- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 6
Die Spanische Nacht
Langsam öffne ich die Augen. Ein großes Bett. Allein. Zum Glück. Vorsichtig versuche ich mich zu orientieren. Schönes Zimmer. Die Wände mit jenem zartrosa Ton gestrichen, der eine angenehme, vornehme Frische verstrahlt ohne ins Kitschige hinüber zu gleiten. An einer Wand ein alter Sekretär, wahrscheinlich antik. Davor ein Stuhl, wie ich ihn sonst in Antiquitätengeschäften bewundere. Eine weiße Terrassentür, direkt mir gegenüber. Rechts und links davon ein Fenster. Beide mit kleinen weißen Sprossen. Durch die schräg gestellten Lammellen der Klappläden dringt Sonnenschein herein. Eine große Porzellanvase ohne Blumen. Die Einrichtung des Zimmers wird von einem weißen Schrank, einer Kommode mit einem Klappspiegel und einem ebenfalls weißen Sessel komplettiert.
Ich überlege, ob ich einen Blick in den Spiegel riskieren soll. Entscheide mich aber dagegen. Meine Stimmung ist wie die Farbe des Zimmers, zartrosa. Ich beschließe, mich erst einmal zu erinnern. Schließe die Augen. Keine gute Idee. Sekretär und Stuhl fangen an Flugrunden durch das Zimmer zu drehen. Ich konzentriere mich und beide Möbelstücke landen sicher an ihrem ursprünglichen Platz. Zwei Bilder an der rechten Wand geraten in mein Blickfeld. Porträts. Ein Mann und eine Frau. Ich schätze, dass sie Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden sind, obwohl ich keine Ahnung habe. Mann und Frau sind vornehm gekleidet. Sie lächeln mich an. Ein wenig überheblich. Trotzdem wohlwollend und freundlich. Offenbar haben sie nichts dagegen, dass ich hier im Bett liege. Mit meinem Kopf stimmt etwas nicht. Ich weiß zwar wer ich bin, habe aber keine Ahnung was ich hier tue. Am besten aufstehen. Nur nicht zu hastig. Ein Kleid habe ich noch an. Hoffe, es ist meins. Meine Füße berühren den Boden neben dem Bett. Kühler Terrakotta. Ich entdecke meine Schuhe. Feinsäuberlich nebeneinander gestellt, direkt vor dem Bett. Für einen Moment bleibe ich sitzen. Wenn nur ein kleiner Erinnerungsfunke angeflogen käme. Ich weiß nur, dass ich hier nicht hin gehöre, obwohl es mir gar nicht schlecht gefällt. Ich stelle mir vor, die beiden Porträts würden meine Eltern zeigen und ich wäre eine spanische Adlige. Spanien, gut. Ich bin in Spanien. Keine Ahnung warum, aber ich bin mir sicher, dass ich in Spanien bin. Vielleicht liegt es nur daran, dass mir alles spanisch vorkommt. Ich muss über meinen eigenen Witz laut lachen. Kann gar nicht mehr aufhören. Lache und lache, bis mir der Bauch weh tut. Komisch. Eigentlich müsste jetzt jemand kommen und schauen, von wem diese Lachsalve stammt. Doch es kommt keiner. Es hilft nichts, ich muss aufstehen und meine Umgebung erkunden.
Ich heiße Beatrice, habe ein geblümtes Kleid an und besitze ein paar Schuhe. Also, kein Grund zur Panik. Ich werde die Terrassentür öffnen - warum bin ich mir eigentlich so sicher, dass es eine Terrassen- und keine Balkontür ist - und schnurstracks hinausgehen. Frische Luft wird mir gut tun. Ich ziehe die Schuhe an. Sie passen. Jetzt vorsichtig aufstehen und schauen ob mich meine Füße tragen. Ich erinnere mich an einen Film mit dem Titel „So weit die Füße tragen“. Er handelt von einem Kriegsgefangenen, der zu Fuß von Sibirien nach Deutschland läuft. Da werde ich doch die paar Meter bis zur Terrassentür schaffen. Geradezu lächerliche Aufgabe im Vergleich zu dem Kriegsgefangenen. Langsam stehe ich auf. Wenn auch wacklig, stehe ich auf meinen Füßen. Die Schuhe haben einen ziemlich hohen Absatz. Trage ich immer solche Schuhe? Ich schwanke zu der Kommode mit dem Spiegel. Möchte sehen, wie ich aussehe, bevor ich raus gehe. Duschen, wäre toll. Eine halbe Stunde unter heißem Wasser stehen. Herrlich. Zähne putzen. Mit ein wenig Glück, sind da draußen freundliche Menschen, die mir eine Zahnbürste leihen. Mein Spiegelbild erschreckt mich. Zwei dunkle, schwarz umschattete Augen, ohne Glanz, schauen mich an. Ich bekomme Angst. Dann verschwimmt das Bild, und ich sehe immer besser aus. Wouw. Jetzt bin ich ganz scharf. Eine hübsche, begehrenswerte Frau. Das macht mir Mut, mich endgültig der Terrassentür zu nähern. Ich gehe los. Denke an den russischen Kriegsgefangenen und schaffe es bis zur Tür. Verschnaufen. Ich höre Stimmen. Draußen sind tatsächlich Leute. Die werden mir helfen. Mit einem Ruck öffne ich die Tür.
