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Die Stimme

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07.12.2004
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Die Stimme

Die Stimme

‚Mein Geliebter‘, begann der Brief.
Jeder ihrer Briefe.
‚...ich sehne mich danach, deine Stimme zu hören‘, sagten mir die Zeilen.
Ich kann es kaum erwarten dich wieder zu sehen, dich wieder zu sehen. Wiedersehen, was für ein schwaches Wort für solch eine Implosion. Ja, ich kannte das Gefühl bereits, nein, besser: Ich wusste, dass ich es gekannt haben würde. Das Wiedersehen ist der Abschluss der Abwesenheit der anderen Person, in Fällen wie diesem, einem geliebten Menschen, das Wiedersehen war der Abschluss des großen Verlustes, des großen Leidens. Je größer der Verlust, desto größer die Wiedersehensfreude, das Glück.
Vor zwei Jahren, als wir uns trennten, um uns irgendwann wieder zu sehen, wusste ich noch nicht, welch einem Leiden ich ausgesetzt sein würde.
Wie sehr ich ihre blauen Meeraugen vermissen würde.
Wie sehr ihr blondes, fast gelbes Haar. Ein Gelb, dass immer Neuanfang versprach.
Wie sehr ihren katzengleich geschmeidigen Rücken, den ich immer wieder, nicht nur mit den Augen, abgetastet, gestreift, gestreichelt hatte.
Und ihre Stimme, eine Stimme, die ich unter hunderttausenden wieder erkannt hätte, wie es immer in den Romanen heißt. Ihre Stimme schwang, sang und las immer mit, wenn ich einen ihrer Briefe bekam. Leise summte sie schon, wenn ich einen Brief aus Paris aus meinem Briefkasten fischte. Das Summen schwoll an und sobald ich die ersten Worte las, schwappte es über in einen sanften Singsang, der mich durch die ganze Welt begleiten würde.
‚Mein Geliebter...‘
‚...ich sehne mich danach, deine Stimme zu hören‘
Wiedersehen. Noch nie hatte ich ein Wiedersehen derart verlangt, wie ich es jetzt tat. Und ich wusste, ich würde ein Wiedersehen nie so sehr verlangt haben, wie in der nächsten Sekunde, und der darauffolgenden... seit zwei Jahren ging das so, seit damals am Hamburger Hafen, als nur die Möwen Zuschauer unserer letzten Umarmung im Mogendämmern waren, die bereits Trennung war. Ich bestieg den Tanker nach Kerala, Südindien, und sie den Flieger nach Paris, nur wenige Stunden später. Es war schon immer ihr Wunsch gewesen nach Paris zu gehen, nicht einmal, um ein besonderes Ziel zu verfolgen, einfach um nach Paris zu gehen, nach Paris.
Die Reise nach Kerala hatte gut geschmeckt, nach Tragik. Ich fühlte mich als Leidender und sehnte mich nach ihr, sowie sie sich nach mir sehnte, sobald wir uns getrennt hatten, wie sie mir in einem ihrer Briefen berichtete, die immer mit demselben Gesang begannen:
‚Mein Geliebter...‘
‚...ich sehne mich danach, deine Stimme zu hören‘
Wir waren wie zwei Planeten gewesen, die sich getroffen hatten in einem Aufprall und von da an nicht mehr aus der Umlaufbahn um den anderen entkommen konnten. Immer tiefer zog es uns in den Strudel, immer tiefer in den Rausch. Man soll auf dem Höhepunkt aufhören.
Erst durch Verlust erfährt man den wahren Wert einer Sache. Zu Anfang gefällt einem jeder Besitz, doch mit der Zeit verflacht die Freude darüber und die Wertschätzung eines Besitzes. Man misst ihm erst wieder Wert bei, wenn man ihn verloren hat, wenn man den Verlust spürt, wenn es schmerzt. Das ist kein Masochismus, sondern eine simple Beobachtung.
Wir trennten uns.
Wir wollten in uns lodernde Feuer entfachen, Brände, die nicht mehr gelöscht werden konnten.
Wir trennten uns.
Wir wollten unsere Liebe verewigen.
Es brannte in mir und die Flammen schlugen höher, wenn der Gesang in meinen Ohren erklang, der jeden ihrer Briefe eröffnete, fast jeden. Denn der letzte Brief summte:
‚Mein Geliebter...‘
‚...ich sehne mich danach, deine Augen zu sehen‘
Aber zwei Jahre sind genug. Nach zwei Jahren möchte man diesen Gesang nicht alle zwei Monate hören, sondern jeden Tag, jede Minute, ja, jede Sekunde. Dieser Gesang, der mir alles verhieß, diese Stimme, die mich betörte, nachdem die Feuerzungen aus meinem Körper haschten. Ja, zwei Jahre waren genug, das fand sie auch.
Wir wollten uns in Hamburg wieder treffen. Nach zwei verdammten Jahren. Ich konnte es kaum noch erwarten, ihre Stimme zu hören. Im Flugzeug schwitzte ich, dass ich gleich ein Dampfbad hätte nehmen können. Wir landeten.
Am Ausgang, da stand sie.
Mein Herz stand still, zwei Sekunden lang, die lang waren wie zwei Jahre.
Wir stürzten aufeinander zu, fielen auf den Boden und hielten uns, hielten uns einfach nur eine Zeit lang in den Armen.
„Hallo.“, sagte ich sanft.
Sie lächelte.
„Hallo.“, sagte ich erneut.
Sie lächelte.
„Sag was.“
Sie lächelte.
„Ich will deine Stimme hören. Sag was.“
Sie lächelte.
Sanft schüttelte ich sie: „Deine Stimme, ich will sie hören.“
Sie nahm meine Hand und führte sie an ihren Hals. Ich fühlte eine große Narbe, dort wo die Stimmbänder liegen.
Sie war stumm.

