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Die Seeprinzessin

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16.09.2001
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Die Seeprinzessin

In einem kleinen Königreich war ein junger Prinz zum Manne gereift, und sein Vater schickte ihn raus in die Welt, seinen Weg zu finden. Kaum hatte der Prinz die Grenzen des eigenen Landes verlassen, kam eine große Hitze auf, und der Prinz und seine kleine Gefolgschaft schickten sich an, ein kühles Bad in einem in wunderlichem Grün funkelnden See zu nehmen.

Der See lag hoch in den Bergen, von dichtem Wald umschlossen, und die Reiter dürstete es sehr. Dennoch hieß der Prinz seine Mannen, zuerst die Pferde zu tränken, ehe sie selbst ein Bad nähmen.

Dies geschah, und alle Pferde hatten sich sattgetrunken, ehe der Erste der Gefolgsleute des Prinzen seine Hand ins Wasser tauchte, um selber von dem erquickend anmutendem Nass zu schöpfen. Jedoch gelang es ihm nicht auch nur einen einzigen Tropfen des Wassers zum Munde zu führen. Denn sobald er seine Hand ins Wasser senkte, war diese von einer Luftblase umschlossen. So konnte er seinen Durst nicht löschen.

Den anderen Gefolgsleuten erging es nicht anders, und bald hatte sich der Erste ganz in den stillen See gestürzt, um der nahen Labsal endlich habhaft zu werden. Jedoch vergeblich - auch ihn umfing alsbald eine riesige Luftblase, so daß er trocken und immer noch durstig an die Wasseroberfläche zurückkehrte.

Der Prinz, der noch mit dem Anbinden der schönen, scheckigen Pferde beschäftigt war, horchte auf und trat zwischen seine Männer, sich selber ein Bild von der Lage zu machen. Erst jetzt wurde er wirklich der anmutig glitzernden, grünen Kühle des Sees gewahr.

Und da geschah es: Als der Prinz sich über das Wasser beugte, um dieses nun einmal näher zu untersuchen, erblickte er sein Spiegelbild und erkannte, daß das lebendige Grün des Sees genau dem seiner Augen entsprach. Deren, im Wasser erkennbare Umrisse, spiegelten nämlich nicht nur an der Oberfläche des Sees, sondern ließen den Blick des Prinzen frei in die bezaubernde Tiefe des Sees blicken.

Nicht nur der Prinz spiegelte sich also im See, auch der See spiegelte sich: in den Augen des Prinzen.

Seine Augen strahlten mit demselben Grün, wie das Wasser in das er schaute. Und wahrhaftig, der Prinz spiegelte sich nicht nur. Denn das, was er hinter seinem Spiegelbild inmitten der Umrisse seiner Augen erblickte, war mehr. Etwas, daß ihn an ganz früher erinnerte, daß ihm schön und bekannt schien - aber doch ganz fern.

So ähnlich hatte er sich gefühlt, wenn er als Kind in seinem Schlafgemach liegend, von Ferne die Musik eines Festes und fröhlich plaudernde Menschen zu sich hinauf hatte klingen hören. Nur waren es jetzt keine Klänge, sondern wunderschöne Bilder, die ihn in seinen Bann zogen.

Als der Prinz dies erkannte, wurde er von starker Sehnsucht ergriffen, denn nun fühlte er sich von dem See noch heftiger angezogen als schon zuvor. So vergaß er seine Umgebung und ihn überkam große Trauer, konnte doch auch er, ähnlich wie seine Begleiter, sich nicht an dem See laben, in ihm baden und sich erfrischen.

Schon bald stand ihm die erste Träne im Gesicht und wenig später schon waren seine Augen selbst, grüne, feuchte Seen, so sehr mußte der Prinz weinen. Da er aber gar nicht aufhören wollte zu weinen, liefen seine Augen schließlich über und ergossen sich plätschernd in das vertraute Naß des Waldsees. Dort aber waren seine Augen nicht mehr zu erkennen, denn das Grün der Augen entsprach ja genau dem Grün des Sees.

