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Die zwei Uhren

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01.06.2005
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Die zwei Uhren

Eine Frau lebte mit ihrem Mann in einem Haus am Rand des Waldes in der Nähe eines Dorfes. Jeden Morgen ging sie in das Dorf, um Gemüse, das sie in ihrem Garten zog, gegen andere Dinge zu tauschen, die sie nicht selbst herstellen konnte. Jedes mal brachte sie für ihren Mann eine Flasche Schnaps mit.
Sie sprach nicht viel mit den Bewohnern des Dorfes, nur das Nötigste, um den Tauschhandel zu vollziehen. Oft war ihr Gesicht verletzt und zerschlagen.

Eines Morgens ging sie nicht sofort ins Dorf. Sie stand auf, ging in den Schuppen hinter dem Haus und holte die Axt, mit der ihr Mann das Feuerholz hackte. Damit schlug sie ihrem Mann den Schädel ein. Dann ging sie mit der Axt zum Dorfplatz, setzte sich dort hin und wartete, bis die Leute herausfanden, was geschehen war. Als sie die Frau dann fragten, warum sie das getan habe, sagte sie nur: "Weil ich es wollte." Dann schwieg sie nur noch.

In dem Dorf wurde nun ein Gericht einberufen. Die Leute glaubten fest an die Verantwortung eines jeden vor Gott und der Gemeinschaft, aber niemand durfte verurteilt werden, solange die genauen Umstände der Tat nicht geklärt waren, und die Frau schwieg weiterhin. Zu ihrem Anwalt wurde der Lange Mann bestimmt. Er lebte am Rand des Dorfes, wo der Bach in den Fluss mündete, und die Dorfbewohner hielten ihn für den klügsten Menschen der Welt. Also befragte er die Frau, doch auch zu ihm sagte sie nur diese Worte: "Weil ich es wollte." Da erbat der Lange Mann vom Richter zwei Wochen, die dieser ihm gewährte. Daraufhin fuhr er in die Stadt und kam einige Tage später mit einem Fuhrwerk zurück, von dem zwei große Kisten abgeladen wurden. Diese ließ er verschlossen im Gemeinderaum aufstellen, der als Gerichtssaal diente.

Als der Tag der Verhandlung kam, versammelte sich das ganze Dorf im Saal. Erneut berichtete ein Polizist, was über die Tat bekannt war, und erneut wurde die Frau nach ihren Motiven befragt. Wieder sagte sie nur: "Weil ich es wollte." Dann forderte der Richter den Langen Mann auf, die Frau zu verteidigen. Niemand im Saal glaubte, dass er ein hartes Urteil abwenden könnte. Der Lange Mann ließ die beiden Kisten öffnen, und jeder konnte sehen, dass jede eine große Uhr enthielt. In der auf der linken Stirnseite des Raums aufgestellten Kiste war eine weiße Uhr mit einem großen Ziffernblatt und zwei langen, schwarzen Zeigern. Beide Zeiger standen kurz vor der Zwölf auf dem Ziffernblatt, obwohl es erst morgens gegen zehn Uhr war. In der rechten Kiste stand eine schwarze Uhr, deren Ziffernblatt keine Zeiger hatte. Der Lange Mann stellte sich in die Mitte und wartete. Niemand wagte etwas zu sagen, obwohl sich jeder fragte, was diese Darbietung bezwecken sollte.
Dann sprangen die Zeiger an der weißen Uhr auf die Mittagsposition. Gleichzeitig begann in der schwarzen Uhr laut ein Gong zu schlagen. Da sah der Lange Mann die Leute an und fragte: "Ich frage euch: Warum hat die schwarze Uhr geschlagen?" Die Leute sahen sich an und murmelten ratlos. "Weil es an der Zeit war?" fragte der Apotheker unsicher. Doch der Lange Mann beachtete ihn nicht und erklärte: "Die weiße Uhr heißt Der Geist, die schwarze Uhr heißt Der Leib. Der Leib schlug, weil Der Geist es wollte." Da erhoben sich die Leute und schrien entsetzt durcheinander. Die Frau wurde freigelassen, ihr geschah kein Leid. Den Langen Mann aber jagten sie mit Stöcken in den Wald, weil sie so schreckliche Angst hatten.