Ich rührte sie während unseres ganzen Aufenthalts nicht an. In der Nacht hörte ich sie schluchzen, nicht hemmungslos, nein. Ein Schluchzen, dass auf die Bestätigung einer Furcht folgt. Am nächsten Morgen setzte ich mich in das erstbeste Flugzeug nach Frankfurt/Main, um zurück nach Kerala zu fliegen.
Ich habe sie nie wieder gesehen.
Ich habe auch nie wieder einen Brief bekommen oder einen geschrieben. Ich hätte ihren Brief sowieso nicht gelesen, nicht lesen können, denn ihre Stimme war verstummt und ein Brief von ihr wäre stumm, nur ein Haufen sinnloser Zeichen gewesen, die ich nicht hören und deswegen nicht verstehen konnte.
Heute weiß ich: Ich habe alles zerstört. Ich wollte unsere Liebe durch Verlust stärken und hatte alles verloren. Man kann das Leben nicht berechnen.

 

Hallo Hermes,

du hast hier in kg.de elf Geschichten gepostet und dreizehn Einträge. Mag sein, dass du auf Resonanz keinen Wert legst, sondern die Geschichte einfach nur anbietest.
Eigentlich würde ich nun auch gar nicht antworten, ich schreib das nur prophylaktisch für andere Leser auf, die sich vielleicht (umsonst?) die Mühe machen, hier lang und breit Dinge zu verbessern oder auf deine Geschichte einzugehen.

Grüße
bernadette

 

Hallo Hermes,
auch ich verschiebe Lesen und Kommentare zu deinen Geschichten auf einen späteren Zeitpunkt, an dem das Verhältnis zwischen geposteten und kommentierten Geschichten ausbalancierter ist.
Gruß, Elisha

 

Hallo Hermes,

unter einer "Alltagsgeschichte" hätte ich mir etwas anderes vorgestellt. M.E. wäre diese Geschichte doch auch in Romantik gut aufgehoben, oder?

Wer "sie" ist bleibt für mich in dieser Geschichte völlig offen. Soll es vielleicht auch...Jedenfalls scheint diese "sie" irgendwie "unnahbar" zu sein, zumindest Deiner Beschreibung nach am Anfang der Geschichte. Gerade der Anfang wirkt auf mich wie ein Wettbewerb: wer kann das "Schmachten" am besten beschreiben...Ja gut, wem's gefällt...


Hermes schrieb:
Wie sehr ihr blondes, fast gelbes Haar. Ein Gelb, dass immer Neuanfang versprach.
Welches Gelb verspricht Neuanfang? Hellgelb, dunkelgelb, weißgelb...wobei ich mich schon frage, wie eine Haarfarbe Neuanfang versprechen kann. Aber gut, das kann ja jeder selbst entscheiden. Oder hat sie die Haare gefärbt, dann würde ich das Färben als Zeichen sehen, so etwa: ich habe mich verändert und will das auch durch eine neue Haarfarbe deutlich machen.

Hermes schrieb:
Wiedersehen. Noch nie hatte ich ein Wiedersehen derart verlangt, wie ich es jetzt tat. Und ich wusste, ich würde ein Wiedersehen nie so sehr verlangt haben, wie in der nächsten Sekunde, und der darauffolgenden...

