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Dosenleben

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02.04.2006
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Dosenleben

Ich bin eine Dose. Durchweg blechern, manchmal scheppernd. Beulen hab ich und unversehrte Stellen. Mein Deckel ist von einem Dosenöffner so bearbeitet worden, dass er nur noch an einer winzigen Stelle am Rand mit meinem Körper verbunden ist, nicht jedoch meinen, nebenbei bemerkt vollends leeren Korpus, so bedecken kann, dass ich des nachts und an kalten Tagen nicht friere. Ich muss sagen, dass es mir unmöglich ist ihn aus eigener Kraft zu schließen, er würde womöglich abbrechen und das wiederum wäre unannehmbar.
Zugegeben schlimmer als die Kälte ist der Regen, denn je nachdem in welche Position mich der Wind gebracht hat, bin ich voll Wasser, im Winter auch voll Schnee, wobei dieser Unterschied im wesentlichen keiner ist. Stürmt es sehr, ist meine dosige Außenhaut schmutzig und matschig. Regnet es dann aber leicht und scheint im Folgenden die Sonne , so bin ich wieder sauber, jedenfalls außen. Um meinen Hohlkörper, angemerkt: quadratisch (ich bin eine Konserve!), von dreckigen Innereien, wie von Wind angewehtem Müll oder von Regen aufgepeitschtem Dreck, rein zu waschen, bedarf es mehr als nur der Kraft eines einzigen Elementes. Hier müssen schon Wind und Wasser zusammenarbeiten. Manchmal habe ich das Gefühl, sie tun es für mich, setzen sich zusammen und beraten, wie sie mich sauber bekommen. Dann regnet es in mich und windig stößt es mich um, so dass ich nach mehrmaligem Wiederholen jenes Prozesses wieder durchweg mich in sauberem Zustande befinde. Das Problem ergibt sich wohl erst mit den Jahren. Jene Witterungsumstände hinterlassen Rost auf meiner fein-gerippten Außenhaut. Ihr könnt euch wohl kaum vorstellen wie sich das anfühlt. Rost juckt schier unerträglich und niemals kann ich mich durch heftiges kratzen befriedigen. Auch hier bin ich angewiesen auf den Wind, der mich, wenn er gerade besonders gnädig ist, mit aller Gewalt, oder aber sanftem Schrabben an nächstliegende Mülltonnen, bzw. andere ebenbürtig wundervolle Materialien bewegt. Dumm ist nur, dass ich durch den mehr oder weniger heftigen Kontakt mit dem befreienden Material, stets mehr Beulen, ihr würdet vielleicht Narben sagen, davon trage.
Dosig liege ich neben Kameraden im Müll. Ich will nicht sagen, dass ich immer im Müll liege, aber gerade jetzt liege ich im Müll. Ich will auch nicht sagen, dass es sich um Kameraden im eigentlichen Sinne handelt, aber für mich sind sie mehr als nur toter Abfall. Ach, ich habe noch nicht erwähnt, dass ich die einzige lebende Dose bin, die mir je begegnet ist. Denn begegnet bin ich mir mehr als einmal. Vor allem begegne ich mir, wenn es dunkel wird, denn wenn es dunkel wird, fühle ich mich einsamer als wenn die Sonne unlebendiges zum Leben erweckt und mir die Illusion gibt unter Gesellschaft zu sein. Dann reflektiere ich, versuche mich an den Menschen zu erinnern, der meinen Deckel löste, meinen Inhalt aß und mich anschließend achtlos weggeworfen hat. Nicht dass ich ihm einen Vorwurf mache, niemals! Aber er hätte mich doch wenigstens aufbewahren können um ab und zu mit mir zu spielen, mich zu kratzen, oder mir einen neuen Deckel und einen neuen Inhalt beschaffen können, oder gar mich dem Varieté übergeben und mir damit eine Aussicht auf Erfolg und Reichtum ermöglichen können. Man stelle sich vor, eine sprechende Dose, das währe wahrlich vortrefflich! Manchmal denke ich, dass dieser nicht böse und doch egoistische Mensch mich nicht hören konnte, er verstand meine Sprache womöglich nicht, denn ich bat lauthals um Gnade, als er mich weg warf.
Doch auch wenn die Sonne scheint und ich gnädiger Weise in eine dieser wunderbaren Positionen geweht wurde, in der ich eine gute Aussicht habe über meine Umgebung, auch dann begegne ich mir.
Ich hoffe nur, dass mich der Wind nie in eine windstille Region weht, z.B. in einen Kanal ohne Wasser, oder mich einklemmt, sodass ich nicht mehr zu bewegen bin. Schlimm wäre es dann! Ich hätte nur noch mich, Tag ein, Tag aus nur mich.

