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Doppelhelix

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19.02.2009
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Doppelhelix

Doppelhelix

Meine Mutter knallte mir den Teller scheppernd auf den Tisch. Suppe spritze über den Rand und kleckerte ihre heiß geliebte weiße Tischdecke voll. Ein paar Spritzer landeten auch auf meinem T-shirt. Aber das war wohl nicht so schlimm. Stumm sah sie mich an, mit ihren wasserblauen Augen und den rot nach gemalten dünnen Lippen, die sie zu einem weißen Streifen zusammen kniff. Mein Vater dagegen schaut ruhig auf seine Zeitung und las etwas über das Stadtfest, welches morgen anlief. Es schien ihn nicht zu interessieren. Nichts, was mit mir zu tun hatte, ging ihn etwas an. Wollte ihn nichts angehen. So ein Arsch. Ich hasste ihn.
Mürrisch starrte ich auf meinen Teller und der Appetit war mir vergangen. Aber wenn ich jetzt aufstehen würde und nichts angerührt hatte, würde meine Mutter noch mehr Terz als eh schon machen. Mann, die Alte konnte vielleicht nerven. Also aß ich brav ein paar Happen von der sämigen Suppe und hoffte ich müsste nicht gleich Kotzen. Nicht, dass meine Mutter eine schlechte Köchin war, ganz im Gegenteil aber wenn ich mich zum Essen zwingen musste, rebellierte mein Magen automatisch.
Nachdem ich also die Hälfte des Tellers gelehrt hatte, rannte ich hoch aufs Klo. So leise wie möglich versuchte ich das Essen hoch zu würgen. Ich glaube, mein Frühstück kam mit heraus. Ich konnte meine Mutter schon hören, wie sie sagte : »Was ist bloß mit diesem Jungen los?«, an ihre quiekende Stimme zu denken, jagte mir einen Schauer über den Rücken. »Er nimmt bestimmt Drogen!« Totale Empörung.
Mein Schädel brummte. Er fühlte sich an, als hätte ich mein Hirn mit raus gebrochen. Schon komisch, wie sich so was anfühlen konnte. Taumelnd stand ich auf und spülte mir erstmal meinen Mund aus. Der Geschmack danach war wohl noch immer das widerlichste. Lange schaute ich mich im Spiegel an : Mein viel zu weißes, mageres Gesicht, meine hervortretenden Augen, die von dunklen Augenringen umrandet waren und einer Brille, die mich noch nerdiger aussehen ließ, als ich eh schon war. Meine Haare hatte meine Mutter mir kurz geschoren, wie immer. Sie sagte, es sei viel leichter es zu pflegen und da ich eh so faul sei, müsste ich mir nicht auch noch darüber den Kopf zerbrechen. Aber vielleicht wollte ich das ja? Kam sie da mal drauf? Vielleicht wollte ich mich ja um meine Haare kümmern? Meine Klamotten aufeinander abstimmen? Mein Aussehen cool wirken lassen? Aber darauf kam wohl keiner. Schließlich war ich der Loser schlechthin.
Ich seufzte. Das konnte ich wirklich gut. Luft aus meinen Lungen blasen und sie sich kümmerlich anhören lassen. Ja, darin war ich wirklich der Meister. Ich schloss die Tür wieder auf und ging gemächlich in mein Zimmer. Meine Schwester kam gerade aus ihrer Tür heraus und schaute mich abschätzend an. Schau nicht so! Du kannst von Glück sagen, dass du wunderhübsch bist, beliebt, Freunde hast und dass dich deine Eltern lieben wie du bist. Ja du bist perfekt!
Ich hasse dich.
Schnell verschwand ich in meinem Zimmer. Schon oft hatte ich darüber nachgedacht, mir das Leben zu nehmen. Ich meine, hey, wünscht ihr euch so ein beschissenes Leben? Niemand würde um mich trauern, vielleicht meine Familie – ein bisschen. Aber Freunde hatte ich keine. Wenn ich mal drüber nachdenke, hatte ich noch nie welche gehabt. Klar, es gab zwar die Typen, die genauso waren wie ich, aber mal im Ernst, würdet ihr gerne mit denen abhängen? Wohl kaum!
Und ich wollte das schon gar nicht.
Also setzte ich mich an meinen PC und schaltete ihn ein. Das Ding war schon so alt, dass es wieder Ewigkeiten dauern würde, bis er hochgefahren war. So setzte ich mich aufs Bette und betrachtete mein Zimmer. Es war so wie ich : Kühl eingerichtet, das Nötigste, Bett, Schreibtisch und einen Kleiderschrank. Mein Zimmer war ein sterilisierter Ort, genau, wie ich mich fühlte.
