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Die Schuhcremewurst

teo

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09.05.2005
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Die Schuhcremewurst

Schon wieder krähte der Hahn um fünf Uhr in der Früh mit seinem ohrenbetäubenden Kikeriki vom Nachbarhof herüber. Franz stellte sich inzwischen immer vor, wie er das gackernde Federvieh eines Tages aus Versehen mit seinem grasgrünen Corsa überfahren würde. Das knackende Geräusch der Knochen unter den Reifen würde ihn innerlich befriedigen. Dann könnte er endlich das Gummihuhn an seiner Stoßstange vorne, gegen den echten Hahn austauschen.
Nachdem sich Franz eine geschlagene Stunde im Bett hin und her gewälzt hatte, klingelte sein Wecker. Nun war es also doch endlich Zeit aufzustehen. Auf dem Weg zum Badezimmer fiel ihm plötzlich wieder ein, dass er die Schuhcreme nicht vergessen durfte. Sollte er die braune oder die schwarze mitnehmen. Franz entschied sich für die braune Creme. Sie war billiger. Außerdem hatte er alle seine braunen Schuhe vor zwei Wochen in den Altkleidercontainer geworfen. Schwarze Schuhe waren jetzt seine Lieblingsschuhe.
Nach einem hastigen Frühstück in der Küche, überkam ihn plötzlich eine Welle der Freude. Heute würde ein unvergesslicher Tag werden. Seine zittrige Hand glitt vorsichtig in die rechte Hosentasche seiner ausgewaschenen Jeans. Da war sie. Das kühle Blech der Schuhcremetube erregte seine Fingerspitzen. Ein wohliger Schauer durchfuhr ihn und er befeuchtete seine trockenen Lippen genüsslich.
Schwungvoll ließ er sich in den Autositz fallen. Das dunkelgrüne Dufttannenbäumchen am Rückspiegel wackelte aufgeregt hin und her. Franz atmete den abgestandenen Duft tief ein und startete den Wagen.
Zehn Minuten später parkte er seinen Corsa unter der großen Linde bei der Turnhalle. Franz stieg aus und die glatte Tube in seiner Tasche rutschte ein Stück tiefer. Er schaute zum Baum hinauf. Eine freche Amsel wippte auf einem Ästchen direkt über seiner Windschutzscheibe hin und her. Mit einem lauten "Schuhu" und dem Rasseln seiner Schlüssel verscheuchte er sie. Zufrieden überquerte er den Hof.
Die Schultür geöffnet und das Neonlicht angeknipst, blickte er sehnsüchtig den langen Gang hinunter. Und wieder schoss es ihm durch den Kopf: Heute krieg ich dich! So wahr ich Franz heiße.
Mit großen Schritten stolzierte er los. Seine schwarzen Mokassins quietschten laut auf dem frisch gewischten PVC-Boden. Franz öffnete die Tür zur Knabentoilette. Der Geruch von Reinigungsmitteln drang unangenehm in seine Nase. Sein unruhiger Blick tatstete jedes Objekt der sanitären Anlagen aufs genaueste ab. Nach ein paar Sekunden blieben seine Augen an der weißen Zwischentür zur Kloschüssel stehen. Wie konnte es anders sein? Der Punkt am Türschloss war rot. Rot! Die letzten Nächte hatte er ununterbrochen von diesem roten Kreis geträumt. Manchmal erschien er ihm auch doppelt und verwandelte sich zu den glühenden Augen eines Raubtieres. Dieses sprang dann unvermittelt aus der Tür und er lieferte sich einen grauenvollen Kampf mit dieser Bestie. Am Ende hatte er ein niedliches Mäuschen zwischen den Fingern.
Aber nun war der Moment der Wahrheit gekommen. Umständlich kletterte er über die Türe, ließ sich auf die andere Seite hinunterplumpsen und öffnete das Schloss von innen.
