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Ein Abend im Juli

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03.09.2024
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Ein Abend im Juli

Den Grill hatte Lohmeyer im letzten Monat gekauft. Etwas groß für seinen Balkon, passte aber genau rechts in die Ecke, wo vorher der Topf mit dem Pampasgras stand, das im Laufe der Jahre immer ausladender wurde. Ein Elektromodell wegen der Nachbarn, die er nicht mit rauchenden Holzkohleschwaden belästigen wollte. Vor allem den über ihm wohnenden Heinrich nicht, dessen Hauptbeschäftigung darin bestand, sämtliche Vorkommnisse im Haus der Verwaltung zu melden, mit dringlicher Bitte um Abmahnung. Ein Grill in einem Mietshaus mit kleinen Balkonen schien Lohmeyer die unsinnigste Sache der Welt zu sein, bis sich sein Sohn mit Frau und Kindern ankündigte.

Moritz war Arzt in Hamburg und hatte sich seit Jahren nicht mehr blicken lassen. Mediziner sind ja immer beschäftigt. Visite, Operationen, was Ärzte so machen. Da blieb keine Zeit für einen Besuch in Berlin. Lohmeyers Wohnung war zu klein, um so viele Personen zu beherbergen, aber eine Hotelübernachtung wäre für Moritz finanziell kein Problem gewesen bei seinem Gehalt. Wenn er denn gewollt hätte. Die Distanz zwischen Berlin und Hamburg betrug knappe dreihundert Kilometer, aber sie schien größer zu werden, jedes Jahr ein bisschen mehr.
Das lag an der Lebenspartnerin von Moritz, die ihn so wenig mochte, wie er sie. Eine Abneigung vom ersten Moment an, als sie sich ihm vorstellte.
„Ich bin Sandra, die zukünftige Frau deines Sohnes“, sagte sie gesagt und hielt ihm die Hand hin, die er ignorierte.
„Und wie heißen Sie mit Nachnamen?“, fragte er zurück.
Die paar Worte hatten gereicht. Schon möglich, dass er sich unsouverän verhalten hatte, wie ihm Moritz vorhielt, aber die Zukünftige erschien ihm eine Spur zu forsch, ja, dreist. Sprach zu laut und zu viel, fiel seinem Sohn ständig ins Wort. Der ließ sich das bieten, warum auch immer. Mit Lohmeyer redete Sandra nicht mehr, ignorierte ihn vollständig. In der Folgezeit wurden Besuche seltener, er bekam die beiden Kinder, die sie gebar, kaum zu Gesicht, bis der Kontakt allmählich versandete, abgesehen von wenigen Telefonaten und Fotos, die ihm sein Sohn hin und wieder über Whatsapp schickte. Die Kleinen mussten jetzt drei und neun sein, rechnete Lohmeyer nach, er hatte sich die Geburtstage notiert und schrieb Postkarten, die grundsätzlich unbeantwortet blieben. Sandras Geburtstag hatte er nicht präsent, er hätte sowieso keine Grüße geschickt. Umso überraschender kam der Anruf von Moritz.
„Wir sind am Freitag, den 05. Juli in Berlin und würden dich gern besuchen.“
Er war so verblüfft, dass ihm die Worte fehlten.
„Bist du noch dran?“, kam es aus dem Hörer.
„Ja“, sagte Lohmeyer, „ich freue mich, sehr sogar. Wo übernachtet ihr?“
Moritz nannte ein Hotel in der Nähe, das ihm dem Namen nach bekannt war. Es sei alles schon gebucht, er müsste sich keine Sorgen machen.
„Wir kommen mit den Kindern. Wie wäre es mit einem Grillabend? Ist ungezwungen, nebenbei können wir Fußball gucken. Unser Ältester ist ein fanatischer Fußballfan und will sich das Viertelfinale nicht entgehen lassen. Mit ein bisschen Glück schafft es Deutschland soweit.“
Vor allem würde man sich endlich einmal wiedersehen, und, fügte Moritz mit einem leichten Unterton hinzu, sicher gut verstehen.
Lohmeyer nickte, auch wenn sein Sohn das nicht sehen konnte, und sagte zu. Nach dem Gespräch war er wie benommen, voller widersprüchlicher Gefühle. Vorfreude auf das Treffen, Scham über seine Sturheit in all den Jahren und Unsicherheit, wie es würde mit Sandra und den zwei Kindern, die er praktisch nicht kannte und die ihn auch nicht.