Die Sonne strahlt mir so kraftvoll ins Gesicht, dass ich komplett geblendet bin. Ich halte die Hand vor die Augen und versuche mich an die Helligkeit zu gewöhnen. Vor mir stehen ein paar Korbstühle, einige mit bunten Kissen. Auf einem Stuhl räkelt sich eine Katze. Ein Stückchen weiter rechts ist ein Frühstückstisch gedeckt. Zwei Männer und eine Frau sitzen dort. Sie trinken Kaffee. Ein Stückchen weiter beginnt ein langer, rechteckiger Pool. An der Mitte des Pools steht ein weiterer Mann. Um den Pool herum stehen Liegen aus teurem Tropenholz. Weiße Sonnenschirme aus schwerem Leinenstoff spenden Schatten. Ich möchte irgendwas sagen. Doch mein Mund ist komplett ausgetrocknet. Jede Sekunde scheint wie eine kleine Ewigkeit.
Da spricht mich einer der beiden Männer an.
„Hallo Bea, gut geschlafen?“.
Schön, offenbar bin ich hier bekannt. Und man spricht Deutsch, akzentfrei. Das macht mir Mut auf die Drei am Frühstückstisch zu zugehen.
„Durst“, presse ich zwischen meinen trockenen Lippen hervor.
Der Mann, der mich angesprochen hat, ist blond, kurzer Haarschnitt mit einem etwas altmodischen Seitenscheitel, der ihm aber nicht schlecht steht. Er lächelt mich an. Auch der zweite Mann am Tisch schaut mir freundlich entgegen. Die Frau nimmt keine Notiz von mir. Der Mann am Pool mustert mich aus der Ferne. Unbeweglich.
„Tomatensaft?“, fragt der Blonde.
Ich muss ihn wohl anschauen, als ob ich zum erstem Mal im Leben höre, dass man aus Tomaten Saft machen kann.
Er wiederholt, “Tomatensaft, am besten mit Zitrone, Worcester und Tabasco, hilft ganz gut.“
Ich begreife und schaffe es zu antworten.
„Gerne,“ erwidere ich.
Der zweite Mann am Tisch ergreift eine Karaffe und deutet, während er den Saft in ein Glas einschenkt, auf einen freien Stuhl am Tisch.
„Möchtest du dich nicht zu uns setzen?“.
„Gerne“ entgegne ich zum zweiten Mal.
Der zweite Mann hat dunkelbraune Haare und sieht wie eine Neuausgabe von Cary Grant aus. Sehr dynamisches Kinn mit einem kleinen Grübchen in der Mitte und diese typische markante Kopfform, wie sie erfolgreiche Menschen oft haben. Dazu hellblaue Augen und einen Mund, der nicht so richtig zum Rest passt. Die Mundwinkel verlaufen nach unten, rechts ein wenig mehr als links, was seinem ansonsten schönen Gesicht eine gewisse Häme verleiht. Er wirkt gelangweilt. Während ich den angebotenen Platz annehme, wundere ich mich über meine Gedanken. Ich beobachte sonst nie sehr genau. Sitzen tut gut.
Der Blonde spricht mich erneut an: „Vielleicht möchtest du etwas essen? Schau“, er deutet auf den gut gefüllten Tisch, „es ist gibt viele leckere Sachen“.
Ich weiß noch nicht wirklich ob ich Hunger habe. Schaue die Frau an. Sie sitzt da, als ob sie nicht dazu gehört. Falls ich tatsächlich in Spanien bin, würde ich sagen, sie ist eine richtige Spanierin. Rassiger Typ, mit kohlrabenschwarzen, wunderschön glänzendem, lockigem Haar, einem vollen sinnlichen Mund und zwei tiefdunklen Augen, die im Moment komplett ins Leere blicken. Langsam sollte ich vielleicht was sagen.
