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Dust & Dirt Inc.
Dust & Dirt Inc.
13:38 Uhr. Die nächsten auf der Auftragsliste waren Schmidts. Er tippte die Adresse ins Navi ein und ließ sich leiten. Das Auto parkte er in einer Seitenstrasse. Über sein Mobiltelefon rief er den Videostream der Überwachungskamera ab, welche die Firma versteckt gegenüber dem Eingang installiert hatte. Er überflog das Infoblatt. Frau Schmidt war Lehrerin und mindestens noch zwei Stunden in der Schule, Herr Schmidt Büroangestellter und kam erst mit der Linie 19 um 16:32 Uhr nach Hause. Die große Frage war, ob ihre Tochter im Teenageralter die Wohnung rechtzeitig genug verließ. Laut Telefonüberwachungs-
protokoll war sie verabredet. Trotz guter Vorbereitung warten, das gehörte zum Job. Die Kunst war zu wissen, ob es sich noch lohnte. Kurze Zeit später verließ sie das Haus. Ein Blick auf die Uhr, es würde reichen, nicht üppig, aber er war Profi.
Schnellen Schrittes, gerade noch langsam genug, um nicht aufzufallen, ging er zum Haus. Den dunklen Koffer trug er am rechten Arm, seine Arbeitsutensilien. Die Haustür des Mehrfamilienhauses war nicht richtig ins Schloss gefallen. Er konnte sie einfach aufdrücken. Unverhofft ein paar Sekunden gewonnen.
Schmidts wohnten in der zweiten Etage. Ein Türschloss mit Zylinder KESO 2000S Omega. Achtzehn Sekunden, dann war er drin. Sein Blick glitt durch den Gang. Die Wohnung sauber wie geleckt, so waren Schmidts. Erstes Zimmer links, das der Tochter, zweites Zimmer links, das Schafzimmer der Schmidts, sein erstes Ziel.
Seine Augen arbeiteten schnell und systematisch, verglichen die Skizze in seinem Kopf mit der Wirklichkeit. Alles war sehr, sehr ordentlich und reinlich, selbst beim zweiten Hinsehen. Sein Blick blieb am Chagall hängen, La Creation de L’hombre, nicht alarmgesichert, 70 auf 46 Zentimeter, Kunstdruck, so um die 25 Euro bei Kaufhof. Er grinste, musste fast losprusten. Der Rahmen war teurer. Mit dem Finger fuhr er über die obere Kante des Rahmens. Kein Krümelchen Staub blieb an seinem Finger haften. Alles so, wie erwartet.
Er öffnete seinen Koffer. Routiniert arbeiteten seine Hände, holten flink die silbergraue Staubdose heraus, stachen mit dem Spatel hinein, strichen über dem Rahmen und verteilten den Staub. Rasch glitt er mit dem Ionisator ein Haarbreit darüber, flüchtiges Staubwedeln genügte jetzt nicht mehr. Eine handvoll Staub unter jedes Bett geworfen, die Kabel des Weckers bestrichen, Steckdosen- und Lichtschalteroberkanten, Türrahmen. Aus einer Büchse nahm er ein paar Staubfusel der Größe M bis L und ließ sie hinter die Kommode fallen. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es trotz der verbleibenden vier Zimmer noch für die Deckenleuchte genügte, welche aus mehreren Spots bestand. Ein Niedervolt Schienensystem verband die einzelnen Leuchten und spannte sich dabei fast kunstvoll über die Zimmerdecke, so dass er wie eine Ballerina auf der hölzernen Bettkante balancieren musste. Aus einer Dose versprühte er zusätzlich feine Spinnweben und verband so die Spots. Auf dem Bettzeug hatte er dabei keinerlei Fußabdrücke hinterlassen. Das war Qualitätsarbeit.
Zufrieden blickte er auf sein Werk. Hier war es jetzt wieder staubig. „Ein Service Ihrer Dust & Dirt Inc.“, flüsterte er noch in den Raum.