Aufgekratzt streifte er durch seine kleine Wohnung, inspizierte die Raufasertapete, die dunklen Flecken um die Lichtschalter, das abgewetzte Parkett und all die Dinge, mit denen er sich arrangiert hatte im Laufe der Jahre, deren Ausbesserung er immer vor sich herschob. Die ihn jetzt vorwurfsvoll anstarrten und in Panik versetzten.
Den Grill gab es in einem Baumarkt. Für die beiden maroden Holzstühle auf dem Balkon musste Ersatz her, zwei reichten nicht. Klappbar sollten sie sein aus Platzgründen. Der Einrichtungsberater eines Wohnstudios empfahl ihm französische, netzbespannte und elegante Klappstühle, die ihm zusagten, allerdings sein Budget sprengten. Die Stühle, die in Frage kamen, waren nicht klappbar, ließen sich aber stapeln. Mit italienischem Flair, wie der Berater betonte. Er bestellte vier in grün.
„Salbeigrün“, berichtigte ihn der Einrichter.
Als die salbeigrünen Stühle geliefert wurden und er die Tür öffnete, kam Heinrich, der Nachbar aus dem zweiten Stock, die Treppe herunter gehumpelt.
„Was haben Sie vor mit dem ganzen Zeug?“
„Wonach sieht es denn aus?“, fragte Lohmeyer.
„Nach zu vielen Stühlen für einen kleinen Balkon“, kam es zurück vom Nachbarn, der weiter zum Ausgang strebte.
Heinrich behielt Recht, der Platz reichte nicht. Ein Stuhl musste vor die Balkontür gestellt werden. Etwas eng, aber schöner als vorher. Es gab viel zu erledigen, eine Einkaufsliste der benötigten Lebensmittel musste erstellt werden. Grillgut, Salat, Getränke, Süßes für die Kinder, vielleicht Eis. Er brühte sich einen Tee auf, Notizblock und Stift lagen auf dem Tisch, als es klingelte. Moritz rief an. Er griff nach dem Handy und redete drauf los.
„Wann kommt ihr am Freitag? Deutschland ist tatsächlich im Viertelfinale, es geht um 18 Uhr los.“
„Ich weiß“, sagte sein Sohn nach einer kurzen Pause, „aber wir müssen leider absagen. Wirklich blöd, das tut mir sehr leid. Der Ärztekongress findet nicht statt.“
Lohmeyer hielt das Telefon fest in der Hand und versuchte sich zu konzentrieren. In letzter Zeit entfielen ihm manche Dinge, an einen Kongress konnte er sich nicht erinnern. Moritz würde nicht kommen, soviel war ihm klar.
„Ärztekongress?“, fragte er.
„Ja, ich sollte einen Vortrag halten, aber die haben alles gestrichen. Die Anmeldezahlen waren deutlich unter deren Erwartungen. Hätte man vielleicht vorher ahnen können, wenn Europameisterschaft ist, aber gut. Wir wollten das mit dem Besuch bei dir verbinden.“
Lohmeyer sagte nichts, nahm das Teesieb aus der Kanne und klopfte die Teeblätter in den Biomüll, während er mit der anderen Hand das Telefon gegen sein Ohr presste.
„Wir holen das demnächst nach“, sagte Moritz.
Er nickte, auch wenn sein Sohn das nicht sehen konnte, und legte auf.

