Eheszenen
Eheszenen
Meine Frau ging einkaufen, während ich das Geld hierfür erwirtschaftete. Diese Arbeitsteilung hatte viele Vorteile. Einen der Nachteile nahm ich zur Kenntnis, als ich abends baden wollte. Es standen eine Plastikflasche Milch-Aprikose und ein Nachfüllbeutel Joghurt-Himbeere als Badezusatz zur Verfügung, und keines der beiden erinnerte mich an azurblaues Wasser, Wasserfälle oder Surfen auf meterhohen Wellen.
Aus irgendeinem Grund nahm ich an, dass Milch-Aprikose mehr Schaum erzeugt. Ich presste die halbe Packung leer und ließ das Wasser ein. Die Schaumbildung war zufriedenstellend, dennoch ließ ich die Wanne bis zum Notabfluss volllaufen, um den homöopathischen Effekt zu maximieren. Es roch trotzdem alles nach Aprikose.
Der moderne Jäger weiß, dass es nur eine Möglichkeit gibt, bei der Jagd eingefangene krankheitserregende und damit schwächende Keime abzutöten. Die moderne Sammlerin weiß das nicht mehr, und als ich ihre Schritte die Treppe hinauf hörte, erahnte ich Probleme. Ich hatte vergessen. die Tür zum Bad abzuschließen.
"Moment", rief sie. "Bleib bitte so, ich hol schnell die Kamera!"
Ich kannte sie, sie meinte das ernst, also holte ich tief Luft und befahl meinen Ellenbogen, die meinen Körper bisher am Badewannenrand abgestützt hatten, sich zu entspannen. Ich war Kerl genug, nicht zu schreien, jedenfalls nicht nach außen. Das Wasser war gefühlte 110 Grad heiß, und hätte ich nicht gewusst, dass das eine physikalische Unmöglichkeit ist, hätte meine nach innen gewandte Qual mich vermutlich platzen lassen.
Als der Schmerz nachließ, schaffte ich noch grade so eben ein entspanntes Lächeln, als sie mit der Digicam wieder oben angekommen war. Sie war enttäuscht, auch als ich ihr erklärte, dass die Linse sowieso viel zu beschlagen war, um irgendwas aufnehmen zu können.
Eine Diagonale ist länger als eine beliebige Seitenlänge eines Rechtecks, das ist eine unumstößliche Tatsache. Eckbadewannen scheinen dem widersprechend eine eigene Raumzeitgeometrie zu bervorzugen, denn unsere Eckbadewanne war zu kurz für mich. obwohl sie gemessen länger war als die alte Normalwanne in unserer Vorwohnung. Entspannte ich mich einfach, rutschte ich sehr langsam, aber konstant mit dem Kopf nach unten, während meine Knie nach oben wanderten.
Vermutlich, um diesem Problem zu begegnen, gab es in der Wanne rechts und links Vorsprünge, an denen man sich mit den Füßen abstützen konnnte. Ich stütze mich mit beiden Füßen dort ab und rutschte nicht mehr mit dem Kopf nach unten.
Nun erinnerte mich diese Stellung verblüffend an eine gebärende Mutter. Ich hyperventilierte ein paar Mal, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was eine Frau bei einer Geburt durchmacht. Danach war mir etwas schwindelig, fand aber dennoch all das Schreien und Verkrampfen deutlich übertrieben.
Probeweise stützte ich mich nur mit einem Fuß ab. Ich rutschte zwar zur Seite, aber es war auch sehr entspannend, mit einem Ohr im warmen Wasser zu liegen, während das andere nach Gefahren lauschen konnte. Dennoch beschloss ich, den Versuch abzubrechen, als ich Gefahr lief, einzuschlafen.
"Ok, das geht auch."
Zu spät erinnerte ich mich, dass unser Digiknipser einen elektronischen Zoom hatte und meine Liebste sogar wusste, wie man ihn benutzt. Aus dem Flur klickte es ohne beschlagene Linse wie bei einem Papparazzi.
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"Mindestens einmal Esprit muss dafür drin sein!"
Ich gab ein Geräusch von mir.
"Was?"
Ich gab erneut das Geräusch von mir.
Männer sind in der Lage, äußerst komplexe Informationen extrem komprimiert zu äußern. Zum Beispiel ich. Wenn ich meinem Schatzi sagen möchte, dass ich ihr derzeitiges Erscheinungsbild als sehr vorteilhaft empfinde, dass es keinerlei Veranlassung zu einer Veränderung gibt, sondern dass im Gegenteil jedwede Modifikation, und möge sie noch so kostspielig sein, ihrem besonderen Gesamteindruck eher schaden könne, ihre natürliche Ausstrahlung durch teuren Tand nur in den Hintergrund gedrängt werden könne, dann gebe ich das Geräusch von mir.