"Wiedersehen" und "verlangt" wiederholst Du. Im Grunde drücken die Sätze das Gleiche aus, nur umgestellt. Das stört mich persönlich ein wenig.


Hermes schrieb:
Ich bestieg den Tanker nach Kerala, Südindien, und sie den Flieger nach Paris, nur wenige Stunden später. Es war schon immer ihr Wunsch gewesen nach Paris zu gehen, nicht einmal, um ein besonderes Ziel zu verfolgen, einfach um nach Paris zu gehen, nach Paris.

dito

Hermes schrieb:
Die Reise nach Kerala hatte gut geschmeckt, nach Tragik. .

Der "tragische Geschmack" einer Reise...Interessant!

Hermes schrieb:
Man soll auf dem Höhepunkt aufhören.
Erst durch Verlust erfährt man den wahren Wert einer Sache. Zu Anfang gefällt einem jeder Besitz, doch mit der Zeit verflacht die Freude darüber und die Wertschätzung eines Besitzes. Man misst ihm erst wieder Wert bei, wenn man ihn verloren hat, wenn man den Verlust spürt, wenn es schmerzt. Das ist kein Masochismus, sondern eine simple Beobachtung. .

Klingt irgendwie nach "Moral", die m.M. nach auch etwas anders verpackt ausgedrückt werden kann. Zudem häuft es sich hier ziemlich. Wenn Du sie schon einbaust, dann wäre evtl. eine kleine Portion hier und eine kleine da besser als die "geballte Moral" auf einmal.

Hermes schrieb:
„Hallo.“, sagte ich sanft.
Sie lächelte.
„Hallo.“, sagte ich erneut.
Sie lächelte.
„Sag was.“
Sie lächelte.
„Ich will deine Stimme hören. Sag was.“
Sie lächelte.
Sanft schüttelte ich sie: „Deine Stimme, ich will sie hören.“

Ziemlich egoistisch, der Kerl...Gleich am nächsten Morgen verlässt er sie auf Nimmerwiedersehen. Ging es ihm eigentlich jemals um "sie" oder nur immer um sich und seine Vorstellungen von ihr?

Hermes schrieb:
Sie nahm meine Hand und führte sie an ihren Hals. Ich fühlte eine große Narbe, dort wo die Stimmbänder liegen.
Sie war stumm.

Mich würde dann doch mal interessieren, wieso sie stumm ist. Hatte sie eine Kehlkopfoperation mit vollständiger Entnahme, eine beidseitige Stimmlippenlähmung oder wieso ist sie stumm? Sorry, das hört sich für mich zu "einfach" an : "Narbe an Stimmbändern und somit stumm". Woher kommt die Narbe, wieso ist sie da? Was ist passiert? Man ist nicht gleich stumm, nur weil man eine Narbe am Hals hat. Will oder kann sie nicht mehr sprechen? Ich muss da jetzt ein bißchen "nerven", auch wenn es belanglos klingt. Ist es aber nicht. Eine Narbe ist nicht gleich eine Narbe und die Folgen sind auch immer verschieden (der Umgang mit Leuten mit Stimmbandlähmungen, etc. ist mein Beruf, von daher frag ich da ein bißchen genauer nach).

Hermes schrieb:
Ich habe auch nie wieder einen Brief bekommen oder einen geschrieben. Ich hätte ihren Brief sowieso nicht gelesen, nicht lesen können, denn ihre Stimme war verstummt und ein Brief von ihr wäre stumm, nur ein Haufen sinnloser Zeichen gewesen, die ich nicht hören und deswegen nicht verstehen konnte.

Wieso? Wieso ist ein Brief "weniger wert" als das Sprechen? Wieso kann "er" den Brief nicht lesen, wieso hätte er ihn nicht gelesen? Klingt irgendwie arrogant. Liegt ihm was an "ihr"?

Hermes schrieb:
Heute weiß ich: Ich habe alles zerstört. Ich wollte unsere Liebe durch Verlust stärken und hatte alles verloren. Man kann das Leben nicht berechnen.
Immerhin, die Einsicht kommt ja noch! "Sie" scheint in der Geschichte völlig "unschuldig" zu sein, ich weiß nicht, ob das so beabsichtigt ist. Sie redet ihn als "meinen Geliebten" an, was ja ziemlich viel Vertrauen beweist, das er nun einfach enttäuscht und zerstört. Was ist mit "ihr" am Ende? Wie geht es für sie weiter?