 

Hier also meine erste Kurzgeschichte auf KG.de. Ich hoffe, sie findet trotz des etwas sperrigen Themas Euer Wohlwollen, ich hatte sie schon einmal in einem anderen Forum gepostet, da hat sie anscheinend niemand ohne Erklärungen meinerseits verstanden. Wenn's also zu obskur ist, fragt einfach. :)

 

Also, ich kann nicht genau sagen was es ist, aber irgendwie hat mich diese Geschichte sehr bewegt. Es ist so eine beklemmende Erzählweise vorhanden, obwohl alles eher nichtig geschildert wird (bspw. "...Damit schlug sie ihrem Mann den Schädel ein..."). Du hast mich damit richtig in die Geschichte hineingezogen, was mir daran sehr gut gefällt. Ich mag es, wie du die Dinge auf den Punkt bringst und dabei auch etwas Mystisches anklingen lässt, fast schon etwas Krankes ;).

Den Ausgang der Geschichte empfinde ich ebenso als sehr gelungen. Auf jeden Fall für mich sehr fesselnd!

 

Auch mir hat diese Geschichte in märchenhaftem Kleid sehr gut gefallen.

Das Geschehen wird aufgrund der Auslassung retardierender Detailbeschreibungen, Zwischenfälle und unnötiger Erklärungen zügig vorgetragen und gewinnt damit erheblich an Tempo. Fast so viel Tempo wie die Mordtat, der Brennpunkt der ganzen Handlung, vor sich gegangen sein muss.

Mich als Philosophie-Student erinnert die symbolhafte Inszenierung der beiden synchronisierten Uhren des klugen Langen Mannes natürlich sofort an Descartes' ontologisch-schizophrenes Uhrengleichnis, wonach Geist und Körper zwei voneinander getrennte, jedoch durch Gottes Vorsehung und Willen aufeinander abgestimmte, also synchronisierte Daseinsformen bilden. Jedem geistigen Akt des Wollens einer Bewegung folgt unwillkürlich ein Akt der entsprechenden Bewegung des Körpers.

Weiterhin lässt sich mAn auf die Handlung Schopenhauers Gesetz der Motivation anwenden, wonach wir "sehr wohl wollen können, was wir tun" jedoch nicht "wollen können, was wir wollen". Soll heißen: Unser Wille ist nicht eigentlich unserer, sondern determiniert durch die "Motivationen" (d.i. Bildlichkeiten), die uns umgeben und danach beherrschen, dh. lenken.
Diese Theorie wird bekanntermaßen heute als einer der entscheidenden Impulse für Freuds Theorie des Unbewussten und dessen Einfluss auf unser Handeln ausgelegt.

Die Frau in der Erzählung wird daher aus ihrer Schuld entlassen, da sie für ihr Wollen keine Verantwortung trägt (s.o.).

Der Lange Mann dagegen wird infolge der Enthüllung wahrer Verhältnisse in Form eines anschaulichen Gleichnisses von den Anwesenden gejagt, da er diesen Angst damit einjagte. Welche geoffenbarte Ohnmacht könnte auch furchterregender sein als diese?

 

Vielen Dank, Blowned und Ratte!

Ich hatte ja gehofft, dass in diesem Forum jemand den Text verstände, aber so viel Lob überrascht, ja beschämt mich schon fast :shy:

Und ja, natürlich hat Ratte mit seiner Analyse recht: Genau dies war die Inspiration für die Geschichte.

Vielen, vielen Dank! :D

 

Ich fürchte, Philosophie (zumindest deine) ist nichts für mich. Ich finde die Geschichte wieder witzig.

 

@Simy: Nett, dass Du noch etwas daran gefunden hast. Die Geschichte ist mir in der Straßenbahn eingefallen, nachdem ich von dem Uhrengleichnis gelesen hatte.

