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Die Schwester
Eines Tages, ich saß so auf einer Parkbank, als sich ein seltsames Ereignis begab. Ich hatte eigentlich kein bestimmtes Ziel vor Augen und wusste auch nicht recht warum ich hier saß, denn ich fror erbärmlich und hatte gute Lust nach Hause zu gehen, wo es warm und gemütlich war, aber irgendetwas bewegte mich dazu hier zu bleiben und mich umzusehen. Ich sah aus der Ferne einen Mann kommen – ich konnte ihn von weitem nicht gut erkenne – und dachte er hätte ein wenig Schnee auf der Schulter, schaute also weiterhin belustigt in seine Richtung um zu sehen, wie mir meine Augen wieder mal einen Streich gespielt hatten und was er denn da tatsächlich auf der Schulter hatte, denn Schnee konnte es natürlich nicht sein, es hatte diesen Winter ja noch überhaupt nicht geschneit. Er kam also näher und ich dachte erst er hätte einen zweiten Kopf auf der Schulter. Ich schloss die Augen, unterdrückte den Impuls den Kopf zu schütteln, sog die kalte Luft ein und hörte wie der Mann immer näher kam und er schließlich vor mir stehen blieb.
„Haben sie Feuer?“ hörte ich eine Männer Stimme eine Frage stellen. Ich öffnete die Augen, denn offensichtlich war die Frage an mich gerichtet.
„Natürlich.“ Ich kramte nach dem Feuerzeug in meiner Tasche und stellte dabei überrascht fest, dass der Mann tatsächlich einen zweiten Kopf auf der rechten Schulter hatte. Es war der Kopf einer etwa 20 jährigen Frau, die totenbleich war, was durch ihre langen schwarzen strähnenartigen Haare, die einen deutlichen Kontrast bildeten, noch hervorgehoben wurde. Sie hatte den Kopf ein wenig nach rechts geneigt, so dass der Mann selbst, ein großer nordischer Typ mit rotem Vollbart und einem lustigem Gesicht, genügend Platz hatte um seinen eigenen Kopf ganz normal gerade zu halten. Ich steckte ihm seine Zigarette an und er bedankte sich. Wie albern von mir, mir vorzustellen er hätte einen Kopf auf der Schulter, aber ich konnte nicht aufhören das Frauengesicht zu betrachten und irgendwie musste er es wohl bemerkt haben.
„Das ist meine Schwester.“ Erklärte er.
„Wie?“ fragte ich ihn etwas verwundert, wo doch außer ihm und mir niemand da war.
„Na Sie. Der Kopf auf meiner Schulter. Das ist meine Schwester.“ Wiederholte er noch einmal.
„Ach so. Natürlich.“ Ich blinzelte, wie als würde ich meinen Irrtum bereuen. Natürlich hatte er einen Kopf auf der Schulter, das sah ich ja ganz deutlich. Ich bat ihn um eine Zigarette (dabei rauchte ich eigentlich gar nicht!) und er gab mir eine, zündete sie mir sogar mit seinem eigenem Feuerzeug an.
„Und ähm...?“ begann ich eine Frage zu formulieren nachdem ich einen tiefen Zug genommen hatte. Ich war hinterher überzeugt ihn nach seinem Feuerzeug gefragt haben zu wollen, aber er drängte mir seine Geschichte auf.
„Sie ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen wissen sie? Aber ich habe bei der Operation eingewilligt und habe ihren Kopf an mich dran operieren lassen. Es ist natürlich nur eine Zwischenlösung, bis sich ein Selbstmörder findet der seinen Körper nicht mehr braucht und den Sie dann übernehmen kann. Das beste wäre natürlich eine Selbstmörderin, sonst gäbe es da gewisse Komplikationen.“ Er lachte herzhaft über seinen Witz. Ich zwang mich zu einem Lächeln.
„Und so was ist heutzutage möglich?“ fragte ich ihn ein wenig unsicher. Ich wollte ja nicht in Frage stellen das seine Schwester tatsächlich noch lebte, denn nur eine Irrer würde sich einen toten Kopf an die Schulter nähen lassen und jemanden als Irren zu bezeichnen war unhöflich.
„Aber ja! Es ist alles nur eine Frage des Geldes wissen sie? Wenn man nur bereit ist genug auszugeben sind der Wissenschaft heutzutage keine Grenzen mehr gesetzt. Ich habe es ja erst selbst nicht geglaubt, aber wie sie sehen ist sie gesund und munter hier an meiner Schulter. Komm Eve, sag mal was.“ Forderte er den Kopf zu seiner rechten auf. Eve blieb still und reglos wie vorher. Der Mann wurde ein wenig rot.
„Entschuldigen sie bitte meine Schwester, sie wurde streng katholisch erzogen. Sie redet nicht einfach so mit fremden Menschen, vor allem nicht mit Männern.“ Ich nickte verständnisvoll. Der Kopf blieb tot.
„Na ja, ich gehe dann mal weiter meine Runden drehen. Danke für das Feuer. Auf wiedersehen!“ der Mann lief weiter und ich erinnerte mich an die Zigarette die ich in meinem Mund hatte. Mir fiel auf, dass sie abgebrannt war und ich nur einen einzigen Zug genommen hatte. Ich drückte sie enttäuscht aus, denn dem Mann hinterher rennen und ihn um noch eine bitten, wollte ich nicht. Man hörte ihn noch mit seiner Schwester reden, er hielt Ihr vor, Sie solle nicht so unhöflich sein und sie würde nie einen Mann finden wenn Sie immer so zurückweisend wäre. Sie blieb weiterhin still, tot.
Ich schüttelte verwirrte den Kopf und machte mich auf den Nachhauseweg.