 
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Guten Tag, Dorian Gray, und willkommen hier!

Dein Erstling hat mich leider nicht überzeugt. Es sind etliche Fehler drin, handwerkliche und logische, und viel Überflüssiges, das nach dem Rotstift schreit.

Mein Deckel ist von einem Dosenöffner so bearbeitet worden, dass er nur noch an einer winzigen Stelle am Rand mit meinem Körper verbunden ist, nicht jedoch meinen, nebenbei bemerkt vollends leeren Korpus, so bedecken kann, dass ich des nachts und an kalten Tagen nicht friere.

Hier zum Beispiel. Das Unterstrichene könnte raus, es bremst, daß der Körper leer ist, ist klar, und diese nicht-nicht-Konstruktion finde ich ungeschickt. Warum nicht z.B. so:

..., ihn jedoch nicht bedecken kann, so dass ich nachts und an kalten Tagen friere?

Da wäre doch alles gesagt.


Ich muss sagen, dass es mir unmöglich ist, ihn aus eigener Kraft zu schließen, er würde womöglich abbrechen und das wiederum wäre unannehmbar.
Auch hier. Das Unterstrichene ist redundant (die Dose spricht ja nicht (zu wem auch?), sondern denkt vor sich hin). Dazu das Logikproblem: Entweder kann die Dose den Deckel nicht schließen, oder sie könnte zwar, tut es aber nicht, weil er abbrechen würde.

Zugegeben schlimmer als die Kälte ist der Regen, denn je nachdem in welche Position mich der Wind gebracht hat, bin ich voll Wasser, im Winter auch voll Schnee, wobei dieser Unterschied im wesentlichen keiner ist.
Dieses joviale Gelaber! Diese Floskeln! Würd ich streichen. Das macht die farblose Dose auch noch unympathisch, zumindest mir.
Stürmt es sehr, ist meine dosige Außenhaut schmutzig und matschig.
Die Außenhaut ist nicht matschig, das geht nicht, denn sie ist aus Metall. Höchstens ist sie voller Matsch. Das dosig ist hier albern, später hast Du es ja nochmal drin, wo es besser paßt.
Um meinen Hohlkörper, angemerkt: quadratisch (ich bin eine Konserve!), von dreckigen Innereien, wie von Wind angewehtem Müll oder von Regen aufgepeitschtem Dreck kein Komma reinzuwaschen, bedarf es mehr als nur der Kraft eines einzigen Elementes.
Das ist ganz kraus. Wieso ist sie plötzlich quadratisch? Gibt es das überhaupt, quadratische Konserven? Rechteckige gibt es, aber die werden nicht mit dem Dosenöffner in der anfangs beschriebenen Weise geöffnet, sondern haben so Ringe oder Aufwickelschlüssel. Da kann auch nicht der Deckel nur noch an einer winzigen Stelle hängen.

Das Problem ergibt sich wohl erst mit den Jahren. Jene Witterungsumstände hinterlassen Rost auf meiner feingerippten Außenhaut. Ihr könnt euch wohl kaum vorstellen wie sich das anfühlt. Rost juckt schier unerträglich und niemals kann ich mich durch heftiges kratzen befriedigen.
Lies es ohne das Unterstrichene: Brauchst Du das alles wirklich?
Das kann weg. Diese Erklärungen wecken in mir den Wunsch, die Dose über die Straße zu kicken oder feste draufzutreten.
Übrigens ergibt sich ein Rostproblem bei einer freilebenden Weißblechdose nicht erst mit den Jahren. Das ergibt sich ratzfatz.
Auch hier bin ich angewiesen auf den Wind, der mich, wenn er gerade besonders gnädig ist, mit aller Gewalt kein Komma oder aber sanftem Schrabben an nächstliegende Mülltonnen kein Komma bzw. andere ebenbürtig wundervolle Materialien bewegt. Dumm ist nur, dass ich durch den mehr oder weniger heftigen Kontakt mit dem befreienden Material kein Komma stets mehr Beulen, ihr würdet vielleicht Narben sagen, davontrage.
Abgesehen davon, daß das ein schrecklich verhedderter Satz ist: Eine leere Dose wird vom Wind nicht so heftig an Dinge geschleudert, daß sie Beulen bekommt. Dafür ist sie zu leicht. Das müßte schon ein ausgewachsener Orkan sein, der die Mülltonne auf die Dose schmeißt oder so. Versuch das mal mit Werfen, volle Kanne die Dose gegen die Mülltonne, und sag mir nachher, ob Du es geschafft hast, eine Beule reinzuwerfen. Kratzer, ok, aber Beulen? Überhaupt: Beulen beulen sich nach außen, was Du meinst, sind Dellen.
Dann sind Mülltonnen keine Materialien, sondern Gegenstände. Das Plastik oder Metall, aus dem sie gemacht sind, ist das Material. Und wieso redet die Dose mich bzw. die Menschen an? Wie soll man ihr diese Art Einsamkeit glauben, wenn sie jemanden direkt anspricht? Das verwässert ja die Botschaft, ey! :D
Dosig liege ich neben Kameraden im Müll.
Den Satz mag ich. Ohne Zusammenhang, einfach so, vom Klang her. Hier paßt das dosig, weil es daherkommt wie dösig.