Der Prinz erschrak, denn nun war er blind. Er wollte nach seinen Augen, die sich im Grün des Waldsees verloren, greifen. Und da, mit einem Mal, endlich, spürte er das liebkosende Naß des Sees, indem seine Kameraden und zuvor auch er nur von Luft umschlossen wurden. Zwar hatte der Prinz kein Augenlicht mehr, aber den See konnte er nun entdecken.

Glücklich ließ er sich vollends in den See hineingleiten. Der Prinz war ein guter Schwimmer, dies hatte neben reiten und fechten zu seiner höfischen Erziehung gehört. So ging es denn auch keß voran: ein Atemzug, ein Schwimmzug; ein Atemzug, ein Schwimmzug; ein Atemzug, ein Schwimmzug...

Doch schon bald fühlte der Prinz immer seltener das Bedürfnis, zum Atmen seinen Kopf aus dem Wasser zu nehmen und so blieb er, vom Glück übermannt, immer länger unter Wasser.

Hier konnte er auch sehen, und er sah wunderschöne Elfen und Seepferdchen durchs Wasser schweben - ihm war als träumte er. So hub er denn letztlich gar nicht mehr zum Atmen an. Der Prinz konnte aber unter Wasser nicht leben, denn eigentlich brauchte er die Luft zum Atmen. So wurde er bewußtlos und sank langsam auf den tiefen, kühlen Grund des Sees hinab. Kaum hatte er diesen berührt, erwachte er wieder und fand sich auf einer sonnigen, grünen Waldlichtung, neben einer wunderschönen Prinzessin.

Da wunderte sich der Prinz sehr. Er war noch ganz verwirrt und so fragte er die Prinzessin, was denn mit ihm passiert sei. Diese erzählte, daß sie vor hundert Jahren von einer bösen Hexe in diesen einsamen Waldsee verwandelt worden war und erst wieder erlöst werden sollte, wenn ein junger Prinz, aus Liebe zu ihr, sein Augenlicht mit ihr teilte.

Als der Prinz hörte, daß er diese wunderschöne Prinzessin erlöst hatte, war er voll Freude und fühlte ungeahnte Kräfte in sich aufsteigen: Frische, Jugend und Energie flossen durch seine Glieder und da zog er die Prinzessin in seine Arme und versprach, sich mit ihr zu vermählen, so sie an den Hof seines Vaters zurückgekehrt wären. Auch wollte er erfahren, was denn aus den treuen Gefährten geworden war, die samt Pferden verschwunden waren.

So marschierten sie munter in Richtung des kleinen Königreiches des Prinzen. Dort angekommen sahen sie, daß alles Volk in schwarz gekleidet einherging und mit traurigen Mienen durch die Straßen eilte.

Des Prinzen Gefährten nämlich waren zurückgekehrt, nachdem sie ihren Herren ertrunken geglaubt und hatten es dem König kundgetan. Daraufhin rief dieser im ganzen Lande Trauer aus, und so traurig und zornig war er über den Tod seines Sohnes, daß er Niemanden lachen oder singen hören wollte und es sogar unter Strafe stellte, sich heiter zu betragen oder bunt zu kleiden.

3 Jahre und 3 Tage waren so vergangen. Der Prinz nämlich, dem das Schwimmen im See nur minutenlang erschien, hatte dort in Wirklichkeit 3 Jahre verbracht.

Schnell eilte der Prinz nun zu seinem Vater und entdeckte sich ihm. Oh, war das eine Freude, ein Herzen und Staunen, als der Vater, der inzwischen alt und grau geworden war, seinen Sohn erkannte und in ihm den zum König gereiften Mann.

Nun wurde in windeseile das ganze Land geschmückt mit bunten Tüchern, Farben, Girlanden. Musik erschallte aus allen Gassen und in gleichem Maße, wie das Land bunter und klingender wurde, verschwanden die zerknitterten und trübseligen Gesichter, da nun allerorts ein Lachen und Singen sie straffte. Im ganzen Land verbreitete sich Freude, und vom Säugling zum Greis, alle waren sie erfüllt damit.

Und dann wurde Hochzeit gefeiert. 3 Tage und 3 Nächte lang, wie das Land zuvor noch keine gesehen hatte. Das war ein Lärmen und Lachen, Musizieren und Tanzen, Essen und Trinken, daß alle ihre helle Freude daran hatten.

