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Die Show

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17.06.2010
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Die Show

Er schmiss sich zu Boden. Sein Quengeln wurde lauter, steigerte sich zu einem Heulen. Dieses abgehackte, stakkatohafte, nervende Heulen. Sie hasste das, oh Gott, wie sehr sie das hasste.
Er strampelte mit den Beinen. Seine kleinen Hacken knallten auf den Boden. Sein Kopf ruckte hin und her, dass seine dünnen Haare wie ein Mopp über die dreckigen Supermarktfliesen rutschten. Sie sah, wie sich kleine, schwarze Krümel darin verfingen.
Die Wut kochte in ihr hoch; langsam erst, stieg warm an ihren Armen hinauf. Sie spürte, wie die Leute stehen blieben, sah aus den Augenwinkeln die Blicke auf sich gerichtet. Diese mitleidigen Blicke. Verachtende Blicke. Genervte Blicke.
Sie ballte die Hände, drückte ihre Fingernägel ins Fleisch, spürte den Schmerz.
Klar, er war noch klein, konnte sich noch nicht kontrollieren, das wusste sie.
Aber jedesmal zog er diese Show ab; JE-DES-MAL! Und natürlich nur dort, wo sie von so vielen Menschen gesehen werden konnte.
Die Wut erreichte ihren Bauch, zog ihren Magen zusammen, kroch in ihre Eingeweide. Sie wusste, was kommen würde.
Sie würde zu ihm gehen, versuchen ihn zu beruhigen, ihn an den Armen hochziehen. Er würde sich wehren, noch mehr strampeln und sich in ihrem Griff winden. Sie würde fester zupacken. Würde merken, wie sich die Haut an den kleinen Arme unter ihrem Griff eindrückt. Sein Heulen würde sich zum Schreien steigern. Alle würden sie anschauen, den Kopf schütteln. Manche würden sogar lachen. Sie würde rot werden, würde schwitzen, würde stottern.
Die Wut erreichte ihren Kopf, schoss in ihr Gesicht, ließ die Röte den Hals hinaufsteigen.
Sie wollte ihn beruhigen, besänftigend auf ihn einsprechen, ihn ablenken.
Sie sog die Luft in ihre Lungen und öffnete den Mund.
Und dann schrie sie…! Ein langgezogener, anhaltender, kreischender Schrei. Immer lauter werdend.
Sie sah die Leute zurückzucken. Sah die Blicke. Entsetzte Blicke. Verstörte Blicke. Eine Frau schlug die Hand vor den Mund.
Der Schrei drückte ihre Lungen zusammen, schmerzte in ihren Eingeweiden, krümmte ihren Körper. Doch sie konnte nicht aufhören.
Dann fiel ihr Blick auf ihn. Er war verstummt. Saß auf dem fleckigen Boden, starrte sie an. Sie sah seine Augen. Sah die Angst darin. Angst vor ihr.
Sie klappte den Mund zu, erstickte den Schrei. Verschluckte das Kreischen.
Tränen stiegen in seine Augen, seine Hände zitterten.
Sie stürzte zu ihm, schlang ihre Arme um ihn, fühlte sein Weinen; ganz anders als das Geheule vorher. Sein Weinen war herzzerreißend. Bohrte sich in ihren Körper, wie Finger, die sich um ihren Magen krallten. Und zudrückten.
Der Schmerz stieg ihre Kehle hinauf, kam in einem Schluchzen heraus. Sie drückte ihn an sich. Er krallte sich an ihre Schulter, versteckte seinen Kopf in ihrem Haar. Nie wieder würde sie ihm so Angst machen. Nie wieder würde sie ihm so wehtun. Nie wieder! Versprochen!

 

Hallo Kelbri!

Willkommen hier und viel Freude dabei!

Ich finde es gut, dass du solch eine alltäglich Szene versucht hast, literarisch darzustellen und das Besondere in ihr aufzuzeigen. Dir ist es gelungen, Gefühle (bei mir) zu wecken.

Sprachlich scheint mir allerdings Verbesserungspotential vorhanden. Im Einzelnen:

„Er ließ sich zu Boden fallen. Nein, er schmiss sich hin.“

Satz 2 hebt Satz 1 auf. Warum nicht Satz 1 streichen? Er stimmt ja eh nicht.


"Sein Quengeln wurde lauter, erweiterte sich zu einem Heulen."

Hier frag ich mich, ist erweitern in diesem Zusammenhang das richtige Wort. Muss das überhaupt betont werden? Einem mündigen Leser könnte eine Ahnung kommen, das Heulen eine Steigerung zu Quengeln ist, oder?

"Seine kleinen Hacken knallten auf den Boden."

Wie wärs mit trommelten statt knallten.

"Sie sah, wie sich kleine, schwarze Krümel darin verfingen."