Dann griff Franz nach der Schuhcreme in seiner Hosentasche und er drehte den Deckel vorsichtig ab. Mit dem nötigen Druck presste er eine lange braune Schuhcremewurst auf die obere Kante der offenen Klotür. Am Ende der Kante pupte die Tube ein wenig. Sie war leer und mit einem Seufzer entwich noch das letzte bisschen Luft.
Franz grinste hämisch. Er zog die Klotür hinter sich zu und verließ die Toilette wie ein König. Der Übeltäter, der die Klotür immer von innen versperrte, würde sich bald selbst mit brauner Pampe brandmarken und dadurch verraten.
Noch vor der ersten Schulstunde verkündete er jedem Kollegen seinen ausgefuchsten Schuhcremeplan und bat alle aufmerksamen Lehrer im Laufe des Vormittags nach verschmierten Kinderhänden Ausschau zu halten.
Den ganzen Schulvormittag wartete Franz auf die erlösende Botschaft. Nur halbherzig hielt er seinen Unterricht in der Klasse 4c. Ständig schweiften seine Gedanken zur Schuhcreme auf der Klotüre. Er stellte sich vor, wie die braune Creme von kleinen tintenverschmierten Bubenfingern unachtsam zerdrückt wurde.
Es gongte nach der sechsten Stunde und noch immer kein Lebenszeichen von dem kleinen Kloschlossverbrecher.
Niedergeschlagen schlürfte Franz kurz vor der Nachhausefahrt nochmals zum Tatort des Kinderstreiches. Nur ein kurzer Blick, dachte er. Franz glaubte seinen Augen nicht. Auf seiner Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen. Der rote Kreis auf dem Türschloss fuhr wie ein Blitz durch seinen Körper. Die Toilette war wie alle Tage zuvor, von innen fein säuberlich abgeschlossen worden. Franz streckte sich. Die Schuhcremewurst auf der Tür schimmerte unangetastet im Neonlicht.
Mutlos sackte er in sich zusammen und fiel vor Erschöpfung auf die Knie. Während er mit einem Papiertaschentuch den Schweiß von der Stirn tupfte, fiel sein Blick auf die Unterseite der Klotür. Zwischen Boden und Türunterkante war eine Lücke, groß genug, um unten hindurchzukriechen. Franz stöhnte laut und ballte seine Hände zu Fäusten. Wutentbrannt kletterte er über die Türe, um das Schloss auf der anderen Seite wieder zu öffnen. Aber erst als er mit seinen eleganten Mokassins auf der anderen Seite hart aufschlug, spürte er die schmierige Schuhcreme an seinen Händen. Unachtsam wischte er über sein Gesicht. Auch sein Hemd und seine Hose waren besudelt. Wie ein tosender Wirbelwind raste er aus dem stillen Örtchen hinaus, fast hätte er eine erstaunte Kollegin überrannt. Mit ausladenden Schritten stürzte er den Flur hinunter und aus der Schule hinaus. Umständlich öffnete er mit den verdreckten Händen den Wagen, stieg ein und bemerkte mit Ekel, dass die Windschutzscheibe völlig verschissen war. Er brauste los. Der Motor heulte auf und die Reifen quietschten bedrohlich. Auf der Landstraße beschleunigte er auf 160 Sachen. Kurz vor dem nächsten Ortsschild rannte doch tatsächlich der dämliche Hahn vom Nachbarhof über die Straße. Franz trat auf die Bremse, hörte das Knacksen der Knochen und sah noch, wie Federn durch die Luft stoben. Sein Wagen drehte sich, überschlug sich ein paar Mal und blieb dann völlig zusammengequetscht im Acker liegen.
Die Polizei und der Rettungsdienst räumten die Unfallstelle gewissenhaft auf. Als der Fahrer des Abschleppwagens zurück zu seinem LKW lief, sah er die Schuhcremetube im Gras liegen. Er hob sie auf und murmelte:
„Schade! Leer.“