LG
Isha

 
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Oja, ich sehe, es besteht Nachholbedarf in nahezu jeder Hinsicht.
Also, ich fang mal ganz chronologisch an:
Bernadette, dein Gefühl hat dich nicht getäuscht, jedenfalls teilweise. Früher habe ich tatsächlich vom Leser verlangt, meine Geschichte zu verstehen, ohne dass ich Kommentare dazu abgebe. Das sollte den Sinn haben, dass ich irgendwann so gut bin, dass es keiner Kommentare mehr bedarf. Na ja, ich hab selber gesehen, was dabei herauskommt.
Insofern hast du recht, dass du aber andere davor warnen willst Kommentare zu schreiben, find ich irgendwie nicht so nett. Was ist mit der sogenannten "zweiten Chance", immerhin habe ich seit fast einem Jahr nicht mehr geschrieben. In diesem Sinne schonmal "Danke" an Isha, die trotzdem geschrieben hat!
Isha, dir wie gesagt danke ich für deinen ausführlichen Kommentar, obwohl er mich leider etwas enttäuscht nicht auf dich, sondern auf mich bezogen. Denn ich dachte meine Geschichte sei eindeutiger.
Ist sie also nicht, ich versuchs zu erläutern:
1. Es gibt eine Farbenlehre, in der jede Farbe für etwas steht, zum Beispiel Rot für das Nachvornepreschen. In dieser Farbenlehre steht die Farbe Gelb für den Neuanfang.
2. Du hast richtig gesehen, dass ich mich ab und zu wiederhole. Schade, dass es dir nicht gefällt, es war eigentlich als Stilmittel gedacht, aber da muss ich wohl vorsichtiger mit umgehen.
3. Ja, es klingt nach Moral all das über den Verlust. Aber das soll es auch. Der Autor dieser Zeilen, womit nicht ich gemeint bin, sondern der Protagonist, versucht seine Entscheidung zu rechtfertigen, sich von seiner Freundin für eine Zeit zu trennen.
4. Was die Narbe und den egoistischen Typen betrifft: Ich habe versucht zu betonen, dass die beiden sich getrennt haben, weil sie der Überzeugung waren, dass der Verlust ihres Zusammenlebens für einige Zeit die Liebe nur verstärken würde. Sie vermissen sich tatsächlich sehr stark und schreiben sich Briefe. Diese Briefe, die der Autor bekommt, liest er nicht einfach so, sondern er erinnert sich dabei praktisch an ihre Stimme als wenn sie ihm vorlesen würde. Mir selbst geht das fast immer so, dass wenn ich einen Text lese, ich unbewusst in meinem Kopf mir einen Tonfall zu dem Text ausdenke. So lese ich auch meine fertigen Geschichten mehrmals laut vor, um ihren Klang herauszubekommen. Der Typ, der die Briefe bekommt, stellt sich also vor, dass seine Geliebte im den Text praktisch vorsingt und das ist das einzige, was er noch von ihr hat in Kerala. Als er dann zurückreist, will er deshalb unbedingt ihre Stimme hören, die wichtigste Erinnerung, die er hat. Und was stellt sich heraus? Sie ist stumm. Da bricht für ihn die ganze Welt zusammen und es ist meiner Meinung nach nicht entscheidend, warum sie stumm ist. Deshalb rührt er sich auch nicht an und könnte keinen ihrer Briefe mehr lesen, weil in den zwei Jahren Abwesenheit ist sie praktisch zu einer Stimme geworden und die ist ja nun weg, da sie stumm ist. Das entscheidende an den Briefen war, dass ihre Stimme sie ihm vorgelesen hat. Er kapiert am Ende, dass sie alles falsch gemacht haben. Zwar hatte sich ihre Liebe verstärkt, aber letztendlich war die Liebe auf ihre Stimme, die er sich vorgestellt hat, fixiert und nun war sie stumm. Verstehst du ungefähr, was ich ausdrücken wollte?
4. Man weiß nicht, was mit ihr oder ihm passiert. Es ist ein trauriges Ende und zynisch, denn bei seiner Reise nach Kerala hat er die Tragik noch gekostet und jetzt hat sie ihm einen Streich gespielt.