Realer und plastischer: Was sind das genau für Krümel? Mohnsamen, Brötchenkrumen ... Kann ich mir besser vorstellen, wenn ich es genauer weiß.


"Die Wut kochte in ihr hoch; langsam erst, stieg warm an ihren Armen hinauf."

Hier interessiert mich am Rande in welche Richtung die Wut aufstieg, zu den Schultern oder Händen?

"Und immer dort wo sie von so vielen Menschen gesehen werden konnte."

Hinter dort plädiere ich für ein Komma.


"Die Wut erreichte ihren Bauch, zog ihren Magen zusammen, kroch in ihre Eingeweide. Sie wusste, was kommen würde.
Sie würde zu ihm gehen, versuchen ihn zu beruhigen, ihn an den Armen hochziehen. Er würde sich wehren, noch mehr strampeln und sich in ihrem Griff winden. Sie würde fester zupacken. Würde merken, wie sich die kleinen Knochen unter ihrem Griff zusammenschieben. Sein Heulen würde sich zum Schreien steigern. Alle würden sie anschauen, den Kopf schütteln. Manche würden sogar lachen. Sie würde rot werden, würde schwitzen, würde stottern.
Die Wut erreichte ihren Kopf, schoss in ihr Gesicht, ließ Röte den Hals hinaufsteigen."

Hier frag ich mich, wenn sie das alles weiß, warum versucht sie nicht mal was anderes?

"Und dann schrie sie…! Ein langer, hoher Ton, mehr ein Kreischen denn ein Schreien, immer lauter werdend."

Hier muss ich dir mal glauben, dass es so einen Ton wirklich geben kann. Kannst du ihn bildlich machen?

"Eingeweiden, ließ sich ihren Körper krümmen."

Letzter Halbsatz kann so nicht bleiben.

" Doch sie konnte nicht aufhören.
Dann fiel ihr Blick auf ihn. Er war verstummt. Saß auf dem fleckigen Boden, starrte sie an. Sie sah seine Augen. Sah die Angst darin. Angst vor ihr.
Angst um sie."

Ist das wirklich so. Gut, du hast nicht geschrieben, wie alt der Junge ist, aber fühlen die wirklich Angst um die Mutter? Sind die nicht eher mal erschrocken?

"Sie stürzte zu ihm, schlang ihre Arme um ihn, fühlte sein Weinen; ganz anders als das Geheule vorher. Sein Weinen war herzzerreißend. Bohrte sich in ihren Körper, wie Finger, die sich um ihren Magen krallten. Und zudrückten."

Der Umbruch in den Gefühlen gelingt dir hier ganz gut.

Macht insgesamt Laune auf mehr.
Gruß

Adem

 

Hallo Kelbri,

und Willkommen im Forum.
Mir hat Dein Einstand gut gefallen. Ich finde diese kleine Szene aus dem Mutter-Kind-Erleben gut eingefangen.

Einiges hat Dir Adem ja schon angemerkt. Ich hatte allerdings sofort einen Ton im Ohr, bei ihrem Schrei.

Stilistisch mag ich noch anmerken, dass meistens weniger mehr ist. An manchen Stellen war es mir persönlich einfach zu dick. Immer ist z.B. selten ein gutes Wort ;).

Sie spürte, wie die Leute stehen blieben, sah aus den Augenwinkeln die Blicke auf sich gerichtet. Die mitleidigen Blicke. Die verachtenden Blicke. Die genervten Blicke.

Hier z.B.: man kennt doch die Blicke, die da so geworfen werden. Hier könnte man den Leser ruhig seinen Erfahrungen überlassen. Überhaupt sind so viele "Blicke" nicht gut für die Melodie :).

Aber immer zog er diese Show ab; immer! Und immer dort wo sie von so vielen Menschen gesehen werden konnte.

Immer da mal was weg :D.

Und so weiter. Ich mach mal nicht alles, weiß ja gar nicht, ob du es überhaupt hören magst. Aber den muss ich noch:

Nie wieder würde sie ihm so Angst machen. Nie wieder würde sie ihm so wehtun. Nie wieder! Versprochen!

Tja, nie wieder halt. Begriffen. Schon beim ersten Mal ;).

Nette, kleine Episode. Viel Freude Dir hier beim Lesen, Schreiben und Kommentieren.

Beste Grüße Fliege

 

Hallo Adem, hallo Fliege,

vielen Dank für eure nette Begrüßung und die Kritik. Manchmal sieht man tatsächlich den Wald vor lauter Bäumen nicht, auch wenn ich mir die Geschichte zig Mal durchgelesen habe, bevor ich sie eingestellt habe. Aber ihr habt natürlich Recht mit eurer Kritik und ich habe die Geschichte, wenn auch nicht überall, so doch an den meisten Stellen abgeändert.