Ich entscheide mich für: „Kann ich erst mal einen Kaffee bekommen?“
Die Worte kommen wie in Zeitlupe. Der Satz braucht sicherlich eine gute Minute, bis er aus meinem Mund ist.
„Aber sicher“, antwortet der Blonde und schenkt aus einer edel gestylten, silbern glänzenden Thermoskanne, dunklen, wohl riechenden Kaffee ein.
„Milch?“ „Gerne“, antworte ich.
Gerne ist mein neues Lieblingswort.
Beide Männer haben weiße, langärmlige Hemden an. Der Blonde trägt dazu eine schwarze Leinenhose und helle Segeltuchschuhe. Der Dunkelhaarige eine sandfarbene Bundfaltenhose aus Baumwolle und Wildleder-Slipper. Während ich die Kaffeetasse vorsichtig in Richtung meines Mundes manövriere, werfe ich einen Blick auf den dritten Mann. Er ist nicht ganz so edel gekleidet, wie meine Tischnachbarn. Jeans, weißes T-Shirt, dazu Basketballschuhe von Converse. Eher der lässige Typ, mit einer durchtrainierten Figur, wie ich selbst aus der Entfernung feststelle. Er hat schwarze Haare, die streng nach hinten gekämmt sind. Hochstehende Wangenknochen und eine etwas zu breite, leicht schiefe Nase auf der eine schwarze Ray Ban Sonnenbrille sitzt, vervollständigen seine coole Erscheinung. Mit einer schnellen, kaum wahr-nehmbaren Handbewegung nimmt er die Brille ab und schaut mir genau in die Augen. Ein Schauer durchläuft meinen Körper. Seine Augen sind grün. Ich kann seinem Blick nicht standhalten und nehme einen Schluck Kaffee. Als ich aus den Augenwinkeln noch einen Blick auf den Coolen erhasche, verwandelt sich sein Gesicht in das eines Wolfes. Er fletscht die Zähne. Ich habe das Gefühl als wolle er mit einem Satz zu mir hinspringen. Dann verschwindet das Bild wieder. Er grinst mich an. Mein Kopf ist noch lange nicht klar. Vielleicht hilft der Tomatensaft. Am Tisch wird gar nicht gesprochen.
Wie bin ich nur hier hin gekommen? Meine Freunde tragen keine Bundfaltenhosen am Pool. Ich bin froh, wenn sie nicht mit Shorts zum Einkaufen gehen. Man kennt meinen Namen. Hat mir Essen und Trinken angeboten. Apropos Essen. Auf dem Tisch stehen Croissants, geschnittenes Baguette, mehrere Konfitüren in silbernen Schalen. Salami, Schinken, Käse, schön dekoriert auf zwei Platten mit Salatblättchen und Tomaten.
„Bezaubernder Abend gestern, nicht wahr meine Liebe?“, bricht der Blonde mit leicht säuselnden Tonfall die Stille.
Meint der mich? Oder die Spanierin. Zum Glück, redet die noch weniger als ich. Alles wirkt gekünstelt. „Meine Liebe“, wer redet heute noch so? War der Abend bezaubernd? Sollte ich nicht besser fragen woher wir uns kennen. Ich entscheide mich, für einen einfachen Gesprächseinstieg.
„Ja, äußerst bezaubernd, wirklich.“, wiederhole ich, mit einer Stimme, die mir nicht zu gehören scheint. Ebenfalls leicht säuselnd. Ich war schon immer in der Lage, mich Situationen gut anzupassen. Eine meine hervorstechendsten Eigenschaften.
„Vielleicht möchtest du doch eine Kleinigkeit essen?“, unternimmt der Blonde einen erneuten Versuch meinen Appetit anzuregen. Die Spanierin, oder was immer sie auch sein mag, schaut mit mitleidigem Blick kurz zu mir hoch.
„Der Schinken ist ausgezeichnet, der Beste, den man hier auf der Insel bekommen kann. Du musst ihn einfach kosten.“
Ich bin also auf einer Insel. Jetzt muss ich nur rausfinden auf welcher. Ich schmiere Butter auf ein Stückchen Baguette, lege Schinken darauf und beiße hinein. Saulecker. Eigentlich, gar nicht so schlecht hier, denke ich. Drei gutaussehende Kerle, leckeres Essen, tolles Haus, ein Pool und eine Terrasse, wie ich sie nur aus Filmen kenne. O.k., die Spanierin ist komisch und der Typ am Pool hat sich bisher noch nicht vom Fleck bewegt. Aber ich habe definitiv schon schlechter gefrühstückt.