Ich will nicht sagen, dass ich immer im Müll liege, aber gerade jetzt liege ich im Müll. Ich will auch nicht sagen, dass es sich um Kameraden im eigentlichen Sinne handelt, aber für mich sind sie mehr als nur toter Abfall.
Was denn? In Deinem Satz ist das so: Da ist der Müll, und da sind die Kameraden. Meinst Du, daß der Müll aus Kameraden besteht, daß andere weggeworfene Sachen als Kameraden wahrgenommen werden? Oder meinst Du mit Kameraden nur andere Dosen, die da zwar auch liegen, aber nicht leben? Der nächste Satz
Ach, ich habe noch nicht erwähnt, dass ich die einzige lebende Dose bin, die mir je begegnet ist.
läßt nur diesen Schluß zu, wodurch der davor zu sinnlosem Gefasel verkommt. Gibt es anderen lebendigen Müll, solltest Du den auch benennen.
Denn begegnet bin ich mir mehr als einmal. Vor allem begegne ich mir, wenn es dunkel wird
Auch das mag ich, ganz ohne Zusammenhang. Das ist ein einfaches, klares Bild mit hohem Wiedererkennungswert, für mich der beste Satz der Geschichte.
denn wenn es dunkel wird, fühle ich mich einsamer, als wenn die Sonne Unlebendiges zum Leben erweckt und mir die Illusion gibt, in Gesellschaft zu sein.
also, jetzt wissen wirs: Da lebt gar nichts, sondern sie glaubt es nur, wenn die Sonne draufscheint. Prima. Und warum muß da soviel drumrumgeschwafelt werden?
Nicht, dass ich ihm einen Vorwurf mache, niemals! Aber er hätte mich doch wenigstens aufbewahren können, um ab und zu mit mir zu spielen, mich zu kratzen, oder mir einen neuen Deckel und einen neuen Inhalt beschaffen können kein Komma oder das nachfolgende oder streichen oder gar mich dem Varieté übergeben und mir damit eine Aussicht auf Erfolg und Reichtum ermöglichen können.
Ganz krauser Satzbau. Wäre einfach zu glätten, z.B. so:

Er hätte mich doch aufbewahren können, mit mir spielen, mich kratzen, mir einen neuen Deckel und einen neuen Inhalt beschaffen oder mich dem Varieté übergeben und mir damit eine Aussicht auf Erfolg und Reichtum ermöglichen.

Der erste Satz mit dem Vorwurf ist komplett unnötig, da sofort danach der dicke Vorwurf kommt.

Man stelle sich vor, eine sprechende Dose, das währe wahrlich vortrefflich! Manchmal denke ich, dass dieser nicht böse und doch egoistische Mensch mich nicht hören konnte, er verstand meine Sprache womöglich nicht, denn ich bat lauthals um Gnade, als er mich wegwarf.
Aha! Der einzige, zu dem die Dose je laut sprach, verstand nichts und hörte nichts. Was will sie damit im Variété? Woher weiß sie, daß sie sprechen kann? :confused:
Da gibt es ein paar grundsätzliche Dinge über die Eigenschaften, Möglichkeiten und Fähigkeiten Deiner Dose, über die Du offenbar wenig nachgedacht hast.
Doch auch wenn die Sonne scheint und ich gnädigerweise in eine dieser wunderbaren Positionen geweht wurde, in der ich eine gute Aussicht habe über meine Umgebung, auch dann begegne ich mir.
unterstrichen=überflüssig
Ich hoffe nur, dass mich der Wind nie in eine windstille Region weht,
Wie soll der Wind denn da hinkommen? :aua: Klar, gemeint ist, daß er sie z.B. über einen Rand weht, aber das ist ungelenk formuliert.
zum Beispiel (ausschreiben oder weglassen) in einen Kanal ohne Wasser, oder mich einklemmt, sodass ich nicht mehr zu bewegen bin. Schlimm wäre es dann! Ich hätte nur noch mich, tagein, tagaus nur mich.
Der Sinn dieses Texts mag sein, daß diese Dose zwar viel über Gesellschaft und Begegnung daherdenkt, am Ende noch philosophiert, unter welchen Umständen sie nur noch sich selbst hätte, daß sie aber auch vorher schon nichts als sich selbst hat, und selbst das nur sehr vage und reichlich wirr. Traurig ist, daß sie nichts wirklich Interessantes zu erzählen hat und auch nichts erlebt, so daß ich mich frage, wozu dieser Text geschrieben wurde.
Das soll jetzt nicht heißen, daß Du ihn sofort wieder in die Tonne treten sollst. Aber Du könntest nochmal darüber sinnieren, was Du beim Leser auslösen willst, und ihn dahingehend kongruenter machen.
Es gibt tolle Geschichten über lebenden Müll, der standhafte Zinnsoldat von Andersen z.B., das geht ans Herz und regt zum Nachdenken an, überhaupt bei Andersen, da leben Stopfnadeln, Eierschalen, Streichhölzer, und man nimmt es ihnen ab. Deine Dose ist aber ein stinklangweiliger Protagonist, und bei langweiligen Helden tu ich mich schwer mit dem Mitfühlen.