Ich weiß, dass man sich an den ständigen Wiederholungen beim Lesen irgendwie reibt und dass es unmelodisch klingt. Also habe ich mal den Versuch gemacht, das komplett weg zu lassen. Dann klingt es zwar "melodischer", aber ich persönlich finde, dass die Geschichte dadurch ihre Dynamik verliert und kaum noch Gefühl rüber bringt.
Es würde mich interessieren, wie ihr das seht. Und natürlich bin ich immer interessiert an konstruktiver Kritik:)

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Er schmiss sich zu Boden. Sein Quengeln wurde lauter, steigerte sich zu einem Heulen. Ein abgehacktes und nervendes Heulen. Sie hasste das sehr.
Er strampelte mit den Beinen. Seine kleinen Hacken trommelten auf den Boden. Sein Kopf ruckte hin und her, so dass seine dünnen Haare wie ein Mopp über die dreckigen Supermarktfliesen rutschten. Sie sah, wie sich kleine, schwarze Mohnkrümel darin verfingen.
Die Wut kochte in ihr hoch. Stieg ganz langsam und warm an ihren Armen hinauf zu den Schultern. Sie spürte, wie die Leute stehen blieben und sah aus den Augenwinkeln die Blicke auf sich gerichtet.
Sie ballte die Hände, drückte ihre Fingernägel ins Fleisch und spürte den Schmerz.
Klar, er war noch klein, konnte sich noch nicht kontrollieren, das wusste sie.
Aber jedesmal zog er diese Show ab. Und natürlich nur dort, wo sie von so vielen Menschen gesehen werden konnte.
Die Wut erreichte ihren Bauch, zog ihren Magen zusammen und kroch in ihre Eingeweide. Sie konnte sich denken, wie es weitergehen würde:
Sie würde zu ihm gehen und versuchen ihn zu beruhigen. Wenn sie ihn an den Armen hochzöge würde er sich wehren, noch mehr strampeln und sich in ihrem Griff winden, wodurch sie fester zupacken müsste. Die Leute würden sie anschauen, den Kopf schütteln oder sogar lachen. Dadurch würde sie rot werden, schwitzen und stottern.
Die Wut erreichte ihren Kopf, schoss in ihr Gesicht und ließ die Röte den Hals hinaufsteigen.
Sie wollte ihn beruhigen, besänftigend auf ihn einsprechen und ihn ablenken.
Sie sog die Luft in ihre Lungen und öffnete den Mund.
Und dann schrie sie…! Ein langgezogener, anhaltender und kreischender Schrei, der immer lauter wurde.
Sie sah die Leute zurückzucken. Sah die entsetzten und verstörten Blicke. Eine Frau schlug die Hand vor den Mund.
Der Schrei drückte ihre Lungen zusammen und schmerzte in ihren Eingeweiden. Sie krümmte sich, doch sie konnte nicht aufhören.
Dann fiel ihr Blick auf ihn. Er war verstummt, saß auf dem fleckigen Boden und starrte sie an. Sie sah seine Augen. Sah, dass er Angst vor ihr hatte.
Sie klappte den Mund zu und erstickte den Schrei.
Tränen stiegen in seine Augen, seine Hände zitterten.
Sie stürzte zu ihm, schlang ihre Arme um ihn und fühlte, wie er weinte; ganz anders als das Geheule vorher. Sein Weinen war herzzerreißend. Bohrte sich in ihren Körper, wie Finger, die sich um ihren Magen krallten und zudrückten.
Der Schmerz stieg ihre Kehle hinauf und kam in einem Schluchzen heraus. Sie drückte ihn an sich. Er krallte sich an ihre Schulter, versteckte seinen Kopf in ihrem Haar. Nie wieder würde sie ihm so Angst machen. Versprochen!
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Vielen Dank schon mal.
Gruß
Kelbri

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kelbri!

Freut mich, dass du an deinen Texten arbeiten möchtest.

Dann klingt es zwar "melodischer", aber ich persönlich finde, dass die Geschichte dadurch ihre Dynamik verliert und kaum noch Gefühl rüber bringt.

Ich find: im Gegenteil, jetzt kommt Dynamik rein, sie lässt sich flüssiger lesen und mit Wiederholungen erzeugt man nicht zwangsläufig Gefühle. Kurz, der geänderte Text ist aus meiner Sicht viel besser.

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Er schmiss sich zu Boden. Sein Quengeln wurde lauter, steigerte sich zu einem Heulen. Ein abgehacktes und nervendes Heulen. Sie hasste das sehr.

Das SEHR kann weg.


