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Die Wiese neben der Kaserne
Wasser gurgelte ihm friedlich die Kehle hinab, als er einen Schluck von der Trinkflasche nahm, er aalte sich in der Sonne und streckte seinen jungen Körper auf der einladend nassen Wiese. Der Sommerregen, den er vor Kurzem auf sich niederprasseln ließ, hatte die Rasenfläche in eine erfrischend kühle Liegstatt verwandelt durch die sich sämtliche Menschen, die an der angrenzenden Kaserne vorbeispazierten, wie magisch angezogen fühlten.
Einen Moment lang spürte er, wie die Grashälme verspielt auf seinem Rücken züngelnd tanzten, als er sich in eine andere Liegeposition drehte um sich so der Wärme der Sonne noch etwas näher zu fühlen.
Als er die Augen schließen wollte um im Einklang mit der Welt, in einen tiefen, ruhsamen Schlaf zu verfallen, lies er sich noch kurz vom erheiternden Vogelgesang begleiten, deren belustigendes Gezwitscher im gesamten Park zu vernehmen war.
Doch wie durch einen Aufschrei entfaltete sich urplötzlich die Erde und begrub ihn unter einem Schwall von Gräsern und verfaultem Schmutz. Binnen Sekunden verschwand er von der Oberfläche, es war, als wäre er vom Rasen genüsslich verspeist worden - ein äußerst bizarres Bild musste dies neben der alten Kaserne des Bundesheeres abgegeben haben.
"NEUE EINWEISUNG, KOMMANDANT, SIR, MARSHALL, MELDE GEHORSAMST!" presste der sichtlich bemühte, dennoch etwas dümmliche Präsenzdiener aus sich heraus. In dem Bemühen alles richtig zu machen, verstand er es immer großartig, in jedes nur erdenkliche Fettnäpfchen zu treten. Der vor ihm stehende Unteroffizier atmete routiniert einmal tief durch, wie er es immer zu tun pflegte um einen bevorstehenden Wutanfall zu vermeiden und sprach mit ruhiger und gelassener Stimme: "Bring eam her zu mir, Bürschal!" Möglicherweise verhalf ihm seine bayrische Herkunft oder aber auch sein übermäßiger Alkoholabusus zu einem ausgeglichenem Naturell. Sein Gegenüber stotterte wiederum nur "JA, SOFORT, WIRD DURCHGEFÜHRT, WERDE FÜRDERHIN ALLES IN DIE WEGE LEITEN, MY LORD!" worauf sich der bärtige Unteroffizier nur noch verzweifelt durchs Haupthaar fahren konnte.
Es hatte schon einen etwas eigentümlichen Charakter, als nach der Herbeiholung des, von der Erde verschlungenen Wiesenbenutzers, zwei uniformierte Karotten, eine mit Bart, eine ohne, um ihn herumstolzierten. Doch just in diesem Moment ergänzte sich dieses Trio um einen Vierten - eine riesige Möhre voller Geschwulste am ganzen Körper und einigen Knasttätowierungen, die mit Tinte in den Oberarm geritzt worden waren, stampfte schnaufend auf Alex, der eigentlich nur auf einer Wiese liegen wollte, zu.
„Du wirst hier schuften!“ fuhr ihn dieser selbsternannte Drill Instructor an, währenddessen er ihn mit tennisballgroßen Augen fixierte. „Du wirst hier ackern bis zum Umfallen! Für uns und nur für uns… Du wirst uns ein Tunnelsystem bauen, durch das wir die Kaserne einnehmen und eine Basis errichten können.“
„Eine Basis? Karotten? In der Kaserne?“ konnte er noch vor sich herstammeln, währenddessen er in einer Reihe von unzähligen Blutdruckabfällen zum ersten Mal in Ohnmacht fiel.
Er erwachte einige Stunden später im Bett liegend in einem winzigen Zimmer. An der Wand hingen in Goldrahmen gefasste Portraits von glorifizierten Möhren in Uniformen, einige trugen Schnauzbärte, andere hatten schwere Kriegsverletzungen davongetragen, die noch deutlich als Einkerbungen in dessen Fruchtfleisch zu erkennen waren. Die Haare standen ihm zu Berge als er im Zimmer herumtaumelnd seine momentane Situation analysierte. In jenem Moment packten ihn drei halbstarke, rauchende Feldfrüchte die billigen Schmalzfrisuren trugen und schleppten ihn wieder zurück zum Instructor, der den jungen Herrn noch einmal mit dem Masterplan, die Kaserne über ein Tunnelsystem einzunehmen, konfrontierte.
Nachdem er ihm mit den Worten „Grab oder stirb!“ eine mittelalterlich wirkende Schaufel in die Hand drückte, die an einigen Teilen des Griffs schon schimmelte, stieg ihm die Situation über den Kopf. Er fuchtelte wie wild mit der Schaufel durch die Gegend, zerhackte den Instructor zu Vitamin-K-hältigen Möhrensaft, stieß sich mit übermenschlichen Kräften, die wahrscheinlich in seinem Amoklauf begründet waren, ein rettendes Loch durch die Decke ins Freie und sprang mit einem Satz wieder zurück auf die Wiese, die auch im Abendlicht einen ebenso beschaulichen Eindruck hinterließ wie zur Mittagszeit.
Mit einem Lächeln auf den Lippen kehrte er zurück zu seinem Wagen, fuhr nach Hause und genoss den Möhrensaft den seine Mutter bereits für ihn zubereitet hatte. Immerhin litt er ja unter Vitaminmangel.