Nimm diesen Verriß nicht zu schwer, ich bin einer, es kommen hoffentlich noch andere, und nur so erfährst Du, was aus Texten, die Du beim Veröffentlichen losläßt, in Leserköpfen wird.

Wenn Du noch unerfahren im Schreiben bist, kann es auch helfen, hier die Geschichten anderer zu lesen. Viele haben ähnliche Schwächen, andere haben Stärken, die Dich inspirieren können.

Freundlichen Gruß,
Makita

Edit: Gerade seh ich, daß Du hier seit Jahren Mitglied bist. Aber die letzte Geschichte ist so lange her, da kann ein neues Willkommen nicht schaden. :)

 

Mir fehlt die Geschichte, eine Handlung. Irgendwie passiert nichts mit deiner Dose. Für eine Selbstbeschau fehlen mir die genialen Ideen.

Verstehe auch nicht warum sich eine Dose kratzen will. Es ist eine Dose. Konnte sie sich jemals kratzen? Nein. Wieso sollte sie es auf einmal wollen. Habe mehr den Eindruck deine Dose war irgendwann mal ein Mensch der in eine Dose verwandelt wurde.

(bin kein Profi, bitte mit Vorsicht genießen)

 
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Vielen Dank für die ausgiebige Analyse.

Vieles von dem kritisierten kann ich nachvollziehen wenn die Geschichte unter logischen Gesichtspunkten betrachtet wird. Es handelt sich jedoch um eine durchweg metaphysische Seelenschau.
Man schaue sich zum besseren Hineinfühlen in die Geschichte (um eine Handlung ausmachen zu künnen) die Kurzgeschichten von Kafka an.
Die vielen scheinbar überflüssigen Fragmente und unschönen (redundanten) Formulierungen sind absichtlich und sollen die Abstrusität einer hohlen, blechernen Dose beschreiben, die versucht sich über die Sprache (das einzig AKTIVE Element, man beachte die passiven Bewegungen die nur durch Wind, Wasser usw. verursacht werden) zum Menschnlichen zu erheben. Sprache hier als übertriebenes Element, Zeichen des Stolzes einer humanen Kultur.
Mein Ziel war es, das kafkaeske, jenes auf seltsame Weise unheimliche, bedrohliche zur Schau zu bringen.
Die Dose repräsentiert das Seelenleben eines Alleingelassenen, die tiefe Depression eines Einsamen formuliert sich hier in der kläglich-krankhaften Passivität des Dings.

Was die Rechtschreibfehler (zumeist Kommata) betrifft, so arbeite ich noch an mir.

Lieben Gruss!

Guten Tag, Dorian Gray, und willkommen hier!

Dein Erstling hat mich leider nicht überzeugt. Es sind etliche Fehler drin, handwerkliche und logische, und viel Überflüssiges, das nach dem Rotstift schreit.

Zitat:
"Mein Deckel ist von einem Dosenöffner so bearbeitet worden, dass er nur noch an einer winzigen Stelle am Rand mit meinem Körper verbunden ist, nicht jedoch meinen, nebenbei bemerkt vollends leeren Korpus, so bedecken kann, dass ich des nachts und an kalten Tagen nicht friere."

Hier zum Beispiel. Das Unterstrichene könnte raus, es bremst, daß der Körper leer ist, ist klar, und diese nicht-nicht-Konstruktion finde ich ungeschickt. Warum nicht z.B. so:

..., ihn jedoch nicht bedecken kann, so dass ich nachts und an kalten Tagen friere?

Da wäre doch alles gesagt.