Keine Ahnung, von wem Dein Motto ist. Von Mark Wahlberg vielleicht? ;)

@Tserk: Schön, dass Dir meine Geschichten gefallen :D Na ja, wenn vielleicht auch nicht ganz im Sinne des Erfinders...

 

hi naut!
auch mir hat deine story unglaublich gefallen... die trockene erzählweise... erinnert an eine legende, fast wie aus einer mythologie, obwohl es das auch nicht ganz ist.
ich hab nicht so viel ahnung von philosophischen hintergründen wie die philosophische ratte und vielleicht hat mich deshalb das ende irritiert... es war überhaupt nicht das, was ich erwartet hätte. durch das ende wird deine geschichte wieder modern und das hebt sie von richtigen legenden ab - finde ich zumindest, und das gefällt mir...
aber die philosophie (von wem sollte die sein? descartes?) passt mir irgendwie nicht. vielleicht hab ich sie auch falsch verstanden, aber für mich hieße das, dass jede handlung damit entschuldigt werden kann... und das find ich seltsam...
würde mich über eine erklärung freuen.
liebe grüße, yonaka

 

Hallo Yonaka,

schön, dass Dir die Geschichte gefällt. Das Ende habe ich so geschrieben, weil ich gerne bewusst Erwartungen zertrümmere, auch wenn mir das manchmal nicht gelingt (das alte Problem: ich weiß, dass du weißt, das ich weiß ...).

Das Uhrengleichnis ist wohl ursprünglich von Geulincx, einem Descartes-Schüler.
Es besagt, dass man sich nicht sicher sein kann, eine Handlung wirklich gewollt zu haben, weil es ja sein könnte, dass die Handlung und der Akt des Wollens zwei verschiedene Dinge sind, die nur durch einen externen Mechanismus, z.B. Gott, synchronisiert sind.

Diese Ansicht ist natürlich extrem, aber es gibt Erkenntnisse aus der Neuropsychologie, die auf eine zeitliche Differenz zwischen Handlung und Bewusstwerden der Handlung hindeuten, vereinfacht gesagt tut man erst etwas und redet sich dann im Nachhinein ein, es ja gewollt zu haben. Es gibt außerdem Parallelen zu bestimmten dissoziativen Krankheitsbildern.

Du schreibst, dass Dir diese Sichtweise nicht passt, weil sie eine Entschuldigung für alles liefert. Da stimme ich Dir zu. Wenn ich in einer Geschichte ein Weltbild beschreibe, mache ich es mir nicht zu eigen, ich will es nur beschreiben. Genausowenig, wie ein Krimiautor das Morden rechtfertigt, hänge ich irgendeiner Philosophie an, die in meinen Texten steht. Es ist ja Fiktion.

Danke für Deine Aufmerksamkeit,

Naut

 

hi naut!
erstmal vielen dank für deine erklärung - ich möchte gleich mal vorwegnehmen, dass ich vollkommen nachvollziehen kann, dass deine story überhaupt gar keine philosophie rechtfertigen kann. im gegenteil - ich mag es, außergewöhnliche denkweisen kennen zu lernen, auch wenn sie mir nicht zwangsläufig passen. ich hab mich vor einiger zeit mit relativ skurrilen ansichten vom nationalsozialismus beschäftigt. sie waren bestimmt nicht immer richtig, aber ich denke gerade das ist das reizvolle an philosophie: sich nicht auf die eigene, streng subjektive ansicht festsetzen.
liebe grüße, yonaka

 

Hallo Naut,

ich bin mir nicht so ganz sicher, was ich von deiner kg halten soll. Das Problem, das ich mit ihr habe liegt im philosophischen Hintergrund. Ich persönlich mag Geschichten die unterhalten und eine story erzählen. Das tut deine zwar, aber in einer sehr einfachen Form...es klingt ein wenig wie und dann, und dann, und dann...von dieser Seite aus betrachtet kann ich ihr leider nicht viel abgewinnen. Was aber das Gleichnis angeht; hat sie ihren Reiz... Aber für mich persönlich reicht das leider nicht. Ich betone aber: für mich persönlich...Zudem ist der eigentliche Kern der Geschichte in wenigen Sätzen abgehandelt. Da könntest du den Text noch ein wenig ausbauen und damit auch eine gewisse erzählende Handlung erreichen.

