. Das ist der Lauf der Dinge. Man kann sich gegen ihn stemmen, aufhalten kann man ihn nicht. Aber man kann versuchen, so viele Gegner wie möglich mit in den Abgrund zu nehmen, wenn die Zeit gekommen ist.
Das ist ein maßgeblicher Unterschied zu Gott. Er war am Anfang, dann herrschten wir und später, nachdem wir gefallen sein werden, andere unseren Platz eingenommen haben und wieder zu Staub zerfallen sind, dann wird Gott immer noch sein und auf seine Art und Weise herrschen. Ob unser Tag heute gekommen ist, dass weiß nur das Schicksal, aber kommen wird er - irgendwann.