„Echt lecker“, lobe ich.
Der Dunkelhaarige schafft es seinen rechten Mundwinkel nach oben zu bringen und schaut mich an.
„Ich meine der Schinken, schmeckt echt gut, vielleicht könnt ihr mir ja nachher verraten, wo ihr Jungs den her habt.“
Der Dunkelhaarige versucht ein Lächeln, indem er seine Oberlippe, mit Anstrengung, über die Zähne zieht. Im selben Moment ist mir klar, dass ich, mit meiner Art mich auszudrücken, irgendwie ins Klo gegriffen habe. Wenn ich hier noch zu Ende frühstücken möchte, sollte ich meine Wörter anders auswählen. War ja auch der erste längere Satz heute morgen. Da kann man noch nicht so viel erwarten. Doch etwas wie, „Wirklich deliziös, er zergeht einem förmlich auf der Zunge“, hätte mir wahrscheinlich mehr Bewunderung eingetragen.
Auch so eine Eigenschaft von mir. Ich möchte immer, dass Alle mich lieben. Keine Ahnung warum. Wahrscheinlich hat mein Vater mich als Kind zu wenig gelobt. Langsam kommt ein Teil meiner Erinnerung zurück. Ich weiß wer ich bin und erinnere mich an meine Eltern. Obwohl es mir besser geht, ist die ganze Situation immer noch komplett unwirklich. Wenn ich beschreiben sollte, wie es mir geht, würde ich am ehesten sagen, dass ich das Gefühl habe, im falschen Film zu sein. Das trifft es ziemlich genau. Ich gehöre nicht hierher. Auch wenn der Blonde mich mit Bea anflötet. Ist der Typ mit der Jeans am Pool vielleicht nur ein Statist, der den ganzen Tag an der selben Stelle stehen muss. Ich probier noch ein Stück Salami. Wär ja blöd es nicht zu tun. Wenn die nur halb so gut schmeckt wie der Schinken, hat es sich schon gelohnt hier mitzuspielen. Auf einmal setzt sich das Standbild am Pool in Bewegung. Geschmeidig kommt er zu unserem Tisch herüber. Nimmt erneut die Brille ab, seine grünen Augen schweifen von einem zum anderen. Dann lächelt er.
„Wie wäre es mit einem Gläschen Champagner, um diesen schönen Tag zu begrüßen“ fragt er in die Runde.
„Gute Idee“ antwortet Blondie.
„Dann hole ich mal eine Flasche und Gläser,“ sagt der Coole und geht ins Haus.
Ich habe immer noch das Bedürfnis nach einer Dusche. Vielleicht könnte ich mitgehen. Aber meine innere Stimme rät mir hier sitzen zu bleiben. Der Dunkle steht auf.
„Ich gehe Reginald helfen, ihr wisst doch wie ungeschickt er mit Gläsern ist.“ Alles hätte ich gedacht, aber, dass der schöne Coole, Reginald heißt, darauf wäre ich nicht gekommen. Erlauchter Name. Mittlerweile finde ich es gar nicht so schlecht hier. Die Typen sind zwar ein bisschen komisch und das Mädchen hat immer noch keinen Ton gesagt, doch es gibt Champagner. Der Pool und die Terrasse sind der Hammer und es verspricht ein wunderschöner Tag zu werden. Also scheiß drauf, man soll die Feste feiern wie sie fallen. Ich greife nach meinem Tomatensaft. In diesem Moment zischt mir die Spanierin etwas in Ohr.
„Guarda“.
Ich bin so erstaunt, dass sie spricht, dass ich einen Moment brauche, um den Sinn zu verstehen. Meine nicht sehr profunden Spanisch Kenntnisse würden es mit „Pass auf“ oder „Gib acht“ übersetzen. Ich schaue zu ihr rüber. Sie sitzt weiter da, als ob sie stumm ist. Habe ich mir das nur eingebildet? Blondie scheint nichts bemerkt zu haben. Doch als ich ihn anschaue, wird aus ihm plötzlich ein Mann in Uniform, der seine schwarzen, blank polierten Stiefel von der Sonne bescheinen lässt und mich mit hungrig, süffisanten Blick, überheblich anschaut, wie ein Stück Vieh. Zwar ganz hübsch anzusehen aber anscheinend mit ein paar Attributen zu wenig, um zur auserwählten Herrenrasse zu gehören. Schnell trinke ich einen Schluck von meinem Tomatensaft und der darin enthaltene Tabasco macht dem Schreckgespinst ein Ende. Die Uniform stand ihm verteufelt gut. Wie für ihn gemacht.