Am Freitag kaufte Lohmeyer ein. Grillwürste, Lammkoteletts, einen Maiskolben und Salat. Er packte alles in den Kühlschrank, stellte Bier kalt. Faltete die Tragetaschen und verstaute sie im Schrank. Räumte die Spülmaschine leer und wischte den Tisch ab.
Es waren 29 Stufen bis in den zweiten Stock, er hatte sie gezählt. Seine Schritte setzte er langsam, die vierzehnte Stufe knarrte leicht. Oben angekommen zögerte er. Ein messingfarbenes Klingelschild mit altdeutscher Schrift prangte neben dem Eingang. Noch eine halbe Stunde bis zum Spiel. Vielleicht setzte sein Verstand gerade aus, trieb ihn zu unerklärlichen, irrationalen Handlungen. Sein Interessse an Fußball hielt sich in Grenzen, das an Heinrich war nicht vorhanden. Er klingelte trotzdem. Schlurfgeräusche näherten sich, die Tür wurde einen kleinen Spalt geöffnet, drinnen gehalten von einer Sicherheitskette. Der Nachbar lugte heraus.
„Was wollen Sie?“, fragte Heinrich barsch.
„Deutschland spielt gleich.“
„Was Sie nicht sagen. Und?“
„Ich habe ein paar Würstchen auf dem Grill und neue Stühle. Fernseher läuft auch schon.“
Heinrich beäugte ihn misstrauisch durch den Spalt, löste schließlich die Kette und öffnete die Tür.
„Wer hockt denn da alles bei Ihnen unten? Ich bin sozial nicht besonders gut.“
„Das beruhigt mich, dass Sie das auch so sehen. Ich bin allein, vermutlich ist meine soziale Kompetenz ähnlich gelagert. Wenn Sie Lust haben, kommen Sie runter.“
Er drehte sich um, es waren 29 Stufen bis in den ersten Stock, er hatte sie gezählt. Der Weg hinunter kam ihm kürzer vor. Die Würstchen auf dem Grill waren auf einem guten Weg, eine Seite angebräunt, aber nicht verbrannt. Er drehte sie mit der Grillzange und stellte Senf auf den Tisch.

Heinrich hatte zwei Bier mitgebracht und inspizierte seine Wohnung. Der Fernseher lief.
„Müsste mal renoviert werden hier,“ sagte er.
Sie traten auf den Balkon. Die Würstchen waren fast fertig, die Lammkoteletts brauchten noch etwas. Salat stand in einer Schüssel auf dem Klapptisch.
„Lamm oder Bratwurst?“, fragte Lohmeyer.
„Ich kann Lamm nicht ausstehen“, antwortete Heinrich mit Blick auf den neu gestalteten Außensitz. „Mit den Stühlen habe ich Ihnen gleich gesagt, sind zu viele.“
Lohmeyer legte die Würstchen auf einen Teller und nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche.
„Nehmen Sie sich, was Sie wollen“, sagte er und wechselte das Thema.
„Havertz startet im Sturm.“
„Bitte nicht der“, antwortete Heinrich und tat sich Salat auf. „Die haben keine Chance gegen Spanien. Mit Havertz sowieso nicht. Haben Sie Gäste erwartet? Ich meine, die neuen Stühle und so.“
Lohmeyer nickte und nahm das Lamm vom Grill.
„Sind offenbar nicht gekommen“, fuhr Heinrich fort.
„Sind sie nicht, nein.“
„Der Grill sieht auch neu aus.“
„Sie haben ein scharfes Auge und sind sehr neugierig. Ich glaube, Sie haben letzte Woche sogar meinen Müll in den Tonnen durchwühlt. Ich habe das gesehen.“
Heinrich war die Bemerkung nicht peinlich.
„Wegen der Mülltrennung. Sonst gibt es Ärger mit der BSR und die lassen die Tonnen stehen.“
„Die Nationalhymnen werden gespielt, wir sollten reingehen“, sagte Lohmeyer.
„Die Spanier haben noch nicht mal Text bei ihrer Hymne. Können Sie sich das vorstellen? Nicht ein Wort. Waren Sie mal in Spanien?“
Lohmeyer nickte.
„Ja, schon lange her. Mit meiner verstorbenen Frau damals. In Barcelona, war sehr schön da.“
Sie setzten sich auf das Sofa, er stellte den Ton etwas lauter. Die spanische Hymne erklang.
„Sag ich ja, kein Text.“ Heinrich nahm einen Schluck aus der Flasche.
„Ich war letzte Woche beim Urologen, waren Sie mal beim Urologen?“
„Ja, ich war in Spanien und beim Urologen. Der hat mich nach der Untersuchung beglückwünscht, ganz lange meine Hand geschüttelt und wollte ein Autogramm von mir, ich fand den ganz nett. Es geht los, wir haben Anstoß.“

