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Die Traumtänzerin

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09.10.2006
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9

Die Traumtänzerin

Schläfst du schon?

…hm?

Kann ich dich etwas fragen?

…hm?

Warum kommst du her?

Du willst wissen, warum ich her komme?

Ja, ich meine… du hast einen Mann, der gut aussieht, der viel Geld verdient und dir sicherlich jeden Wunsch von den Augen abliest. Ihr wohnt in einer tollen Wohnung, deine Agentur läuft hervorragend und du bist überall beliebt…
Und trotzdem tauchst Du hier alle paar Wochen auf, wir schlafen miteinander und am Morgen bist Du wieder weg. Wieso machst Du das?

Na ja, ich mag dich eben.

Und deshalb hast du mich verlassen?

Ach komm schon, das ist eine Ewigkeit her. Wir hatten das Thema tausendmal. Du weißt, dass es richtig war so.

Okay, aber wieso kommst du immer wieder her?

Na gut, wenn Du versprichst, dass du dann Ruhe gibst. Ich habe morgen früh gleich um sieben ein wichtiges Meeting.

Versprochen, nur diese eine Frage.

Na schön… ich weiß nicht, wie ich es sagen soll… weißt du, wenn ich bei dir bin und du mich im Arm hältst, und ich die Augen schließe… wenn ich dich rieche… dann ist mein Kopf komplett leer… es ist dann wieder wie früher. Ich bin dann wieder siebzehn und du bist es auch. Weißt du noch… keine Sorgen, keine Verpflichtungen, kein Bausparvertrag. Nur das Hier und Jetzt, kein Einziger Gedanke an Morgen. Wir haben nie überlegt, sondern taten einfach, wozu wir gerade Lust hatten. Erinnerst du dich an diesen Sommer? Unseren Sommer. Nur wir beide. Als wir noch dachten, es gäbe die Liebe wirklich… ich kann mich an nichts von diesem Sommer erinnern, außer an deinen Geruch und dieses Gefühl. Das Gefühl, voll zu sein… voll mit Leben… so voll, dass nichts mehr in einen hinein passt. Wir erzählten uns immer, was uns gerade einfiel, ohne darüber nachzudenken. Wir verbrachten ganze Wochen am Stück im Bett. Wir haben geschlafen, gegessen und uns geliebt. Wenn wir zu sehr aneinander klebten, dann gingen wir zusammen duschen, nur um dann gleich anschließend wieder im Bett zu landen. Aber es ging nicht um den Sex. Es ging um dieses Gefühl. Das Gefühl, dass einem nichts fehlt. Dass die Welt da draußen sich nur um einen selbst dreht, nur als Kulisse für sein eigenes Leben dient. Die anderen Menschen nur die Statisten sind. Das Gefühl, dass es immer so weitergehen wird. Jeder Sinneseindruck war pur und ungefiltert. Das war das Leben in seiner reinsten Form.
Und dieses Gefühl habe ich heute nicht mehr. Die Welt dreht sich jetzt um andere Dinge… Aber wenn ich hier bei dir bin… wenn das Licht aus ist… wenn Du mich im Arm hältst und ich dein Herz schlagen spüre… weißt du… in dieser einen Sekunde, genau vor dem endgültigen Einschlafen… in der Zwischenwelt zwischen Wachsein und Schlaf… wenn das Bewusstsein schon fast komplett erloschen ist und man schon fast nichts mehr wahrnimmt um einen herum… dann ist es für einen kurzen Augenblick so, als wäre ich wieder jung. Als wäre nichts geschehen…. als wäre ich nur kurz im Bad gewesen und kann gleich wieder einschlafen. Dann bin ich wieder siebzehn für diese eine Sekunde.
Darum. Darum komme ich immer wieder hier her.


Das wollte ich nur wissen. Gute Nacht.

 

hi rocko

nur ganz kurz: hat mir gefallen. weiß auch nicht wirklich warum, aber es gefällt mir.
da ist eine frau, hat familie, ist im job erfolgreich und vögelt mit ihrem ex, um sich wieder wie früher zu fühlen. kann sein, dass es diese geschichte hier gab bzw diese thematik schon oft bearbeitet wurde, aber mir hat es gefallen.
die überschrift finde ich jetzt einwenig übertrieben für so eine geschichte. sie ja keine traumtänzerin in dem sinne, sondern träumt nur in dieser einen sekunde. na ja, ist egal. nur meine meinung, rocko.

Wenn wir zu sehr aneinander klebten, dann gingen wir zusammen duschen, nur um dann gleich anschließend wieder im Bett zu landen.
das verstehe ich nicht ganz. mit kleben meinst du das doch im übertragenen sinne. das sie sich also nicht mehr sehen konnten. und dann gehen sie zusammen duschen?
kann sein, dass ich was überlesen hab, ansonsten war das die einzige stelle, die mich irgendwie gestört hat.

cu JO

 

JoBlack87 schrieb:
das verstehe ich nicht ganz. mit kleben meinst du das doch im übertragenen sinne. das sie sich also nicht mehr sehen konnten. und dann gehen sie zusammen duschen?


cu JO


Hey Jo! Danke für die Kritik!
Nein, mit "aneinanderkleben" meinte ich das tatsächliche Kleben, verursacht durch Schweiß. Vielleicht habe ich das ezwas unglücklich augedrückt...

 

Hat mir ganz gut gefallen, allerdings hätte ich vielleicht den letzten Satz einfach gestrichen.