„Ah, da kommen ja Hubertus und Reginald mit dem Champagner. Das wird uns alle wieder nach vorne bringen“, flötet der Blonde in einem Tonfall, der zum Glück nicht zu meiner Halluzination von vorhin passt.
Ich beschließe, dem Champagner entspannt entgegen zu schauen und wende meinen Blick zum Haus, aus dem Hubertus und Reginald – was für Namen – auf uns zu kommen. Irgendwie erwarte ich, dass sich die Beiden ebenfalls in etwas Fürchterliches verwandeln. Zum Glück passiert nichts. „Gib acht“, hat mir die Spanierein zugeflüstert. Vielleicht sollte ich besser aufstehen und ganz schnell weg rennen. Aber ich trinke gerne Champagner. Bei uns zuhause war es das höchste der Gefühle, wenn mein Vater Weihnachten eine Flasche Krim Sekt öffnete. So gesehen, bin ich hier im Paradies. Meine Mutter hat immer gesagt, „Guckt Euch dat Beatrix an“, sie war die einzige die mich nicht Bea nannte oder Beatrice, wie ich mich heute gerne nenne, „aus der wird mal wat janz Besonderes, dat is janz deutlich zu sehen“, pflegte sie, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, zu sagen.
Ja, ich gebe es zu. Schon immer wollte ich auf genau solchen Terrassen sitzen und Champagner trinken. Hubertus, stellt die Gläser auf den Nebentisch. Champagnerschalen, wie es sich gehört. Reginald hält die Flasche.
„Taittinger, ein echter Comptes de Champagne von 1975“, stellt er den Tropfen vor.
Keine Ahnung was das bedeutet, aber es hört sich teuer an. Der Korken löst sich mit einem vornehmen Blubb von der Flasche. Klar, dass hier nicht geknallt wird. Hubertus füllt die Schalen und alle freuen sich.
„Mercedes was ist mit dir?“ fragt der Blonde die Spanierin, die als Einzige einfach nicht fröhlich werden will.
Sie schaut in die Runde, nimmt als erste ihr Glas, erhebt es mit den Worten „Contra la muerte“ und trinkt es mit einem Zug aus.
„Auf das Leben“ antworten die drei Männer und stehen auf.
Was soll ich dazu sagen?
„Auf den Luxus“ bringe ich ebenfalls stehend einen Toast aus und nehme einen großen Schluck.
„Das ist gut“ freut sich der coole Reginald, „auf den Luxus, ja lasst uns auf den Luxus trinken.“
Wir erheben fröhlich unsere Gläser. Nur die Spanierin schaut weiterhin bös, aber sie hat ihr Glas ja auch schon ausgetrunken. Ich leere mein Glas mit einem Zug, in der Hoffnung, dass es noch nach gibt. Auf einmal ist mir ganz sonderbar zumute. Der Pool wird unendlich lang und ich habe das Gefühl, dass Wolken am Himmel aufziehen. Der Blonde trägt wieder seine Uniform und klopft sich mit einer Reitgerte auf die Stiefel.
„Auf den Luxus, wie köstlich“ brüllt er vor Lachen.
Ich falle nach vorne, versuche mich auf dem Tisch abzustützen. Dabei stoße ich den Tomatensaft um. Der rote Saft verteilt sich in meinem Schoss und läuft mir langsam die Schenkel hinunter. Ein Blick nach oben zeigt mir die Gesichter der drei Männer, zu Fratzen verzerrt.
„Auf den Luxus, auf den Luxus“ intonieren sie alle zusammen.
In einiger Entfernung steht die Spanierin, hocherhobenen Hauptes, nimmt eine der Champagnerschalen, wirft sie hinter sich und ruft wie ein Torero beim Stierkampf, „Contra la muerte“.
Ich verliere das Bewusstsein.
Langsam öffne ich die Augen. Ein schmales Bett. Mir ist kotzelend. Eine Frau sitzt neben mir auf einem Stuhl. Ich erkenne sie.
„Bea, endlich, ich hatte schon Angst, du wachst gar nicht mehr auf. Ich bin ja so froh.“
„Was ist, was ist passiert“ versuche ich mit kaum wahrnehmbarer Stimme zu antworten.
„Man hat dich bewusstlos am Strand gefunden,“.
Die Frau auf dem Stuhl weint.
Ich schließe meine Augen. War das jetzt die Wirklichkeit?