Dorian: Hier wäre tatsächlich alles gesagt, jedoch rühmt sich die Dose mit ihrer übertriebenen Sprache, einer Sprache die nicht konkret und gut verständlich, sondern umständlich und „gewollt“ wirkt. Sie unterstreicht ihre eigene Kläglichkeit (oder Klage). Zudem sagt sie mehr als sie muss, weil sie sprechen will. Sprechen als Akt des Verarbeitens.

Zitat:
"Ich muss sagen, dass es mir unmöglich ist, ihn aus eigener Kraft zu schließen, er würde womöglich abbrechen und das wiederum wäre unannehmbar."

Auch hier. Das Unterstrichene ist redundant (die Dose spricht ja nicht (zu wem auch?), sondern denkt vor sich hin). Dazu das Logikproblem: Entweder kann die Dose den Deckel nicht schließen, oder sie könnte zwar, tut es aber nicht, weil er abbrechen würde.

Dorian: Nicht den Fehler begehen und kausaltechnisch oder logisch an die Argumentation der Dose herangehen. Sie ist bemüht, jedoch nicht vollendet. Sie tut sich zudem schwer zuzugeben, den Deckel nicht schließen zu können. Sie denkt vor sich her, aber ihre Gedanken sind für sie Sprache. Da liegt der springende Punkt: Da Sie keinerlei soziale Kontakte hat (er, der Alleingelassene, die Dose ist repräsentativ) spricht sie zu sich und glaubt, andere (der Leser) könnte ihre Monologe verstehen.

Zitat
"Zugegeben schlimmer als die Kälte ist der Regen, denn je nachdem in welche Position mich der Wind gebracht hat, bin ich voll Wasser, im Winter auch voll Schnee, wobei dieser Unterschied im wesentlichen keiner ist."

Dieses joviale Gelaber! Diese Floskeln! Würd ich streichen. Das macht die farblose Dose auch noch unympathisch, zumindest mir.

Dorian: Zu der Sprache (richtig angemerkt, dem Gelaber) vergleiche oben. Bezüglich Deines Gefühls: Sie soll unsympathisch wirken. Sie ist der Verzweifelte, der auf grauenvolle Weise passive, einsame Mensch, dessen einzige Freude der Monolog ist. Monolog, prahlerisch, labernd, jovial: Flucht in die eigene Welt, eine Welt aus Sprache die keine Informationen tragen soll, sondern nur aus Selbstzweck ist.

Zitat:
"Stürmt es sehr, ist meine dosige Außenhaut schmutzig und matschig."

Die Außenhaut ist nicht matschig, das geht nicht, denn sie ist aus Metall. Höchstens ist sie voller Matsch. Das dosig ist hier albern, später hast Du es ja nochmal drin, wo es besser paßt.

Dorian: Ja, das dosige ist hier wirklich albern. Was die Außenhaut angeht, so kann sie trotz Metall durchaus matschig sein.

Zitat:
"Um meinen Hohlkörper, angemerkt: quadratisch (ich bin eine Konserve!), von dreckigen Innereien, wie von Wind angewehtem Müll oder von Regen aufgepeitschtem Dreck kein Komma reinzuwaschen, bedarf es mehr als nur der Kraft eines einzigen Elementes."

Das ist ganz kraus. Wieso ist sie plötzlich quadratisch? Gibt es das überhaupt, quadratische Konserven? Rechteckige gibt es, aber die werden nicht mit dem Dosenöffner in der anfangs beschriebenen Weise geöffnet, sondern haben so Ringe oder Aufwickelschlüssel. Da kann auch nicht der Deckel nur noch an einer winzigen Stelle hängen.

Dorian: Es gibt quadratische Konserven ohne Lasche. Sie wurden vorallem im zweiten Weltkrieg gefertigt aus Gründen der Materialersparnis. Sie waren nicht besonders hoch, aber im Grundriss quadratisch. Die Soldaten öffneten die Dosen mit dem Messer. Habe hier jedoch nicht absichtlich diese Art Dose gewählt.

Zitat:
"Das Problem ergibt sich wohl erst mit den Jahren. Jene Witterungsumstände hinterlassen Rost auf meiner feingerippten Außenhaut. Ihr könnt euch wohl kaum vorstellen wie sich das anfühlt. Rost juckt schier unerträglich und niemals kann ich mich durch heftiges kratzen befriedigen."

Lies es ohne das Unterstrichene: Brauchst Du das alles wirklich?
Das kann weg. Diese Erklärungen wecken in mir den Wunsch, die Dose über die Straße zu kicken oder feste draufzutreten.
Übrigens ergibt sich ein Rostproblem bei einer freilebenden Weißblechdose nicht erst mit den Jahren. Das ergibt sich ratzfatz.