Endlich war alles geladen, ich setze mich an den Schreibtisch und öffnete und schloss einige Programme. Mein Messenger blinkte und klickte drauf. Hey Streber, geh deine Mutter ficken! Oder Du Schwuchtel! Guck mich nochmal an und ich hau dir ´n paar in deine hässliche Fresse! So was bekam ich ständig. Es tat weh. Schrecklich weh. Schnell klickte ich es weg. Ich versuchte die herausquellenden Tränen weg zuzwinkern. Aber es gelang mir nicht. Heiße Flüssigkeit lief mir die Wangen hinab und Schamesröte stieß mir ins Gesicht. Ich fluchte. »Scheiße!« Meine Fäuste knallten mit voller Wucht auf die Tischplatte. Mein ganzer Körper zitterte. Scheiße! Wieso war ich bloß so? Wieso war ich bloß so abstoßend und nicht willkommen in dieser Welt?
Jemand klopfte zaghaft an meine Zimmertür. Es war meine Mutter. Wer auch sonst? Meine Mutter war die einzige, die sich um mich kümmerte.
Ich liebte sie.
»Was ist?«, fragte ich heiser, obwohl es eigentlich hätte wütend klingen sollen. Erst antwortete sie nicht. Auch nach fünf Minuten nicht und ich verlor die Geduld. Wild wischte ich mir die Tränen weg und atmete einmal tief ein. Mit einem Ruck öffnete ich die Tür und sah in ihr besorgtes Gesicht. Nur Mütter konnten ein solches Gesicht haben. Und auch nur Kinder konnten bei solch einem Gesicht brennende Schmerzen in den Eingeweiden spüren.
Misstrauisch schaute ich sie an. Was wollte sie? Mich trösten?
»Liebling«, sie räusperte sich. Anscheinend hatte sie einen genauso dicken Kloß im Hals wie ich. »Du musst dich fertig machen, wir müssen los.« Fertig machen? Wofür? Verständnislos sah sie mich an. Aber meine Mutter schaute nur verlegen zur Seite. Sie schabte leicht mit dem Fuß über den Boden. Was war denn heute? Ich ging zurück zu meinem PC und schaute aufs Datum. Heute war kein besonderer Tag. Ein Tag wie jeder andere schreckliche Tag auch. Das war doch mal eine tolle Nachricht. Dann traf mein Blick aber einen kleinen Zettel der über dem Monitor meiner alten Schrottkiste befestigt war. Auf dem kleinen gelben PostIt-Zettel stand : Psychiaterin, Donnerstag 24. 5. 09, Frau Lehmann
Ich erstarrte. Natürlich, meine Eltern wollten mich ja zum Sehlenklemptner schicken. Ich lachte, als ob die mit einem Schnippsen mein Leben verändern könnte. Total abwegig so was. Ich drehte mich um und schaute verwundert, als meine Mutter mit einem Lächeln plötzlich vor mir stand. Es war ein gezwungenes Lächeln, glich eher einer Grimasse. Sie hielt in einer Hand meine Jacke, in der anderen baumelten meine Schuhe. Scheiße! Wollt ihr mich tatsächlich alle ins Knie ficken?
Ich seufzte. Warum sich wehren? War doch eh alles umsonst. Also schnappte ich mir meine Klamotten, zog sie unsorgfältig an und stapfte die Treppe runter. Meine Mutter wartete schon im Auto.
Auf dem Weg zum „Arzt“ sagte von uns beiden keiner ein Wort. Was hätte man auch schon groß sagen können, außer wüsten Beschimpfungen?
Das Wartezimmer der Psychiaterin war in sehr angenehmen Farben gestaltet worden. Gemütlich lehnte ich mich in einem Stuhl zurück, bis die Empfangsdame mich aufrief. Die Frau hatte mich mit einem hübschen Lächeln in Empfang genommen. Sie war echt heiß.
Dann wurde ich aufgerufen und meine Hände fingen an zu schwitzen. Ich hatte schon immer Angst gehabt, fremde Menschen zu treffen. Als ich die Türklinke herunterdrückte und die Tür aufmachte, schaute mich eine Frau mittleren Alters fachmännisch an. Eine kleine Nikkelbrille saß auf ihrer spitzen Nase und ließ sie sogar noch unsympathischer wirken. Nix da mit Harry Potter und so.
Sie lächelte ihr psychiaterinnen Lächeln und winkte mich herbei. »Mein Name ist Frau Doktor Daniela Lehmann, freut mich dich kenne zu lernen.« Ich blieb in der Tür stehen und schaute sie direkt an. Ich holte noch einmal tief Luft, dann sagte ich : »Mein Name ist Johannes«, meine Hände zitterten. »Und ich bin schwul.«

 

Hallo Tomite und willkommen auf kg.de.

»Was ist bloß mit diesem Jungen los?«
Oder hat Bullimie ... Omg, diese Fehlinterpretationen kommen mir in ähnlicher Weise so bekannt vor ...

Hm, also ursprünglich wollte ich sagen, dass ich mich gut mit dem Prot identifizieren kann. Aber dann kam das mit der Psychiaterin, also lass ich das lieber weg. ;D

Die Geschichte ist schön realistisch, der Schreibstil angenehm zu lesen. Allerdings hab ich nach dem Lesen noch diese Fragezeichen um mich herum schwirren, z.B: Was hat der Titel mit dem Inhalt zu tun? Was soll die Geschichte bedeuten, immerhin kommt die Enthüllung am Ende ziemlich plötzlich und es gab vorher keinerlei Hinweise darauf? Hm, vielleicht ist es das, dass du zeigen willst, das Homosexuelle normale Menschen sind? Konservative Eltern, die das nicht verstehen, soll es ja geben. Aber ich hätte erst eher gedacht, dass der Prot wegen was anderes zum Psychiater muss, wegen etwas Offensichtlichem. Wäre aber nicht so ein überraschendes Ende gewesen. :)

Naja, ich hoffe auf jeden Fall, noch mehr von dir zu lesen.

Grüße von Jellyfish

 

Salve Tomite,

ich kann mich Jellyfishs Komm nicht anschließen - mich hat die Geschichte nicht überzeugt.
Dabei hat das Thema was: ein Junge verheimlicht seine Homosexualität und bekommt dadurch psychische Probleme. Oder er verheimlicht sie eben nicht, wird von der Umwelt drangsaliert und bekommt dadurch psychische Probleme.

Was ich an der KG nicht mag, sind zum einen die scherenschnittartigen Figuren, die "alle doof, außer ich"- Haltung des Prots, sein unerträgliches Selbsmitleid, sein Überdamatisieren von Banalitäten wie der Tatsache einer hübschen Schwester, die Unglaubwürdigkeit der Handlung - welcher Teenager würde isch noch von seiner Mutter eine Frisur aufzwingen lassen - wenn Du selbst keinerlei Sympathie für die Figuren empfindest, die Du kreierst, merkt das der Leser schnell. Du bist dann als Autor ganz weit weg von ihnen, und sie werden eben so, wie sie sind: holzschnittartig.

Ach ja, und RS-Fehler hat Dein Text eine ganze Menge - wenn Du ernsthaft an ihm arbeiten willst, schicke ich Dir eine Liste.

Ansonsten: Herzlich willkommen bei KG.de, und lass den Kopf nicht hängen; jeder kriegt mal eine schlechte Kritik ;).

LG, Pardus

 

Hey Tomite!

Ich versteh die Zusammenhänge zwischen Titel und Geschichte auch nicht. Ich muss Pardus recht geben mit den "holzschnittartigen Figuren". Sie sind dir nicht gelungen.
Der Prot. ist ein Nerd, schreibst du, gleichzeitig will er nicht mit seinesgleichen abhängen, weil er sie auch - wieso auch immer - nicht leiden kann. Also bleibt er lieber alleine, als das er mit jemanden befreundet ist, der so ist wie er. Aha.
Die Schwester hast du nur genommen, um den Kontrast zwischen denKindern herzustellen, man merkt, dass es schon arg gewollt und nicht gekonnt ist. Der Kontrast ist zu krass.
Die Mutter, die ihm anfangs wie alle anderen behandelt, den Teller vor ihm hinscheppert, soll ihn dann plötzlich als einzige lieben? Am Anfang hasst er sie, nach zehn Minuten liebt er sie?

»Was ist bloß mit diesem Jungen los?«, an ihre quiekende Stimme zu denken, jagte mir einen Schauer über den Rücken.

Und der Vater - naaa jaaaa, liest Zeitung, interessiert sich nicht für den Sohn und sonst nichts.

Den Schluss würd ich ändern bzw. sein Outing vor dem Leser, statt dessen dann wirklich im Text shcon darauf eingehen. Wie es da steht, ist es eine Pointe, bei sowas sollte man eine Pointe weglassen, finde ich. So was eignet sich einfach nicht dazu, da ich als Leserin eigentlich von seiner Homosexualität lesen will und dann lässt du mich unbefriedigt zurück. Die Ablehnung seiner Sexualität durch seine Umgebung ist für mich spannender als sein Genörgel darüber, wie blöde alle anderen ihn finden.

Natürlich, meine Eltern wollten mich ja zum Sehlenklemptner schicken. Ich lachte, als ob die mit einem Schnippsen mein Leben verändern könnte. Total abwegig so was
Der Sehlenklemptner (:D) ist nicht wirklich da, um das Leben zu verändern, wenn dein Prot. das glaubt, dann ist er flach, was sein Denken betrifft und ziemlich oberflächlich und naiv. Aber so ist die ganze Geschichte gestrickt. Es geht überhaupt nicht in die Tiefe.


JoBlack

 

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