Einen lieben Gruß...
morti

 

Danke morti für Deine Einschätzung.

Nun, die reduzierte Form ist volle Absicht, daher werde ich sie nicht ändern. Das wäre so, als ginge man in ein Punk-Konzert und sagt hinterher: "Öh, die Melodien gefallen mir ganz gut, aber man müsste sie mit einem klassischen Orchester spielen." Aber ich weiß anhand Deiner Geschichten, was Dir gefällt, vielleicht poste ich mal etwas in der Richtung.

Besten Dank,

Naut

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Naut,

deine Geschichte wirkt schlicht, was prima zu dem dörflichen Umfeld passt. Interessant ist die Wendung am Schluss, der Lange wird verjagt, dabei könnten die Dorfbewohner doch froh sein, nicht für ihre Taten verantwortlich zu sein - doch: Deine Andeutung „Die Leute glaubten fest an die Verantwortung eines jeden vor Gott“ weist darauf hin, dass die Dorfbewohner nicht hinnehmen können, wenn man nicht als verantwortlich für seine Taten eingestuft wird. (Was natürlich die Frage beinhaltet, inwieweit es einen ‚freien Willen’ an sich gibt oder geben kann).
Gestört hat mich die sehr direkte Umsetzung des Uhrengleichnisses, es ist so ähnlich wie wenn Schüler, die über ‚wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein’ schreiben sollen, alle darüber schreiben wie jemand tatsächlich eine Grube gräbt…

Noch eine Kleinigkeit:


„ in der die schwarzen Uhr laut ein Gong zu schlagen.“ - „die“ zuviel.


"Die weiße Uhr heißt Der Geist“ - vielleicht ‚Der Geist’ und entsprechend.

L G,

Tschüß… Woltochinon

 

Hi Woltochinon,

schönen Dank! Die Fehlerchen habe ich korrigiert.

Was natürlich die Frage beinhaltet, inwieweit es einen ‚freien Willen’ an sich gibt oder geben kann
Habe ich mich auch gefragt, und - wen wundert's - "Der freie Würfel" geschrieben :D

Zur allzu wörtlichen Umsetzung: Ja, das stimmt schon irgendwie. Aber ich konnte mir einfach kein besseres Bild für diesen Sachverhalt vorstellen, und letztlich ist es ja - anders als bei der Grube - ein Bild in einem Bild, weil der Lange Mann es verwendet, um den Dörflern die Sache klarzumachen. Hmm. Na ja. Oder so.

Vielen Dank nochmal,
Naut

 

Hallo Naut!

Eine schöne philosophische Kurzgeschichte, die - und das ist ja nun alles schon gesagt - eine Philosophie prägnant verbildlicht und damit anschaulich macht.

Wer den philosophischen Hintergrund nicht kennt, mag sich vor allem von dem heftigen Schluß abgestoßen fühlen. Aber ich habe mich gut hineingefunden und hatte Anregungen zum Nachdenken.

Lieben Gruß

Jo

 

Hi, Naut,

deine Geschichte ist schnell und liest sich wie Schaum. Dabei ist sie auch noch tiefgründig. Sie gefällt mir sehr gut, ebenso wie dein Stil.

Gruß Saaraba

 

Hallo Jobär,

die Geschichte war die erste die ich jemals geschrieben habe, da (letztes Jahr) war ich noch jung und ungestüm ;) Schön, dass es Dir gefallen hat.

Hallo Saaraba & Willkommen,

ich lese selten Schaum (kann man das? Vielleicht wahrsagen aus dem Schaumbad?), aber ich denke, ich weiß, was Du meinst. ;) Danke für das Kompliment!

Viele Grüße,
Naut

 

Hallo Naut!