Es war ein ansehnliches Spiel, die Spanier schienen etwas stärker zu sein. Zur Halbzeit stand es unentschieden. Heinrich meckerte vor sich hin, fluchte über Fouls, den Schiedsrichter und den Gegner. Lohmeyer ging zum Kühlschrank, holte Bier und fragte sich, wie viel Heinrich in ihm steckte.
Ob er so von Moritz und Sandra wahrgenommen wurde, wie er seinen Nachbarn empfand. Als sturen, kauzigen Alten, den man besser mied. Mit dem sich ein Treffen nicht ergeben sollte, sich dann auch nicht ergab, bis dieser Zustand zur Gewohnheit wurde. Erst ein Vortrag in Berlin von Moritz führte zu der Überlegung, ihn zu besuchen, wo man schon in der Stadt war. Möglichst kurz, beim Fußball, unverbindlich, um dann, mit Verweis auf die Kinder, die ins Bett müssten, schnell das Weite zu suchen. In das Hotel, in Sicherheit, weg von ihm, bevor es schwierig werden konnte.
Er ging mit den geöffneten Flaschen ins Wohnzimmer und stieß mit seinem Nachbarn an.
„Wie heißen Sie eigentlich mit Vornamen?“, fragte er.
„Ernst“, sagte Heinrich.
„Im Ernst?“
„Den Witz höre ich zum ersten Mal, ganz ehrlich. Und Sie?“
„Wolfgang.“
„Auch nicht besser“, kommentierte Heinrich und prostete ihm zu.
„Duzen wir uns jetzt?“
„Wenn du meinen Müll zukünftig nicht mehr durchwühlst“, sagte Lohmeyer.
„Kann ich Ihnen nicht versprechen bei Ihrer Art der Mülltrennung“, antwortete der Nachbar.
„Vielleicht sollten wir den Abend abbrechen“, schlug Lohmeyer vor.
Heinrich nickte. „Die erste Halbzeit hat mir gereicht, ich trinke noch aus.“
„Tun Sie das. Früher oder später wird Nagelsmann Füllkrug einwechseln.“
„Bitte nicht. Der kann nichts. Wir haben keine richtigen Stürmer, schon lange nicht mehr. Deutschland ist im Arsch. Beim Fußball, bei der Bahn oder in der Wirtschaft, überall das Gleiche. Selbst die Rolltreppen am Ostbahnhof funktionieren nicht. Bei Karstadt übrigens auch nicht, war ich gestern.“
„Sie haben vorhin einen Urologen erwähnt. Was ist damit?“
„Sag ich Ihnen, wenn Sie mir erzählen, wer nicht gekommen ist, bei dem ganzen Aufriss hier.“
„Mein Sohn mit seiner Familie aus Hamburg“, sagte Lohmeyer.
Heinrich nickte, als hätte er so etwas geahnt und trank die Flasche leer.
„Und der Urologe?“
„Geht Sie nichts an,“ sagte der Nachbar.
Lohmeyer nickte.
„Da mögen Sie Recht haben.“
„Hamburg ist ganz schön, der Hafen und so. War ich früher öfter mal. Würde mich interessieren, ob bei denen die Rolltreppen in Betrieb sind. Zweite Halbzeit geht los. Haben Sie noch ein Bier?“
„Ja “, sagte Lohmeyer.

 

Hallo @Jaylow !

Auch diese Geschichte finde ich gut gelungen. Du skizzierst sehr genau authentische Charaktere ohne Überflüssiges. In beide Seiten kann man sich gut reindenken, sehr stimmig.

Ein paar Kleinigkeiten:

schien Lohmeyer die unsinnigste Sache der Welt zu sein, bis sich sein Sohn mit Frau und Kindern ankündigte. Moritz war Arzt in Hamburg
Hier würde ich vor Moritz einen Absatz machen.

Es lag an seiner Lebenspartnerin, die ihn so wenig mochte, wie er sie.
Was lag an seiner Lebenspartnerin? Hier bin ich über das Es gestolpert, erst beim zweiten Mal Lesen wurde mir klar, dass es sich auf die nicht stattfindenden Besuche bezieht.

„Und wie heißen Sie mit Nachnamen?“ KOMMA hatte er gefragt.

Der ließ sich das bieten, warum, blieb ihm ein Rätsel.
Hier liest es sich, als ob es sich auf dieselbe Person bezieht. Aber Der bezieht sich auf Moritz und ihm auf Lohmeyer.

Aufgekratzt streifte er durch seine kleine Wohnung, inspizierte die Raufasertapete, die dunklen Flecken um die Lichtschalter, das abgewetzte Parkett und all die Dinge, mit denen er sich arrangiert hatte im Laufe der Jahre, deren Ausbesserung er immer vor sich herschob. Die ihn jetzt vorwurfsvoll anstarrten und in Panik versetzten.
Vor Aufgekratzt würde ich wieder einen Absatz machen. Dieser Teil gefällt mir sehr gut!

