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Die Zugfahrt

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11.07.2001
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Die Zugfahrt

Die Zugfahrt


Die Lichter des letzten Bahnhofs waren schon längst verschwunden und der Zug fuhr und fuhr. Das kleine Mädchen mit dem Teddybär im Arm war schon längst ausgestiegen und auch die junge Frau in dem roten Kleid und die mittleren Alters. Sie alle waren schon längst nicht mehr im Zug. Und auch der Mann im Anzug und der mit dem Hut, der seine Kippen immer zum Fenster rausgeworfen hatte und dem sie diese Angewohnheit nicht hatte abgewöhnen können. Und all die anderen, die sie ein kleines Stück auf ihrer Reise begleitet hatten, waren schon wieder ausgestiegen und mit einem anderen Zug in eine andere Richtung gefahren. Und die Frau hatte ihnen nachgeschaut. Manchen auch nicht, wenn sie ihr unsympathisch gewesen waren. Die Frau war jetzt ganz alleine im Abteil, denn es war schon spät am Abend. Und sie war müde und dachte an den Morgen, aber ihre Erinnerungen waren verblaßt, denn es war so viel passiert während ihrer Fahrt mit dem Zug. Die Frau machte das Fenster auf, um die letzten Sonnenstrahlen ins Abteil zu lassen. Sie stellte sich ans Fenster und schaute hinaus. Sie sah wie die Sonne allmählich hinter dem Horizont verschwand und der Wind zerzauste die schon längst grauen Strähnen ihres Haares. Die Frau schloß die Fenster wieder, denn die kalte Luft ließ sie frösteln und außerdem konnte sie nicht mehr so lange stehen. Und die Dämmerung ließ die Landschaft bizarr wirken, aber in diesem Teil des Landes wuchs auch nicht mehr viel. Längst hatte sie die Berge und die Küste und die Seen hinter sich gelassen. Und die Frau bedauerte, das sie nicht mehr von der Landschaft gesehen hatte.
Die Dunkelheit senkte sich über das Tal und absorbierte den kleinen Zug, der unermüdlich fuhr und fuhr. Und die Frau wusste schon nicht mehr, wie viele Stunden sie jetzt schon unterwegs war. Sie wusste nur, dass die Fahrt irgendwann einmal zu Ende sein musste, denn das Ende ist unausweichlich. Irgendwo waren die Schienen zu Ende. Das wusste die Frau. Und eine gewissen Melancholie überkam sie. Sie bedauerte, dass es die meisten Passagiere so eilig gehabt hatten. Sie hätte sich gern länger mit ihnen unterhalten. Aber wie das halt so ist: Jeder hat es eilig. Die Frau selbst war so gewesen und im Nachhinein bedauerte sie, dass sie nicht schon viel früher das Fenster aufgemacht und rausgeschaut hatte. Sie war an der Landschaft vorbei gefahren ohne sie wahrzunehmen. Und jetzt war es zu dunkel, um noch etwas sehen zu können. Und zu der Melancholie mischte sich eine seltsame Traurigkeit. Aber wenn sie an all die Bahnhöfe, an all die Menschen zurück dachte, die ihr im Verlauf des Tages begegnet waren, dann war die Frau gar nicht mehr so traurig. Sondern irgendwie zufrieden. Wie man halt so zufrieden ist, wenn man einen langen Tag Revue passieren lässt. Die Frau gähnte. Sie schloß die Augen und lehnte ihren Kopf an die Lehne. Und der Zug fuhr und fuhr. Hinein in die Dunkelheit. Und plötzlich tauchte in kleines, schwaches, flackerndes Licht auf. Der letzte Bahnhof. Und das Licht kam immer näher. Der Zug kam zu Stehen. Endstation.

 

Das die Zugfahrt hier Grand Metaphor für das Leben darstellt ist auf jeden Fall klar.
Warum aber entschloss die Frau sich nie dazu umzusteigen, sondern bis zur letzten Station durch zu fahren? Oder konnte sie sich vielleicht selber nicht erklären warum?
Ausserdem, warum ist die Landschaft am Ende der Fahrt karg und trostlos? Was, wenn an der letzten Strecke die Landschaft von einer atemberaubenden Schönheit wäre?

 

Hallöchen! Ich hab die Geschichte für eine Freundin veröffentlicht, die selbst kein Internet zu Hause hat, eben Michaela. Also kann ich die Fragen nicht beantworten oder du solltest nicht allzu schnell eine Antwort erwarten. Ich werd ihr aber deine Fragen übermitteln.
Viele Grüße
Sara

 

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