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Thema des Monats Die Wohnung

Seniors
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24.04.2003
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Die Wohnung

Eine Tür wurde geöffnet. Zwei Männer traten ein.

"Die Küche ist zwei Jahre alt. Kühlschrank, Froster und Herd wurden letzten Monat erneuert. Die Jalousien am Fenster werden selbstverständlich noch repariert. Übrigens ... von hier aus hat man einen tollen Blick auf Frankfurt. Wollen Sie vielleicht mal ..."
Hegemeyer lächelte überlegen, als wenn er die Wohnung selbst gebaut und eingerichtet hätte. Frank schüttelte den Kopf und lehnte die angebotene Aussicht ab.
"Zeigen Sie mir die restlichen Räume, ich habe nicht viel Zeit."
Für einen Moment sah Hegemeyers Lächeln genauso künstlich aus, wie es war. Niemand verzichtete auf diese Aussicht, wenn er sich ernsthaft für die Wohnung interessierte. Dann besann er sich. Er hätte woanders beginnen sollen.
"Selbstverständlich", sagte er und führte Frank über das Wohnzimmer zurück in den Flur.
Unsicher sah er sich um. Die obere Schlafzimmerebene inklusive Salon, Bar und Arbeitszimmer hatte er ihm bislang noch nicht vorgeführt.
"Sie möchten gleich das dunkle Zimmer sehen", fragte er schließlich. Es klang wie eine Feststellung.
Frank nickte.
"Wenn es Ihnen nichts ausmacht. Der Rest der Wohnung ist ganz sicher phantastisch, das glaube ich Ihnen."
Hegemeyer suchte in seinem Mantel nach dem Schlüssel.
"Natürlich macht mir das nichts aus. Sie haben ja nach einer Wohnung mit so etwas gesucht. Gehen wir."
Der Gang bog nach rechts ab. Gemälde, die finstere Landschaften zum Motiv hatten, wurden von altmodischen Wandlampen beleuchtet. Rechts befand sich die zweite Gästetoilette, links ein kleines Büro, und einige Meter weiter hinten, am Ende des Gangs, mündete der schwere Teppich an der Tür, die Frank am meisten interessierte."

***

Sie ist wach.
Bin ich doch, oder?
Ist sie noch bei Trost?
Wo bin ich. Scheiße. Ich stecke in der Scheiße.
Sie spürt die Fesseln, hört sie rascheln, schmeckt Metall in ihrem Mund (oder ist es Blut?), riecht süßlichen Geruch. Nur sehen ... sehen tut sie nichts.
Es ist eine Gefängniszelle. Ganz sicher. Die Augen müssen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen, bis ich einzelne Umrisse erkenne. Es dauert noch einen Moment.
Und die Momente vergehen. Einer nach dem anderen. Aber da erscheinen keine Umrisse. Und die Gedanken überschlagen sich.
Weshalb sollte ich im Gefängnis sein? Was war gestern Abend? Habe ich was angestellt?"
Aus den Momenten werden Minuten, vielleicht auch Stunden. Ihre neue Uhr ist der Druck, der sich auf der Blase bildet. Sie muss für gewöhnlich nicht häufig zur Toilette.
Sie fesseln einen nicht an die Wand, im Gefängnis. Es ist unmöglich. Oh Gott ... Psychiatrie etwa?
Was wirklich Sache ist, will sie sich nicht eingestehen. Realität ist eine sandige Insel, irgendwo da draußen. Und sie möchte gerne dort sein, und auf Palmen klettern, aber da ist kein Ufer in Sicht, und wer ...
... so rationell ist wie du, Tanja, der findet einen Weg. Keine Panik. Was war gestern?
Es geht immer noch ein bisschen heftiger. Viel Alkohol und etwas Gras. Gelache. Da gab es jemanden, dem das gefiel. Es war ...
Er! Er war es. Der Mann, der viel zu fein angezogen war. Bin ich jetzt bei ihm zu Hause?
Und sie muss sich eingestehen, dass sie tatsächlich bei ihm zu Hause ist, jedoch ohne Frühstück und guten Morgen Kuss. Dann kommt die Panik. Aber sie hat sie lange unterdrückt.

"Hilfe!"

Es wiederholt sich. Sich wiederholende Schreie. Sie tastet, kratzt und schlägt die Umgebung ab, und die Fesseln rascheln dazu. Der süßliche Geruch wird noch widerlicher, als sie mit ihren Füßen zu strampeln beginnt und gegen etwas Weiches stößt, und da sie keine Schuhe mehr trägt, bleibt ihr genug Zeit, dieses Weiche mit den Zehen abzutasten.