Heinrich behielt Recht, der Platz reichte nicht. Einen Stuhl stellte er vor die Balkontür.
Auch hier ist der Bezug nicht klar; so, wie es hier steht, bezieht sich das er auf Heinrich.

Er drehte sich um, es waren 29 Treppen bis in den ersten Stock,
Stufen

Haben Sie
Gäste erwartet? Ich meine, die neuen Stühle und so.“
Hier würde ich den Absatz streichen;)

„Und der Urologe?“
„Geht Sie nichts an,“ sagte der Nachbar.
Gefällt mir auch sehr gut, was für ein muffiger Stinkstiefel:)

Moritz nannte ein Hotel in der Nähe, dass ihm dem Namen nach bekannt war.
das

Sehr gerne gelesen!

Viele Grüße,
Kerzenschein

 

Da blieb keine Zeit für einen Besuch in Berlin. Lohmeyers Wohnung war zu klein, um so viele Personen zu beherbergen, aber eine Hotelübernachtung wäre für Moritz finanziell kein Problem gewesen bei seinem Gehalt. Wenn er denn gewollt hätte.
Moin,

das oben raffe ich nicht. Warum will er denn bei seinem Vater in der kleinen Bude übernachten, wenn er sich sonst nicht für ihn interessiert? Wenn das jetzt das Elternhaus oder die elterliche Wohnung gewesen wäre, in der er aufwuchs, weißt? Aber so?

„Und wie heißen Sie mit Nachnamen?“, hatte er gefragt.
Er ignoriert sie doch, da ist das schon zuviel, oder? Er straft sie mit Nichtachtung.

Moritz nannte ein Hotel in der Nähe, das ihm dem Namen nach bekannt war. Es sei alles schon gebucht, er müsste sich keine Sorgen machen.
Jetzt verstehe ich das! Das ist vielleicht etwas zu kompliziert, ich habe es jedenfalls auch andersherum verstanden, das kann an meinem lädierten Kopf liegen; wart mal ab, was andee sagen, oder ob es nur an mir Imbecilen liegt, haha.

„Salbeigrün“, berichtigte ihn der Einrichter.
Das ist gut, aber holt er die nicht auch im Baumarkt bei OBI? Ich meine, wie sieht das denn bei ihm finanziell aus? So ein Stuhl kann locker über 100 Euro kosten, oder?

„Ärztekongress?“, fragte er.
Das ist hart, das fällt runter wie ein Stein.

Es waren 29 Stufen bis in den zweiten Stock, er hatte sie gezählt
Erinnert mich an Hubert Fichte mit den Stufen.

„Das beruhigt mich, dass Sie das auch so sehen. Ich bin allein, vermutlich ist meine soziale Kompetenz ähnlich gelagert. Wenn Sie Lust haben, kommen Sie runter.“
Hahahaha, sehr gut.

Ob er so von Moritz und Sandra wahrgenommen wurde, wie er seinen Nachbarn empfand. Als sturen, kauzigen Alten, den man besser mied. Mit dem sich ein Treffen nicht ergeben sollte, sich dann auch nicht ergab, bis dieser Zustand zur Gewohnheit wurde. Erst ein Vortrag in Berlin von Moritz führte zu der Überlegung, ihn zu besuchen, wo man schon in der Stadt war. Möglichst kurz, beim Fußball, unverbindlich, um dann, mit Verweis auf die Kinder, die ins Bett müssten, schnell das Weite zu suchen. In das Hotel, in Sicherheit, weg von ihm, bevor es schwierig werden konnte.
Das würde ich alles raushauen. Es wird klar, dass Heinrich ein Spiegelbild ist. Diese Erklärung baut der Text fein säuberlich auf, und damit hier, mit diesem Expliziten, machst du mMn die diese Stimmung kaputt, hat der Text nicht nötig.

„Sag ich Ihnen, wenn Sie mir erzählen, wer nicht gekommen ist, bei dem ganzen Aufriss hier.“
Das Ende ist so ein bisschen Statler und Waldorf, finde ich sehr gut, die beiden Käuze, die sich nichts nehmen und nichts geben wollen.