Dorian: Auch hier wirkt, wie ich an Deiner berechtigten Reaktion sehe, meine (der Dose ihre) Sprachwelt. Es handelt sich nicht um eine Aneinanderkettung von Ereignissen, sondern um die subjektive Schilderung eines Individuums. Ich weiß nicht, ob Du schon Erfahrungen mit psychotisch erkrankten Menschen zu tun hattest. Ich kann Dir versichern, dass Übertreibung, Maßlosigkeit und Hang zur Selbstverherrlichung Symptome sind. Wie oben erwähnt, benötigt die Dose ihre Sprache, ihre furchtbar schmierige Sprache um der tatsächlichen Nüchternheit der Handlung und sich selbst etwas Wärme zu geben. Sie ist schwach. Was den Rost angeht, so magst du Recht haben.

Zitat:
"Auch hier bin ich angewiesen auf den Wind, der mich, wenn er gerade besonders gnädig ist, mit aller Gewalt kein Komma oder aber sanftem Schrabben an nächstliegende Mülltonnen kein Komma bzw. andere ebenbürtig wundervolle Materialien bewegt. Dumm ist nur, dass ich durch den mehr oder weniger heftigen Kontakt mit dem befreienden Material kein Komma stets mehr Beulen, ihr würdet vielleicht Narben sagen, davontrage."

Abgesehen davon, daß das ein schrecklich verhedderter Satz ist: Eine leere Dose wird vom Wind nicht so heftig an Dinge geschleudert, daß sie Beulen bekommt. Dafür ist sie zu leicht. Das müßte schon ein ausgewachsener Orkan sein, der die Mülltonne auf die Dose schmeißt oder so. Versuch das mal mit Werfen, volle Kanne die Dose gegen die Mülltonne, und sag mir nachher, ob Du es geschafft hast, eine Beule reinzuwerfen. Kratzer, ok, aber Beulen? Überhaupt: Beulen beulen sich nach außen, was Du meinst, sind Dellen.
Dann sind Mülltonnen keine Materialien, sondern Gegenstände. Das Plastik oder Metall, aus dem sie gemacht sind, ist das Material. Und wieso redet die Dose mich bzw. die Menschen an? Wie soll man ihr diese Art Einsamkeit glauben, wenn sie jemanden direkt anspricht? Das verwässert ja die Botschaft, ey!

Dorian: Was die Beulen angeht hast Du Recht. Ich meine Dellen. Kratzer währen hier auch besser. Was das Material angeht bezieht sich die Dose tatsächlich auf den Stoff. Die Dose kann nicht sprechen. Sie glaubt es von sich. Sie wurde nie gehört, erhört (vgl. den letzten Abschnitt). Demnach ist die Botschaft nicht verwässert.

Zitat:
"Dosig liege ich neben Kameraden im Müll."

Den Satz mag ich. Ohne Zusammenhang, einfach so, vom Klang her. Hier paßt das dosig, weil es daherkommt wie dösig.

Dorian: Danke.

Zitat:
"Ich will nicht sagen, dass ich immer im Müll liege, aber gerade jetzt liege ich im Müll. Ich will auch nicht sagen, dass es sich um Kameraden im eigentlichen Sinne handelt, aber für mich sind sie mehr als nur toter Abfall."

Was denn? In Deinem Satz ist das so: Da ist der Müll, und da sind die Kameraden. Meinst Du, daß der Müll aus Kameraden besteht, daß andere weggeworfene Sachen als Kameraden wahrgenommen werden? Oder meinst Du mit Kameraden nur andere Dosen, die da zwar auch liegen, aber nicht leben? Der nächste Satz

Dorian: Der Müll ist Müll („Ich will nicht sagen, dass ich immer im Müll liege“). Das Leben dieser Dose ist Müll. Müll = negativ. Sie liegt neben Kameraden im Müll (obiger Satz). Die Kameraden liegen also auch im Müll. Sie mögen andere Dosen sein, tote. Gleichsam sind sie für sie auch mehr als nur „toter Abfall“ (hier hätte ich tatsächlich konkreter sein können und „tote Dosen“ schreiben können). Nur weil sie die anderen Dosen nicht hören kann, heißt das für unsere Dose nicht, dass sie nicht leben. Genau wie sie. Eben diesen Fehler hat ihr „Konsument“ nämlich gemacht: Er konnte sie nicht hören und hat sie daher weggeworfen. Ist das nicht oft so im Leben? (Man muss diese Geschichte lesen wie beispielsweise Kafkas Verwandlung, alles noch so nüchterne ist konkret metaphorisch).

Zitat:
"Ach, ich habe noch nicht erwähnt, dass ich die einzige lebende Dose bin, die mir je begegnet ist."

läßt nur diesen Schluß zu, wodurch der davor zu sinnlosem Gefasel verkommt. Gibt es anderen lebendigen Müll, solltest Du den auch benennen.