"Und! Ich möchte, dass du mit kommst und mir sagst, ob mir die Sachen stehen!"
Als Kompromiss bot ich an, sie möge mich vergiften, es als Unfall darstellen, meine Lebensversicherung kassieren und jeden Tag mit ihrem Geliebten shoppen gehen. Sie erwiderte, sie habe keinen Geliebten.
"Was ist mit Peter?", schlug ich vor. "Der ist sportlich, einfühlsam, gutes Einkommen, und er guckt dich immer so an."
"Peter ist schwul, und er guckt mich immer so an, weil ich ständig die gleichen Klamotten trage!". Sie wedelte mit den Bildern und erinnerte mich daran, dass am nächsten Tag ihr Freundinnenabend anstünde und sie außerdem Kopien des Beweismaterials an einem sicheren Ort lagere.
"Und wer garantiert mir, dass die Kopien hinterher vernichtet werden?"
"Ich. Also, was ist nun?"
"Einen Moment", erwiderte ich. "Du erpresst mich mit diesen Bildern, was allein schon einen Vertrauensverlust bedeutet. Gleichzeitig erwartest du, dass ich dir glaube, du würdest die Kopien vernichten, nachdem ich deinen Forderungen nachkomme?". Ich lächelte triumphierend im Bewusstsein meiner bestechend logischen Widerlegung ihrer Argumente.
"Ja."
Man kann mit Frauen nicht diskutieren.
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"Du hast sie ihnen gezeigt!", klagte ich sie an, nachdem selbst Katja endlich gegangen war.
"Wem? Was?", tat sie unschuldig.
"Deinen Freundinnen! Du hast ihnen die Bilder gezeigt!"
"Quatsch, wie kommst du denn darauf?". Sie posierte vor dem Spiegel in immer kreativeren Kombinationen ihrer neuen Garderobe.
"Nun, sie haben gelacht."
Tatsächlich hatten sie nicht gelacht, sondern eher gegröhlt, wie bei Männerabenden, bei denen beispielsweise Michael erzählt, wie sehr es ihn mitnimmt, dass seine Frau seine mangelnde Phantasie im Bett beanstande, und er einfach überfordert sei, sich täglich etwas neues auszudenken, er heute so lange wie irgend möglich hier ausharren würde, weil er schon einigermaßen betrunken sei, sie jedoch trotzdem heute noch auf Kreativität seinerseits bestehen würde, er nicht mehr könne, ab wann eine Alkoholvergiftung amtlicherweise anfange und einen Besuch der Notfallambulanz rechtfertige, und ob nicht jemand aus der Runde statt seiner...
"Ach das", kicherte sie. "Nein, ich habe ihnen erzählt, wie Peter reagiert hat."
"Worauf reagiert?"
"Na, als er die Bilder von dir gesehen hat."
"Du hast Peter die Bilder gezeigt?", rief ich entsetzt. "Das verstößt gegen unsere Vereinbarungen!"
"Das gilt nur für meine Freundinnen", argumentierte sie. "Und Peter war begeistert. Gelacht hat er jedenfalls nicht."
"Peter gehört zu deinen Freundinnen!"
"Jetzt hör aber auf. Kannst du mal eben den Reißverschluss hinten zumachen?"
"Schatzi...". Ich küsste sie sanft in den Nacken. "Du siehst bezaubernd aus in diesem Kleid."
Sie lächelte mich im Spiegel an. "Findest du?"
"Unbedingt! Aber Schatzi, weißt du noch, als du diese weiten blauen Hosen mit dem Riesenschlag anprobiert hast, zusammen mit der engen Bluse?"
"Uh, das was schauderhaft, was?", grinste sie schelmisch.
"Ja, wirklich. Ich habs heimlich geknipst, als du zurück in die Umkleide gerannt bist." Ich hielt ihr das Photo vor die Nase.
Sie erstarrte.
"Alle deine Freundinnen haben morgen einen Abzug in der Post, es sei denn..."
Wir waren beide erwachsen, also einigten wir uns auf einen Tausch der Bilder inklusive aller Kopien. Wir diskutierten noch lange an diesem Abend über die theoretischen Aspekte einer Erpressung, insbesondere in Bezug auf verheimlichtes Kopienmaterial.