Mitglied
- Beitritt
- 23.03.2008
- Beiträge
- 25
Diebstahl
Andre Wissmann beendete gemütlich seinen täglichen Einkauf beim Bäcker auf der Sieger-Straße und ging aus dem Laden. Er war bereits 71 Jahre alt und liebte den gemächlichen routinierten Tagesablauf. Wie auch heute kaufte er jeden Morgen drei frische Brötchen. Dann fuhr er mit seinem alten Audi 80 nach Hause und frühstückte in aller Ruhe. Dann las er Zeitung oder einen der Magazine, den er abonniert hatte. Diese Beschäftigung dauerte meistens bis zum Mittag an, wann es Zeit fürs Mittags-Mahlzeit wurde. Den zweiten Teil des Tages verbrachte er draußen vor seinem Haus auf einer Bank sitzend und die Landstraße mit an ihm vorbeifahrende Autos beobachtend. Für manche, die seine tägliche Beobachtungen bemerkt haben, erschien es als ziemlich langweilige Beschäftigung, doch Andre fand schon vor langem einen Gefallen daran. Denn jedes vorbeifahrendes Auto erzählte auch eine Geschichte, die ihm einen Rückschluss auf gesellschaftliche Entwicklung der Menschen erlaubte.
Und so wie jeden Morgen schlenderte Andre mit der kleinen Tüte Brötchen und örtlicher Zeitung zu seinem Auto. Das Auto fuhr er schon über fünfzehn Jahre lang. Die Kilometer wurden schon lange nicht mehr gezählt, da der Riemen des Kilometerzählers abgerissen war. Ansonsten war der Wagen in einem Top-Zustand: es war ein Garagenauto und weite Strecken fuhr Andre schon lange nicht mehr. (Seine Kinder interessierten sich nicht für ihn und Reisen mochte er sowieso nicht, weshalb er schon lange keinen Grund zum Auto fahren hatte. Andre legte seine Einkäufe auf dem Beifahrersitz und startete den Motor. Langsam reihte er sich in die Verkehr der Bundesstraße ein. Hinten bildete sich schon eine ungeduldige und hupende Schlange Autos, aber Andre blieb gelassen – so wie jeden Morgen.
Als er auf Schuber – Straße zwei Blocks weiter abbog war es allerdings Ende mit der Ruhe. Plötzlich hörte er Sirene und sah überall blaue Lichter der Polizeiautos. Verwirrt blieb Andre mitten auf der Straße stehen. Dabei fragte er sich wohl, was er verbrochen hatte. Zu schnell gefahren war er mit Sicherheit nicht und sonst hatte er alle Regeln befolgt. Schließlich kannte er jeden Zentimeter Straße zwischen der Bäckerei und seinem Zuhause. Noch mehr überrascht wurde er, als der Beamter, der zu ihm kam erklärte:
„Ist wohl nicht Ihr Auto, das Sie da fahren!“
Zunächst blieb Andre völlig sprachlos und ließ sich sogar aus dem Auto führen. Als er halbwegs zu sich kam fragte er den Beamten, wie er eigentlich darauf komme, dass sein Wagen jemandem anderen gehöre.
„Nun, schauen Sie den Mann an“, der Beamte zeigte einen aufgeregten jungen Mann, der neben einem anderen Polizisten in zehn Meter Entfernung stand und heftig mit den Armen gestikulierte. „er konnte uns anhand der Fahrzeugpapieren eindeutig belegen, dass dieses Fahrzeug ihm gehört.“
„Aber ich fahre das Auto schon seit fünfzehn Jahren! Hier ich habe auch meine Papiere dabei!“. Andre kramte seinen Fahrzeugschein, der noch in Papierform vorlag, hervor und händigte ihn dem Beamten aus.
„Hmm, aber der eingetragener Kennzeichen hier stimmt nicht mit dem des Fahrzeugs.“ Verkündete der Beamte nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass es keinen Fehler gab. Die Fehlerfindung hatte freilich etwas gedauert, weil die Daten in Andres Fahrzeugschein mit dem Audi ansonsten übereinstimmten. Der Beamte fuhr fort: „Fahren wir doch zurück zu der Backstube, um den Vorfall endgültig zu klären.“
Nachdem Andre seine Zustimmung gegeben haben, setzten sie sich ins Auto und fuhren samt der Polizeieskorte zurück zum Bäcker. An Ort und Stelle, an dem der Diebstahl seinen Anfang genommen hatte, klärten sich der Fall tatsächlich ziemlich schnell. Es stellte sich heraus, dass die Audi 80 mit dem Kennzeichen, der in Andres Papieren verzeichnet war noch immer am Straßenrand neben dem Eingang in die Backstube stand und dass er dem Auto des Beklauten in allen Einzelheiten glich.