Dorian: Einer der typisch überflüssigen und unglaublich wichtigen Sätze.

Zitat:
"Denn begegnet bin ich mir mehr als einmal. Vor allem begegne ich mir, wenn es dunkel wird"

Auch das mag ich, ganz ohne Zusammenhang. Das ist ein einfaches, klares Bild mit hohem Wiedererkennungswert, für mich der beste Satz der Geschichte.

Dorian: Danke ;)

Zitat:
"denn wenn es dunkel wird, fühle ich mich einsamer, als wenn die Sonne Unlebendiges zum Leben erweckt und mir die Illusion gibt, in Gesellschaft zu sein."

also, jetzt wissen wirs: Da lebt gar nichts, sondern sie glaubt es nur, wenn die Sonne draufscheint. Prima. Und warum muß da soviel drumrumgeschwafelt werden?

Dorian: Weil der mitteilungsbedürftigen Kreatur ein Satz nicht ausreicht. Ihr Seelenleben ist durchaus lebendig. Sie ist auch im dunkeln für sich lebendig. Sie kann nur nicht gehört werden, ist passiv also auf die Elemente Wind und Wasser (andere) angewiesen und ausgeliefert. Wenn sie hier von der Sonne spricht, die ihr den Anschein gibt in Gesellschaft zu sein, so meint sie, dass die Sonne das Hässliche Schön macht, das kalte Warm, das Leben erst ermöglicht. Sonne hier als ganz klassisches Motiv.

Zitat:
"Nicht, dass ich ihm einen Vorwurf mache, niemals! Aber er hätte mich doch wenigstens aufbewahren können, um ab und zu mit mir zu spielen, mich zu kratzen, oder mir einen neuen Deckel und einen neuen Inhalt beschaffen können kein Komma oder das nachfolgende oder streichen oder gar mich dem Varieté übergeben und mir damit eine Aussicht auf Erfolg und Reichtum ermöglichen können."

Ganz krauser Satzbau. Wäre einfach zu glätten, z.B. so:
Er hätte mich doch aufbewahren können, mit mir spielen, mich kratzen, mir einen neuen Deckel und einen neuen Inhalt beschaffen oder mich dem Varieté übergeben und mir damit eine Aussicht auf Erfolg und Reichtum ermöglichen.

Der erste Satz mit dem Vorwurf ist komplett unnötig, da sofort danach der dicke Vorwurf kommt.

Dorian: Ja, so soll es sein. Zerrüttet in der Argumentation. Psychotisch. „Ich würde dir niemals wehtun. Niemals! Aber, bitte, führe mich nicht in Versuchung.“ Sie schreit. Verzweifelt und sich selbst Großherzigkeit vorjaulend. Diese Ambivalenz ist bewusst.

Zitat:
"Man stelle sich vor, eine sprechende Dose, das währe wahrlich vortrefflich! Manchmal denke ich, dass dieser nicht böse und doch egoistische Mensch mich nicht hören konnte, er verstand meine Sprache womöglich nicht, denn ich bat lauthals um Gnade, als er mich wegwarf."

Aha! Der einzige, zu dem die Dose je laut sprach, verstand nichts und hörte nichts. Was will sie damit im Variété? Woher weiß sie, daß sie sprechen kann?
Da gibt es ein paar grundsätzliche Dinge über die Eigenschaften, Möglichkeiten und Fähigkeiten Deiner Dose, über die Du offenbar wenig nachgedacht hast.

Dorian: Nein, Du hast es vielleicht nicht ganz verstanden. Wenn Du die Kommentare bis hier hin gelesen hast, dann verstehst Du‘s vielleicht.
Kurz: Die Dose denkt von sich, sie spreche laut. Kann jedoch nicht gehört werden. Sie ist die einzige die weiß, dass in ihr etwas Leben steckt. Weil sie das glaubt und sich so sehr Gesellschaft und vorallem Anerkennung wünscht, träumt sie vom Varieté.
Sie weiß dass sie sprechen kann, weil sie ständig spricht. Wenn auch zu sich selber. Auch dieses Phänomen, ein Phänomen das man von psychisch erkrankten Taubstummen kennt, ist praxisnah.
Die Eigenschaften sind demnach völlig klar. Jedoch verstehe ich Deine Probleme mit dem Text. Er ist etwas kompliziert und vielleicht zu psychologisch, psychoanalytisch, zu subtil (und um diese Schwierigkeit zu vereinfachen, von mir zu unprofessionell verfasst).

Zitat:
"Doch auch wenn die Sonne scheint und ich gnädigerweise in eine dieser wunderbaren Positionen geweht wurde, in der ich eine gute Aussicht habe über meine Umgebung, auch dann begegne ich mir."

unterstrichen=überflüssig

Dorian: Nein. Es zeigt erneut die Selbstverleugnung unserer Dose.

