Was ist neu

Die Schlacht bei Sempach

Mitglied
Beitritt
25.08.2025
Beiträge
1
Anmerkungen zum Text

Historische Hinweise​

  • Es gibt Dokumente aus dem 14. Jahrhundert, in denen ein „Erni (Arnold) Winkelried“ erwähnt wird, meist als Zeuge in Urkunden oder in anderen städtischen Dokumenten.
  • Ob diese Person tatsächlich an der Schlacht bei Sempach (1386) teilgenommen hat oder die heroische Tat vollbracht hat, ist unklar. Manche Historiker vermuten, dass es sich um Vater und Sohn oder um einen Namensvetter handelt.

Legendenbildung​

  • Die erste schriftliche Erwähnung der Tat findet sich in spätmittelalterlichen Chroniken, z. B. der Zürcher Chronik um 1476, ohne Nennung des Namens Winkelried. Dort wird lediglich von einem „treuen Mann“ berichtet, der sich in die Speere stürzt, um die Eidgenossen durchbrechen zu lassen.
  • Der Name Arnold Winkelried taucht erst im 16. Jahrhundert auf, insbesondere in der Chronica Helvetica von Aegidius Tschudi (1564).

Historische Einschätzung​

  • Viele Historiker sehen Arnold von Winkelried heute eher als Symbolfigur für Mut, Freiheit und Opferbereitschaft der Eidgenossen.
  • Die Legende wurde im 19. Jahrhundert im Rahmen der Schweizer Nationalromantik stark verbreitet und idealisiert.

Die Schlacht bei Sempach

Die Sonne hängt bleiern über dem Feld von Sempach. Ein Tag, der nach Sommer riecht, aber nach Blut schmeckt. Ich stehe zwischen meinen Kameraden, die Schäfte unserer Spieße in der Hand, das Leder der Riemen klebrig vor Schweiß.
Ich ziehe den Helm tiefer ins Gesicht, spüre das Gewicht auf meinem Nacken. Links von mir flüstert Hannes ein Gebet, so leise, dass es im Rauschen des Windes fast verschwindet. Rechts knirscht Peter mit den Zähnen, den Blick fest auf die glänzenden Reihen der Habsburger gerichtet. Ihre Speere stehen da wie ein eiserner Wald, eine Mauer aus Tod.
Ich denke an Stans. An den Morgen, als ich aufbrach. Meine Frau stand im Türrahmen, den kleinen Sohn auf dem Arm, das Mädchen klammerte sich an ihrem Rock fest. Ich habe gelächelt, weil ich wusste, dass sie es brauchten. Aber in mir drinnen… in mir drinnen war nur Stille. Ich habe nichts gesagt, was die Stille füllen könnte.
Die Trommeln schlagen. Dumpf, gleichmäßig. Die Erde vibriert unter den Stiefeln der Ritter, die sich in Formation bewegen. Die Luft ist schwer, jede Bewegung fühlt sich an wie durch Wasser. Ich schaue hinüber zu meinen Kameraden, sehe dieselbe Mischung aus Angst und Mut in ihren Augen. Junge Männer, die nur die Freiheit ihrer Heimat verteidigen wollen. Männer, die vielleicht nie mehr zurückkehren.
Der Hauptmann ruft etwas, doch die Worte zersplittern im Lärm der Schlacht. Ich sehe nur die Speere, die auf uns gerichtet sind, den Glanz der Rüstungen, das starre Gesicht des Feindes. Jeder Atemzug wird schwerer, als würden die Schatten selbst nach meiner Brust greifen.
Da formt sich in mir ein Gedanke. Erst leise, kaum greifbar. Dann klar. Unausweichlich.
Es gibt nur einen Weg, wenn wir hier nicht fallen wollen. Nur eine Lücke, die wir reißen können, damit unsere Männer hindurchbrechen, damit dieser Tag nicht der letzte unserer Freiheit wird.
Ich atme tief ein, spüre das Schwert an meiner Seite.
„Sorget für mein Weib und für meine Kinder; treue liebe Eidgenossen, gedenket meines Geschlechts“ schreie ich, so laut, dass es über das Krachen der Rüstungen hinwegdringt. Augen drehen sich zu mir, die Kameraden starren, ungläubig, manche erbleichen.
Ich stürze nach vorne. Der Boden unter mir ist uneben, Steine und Lehm schlagen gegen meine Stiefel. Die ersten Speere treffen meinen Leib – ein stechender Schmerz schießt durch meine Schulter, dann durch meinen Bauch. Ich klammere mich an die Schäfte, reiße sie mit aller Kraft zu mir, drücke sie gegen meinen Körper.
Die Linie des Feindes bricht auf, wenn auch nur einen Spalt. Ein Schritt, dann noch einer. Jeder Atemzug ein Feuer, jeder Schlag gegen meinen Körper ein Echo des Todes. Ich falle, aber ich falle nicht zurück. Ich drücke, ziehe, stoße – die Lücke wächst.
Hinter mir höre ich das Trommeln unserer Männer, das Klirren von Schwertern und Spießen. Dann die Schreie – erst vorsichtig, dann wild, entfesselt. Sie stürmen durch die Bresche, die ich aufgerissen habe. Freiheit, wild und ungezügelt, dringt wie Wasser durch einen Damm.
Die Schreie der Männer verblassen langsam, ersetzen den Lärm der Schlacht. Ich liege am Boden, der Leib schwer und brennend, und doch ist da eine merkwürdige Stille über mir. Ich höre nur noch das Pochen meines eigenen Blutes, das Murmeln des Windes über das Feld.
Um mich herum wirbeln Männer und Pferde, doch ich bin weit weg, als könnte ich alles von oben betrachten. Die Lücke, die ich aufgerissen habe, füllt sich mit Freiheit – mit dem Mut derer, die jetzt durchbrechen. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht, so schwach, dass es fast verschwindet.
Ich denke an meine Frau, an die Kinder, die zu Hause warten. Vielleicht werden sie nie erfahren, wer diese Bresche geschlagen hat. Aber das spielt keine Rolle. Sie werden leben. Und das, mehr als alles andere, gibt mir Frieden.
Meine Augen schließen sich langsam. Das Licht verblasst, aber ich fühle keine Angst. Nur Gewissheit. Gewissheit, dass ein Moment – ein einziger Augenblick des Mutes – die Welt für die anderen verändert hat.


 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom