Doppelter Raub
Titel: Der doppelte Raub
Gelangweilt schaut Marcus aus seinem Wohnzimmerfenster auf die belebte Straße. Er war nun schon seit mehreren Wochen krank und langweilte sich.
Plötzlich geschah etwas vor seinen Augen, was in dieser Straße schon außergewöhnlich war. Genau gegenüber aus der Bank rannte; ja hetzte eine wohl männliche, mit einer Wollmütze vermummte Gestalt, verschwand in der einzigen Nebenstraße in einen geparkten Wagen und raste davon.
Nun konnte Marcus auch schon die Sirenen der Polizeifahrzeuge hören.
Neben seiner Krankheit, die wohl auch mit einem gewissen Frust an seiner jetzigen Tätigkeit zusammen hängt, war sein nächstes größeres Problem die ständige Ebbe in seiner Kasse. Marcus verfolgte noch eine Zeit lang das Treiben vor der Bank, musste aber Zufrieden feststellen, dass wohl niemand genaue Angaben zum Fluchtweg des Bankräubers machen konnte.
“So ein Mist”, fluchte Marcus laut vor sich hin, sogar die Wartezeit war diesmal sehr viel kürzer als sonst. Der Arzt hatte ihn kurzerhand wieder gesundgeschrieben. In seiner Kneipe angekommen gab es unter den Gästen nur das Thema Bankraub vom Mittag.
Bei den Gesprächen hielt Marcus sich zurück, konnte aber erfahren, dass die erbeutete Summe sich auf etwa 2 Millionen Euro belaufen solle.
Pünktlich steuerte Marcus seinen alten Wagen in die Tiefgarage des Bürogebäudes in der City. Plötzlich sah er einem Wagen, den er irgendwoher kannte. Marcus setzte sein Fahrzeug zurück, begutachtete den Wagen, konnte sich an das Kennzeichen nur in Hinblick auf einen Vorort erinnern, aber erkannte sofort den Aufkleber eines Wassersportvereins, den das Fluchtfahrzeug des Bankraubes vom Vortag am Heck kleben hatte.
Marcus konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, parkte ein und fuhr mit dem Fahrstuhl in den siebten Stock.
Nach der Mittagspause half Marcus der Zufall. Das Schwarze Brett war voll mit Neuigkeiten, die er noch nicht kannte. Und bei der Rubrik Verkauf stand doch tatsächlich das vermeintliche Fluchtfahrzeug des Bankräubers. Er arbeitete im selben Gebäude, daneben stand seine Büronummer.
Jetzt nur nicht überstürzen, dachte Marcus und wollte sich sein weiteres Vorgehen zu Hause überlegen Am nächsten Tag ging Marcus in den 5.Stock einer Im- und Export Firma und meldete sich bei Herrn Meesen; der auch Inhaber war. Marcus bekundete sein Interesse an dem Auto und beide verabredeten sich nach Feierabend zu einer Probefahrt.
Nach einer knappen Stunde war das Haus von Herrn Meesen erreicht. Die Villa lag in einer ruhigen Nebenstraße, das Grundstück war sehr gepflegt und entsprechend groß. “Na, wie ist den Ihr erster Eindruck von dem Fahrzeug”, fragte Herr Meesen Marcus. “Den nehme ich sofort”, antwortete Marcus,” und Sie können mir auch gleich noch einen Koffer mit 500000 Euro dazuzulegen”.
Der Gesichtsausdruck von Herrn Meesen erstarrte. Marcus hatte sich entschlossen, in die Vollen zu gehen. Vom Pokern her war er es ja auch gewohnt und konnte an der Reaktion des gegenüber sehen, ob er richtig lag. ”Ich habe Sie von meiner Wohnung gegenüber bei Ihrem Bankraub vorgestern und der Flucht in genau diesem Fahrzeug beobachtet “sagte Marcus weiter, um seinem gegenüber keine Chance auf irgendeine Frage zu geben.
Beide standen noch auf der Straße vor dem Haus, Herr Meesen wurde Blass, Schweiß lief Ihm von der Stirn und er begann zu Zittern. “Lassen sie uns doch ins Haus gehen, um in Ruhe darüber zu Reden” antwortete Herr Meesen mit leicht zitteriger Stimme.
Marcus wusste, dass er voll ins Schwarze getroffen hatte. “Und irgendwann stehen Sie dann wieder vor der Tür und wollen weiteres Geld” folgerte Herr Meesen, jetzt wieder mit fester Stimme und klaren Gedanken.
“Nein, nein“, beschwichtigte Marcus, “ich will doch nicht mit Ihnen zusammen eine Zelle teilen”.
Herr Meesen übergab den Wagen und das Geld. Als Marcus am nächsten Tag nach der Arbeit nach Hause kam, wartete die Polizei vor seiner Tür.
“Wir haben da ein paar Fragen wegen des Bankraubes und würden Sie deshalb mal kurz stören”, sagte einer der Kommissare zu Marcus. “Wie kommen Sie eigentlich auf mich?” fragte Marcus den Kommissar. “Ein Herr Meesen hat am Tag des Bankraubes Ihnen seinen Wagen zu einer Probefahrt gegeben und als Sie den Wagen zwei Tage später bar bezahlten, erinnerte er sich, von dem Bankraub gelesen zu haben.
Auch kamen Ihm die Scheine sehr neu vor und waren alle fortlaufend Nummeriert. Nach unserer Überprüfung ist es ein Teil des gestohlenen Geldes. In Ihrem Schließfach fanden wir auch noch weitere 500000 Euro aus der Beute. Über den Verbleib des restlichen Geldes werden wir uns noch unterhalten. Marcus entschloss sich, nichts mehr zu sagen. Dann brachte ein Polizist die Wollmütze, Handschuhe und eine blaue Jacke herein. ”Das haben wir beim Durchsuchen im neuen Wagen des Verdächtigen unter dem Reserverad gefunden“, erklärte der Beamte. “Ich denke” sagte der Kommissar zu Marcus“, alles Weitere wird nun der Untersuchungsrichter entscheiden. Als Marcus drei Monate später zu einer langjährigen Haftstrafe wegen bewaffneten, schweren Raubes verurteilt wurde, gönnte sich Herr Meesen mit seiner Familie wie schon in den letzten 10 Jahren seinen Sommerurlaub in Dänemark.