Zitat:
"Ich hoffe nur, dass mich der Wind nie in eine windstille Region weht,"

Wie soll der Wind denn da hinkommen? Klar, gemeint ist, daß er sie z.B. über einen Rand weht, aber das ist ungelenk formuliert.

Dorian: Man hätte es vielleicht besser formulieren können. Ja. Aber unlogisch ist es nicht. Ein Drachen kann vom Wind über einen Wald geweht werden und dann hinabfallen. Unten ist es Windstill, des Laubdachs wegen.

 

Nein, Du hast es vielleicht nicht ganz verstanden. Wenn Du die Kommentare bis hier hin gelesen hast, dann verstehst Du‘s vielleicht.
Ein Text sollte aus sich heraus oder zumindest im Zusammenhang mit deiner Biographie verständlich sein (siehe Nobelpreisträgerin), und nicht erklärt werden müssen. Ich neige auch gerne zur Mystifizierung des eigenen Textes, habe dann aber von Lesern immer Ablehnung erfahren.

 

Hallo Dorian Gray,

Ich habe diese Geschichte erst als eine Art Experiment gesehen.
So auf: Stell dir vor eine Dose wäre lebendig, wie würde sie sich fühlen?
Anhand deiner späteren Kommentare sehe ich nun, dass das nicht so gedacht war, sondern dass die Dose nur ein "Symbol" ist, das für einen hilflos passiven Menschen steht, der sich voll und ganz der Welt und den Elementen ausgeliefert fühlt und für sich alleine das Recht des Bewusstseins beansprucht.
Ich gebe dir Recht, dass viele Menschen sich so verhalten und sage also, dass die Geschichte gelungen ist.
über eines bin ich mir nicht im Klaren: Soll eine Geschichte aus sich selbst heraus offensichtlich verständlich sein, oder kann sie auch einfach "nur" an Menschen gerichtet sein, die von selbst immer nach der symbolischen Natur der Dinge forschen und demnach die Geschichte "verstehen"?
Ich bin mir nicht sicher über meine Position diesbezüglich, da ich auch gerne Dinge schreibe, Symbole einbaue, die von einem oberflächlichen Leser (oder mitunter beim ersten Mal lesen) nicht entdeckt/verstanden werden, aber ich weiß auch, dass viele Leute die Ansicht vertreten: "Du schreibst ja nicht für dich selbst!" (bzw. falls du für dich selbst schreibst, warum zeigst du das Geschriebene anderen Leuten?)

Liebe Grüße,

f.

 
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Guten Abend Foehre,

Danke für Dein positives Kommentar.
Um direkt deine Frage zu beatworten, oder es zumindest zu versuchen: Auch ich finde, dass Geschichten (im Gegensatz zu der Position von Trutzwehr) nicht aus sich heraus verständlich sein müssen, bzw. nur unter Kenntnis der Biografie des Autors zu verstehen sind. Ich bin der Meinung eine Geschichte kann durchaus auch vielseitig deutbar, großräumig interpretierbar und individuell, subjektiv lesbar sein. Gerade in der Auseinandersetzung mit der Geschichte erweitert sich diese um Ebenen der persönlichen Empfindung und Psyche, und bereichert die Geschichte (Handlung) als solche. Symbole sind zwar der Konvention nach "eindeutig", jedoch habe ich versucht in meiner Geschichte nicht die klassischen Symbole des Einsamen und Melancholischen (Mond, Ebene, Berge, Weite etc.) zu verwenden, sondern neue zu schaffen. "Dosenleben" als Bild ist für mich ziemlich eindeutig.
Du hast den Unterschied meiner Geschichte, einer stark subtilen und an der psychotherapeutische Praxis anlehnenden, zu einer offensichtlichen (nicht negativ!), hermeneutisch weiteren, offeneren Geschichte, sehr gut erkannt. Die Problematik des Lesers greifst Du auf, wenn Du vom Leser als "Forscher der symbolischen Natur der Dinge" sprichst. Eine Position ohne die meine Geschichte nicht verstanden werden kann.
Welche Position man einnehmen will hängt auch von der Geschichte ab.

Mit besten Grüßen,

Dorian


Ein Text sollte aus sich heraus oder zumindest im Zusammenhang mit deiner Biographie verständlich sein (siehe Nobelpreisträgerin), und nicht erklärt werden müssen. Ich neige auch gerne zur Mystifizierung des eigenen Textes, habe dann aber von Lesern immer Ablehnung erfahren.

Vergleiche hierzu mein obiges Kommentar.

Danke,


Dorian

 

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