Das war also die erste Geschichte mit dem »Langen Mann«? Gefällt mir auch sehr gut, obwohl sie doch ganz anders ist als die schreitenden Toten. :)

Zwar bin ich auch nicht so philosophisch gebildet wie die Philosophische Ratte (für irgendwas muß ein Philosophiestudium ja schließlich gut sein ;)), aber dafür kann ich die Geschichte besser für sich stehend beurteilen. Dabei kam ich schon auch in die Richtung, wie Du sie gedacht hast, wenngleich auch über einen anderen Weg als die Ratte.

Unser Wille ist nicht eigentlich unserer, sondern determiniert durch die "Motivationen" (d.i. Bildlichkeiten), die uns umgeben und danach beherrschen, dh. lenken.
Was uns also unser Unterbewußtsein tun läßt, wird von äußeren Einflüssen gelenkt. Das Leben der Frau ist hart, doch sie erträgt es lange Zeit, bringt ihrem Mann den Schnaps und wird von ihm geschlagen. Das Unterbewußtsein wehrt sich – läßt sie, als es Zeit ist – die Axt nehmen und zuschlagen. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.

Was ich nicht ganz glaubwürdig finde, ist, daß die Menschen des Dorfes den Langen Mann sofort verstehen. Hier könntest Du ihn vielleicht noch einen Satz sagen lassen, der es (nicht nur ;)) den Dorfbewohnern leichter macht, den Sinn in seinen Worten zu erkennen.
Ich meine, ich seh das halt so: Wenn ich mit einer Geschichte etwas aussagen will, dann möchte ich, daß mich auch möglichst viele Leute verstehen. Das so zu machen, daß sich andere nicht für dumm gehalten fühlen, ist eine schwierige Gratwanderung, aber gerade deshalb eine Herausforderung. Bei Deiner Geschichte fühlt sich bestimmt noch niemand für dumm gehalten, daher könntest Du den Kreis derer, die sie verstehen, durch ein, zwei Sätze vermutlich stark erweitern.

Den Schluß finde ich sehr gesellschaftskritisch: Wer die Wahrheit spricht, wird verjagt. Paßt. :thumbsup: :)

Und noch die üblichen Kleinigkeiten:

»Eine Frau lebte mit ihrem Mann in einem Haus am Rand des Waldes in der Nähe eines Dorfes. Jeden Morgen ging sie in das Dorf,«
– Kürzungsvorschlag: in einem Haus am Rand des Waldes. Jeden Morgen ging sie in das nahe Dorf, …

»Jedes mal brachte sie für ihren Mann eine Flasche Schnaps mit.«
Mal

»Sie sprach nicht viel mit den Bewohnern des Dorfes, nur das Nötigste, um den Tauschhandel zu vollziehen. Oft war ihr Gesicht verletzt und zerschlagen.«
– Der Satz mit dem Gesicht wirkt irgendwie angehängt, so, als hättest Du keinen besseren Platz für die Aussage gefunden. Besser käme er vielleicht, wenn Du etwas in der Form schreibst: »Sie mochte es nicht, wenn die Leute in ihr zerschlagenes Gesicht sahen.« Und was ich mich noch frage: Weiß auch der Lange Mann von der ihr offensichtlich zugefügten Gewalt und spielt das bei der Verteidigung eine Rolle? Es scheint ja der (oder zumindest ein) Grund zu sein, warum der Geist zur Axt greifen wollte, wird aber dann eigentlich nicht mehr erwähnt.

»Sie stand auf, ging in den Schuppen hinter dem Haus und holte die Axt, mit der ihr Mann das Feuerholz hackte. Damit schlug sie ihrem Mann den Schädel ein.«
– im zweiten Satz würde »ihm« statt »ihrem Mann« reichen

»Dann ging sie mit der Axt zum Dorfplatz, setzte sich dort hin und wartete, bis die Leute herausfanden, was geschehen war. Als sie die Frau dann fragten, warum sie das getan habe, sagte sie nur: "Weil ich es wollte." Dann schwieg sie nur noch.«
– dreimal »dann«, und wenn wir gerade bei den Wiederholungen sind: »ging« könntest Du vielleicht auch hin und wieder durch ein Synonym ersetzen. ;)

»In dem Dorf wurde nun ein Gericht einberufen.«
– Ist eigentlich schon klar, daß das alles in dem Dorf passiert.