Er strampelte mit den Beinen. Seine kleinen Hacken trommelten auf den Boden. Sein Kopf ruckte hin und her, so dass seine dünnen Haare wie ein Mopp über die dreckigen Supermarktfliesen rutschten. Sie sah, wie sich kleine, schwarze Mohnkrümel darin verfingen.

Mohnkrümel (gibt es so was) sind von Natur aus klein und schwarz, ich würde die Adjektive streichen.

Die Wut kochte in ihr hoch. Stieg ganz langsam und warm an ihren Armen hinauf zu den Schultern.

warm oder heiß - immerhin ist sie wütend.

Sie spürte, wie die Leute stehen blieben und sah aus den Augenwinkeln die Blicke auf sich gerichtet.
Sie ballte die Hände, drückte ihre Fingernägel ins Fleisch und spürte den Schmerz.

Ich find, hier kommen doch Gefühle rüber.

Klar, er war noch klein, konnte sich noch nicht kontrollieren, das wusste sie.
Aber jedesmal zog er diese Show ab. Und natürlich nur dort, wo sie von so vielen Menschen gesehen werden konnte.
Die Wut erreichte ihren Bauch, zog ihren Magen zusammen und kroch in ihre Eingeweide. Sie konnte sich denken, wie es weitergehen würde:
Sie würde zu ihm gehen und versuchen ihn zu beruhigen. Wenn sie ihn an den Armen hochzöge würde er sich wehren, noch mehr strampeln und sich in ihrem Griff winden, wodurch sie fester zupacken müsste. Die Leute würden sie anschauen, den Kopf schütteln oder sogar lachen. Dadurch würde sie rot werden, schwitzen und stottern.

Das DADURCH als Satzanfang klingt nicht schön. Wir wissen auch ohne dies, warum sie rot wird.


LG

Adem

 

Hallo Kelbri,

Dann klingt es zwar "melodischer", aber ich persönlich finde, dass die Geschichte dadurch ihre Dynamik verliert und kaum noch Gefühl rüber bringt.

Du solltest nur insofern Kritiken berücksichtigen, hinter denen Du stehst. Die Du für Dich "annehmen" kannst. Hier können eine Menge Leute vorbeikommen und eine Menge Vorschläge haben. Die sind dann so verschieden, wie die Vorlieben. Allen kann man es eh nie recht machen und darum geht es auch nicht. Die Anregungen ausprobieren und dann für sich selbst entscheiden, find ich gut oder nicht. Wenn Du nicht alle Wiederholungen raus nehmen magst, dann nehme die, die Du auch als positiv empfindest ;) und lass die anderen drinne. Wenn Du die Blicke aufzählen magst, dann tue es ...

Texte ändert man allerdings nicht durch ein Neupostig in einer Antwort, sondern unten, im ersten Beitrag. In der Geschichte selbst, denn man kann nicht davon ausgehen, dass sich die Leserschaft alle Kommentare studiert. Manche lesen die absichtlich nicht, um nicht voreingenommen zu sein.

Also, ändere die erste Version nach Deinen Empfindungen und lösche bitte die zweite aus Deinem Antwortpost.

Jetzt inhaltlich: da hast Du ja mächtig ausgeholzt :D. Für mich gewinnt sie ebenfalls an Dynamik. Wenn Du etwas an ihren Emotionen schrauben willst, dann schau Dir die Verben und Bilder an, ob Du vielleicht ein stärkes, aussagekraftigeres findest. Da wäre bei manchen Sätzen noch was drin.
Ein Beispiel:

Sie spürte, wie die Leute stehen blieben und sah aus den Augenwinkeln die Blicke auf sich gerichtet.

Die Leute blieben stehen. Glotzten sie an. Mitleid oder Verachtung trafen sie.
Selber Inhalt, andere Worte, andere Wirkung. Aber eben mein Sprachempfinden.

Lieben Gruß Fliege

@ Adem: Ganztextzitate sind nicht erlaubt. Und Du solltest auch die zitierten Stellen deutlich machen. Kursiv, Anführungsstriche oder die kleine gelbe Seite als Sprechblase im Antwortmenü bemühen, die macht dann den schönen blauen Rahmen drum ;).

 

Hallo Fliege,

Ich hatte im Originaltext die Stellen geändert, bei der mir Kritik einleuchtete.
Den zweiten Text im Antwortteil hatte ich nur dazugenommen um den Unterschied deutlich zu machen. Ich wollte den nicht als Originaltextänderung, weil er mir persönlich wie gesagt zu langweilig wirkte.

Da hab ich mich wohl etwas zu unklar ausgedrückt. Tut mir leid. Das passiert mir öfter mal, wenn die Gedanken schneller davonstolpern, als die Finger hinterhertippen können...:Pfeif:

Aber danke für die Info.
Schön, dass hier alle so nett sind, das hat man nicht in jedem Forum.

LG
Britta

 

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