 

Wie balanciert sich das Verhältnis zwischen geposteten Geschichten und Kommentaren aus? Indem ich mir selber ganz viele Kommentare schreibe.
:confused: :confused: :confused:
Kannst du nicht mal von dir absehen? Jeder möchte gern, dass seine Geschichten beachtet, also gelesen und kommentiert werden. Warum liest du nicht mal die Geschichten anderer und setzt dich damit auseinander? Das wäre nett und konstruktiv, und dabei lernt man ´ne ganze Menge..

 

Ach, entschuldige bitte, jetzt verstehe ich deinen Kommentar. Das heißt, es wird verlangt, dass man nicht nur seine Geschichten postet, sondern auch sich andere durchliest und sie bewertet?! Nun abgesehen davon, dass es natürlich sozial ist, ist es auch schön, da hast du recht. Allerdings weiß ich nicht, ob ich das machen möchte, ich überlegs mir.

 
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Hermes schrieb:
1. Es gibt eine Farbenlehre, in der jede Farbe für etwas steht, zum Beispiel Rot für das Nachvornepreschen. In dieser Farbenlehre steht die Farbe Gelb für den Neuanfang.
Ach so...na gut, wieder eine Bildungslücke geschlossen :)

Hermes schrieb:
2. Du hast richtig gesehen, dass ich mich ab und zu wiederhole. Schade, dass es dir nicht gefällt, es war eigentlich als Stilmittel gedacht, aber da muss ich wohl vorsichtiger mit umgehen.
Nur weil es m i r hier nicht gefällt, heißt es ja noch lange nicht, dass es a n s i c h nicht "gut" ist. Ist halt meine Meinung, jemand anders kann das ganz anders sehen :)


Hermes schrieb:
3. Ja, es klingt nach Moral all das über den Verlust. Aber das soll es auch. Der Autor dieser Zeilen, womit nicht ich gemeint bin, sondern der Protagonist, versucht seine Entscheidung zu rechtfertigen, sich von seiner Freundin für eine Zeit zu trennen.
Aha. Sozusagen: "Ich wollte mich schon lange von ihr trennen, hab aber nie den richtigen Aufhänger dazu gefunden und nun ist es mir ja gerade recht, dass sie keine Stimme mehr hat, so habe ich einen Grund, die Beziehung zu beenden" ? Da scheint ja sonst nicht viel Tiefgang dagewesen zu sein.

Hermes schrieb:
4. Was die Narbe und den egoistischen Typen betrifft: Ich habe versucht zu betonen, dass die beiden sich getrennt haben, weil sie der Überzeugung waren, dass der Verlust ihres Zusammenlebens für einige Zeit die Liebe nur verstärken würde .
Sozusagen "Vorfreude ist die schönste Freude"?

Hermes schrieb:
Deshalb rührt er sich auch nicht an und könnte keinen ihrer Briefe mehr lesen, weil in den zwei Jahren Abwesenheit ist sie praktisch zu einer Stimme geworden und die ist ja nun weg, da sie stumm ist. Das entscheidende an den Briefen war, dass ihre Stimme sie ihm vorgelesen hat.
Wenn er aber sich zwei Jahre lang davon leben kann, dass er m e i n t, ihre Stimme dabei zu hören, wieso kann er es nicht auch dann, wenn er sie tatsächlich wieder sieht? Es wäre natürlich eine gewisse Umstellung...Wenn sie zu "einer Stimme" geschrumpft ist! Hat er sonst nichts von ihr im Kopf? Keine Augenfarbe, kein Lächeln, keinen Blick aus ihren Augen, keine besonderen Erlebnisse und Erinnerungen an sie - außer die S t i m m e ?
Hermes schrieb:
Er kapiert am Ende, dass sie alles falsch gemacht haben. Zwar hatte sich ihre Liebe verstärkt, aber letztendlich war die Liebe auf ihre Stimme, die er sich vorgestellt hat, fixiert und nun war sie stumm. Verstehst du ungefähr, was ich ausdrücken wollte?
Heißt das also, wie oben schon angedeutet: er hat von ihr nur e i n e n Teil ihrer Persönlichkeit gesehen und den Rest ausgeblendet? Als dieser Teil wegfällt, hat er nichts anderes mehr, was ihn bei ihr hält, weil ihre Stimme die einzige Verbindung mit ihr war? Ist ja möglich, dass man einen Menschen gerade wegen einer einzigen Eigenschaft liebt und wenn diese dann plötzlich fehlt, ist der Mensch nicht mehr "interessant". Was ist das für eine "Liebe"?Dann frag ich mich aber trotzdem: wie sieht sie das?

