Die Traumtänzerin
Schläfst du schon?
…hm?
Kann ich dich etwas fragen?
…hm?
Warum kommst du her?
Du willst wissen, warum ich her komme?
Ja, ich meine… du hast einen Mann, der gut aussieht, der viel Geld verdient und dir sicherlich jeden Wunsch von den Augen abliest. Ihr wohnt in einer tollen Wohnung, deine Agentur läuft hervorragend und du bist überall beliebt…
Und trotzdem tauchst Du hier alle paar Wochen auf, wir schlafen miteinander und am Morgen bist Du wieder weg. Wieso machst Du das?
Na ja, ich mag dich eben.
Und deshalb hast du mich verlassen?
Ach komm schon, das ist eine Ewigkeit her. Wir hatten das Thema tausendmal. Du weißt, dass es richtig war so.
Okay, aber wieso kommst du immer wieder her?
Na gut, wenn Du versprichst, dass du dann Ruhe gibst. Ich habe morgen früh gleich um sieben ein wichtiges Meeting.
Versprochen, nur diese eine Frage.
Na schön… ich weiß nicht, wie ich es sagen soll… weißt du, wenn ich bei dir bin und du mich im Arm hältst, und ich die Augen schließe… wenn ich dich rieche… dann ist mein Kopf komplett leer… es ist dann wieder wie früher. Ich bin dann wieder siebzehn und du bist es auch. Weißt du noch… keine Sorgen, keine Verpflichtungen, kein Bausparvertrag. Nur das Hier und Jetzt, kein Einziger Gedanke an Morgen. Wir haben nie überlegt, sondern taten einfach, wozu wir gerade Lust hatten. Erinnerst du dich an diesen Sommer? Unseren Sommer. Nur wir beide. Als wir noch dachten, es gäbe die Liebe wirklich… ich kann mich an nichts von diesem Sommer erinnern, außer an deinen Geruch und dieses Gefühl. Das Gefühl, voll zu sein… voll mit Leben… so voll, dass nichts mehr in einen hinein passt. Wir erzählten uns immer, was uns gerade einfiel, ohne darüber nachzudenken. Wir verbrachten ganze Wochen am Stück im Bett. Wir haben geschlafen, gegessen und uns geliebt. Wenn wir zu sehr aneinander klebten, dann gingen wir zusammen duschen, nur um dann gleich anschließend wieder im Bett zu landen. Aber es ging nicht um den Sex. Es ging um dieses Gefühl. Das Gefühl, dass einem nichts fehlt. Dass die Welt da draußen sich nur um einen selbst dreht, nur als Kulisse für sein eigenes Leben dient. Die anderen Menschen nur die Statisten sind. Das Gefühl, dass es immer so weitergehen wird. Jeder Sinneseindruck war pur und ungefiltert. Das war das Leben in seiner reinsten Form.
Und dieses Gefühl habe ich heute nicht mehr. Die Welt dreht sich jetzt um andere Dinge… Aber wenn ich hier bei dir bin… wenn das Licht aus ist… wenn Du mich im Arm hältst und ich dein Herz schlagen spüre… weißt du… in dieser einen Sekunde, genau vor dem endgültigen Einschlafen… in der Zwischenwelt zwischen Wachsein und Schlaf… wenn das Bewusstsein schon fast komplett erloschen ist und man schon fast nichts mehr wahrnimmt um einen herum… dann ist es für einen kurzen Augenblick so, als wäre ich wieder jung. Als wäre nichts geschehen…. als wäre ich nur kurz im Bad gewesen und kann gleich wieder einschlafen. Dann bin ich wieder siebzehn für diese eine Sekunde.
Darum. Darum komme ich immer wieder hier her.
Das wollte ich nur wissen. Gute Nacht.