 

großes Lob

Hallo Teo
Ich hab eine deiner Geschichten gelesen. Ich finde du kannst total gute Geschichten schreiben. velleicht noch viel besser als ich. ein großes Lob an dich. wenn ich Zeit hab werde ich die anderen Geschichten von dir lesen mach auf Jeden fall weiter so!!!!
mit freundlichen grüssen
songohan

 

Hi teo,

ich war einfach neugierig, was dieser Prolo denn mit dieser Tube will - und dann war es auch noch ein Lehrer! :D.
Von daher fand ich die Geschichte gut, weil du Spannung aufgebaut hast - aber wenn ich etwas länger darüber nachdenke, kommen mir doch einige Ungereimtheiten:

Wieso interessiert sich ein Lehrer für eine geschlossene Klotür?
Das wäre doch Aufgabe vom Hausmeister oder der Putzkolonne.

Es ist ja schon fast bösartig ;), einem Lehrer soviel Doofheit anzudichten, dass er nicht auf die Idee kommt, jemand könne auch untendurch schlüpfen.

Das ist für mich ein großer Schwachpunkt der Geschichte: Erst macht er sich soviel Gedanken darum, wie er eine Lösung findet, den Täter zu stellen und checkt nicht einmal vorher alle Möglichkeiten ab, WIE es zu der Tat kommen kann. Ich vermute, dass ist eine Abrechnung an alle miesen Pädagogen, die du erleben mußtest ;).

Viel lebendiger wäre die Geschichte mit ein paar wörtlichen Reden, zB vom Kollegium, die ein paar witzige oder ironische Bemerkungen zu seiner Idee haben oder ein paar Sätze Selbstgespräche, wenn er den Tubeninhalt auf der Tür verteilt.

Der Titel ist zwar passend zum Text, aber zum Anklicken nicht der Bringer. Er wirkt sehr gediegen ;).

Die Story mit dem Hahn und das Ende ist witzig :).


Lieber Gruß
ber

 

Hallo ber!

Danke für deine aufschlussreichen Worte. Du hast natürlich recht, der Lehrer ist schon etwas schattig. Er guckt die Dinge halt doch nur oberflächlich an. Übrigens ist die Geschichte aus einem tatsächlichen Ereignis heraus entstanden. Vor ein paar Tagen kam der Leiter der Musikschule zu mir (ich bin übrigens selber so ein Pädagoge, das Wort mies lass ich mal beiseite :D ) und hatte tatsächlich diese Schuhcreme in der Hand. Er hatte sich schon tagelang über die verschlossene Klotür geärgert. Manche Leute brauchen anscheinend solche Dinge, um ihr Leben etwas aufregender zu gestalten ...
Naja, nachdem er mich gerade abgefangen hatte, erzählte er mir seinen grandiosen Plan. Ich war dann doch etwas sprachlos. Aber ich konnte ihn da nicht so richtig abbringen davon. Der Schüler wurde aber leider immer noch nicht dingfest gemacht :) (Ich bins jedenfalls nicht!) Inzwischen hat sich auch die Raumpflegerin beschwert ... die mag nicht ständig drüberklettern ...
Die anderen Scheußlichkeiten in der Geschichte habe ich natürlich dazu erfunden. Hat mir Spaß gemacht, da dieser bestimmte Kollege ein kleiner Chaot ist.

Kannst mir ja mal nen anderen Titel sagen, den man lieber anklickt!

Danke nochmals, Gruß
Theo

 

Hi teo,

Kannst mir ja mal nen anderen Titel sagen, den man lieber anklickt!

Da fällt mir spontan:

Federn lassen

ein.

 

Hallo bernadette!

Hmmmmmmmmmmm. Der Titel überzeugt mich nicht ganz so ....
Nicht böse sein :)
"Der Hahn ist tot" wäre wohl auch blöd ... gibts ja leider schon ...
Vielleicht "Klotürverbrecher"???? Oder ist das auch zu gediegen?
Ich werd`noch mal in mich gehen!
Danke nochmal!

Gruß,
Theo

 

Schokobraun, Pauker verhau'n,

hallo teo,

ich habe deine geschichte gerne gelesen, sie war recht spannend. aber trotzdem ist es höchstens mittelmass. der inhalt baut sich ungeschickt auf. die person wird gar nicht vorgestellt. weisst du, wie unprofessionell es klingt, wenn der leser erst in der mitte der geschichte erfährt, dass der protagonist ein lehrer ist? du möchtest doch jetzt nicht behaupten, dass das eine pointe sein sollte, oder? die idee ist auch nicht mehr ganz taufrisch, wobei ich nicht die schuhcreme meine. "wer anderen eine grube gräbt..." das ende ist so vorausschaubar und kitschig, dass es schon enttäuscht, dass der leser seine vermutung erfüllt sieht. schön ist es aber, dass es den hahn erwischt. das aber hätte der schlusssatz sein sollen. zwar hat er sich selbst vertollpatscht mit der schuhcreme, aber der abend ist gerettet, der hahn ist tot. ohne unfall mit überschlagen, dass passt doch absolut nicht. viel zu dick aufgetragen. stattdessen lass die knocken knacken, dann den lehrer lächeln und etwas sagen, das dieser tag doch noch sein positives hatte.
erzähltechnisch ist das wieder einmal das aneinanderklotzen von sätzen. wörtliche rede, da gebe ich bernadette wieder recht, täte der geschichte gut. ein gemässigteres tempo, dafür mehr liebe ins detail. der rote punkt zum beispiel ist nicht gut erklärt. gib dem leser eine chance, sich in die umgebung einzufühlen. mache den lehrer bekannter. lass uns ruhig wissen, wie andere über ihn denken. mach die geschichte mal rund.