»Er lebte am Rand des Dorfes,«
– Die Ortsangabe gleicht fast der im ersten Satz (am Rand des Waldes). Hier weiß ich allerdings nicht, ob es sich um eine vielleicht ungewollte Wiederholung handelt, oder ob Du damit etwas bezweckst (z.B. die Verdeutlichung, daß beide auf gewisse Art Außenseiter sind).

»Da erbat der Lange Mann vom Richter zwei Wochen, die dieser ihm gewährte.«
– würde schreiben »zwei Wochen Zeit, …«

»eine weiße Uhr mit einem großen Ziffernblatt und zwei langen, schwarzen Zeigern. Beide Zeiger standen kurz vor der Zwölf auf dem Ziffernblatt,«
– ist es nicht das Ziffernblatt, das die Uhren weiß bzw. schwarz macht? Wäre dann also nicht »eine große Uhr mit weißem Ziffernblatt« besser? Im zweiten Satz kannst Du das Ziffernblatt jedenfalls weglassen.

»In der rechten Kiste stand eine schwarze Uhr, deren Ziffernblatt keine Zeiger hatte.«
– hat das Ziffernblatt die Zeiger oder die Uhr? Ich würde da schreiben: »eine Uhr mit schwarzem Ziffernblatt, die keine Zeiger hatte« oder »eine schwarze Uhr, die keine Zeiger hatte«

»Da sah der Lange Mann die Leute an und fragte: "Ich frage euch: Warum hat die schwarze Uhr geschlagen?"«
– normalerweise bin ich da ja auch dafür, daß man bei einer Frage »fragte« schreibt, aber wenn die Aussage schon mit »Ich frage euch« beginnt, würde ich doch eher zu einem »sagte« tendieren.

»Die Leute sahen sich an und«
– »einander« statt »sich« fände ich schöner, besonders auch deshalb, weil es nach dem vorigen Satz (sah der L. M. die Leute an) besser klingt.

»"Weil es an der Zeit war?" fragte der Apotheker unsicher.«
– war?“, fragte


Alles Liebe,
Susi :)

 

Hallo Susi,

so viele Worte zu so einer kurzen Geschichte! Ich denke, es wird wirklich Zeit, dass ich sie mal neu schreibe. Deine Vorschläge werden mir sicher helfen!

Vielen Dank,
Naut

 

Hi Naut,

zunachst einmal: Die Form der Geschichte passt sehr gut zur Aussage, gibt ihr etwas Gleichnishaftes. Die Geschichte an sich hat mir auch gefallen ... ABER:

Ich kannte die Philosophie, die hinter der Geschichte steckt zum groessten Teil, allerdings hatte ich das gleiche Problem wie Susi: Das Urteil ist m.E. aus der Sicht eine Normalbuergers anno 2006 kaum zu verstehen
(Es ist zwar die weitere konsequente Anwendung, dessen, was der lange Mann nur teilweise erklaerte; im Rahmen der Geschichte ist es aber inkonsequent, a) zu akzeptieren, was der lange Mann sagte, und b) ihn anschliessend mit Stoecken in den Wald zu treiben. Menschen in einer Gruppe neigen kaum zu einer derart schizophrenen Verhaltensweise. Die schmeissen ihn entweder raus und bringen die Frau um oder sie verstehen und schleichen sich nach Hause. Der vertriebene Prophet am Ende mag einen gewissen Charme besitzten, mich hat es allerdings gestoert - aber das ist sicher Ansichtssache.)
Ein weiterer Grund, wieso dieses Urteil noch etwas erklaert werden sollte ist der, dass die vorgetragene Philosophie implizit den gedanklichen Schluss erlaubt, niemand koenne fuer irgendetwas jemals bestraft werden, weil es immer der Geist ist, der etwas will, aber "nur" der Koerper ausfuehrt (je nach dem wie man "Geist" und "Koerper" definiert). Diese Art "Rechtfertigung" der Tat der Frau ist heutzutage etwas unverstaendlich, fuerchte ich.

so long,

sarpenta

 

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