Ist ein guter Text, guter Humor, gut dosiert, auch das mit dem Sohn, das ist tieftraurig, aber das Ende reißt es raus, er macht weiter, er kann nicht anders, was soll er tun? Das spricht zu mir. Der Sound erinnert mich manchmal an Frank Goosens, das ist locker flockig, aber da liegt noch etwas drunter, eine zweite Ebene, die das tief werden lässt, auch auf die Kürze. Mich würde mal sehr interessieren, wie du etwas auf 5-7k werden lässt, wo du mal mehr Zeit für Charakterzeichnung hast, immer her damit!

Gruss, Jimmy

 

Hallo @Kerzenschein,

ganz vielen Dank für die Bemerkungen, die alle Hand und Fuß haben. Einige Zuordnungen sind nicht sauber, da muß ich nochmal ran. Die Absätze sind fehlerhaft, ich ändere das!

Wir lesen uns, schönen Gruß
Jaylow

Hallo @jimmysalaryman,

auch an dich ein großes Dankeschön! Über den Absatz der Selbsteinschätzung von Lohmeyer, den du streichen würdest, muss ich tatsächlich nachdenken - ich weiß, was du meinst, bin noch etwas unsicher.

Eure Kommentare haben mir sehr geholfen!

Besten Gruß aus Berlin
Jaylow

 

Lohmeyer ging zum Kühlschrank, holte Bier und fragte sich, wie viel Heinrich in ihm steckte.

Moin, Jaylow,

hätte nie gedacht, dass die Europameisterschaft dieses Sommers mal literarisch – wenn auch eher nebenbei - erwähnt wird und nun steht fest, dass egal, was vorgefallen, auch eine falsche Entscheidung eine richtige ist, sofern es eine Schiedsrichterentscheidung, also der höchsten Instanz auf’m Platz und nicht neben dem Platz ist und ich frag gar nicht erst, warum „Lohmeyer“ von seinem Schöpfer „Lohmeyer“ genannt wird, wenn ich an die Verfilmung des Herberger Erfolgs denke. „Mich jefällt dat“, wie das Ruhrdeutsche so sacht … womit wir beim Stolperer sind

„Ich bin Sandra, die zukünftige Frau deines Sohnes“, sagte sie gesagt und hielt ihm die Hand hin, die er ignorierte.
Wo die einfache Form „sagte sie“ mit dem zusammengsetzten „hatte sie gesagt“ als „sagte sie gesagt“ widerstreitet ...

Hier

Moritz nannte ein Hotel in der Nähe, das ihm dem Namen nach bekannt war. Es sei alles schon gebucht, er müsste sich keine Sorgen machen.

Empfehl ich, sich für einen Konjunktiv zu entscheiden („ginge“ beides: „Es sei …, er müsse (oder „brauche“) …. aber auch „Es wäre … er müsste (brauchte)

hier wird die unbestimmte Zeit/Entfernung mit der Konjunktion „soweit“ velwechsert

Mit ein bisschen Glück schafft es Deutschland so[...]weit.“

Was sich weiter unten zendentiell wiederholt
Moritz würde nicht kommen, so[...]viel war ihm klar.

Dat sins, gern jelesen vonnet

Dante Friedchen

 

Hallo @Jaylow,
wir einsamen Deutschen. Du legst den Finger auf dieses Problem. Wo sind die Familien geblieben? Vater und Sohn haben kaum eine Beziehung. Und das ist keine Seltenheit. Da beneide ich manchmal die Türken mit ihren Großfamilien. Aber das hat auch seine Tücken. Ich sage nur Zwangsverheiratung. Zusammenhalt haben sie aber viel mehr untereinander als wir Deutsche. Guter Text über ein verdrängtes Thema.
Was kann man dagegen tun? Die Hausbesetzer, wovon es hier in Friedrichshain viele gab und gibt, wollten das mal ganz anders machen. Zusammenhalt, umeinander kümmern zwischen Nachbarn, die Kinder gemeinsam aufziehen. Aber haben sie das geschafft?
Letztens bin ich mal auf einen Film gestoßen: "Die Ex bin ich", der gleich bei mir um die Ecke spielt, von einer Frau gedreht, die das aus eigenem Erleben kannte.
Damit, zwischenmenschlich neue Wege zu gegen, abseits der ausgetretenen Familienpfade, waren sie alle vollkommen überfordert.
Ich tippe mal, jetzt sitzen sie alle wieder alleine da und träumen von alten Zeiten, und es wird ihnen später nicht anders ergehen als dem Mann, über den Deine Geschichte erzählt. Aber wenigstens haben sie es mal versucht.
Gruß FK

 

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