sorry, ich weiss ja, dass du es grüner kannst *smile*!

bis dann


barde

 

Hi teo,

die inhaltliche Kritik hat Barde ziemlich gut zusammengefasst. Auch mir ist beim Lesen aufgefallen, dass du kaum einmal zwei Sätze verbindest. Dadurch wirkt das Lesen ein wenig abgehackt.
Die wörtliche Rede habe ich zwar nicht wirklich vermisst, aber ich denke auch, dass sie den Text wesentlich abrunden würde.

Zum logischen Bezug:
Soweit ich weiß, hat jeder Hausmeister einen speziellen Schlüssel mit dem man die Tür von außen auf und abschließen kann, eben damit man nicht jedes mal drüberkraxeln muss. Zum Teil kriegt man das doch sogar mit nem Schraubenzieher, oder einem Geldstück hin. Somit müsste der Täter ja nichtmal IN der Kabine sein.

Im Gegensatz zu der hier verbreiteten Meinung, dass der Titel nicht so toll sei, fand ich ihn prima. Grade dieser etwas aus dem Rahmen fallende Name hat mich neugierig gemacht.

Ich bin also jetzt im Endeffekt von deiner Geschichte weder übermäßig begeistert, noch enttäuscht. Aber du kannst mit Sicherheit noch etwas wirklich gutes daraus machen.

Gruß, Zensur

 

Hallo barde!

Danke für deine aufbauende Kritik :) Ich habe mich danach richtig gut gefühlt, ha, ha! Spaß beiseite. Danke für deine Meinung. Dass der Leser erst später erfährt, welchen Beruf der Dödel hat, war eigentlich Absicht. Dachte mir, dass man dann eher weiterliest. Aber vielleicht muss man doch ein bisschen früher über den Beruf des Protagonisten aufklären. Ob die Idee mit der Schuhcreme taufrisch ist, weiß ich nicht. Die Geschichte entstand aus einem tatsächlichen Erlebnis heraus. Mit der wörtlichen Rede ... mh ... ja ... könnte man machen. Mir ist immer wichtig, dass so eine Geschichte nicht zu lang wird. Wenn ich bei anderen Mitgliedern sehe, dass ich mehrere Seiten lesen muss, hab ich meistens schon keine Lust mehr. Wie heißt es so schön? In der Kürze ...

Hallo Zensur!

Danke für deine Kritik. Nachdem du auch der Meinung von Barde bist, werd ich mich jetzt halt doch vom Gartenhäuschen stürzen und alle Tätigkeiten als Möchtegernautor beerdigen ... :)
War natürlich nicht so gemeint! Werd mich wieder mehr anstrengen. Wie heißt es so schön ... nur eine schlechte Kritik ist eine gute Kritik. Ich lerne ja jedesmal dazu. Thanks a lot!

Gruß,
Theo

 

Hallo Simy!

Der Hahn, der sich gekämmt hat, entstand erst nach dem Typ aus der Schule. Die haben also zum Glück nicht viel miteinander zu tun. Der Protagonist ist in Wirklichkeit auch relativ unsymphatisch. Ich habe gerade so meinen Ärger mit ihm. :D
Vielleicht habe ich aus einer Wut heraus übertrieben böse über ihn geschrieben. Aber er ist einfach ein etwas seltsamer Zeitgenosse und er hat einen sehr merkwürdigen Umgang mit Kindern ....

Nja. so ist es halt!

Gruß,
Theo

 

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