 

Hallo Rocko,

zumindest subjektiv für mich eine schöne Geschichte. Leider liegt das wohl v.a. am Thema, in das ich mich gut einfühlen kann. Nicht in das Betrügen, aber in das Erinnern an so eine intensive, nur Schlafen, Essen, Liebe umfassende Zeit, die wohl jeder mal hatte. Diese Erinnerung gefällt mir auf eine bittere Weise, und weil deine Geschichte das ausgelöst hat, finde ich sie tendenziell gut. Die Erinnerung hätte aber auch von irgendwas anderem ausgelöst werden können, insofern sagt diese Meinung nichts über deinen Text aus.

Der stellt zunächst mal auch eine recht übliche Situation dar; Mann und Frau liegen im Bett, eine Person ist kurz vor dem Einschlafen, während die andere noch tiefgehende Fragen hat. Kenne ich auch gut, meist war ich dabei der, der schlafen will ;) Wie auch immer, bevor sie ihren langen Monolog beginnt, schaffst du es, zumindest die Frau ganz gut vorzustellen; privat und finanziell eigentlich erfolgreich, angesehen, aber irgendetwas fehlt ihr und darum betrügt sie ihren Mann. Das habe ich schon öfter in anderen Stories gelesen und in Filmen gesehen, insofern ist auch die Frau irgendwo typisch für so eine Geschichte.

So, und nun fällt dir sicher auf, dass ich in den letzten Zeilen "die wohl jeder mal hatte", "üblich" und "typisch" schrieb. Das heißt einerseits, die Situation ist nachvollziehbar (was gut ist), das heißt andererseits aber auch, sie ist klischeehaft und deine Protagonistin ist klischeehaft. Über ihren Ex wird ja leider gar nichts gesagt.

Der Monolog an sich würde gut als Brief funktionieren, wenn alles, was vor- und nachher kommt, sowie das "Na schön..." weglässt. Ich finde es jedoch etwas zweifelhaft, dass die Frau, müde und eher unwillig, zu reden, auf einmal in so einen langen Redefluss verfällt, der stellenweise wie auswendig gelernt klingt. Ich hatte hinterher das Gefühl, als wäre dieser Teil zuerst entstanden und dann hättest du erkannt oder jemand dir gesagt, dass ein Brief als Geschichte nicht ausreichend ist und dann hast du den Brief in einen Dialog gepackt, aber ihn nicht entsprechend angepasst.

Der Monolog ist nicht schlecht (sprachlich und stilistisch hatte ich ohnehin nichts zu bemängeln) - er hat bei mir immerhin oben angesprochenes bittersüßes Gefühl ausgelöst. Ich finde nur nicht, dass er hier so passt, wie er ist.

Viele Grüße,
Mario

 

Hallo Mario.

Vielen Dank für die Kritik. Ich Stimme Dir soweit auch in allen Punkten zu.
Nur dass es im Nachhinein als Dialog angepasst wurde, hast Du falsch geraten.
Dass die Frau zunächst unwillig ist zu antworten und dann schließlich doch einen langen Monolog hält ist für mich keineswegs widersprüchlich.
Ich sehe das eher so: Sie möchte Ihrem Ex gegenüber nicht mit der Wahrheit herausrücken, als sie sich dann aber einmal überwunden hat, spricht sie sich alles von der Seele.
Schließlich ist er der einzige, dem sie das erzählen kann.

Dass der Ex eher eindimensional dargestellt wird, finde ich nicht weiter schlimm, da es in erster Linie ja um die Frau (Traumtänzerin) gehen soll. Ihre gemeinsame Vergangenheit wird ja beschrieben. Und eigentlich erfährt man von der Frau ja auch nicht viel mehr, abgesehen von ihrem privaten und beruflichen Status.

Auch das ist so gewollt. Es soll dem Leser ein kurzer Blick auf die Szene gestattet werden. Seinen "Voyeurismus" einerseits bedienen, indem er diesem sehr persönlichen Gespräch lauschen darf, andererseits aber nur wenig erfährt.
Deshalb auch die Dialog-Form und nicht, wie Du z.B. vorschlägst als Brief.
Ein Dialog ist einfach näher am Geschehen dran, finde ich.

Ansonsten nochmal vielen Dank, dass Du dich so intensiv mit der Geschichte auseinander gesetzt hast.

MfG
Rocko

 

Hallo Rocko,

wie gesagt, das mit dem Brief war eher so ein Gefühl; schön, wenn ich mich geirrt habe. Ich verstehe deine Intention; evtl. könnte man noch ein, zwei Absätze in den Monolog packen, um dieses sich-überwinden der Frau deutlicher werden zu lassen.

:)

Viele Grüße,
Mario

 

someday schrieb:
Den Titel verstehe ich nicht so ganz. :Pfeif:

Der Titel soll veranschaulichen, wie die Protagonistin in besagtem Moment genau zwischen Wachsein und Traum hin und her tänzelt. Ähnlich wie ein Seiltänzer, der nur sehr begrenzten Raum (nämlich sein Seil) zur Verfügung hat. Es ist eine Gradwanderung.

Traum + "Tänzeln" = Traumtänzerin

Zugegeben: vielleicht etwas weit hergeholt, aber mir gefällt sowohl der Klang, als auch der undefinierte Begriff als solcher.

 

Hallo rocko!

Ich finde, dass die Geschichte echt berührend geschrieben ist. Man atmet aus und sagt "Oh ja..." Gefällt mir irgendwie sehr gut.

Ich hätte die Geschichte irgendwie noch mit einem anderen Blickwinkel gesehen. Für mich ist die "Traumtänzerin" gar nicht mehr wirklich da. Sinnbildlich für nur noch eine Erinnerung oder halt einen Traum, genau so ungreifbar, wie eine Erinnerung und genau so Flucht suchend.
Dadurch, dass sie am Morgen immer weg ist und so...

Außerdem finde ich hier endlich mal einen sensiblen Umgang mit Sex...

Ja, soweit erstma
Gruß LI

 

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