Hermes schrieb:
4. Man weiß nicht, was mit ihr oder ihm passiert. Es ist ein trauriges Ende und zynisch, denn bei seiner Reise nach Kerala hat er die Tragik noch gekostet und jetzt hat sie ihm einen Streich gespielt.
Na gut, wenn das Ende offen bleiben soll...ist zwar nicht so ganz mein Geschmack, weil ich Geschichten gerne - zumindest in Ansätzen - "abgeschlossen" mag, aber jeder wie er will.

 

Also, ich versuche es so einfach wie möglich darzustellen, wie es mir in den Kopf gekommen ist:
Zwei junge Leute lieben sich - fast zu sehr - sie haben Angst, dass das irgendwann abklingen wird - sie beschließen deshalb sich für eine Zeit zu trennen, obwohl sie sich lieben, um durch den Verlust ihre Liebe stärker zu machen - sie lieben sich so stark, dass in diesem Fall aus der Sicht des Protagonisten, sie sich an das klammern, was ihnen vordergründig in Erinnerung bleibt - er kriegt immer Briefe von ihr und da ich (der Autor dieser Zeilen) mir immer seine Stimme vorstelle, wenn ich einen Text von einem mir Bekannten lese, habe ich dem Prot. auch diese Fähigkeit gegeben - er stellt sich also ihre Stimme vor, wenn er ihre Briefe liest - zwei Jahre lang hängen alle Erinnerungen an dieser Stimme, er projiziert alles in die erinnerte Stimme- und als sie sich wiedersehen bzw. er sie wieder h ö r e n will, da ist sie stumm. Alles, was er mit ihr verbindet, ist mit ihrer Stimme stumm geworden. Das soll die Tragik der Geschichte ausmachen.

 

Ah ja, so ist das also gedacht. Okay, das mag für deine beiden Prot. ja so zutreffen, wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass man sich vornimmt, sich für zwei Jahre (!) freiwillig (!) zu trennen, nur "um der Liebe wieder neuen Schwung" zu geben. Da muss es doch m.E. schon vorher "Probleme" gegeben haben, niemand kommt doch auf die Idee: "Hey, es läuft ganz toll mit uns. Lass uns doch deshalb mal eine Trennung für zwei Jahre einschieben, damit die Liebe vertieft wird".
Ich fände diese Art der "Vertiefung der Liebe" irgendwie nicht sinnvoll, weil da einfach d i e Verbindung nicht da wäre, die meiner Ansicht nach die Liebe erhält. Wie soll denn da die Liebe tragfähiger werden, wenn das Sehen, Fühlen, Hören, etc. der anderen Person wegfällt und die Wahrnehmung nur auf einen einzigen Bereich beschränkt wird? Das Verhalten deiner beiden Prot. kann ich somit nicht ganz nachvollziehen, aber gut.

 

Nun ja, ich geb zu ihr Verhalten ist sehr romantisch-weltfremd, aber irgendwie ist doch jeder Mensch verblendet, oder?!

 

O du groper, ich sehe schon, ich sollte keine Beiträge mehr zu deinen Geschichten schreiben. Gehe dann nämlich immer Gefahr, dass du meine liest... nun ja... also ich hätte das Aufs-Boden-Schmeißen natürlich näher umschreiben können, so mit: sie schmeißen sich auf den Boden, drehen sich 7mal, bleiben still liegen, halten sich 2 Minuten, blicken sich tief in die Augen und er sagt sanft: hallo. Aber da dachte ich mir, fordere ich doch mal die von dir für deine Geschichte geforderte abstrakte Einbildungskraft des Lesers, wenn ich das richtig verstanden hab.
Irgendwie fand ich es außerdem zu kitschig, das Mädchen heulend auf ihn zustürzen zu lassen, wollte aber auch nicht schreiben: es lächelte TAPFER, war mir auch zu kitschig, sie lächelt halt einfach!
Hm, zustimmen muss ich dir allerdings in dem Punkt, dass ihre Briefzeilen vielleicht zu, na ja, schmalzig sind... das Thema lag mir irgendwie selbst am Herzen, wahrscheinlich sollte man über solche Dinge nicht schreiben, weil die Realität doch zu kitschig, tragisch, komisch, schmalzig, melodramatisch, politisch unkorrekt etc. ist.
Ach, übrigens, von wegen das können nur dunkle Indianerinnen... hab zwar noch nie eine kennen gelernt, wie du bereits weißt, aber genau solch ein gelbes Mädchen, wie beschrieben, hat mich mal so angelächelt, dass ich genau wusste, es wird weh tun...

Danke für deine Kritik.

 

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