***

Hegemeyer lächelte.
"Ich hätte ganz ehrlich gesagt nicht gedacht, dass Sie die Wohnung nehmen, wo Sie so kurz angebunden waren in der letzten Woche."
Frank unterschrieb den Vertrag.
"Wissen Sie, die Aussicht ist schon toll, und die Räume auch, aber wo findet man hier in der Gegend schon fensterlose Zimmer mit so dicken Wänden?"
Hegemeyer nahm den unterschriebenen Vertrag an sich.
"Sie sollten sich wohl eher fragen, wer sich heutzutage noch die Mühe macht, normale Photos zu entwickeln. Mir gefällt das."
Er schüttelte Franks Hand.
"Ich werde mich nächste Woche bei Ihnen melden, wegen der üblichen Kleinigkeiten. Ich wünsche Ihnen alles Gute in Ihrer neuen Wohnung."
"Bis dann ... und übrigens!"
Hegemeyer drehte sich zu ihm um.
"Ich habe nie gesagt, dass ich eine Dunkelkammer daraus machen möchte."
Der Makler schnippte mit den Fingern.
"Nein, haben Sie nicht, aber Menschenkenntnis ist in meinem Beruf einfach notwendig."
Jetzt lächelte Frank.
"Na, da haben Sie sich wohl geirrt."
Der Makler war irritiert.
"Nun ... wenn dem so ist ... ist denn die Frage erlaubt, was Sie sonst aus dem Raum machen möchten."
"Selbstverständlich", sagte Frank. - "Ein Kinozimmer. Mit gigantischem Fernseher und Surround Anlage. Oder dachten Sie vielleicht, ich beabsichtige einen Kerker zu errichten?"
Hegemayer lachte laut.

Dann schloss Frank die Tür hinter ihm.

 

Hi Cerberus!

Bisschen kurz das Ganze, nicht. Einzig auf die Pointe ausgerichtete Geschichte, die mit nichts weiter zu glänzen weiß. Der Stil ist, wie bekannt, routiniert, aber eben auch nicht herausragend. Eher wie eine Beschreibung, kalt und emotionslos.


sehen tut sie nichts

Unsauberes Deutsch, würde ich sagen. Sehen kann sie nichts.

und die Fesseln rascheln dazu.

? Woraus sind die Fesseln, aus Krepppapier?


und da sie keine Schuhe mehr trägt, bleibt ihr genug Zeit, dieses Weiche mit den Zehen abzutasten.

Ich denke, du meinst, dass sie Gelegenheit hat, das Weiche abzutasten, denn Zeit hängt ja nun überhaupt nicht damit zusammen, dass sie keine Schuhe trägt.


Ich habe den Verdacht, dass ich als Nörgelkopp aus diesem Monat rausgehen, aber ich bin bis jetzt von den Beiträgen entäuscht, zuviel Möglichkeiten, die nicht mal ansatzweise genutzt werden!

Setzen, weitermachen! :D

Viele Grüße von diesseits!

 

Hi Hanniball!

Yep, ist kurz. Als Monatsthema finde ich "Dunkle Räume" toll, aber es ist nunmal leider nicht wirklich mein Thema; du weißt, wie ich das meine?

Gegen tun tu ich nichts. Ich weiß nicht, was an diesem Verb so schlimm sein soll.

Das mit den Fesseln klingt wirklich lächerlich ... haste Recht.
Beim letzten Zitat mit der Zeit stimme ich dir ebenfalls zu, da hätte ich nochmal gründlich drüberlesen sollen.

Aber wieso: Routiniert wie immer? Diesen nüchternen Stil verwende ich erst seit Kurzem. Ist sozusagen ein Experiment.
Aber hach ... ich sehne mich wieder danach, komplizierter zu schreiben.

Dein Genörgel ist total okay, denn wie du siehst, stimme ich größtenteils mit dir überein.

Viele Grüße

Cerberus

 

Routiniert wie immer?

Oh, ich meinte den Umgang mit Worten, der routiniert ist. Nicht dass der Stil wie immer ist. :D

 

Moin Cerberus.

Also, ich fand´s ganz nett. Liegt wohl daran, dass ich Pointengeschichten mag, zumal, wenn sie gut geschrieben sind.
Manchmal vermisse ich aber auch deine Wortverliebtheit, durch die du dich früher so ausgezeichnet hast :D

Zum Monatsthema:

Zitat Info zum Thema:
Die Geschichten sollen von Anfang bis Ende in völliger Dunkelheit spielen.
Na, ich weiß nicht so ganz ... :cool:

Gruß! Salem

 

Also mir hat die Gecshichte so gefallen, wie sie ist (bis auf das "tut sie nichts", klingt für mich auch ein bißchen komisch).

Hm, vielleicht liegt meine positive Einschätzung ja auch daran, daß ich selbst Immobilienmakler bin und ich mich in die irritierte haltung von Hegemeyer versetzen kann ... ?:-) Gerade daher sollte er am Ende vielleicht "nervös" oder ähnlich lachen ...

Ansonsten kurz und knapp Thema aufgegriffen !

LG Leser1000

 

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