Manchesmal auch schien es dem jungen Paar, inmitten des lärmenden Festes, als hörten sie ganz leise diese Musik, die der Prinz schon als kleiner Junge vernahm, und die ihn hingeführt hatte zu der Seeprinzessin, da er die Hälfte seines Augenlichtes für sie hingab.

Und wenn sie nicht gestorben sind, schauen sie noch immer aus denselben Augen und regieren weise und gütig das kleine Königreich.

 

Hallo Gidze,

mein Eindruck beim Lesen war, dass du versuchst "diszipliniert märchenhaft" zu schreiben. Gegen das "diszipliniert" ist nichts zu sagen. Aber bei dem "märchenhaft" übertreibst du (alles meiner Meinung nach). Wenn du die Worte und den Satzaufbau eine halbe Etage tiefer wählen würdest, dann würde die Geschichte dadurch gewinnen.

Das Gleiche gilt für die Geschichte selbst. Beispiele: Das Pferde-Tränken am Anfang und die Augen/Tränen/See-Sache sind zuviel des Guten.

Kurz: der Geschichte würde eine stilistische und inhaltliche Stauchung auf das Wesentliche gut tun.

Klaus

 

Ich weiß echt nicht, was Ihr habt, Jungs - das ist ein wirklich gutes, klassisches Märchen. Der Stil wirkt meiner Meinung nach überhaupt nicht aufgesetzt, im Gegenteil... ;)

Aber ist ja eh immer Geschmacksache... :cool:

Griasle
stephy

die Märchens liebt... *schwärm* :rolleyes:

 

Ich finde den Stil auch nicht zu aufgesetzt, er ist einem Märchen durchaus angepaßt!
Ich habe mehr Probleme damit, daß die Kausalketten sehr an den Haaren herbeigezogen wirken: Wenn man sich über einen See beugt, spiegelt der sich immer auch in den Augen, nicht nur, wenn diese die gleiche Farbe haben! Naja, wirkt halt nicht so richtig schlüssig.
Die Bilder, die Du beschreibst, sind aber sehr eingängig und Deine Sprache finde ich, wie schon gesagt, auch sehr passend.
Ich würde eher sagen, daß die Geschichte hier und da ein bißchen mehr Ausschmückung vertragen könnte, oder zumindest das Glääten der leichten Brüche.
Gruß,

chaosqueen

 

Hallo Gidze!

Ein schönes Märchen... es gefällt mir... eine gute idee! :)
Nur etwas hat mich ein bisschen irritiert...

Der Prinz erschrak, denn nun war er blind. ... Hier konnte er auch sehen, und er sah wunderschöne Elfen und Seepferdchen durchs Wasser schweben - ihm war als träumte er.

Ähmm... ich dachte der Prinz ist blind?!

Diese erzählte, daß sie vor hundert Jahren von einer bösen Hexe in diesen einsamen Waldsee verwandelt worden war und erst wieder erlöst werden sollte, wenn ein junger Prinz, aus Liebe zu ihr, sein Augenlicht mit ihr teilte.

Gut, es wird das Augenlicht geteilt, wie immer das auch gehen mag...
Naja... es ist ein Märchen, von daher...

Es war ein bisschen verwirrend...
erst kann er sehen - dann wird er blind - teilt sein Augenlicht - und kann wieder sehen

Wenn er sein Augenlicht teilt, sieht er dann unter wasser etwas, oder wie ist das jetzt?!?

Kannst du mir mal erklären wie das jetzt ist?
Danke im Vorraus!

Lg Mondschein

 

@Mondschein: Achte beim Ausgraben älterer Geschichten bitte darauf, ob der Autor überhaupt noch aktiv ist. Gidze war seit einem halben Jahrzehnt nicht mehr auf KG.de und wird dir auch nicht mehr antworten.

 

@Blaine: Ohhh! Danke, Blaine.

Achte beim Ausgraben älterer Geschichten bitte darauf, ob der Autor überhaupt noch aktiv ist.
Ich werd's mir merken! Versprochen! ;)

Mondschein

 

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