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Ein Abend Mit Kaska
In der Bar
Ich spüre genau die Blicke von Vivien, Karen und Amber im Rücken, konzentrier mich aber darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ich hasse überfüllte Bars, aber heute bin ich wirklich dankbar für die stützende Menge. Man kann sich so schön von Körper zu Körper hangeln, ohne beim Gehen zu schwanken.
- Meine Güte, ich bin so was von bescheuert. -
Ich stehe in dem viel zu hellen Vorraum zur Toilette und Starre in den verschmierten Spiegel. Außer mir ist der Raum leer. Die Kabine abgeschlossen. Meine Augen sind Knallrot vom Rauch, den Kontaktlinsen und dem vielen Alkohol. Der letzte Gin Tonic war eindeutig einer zu viel. Bis jetzt war der Abend eigentlich ganz nett. Auch wenn Steve immer sagt, „nett“ ist die kleine Schwester von Scheiße, der Abend war aber wirklich nett.
- Wie kann ein Mensch nur so blöd sein? Wie konnte ich so blöd sein.-
Meine Augen sind verdammt rot. Ich schau mich weiter im Spiegel an und könnt mich ohrfeigen. Die Tür zur Toilette geht auf und eine blonde Schickse rempelt sich an mir vorbei, ohne sich die Hände zu waschen. Dumme Schlampe denk ich nur und geh in die Kabine, endlich kann ich eine Tür hinter mir abschließen. Die dumpfe Musik aus der Bar lässt das Klo unter meinem Schwebesitz vibrieren. Ein beruhigender Beat, der mich etwas entspannen lässt. Wahrscheinlich sitzt der Spülkasten in der Wand zu locker und lässt die Toilette bei jedem Bass erzittern.
Durch meine Oberschenkel beobachte ich meinen Mittelstrahl, wie er in die Schüssel prasselt und stell mir vor es wäre ein Wasserwerfer, mit dem ich Karen und Amber in Schach halte. Scheiße. Das Papier in der Halterung ist natürlich alle. Links vor mir, auf der Heizung Stapeln sich ein Paar neue Rollen und vorsichtig beug mich nach vorne, um mir eine davon zu holen. Ich bemerke, wie sich mein Schwerpunkt langsam aber gefährlich nach vorne verlagert. Ein kleines Stück noch und ich hab’s geschafft. In dem Moment rutscht mein linker Fuß auf irgendwas aus und ich spür, wie mein Rechter plötzlich ganz warm und nass wird. Leider ist das weibliche Geschlechtsteil nicht wie ein Pez-Spender konstruiert, den man nach Belieben öffnen und schließen kann. Emma hat mir mal erzählt, wie sie bei einem ähnlichen Manöver von der Klobürste entjungfert wurde. Wie blöd ist das denn, du erzählst von deinem ersten Mal; weißt aber ganz genau, dass es NICHT der süße junge im Ferienlager war. Vor allem wie blöd für mich, eine derart geniale Geschichte zu kennen und sie nicht erzählen zu dürfen. Gott sei Dank hat mein Rock nichts abbekommen. Während ich die nassen Strumpfhosen vom Bein schäle, hab ich Zeit mir zu überlegen, was ich sagen könnte, wenn jemand auffällt, dass ich keine mehr anhabe.
Version 1: was für eine Strumpfhose? Ich hab heute überhaupt keine angehabt. Den Gedanken verwerfe ich aber gleich, falls es zu einer Überzahl von Gegenzeugen kommt. Version 2: Als ich nach dem Klopapier gegriffen hab, bin ich ausgerutscht und hab mir Pipi über die Beine gemacht. Ich entscheide mich dann aber doch lieber für eine Laufmaschenversion.
Zurück im Waschraum kontrollier ich den Liedstrich und mir fällt siedend heiß ein, warum ich eigentlich auf die Toilette geflüchtet bin. Oh mein Gott ich bin ja so saublöd. Ich hab mich gerade am Tisch vor Amber, Karen und Vivien total lächerlich gemacht. Ich wollte doch mit meiner Story nur deutlich machen, dass ich pseudointellektuelle Armleuchter hasse, die ständig Fremdwörter wie Anachronistisch, Burlesk oder Kaskaesk ins Gespräch einfließen lassen und nebenbei natürlich durchblicken lassen dass ich so etwas nie nötig habe. Nach der dritten Frage von Karen nach dem Wort Kaskaesk wäre ich vor Scham am liebsten explodiert, was immerhin eindrucksvoller gewesen wäre wie versinken. Ausgerechnet diese Zicke Karen, die außer ihrem Aussehen, Ihrer Coolness und natürlich ihrem Erfolg bei Männern, nichts zu bieten hat, muss mich darauf hinweisen, dass es kafkaesk heißt. Natürlich weiß ich, dass es kafkaesk heißen muss, aber die zwei Eves im Spiegel sind beweis genug, dass es eindeutig mehr als ein Gin-Tonic zu viel waren. O. k. Hände waschen, Frisur Schütteln und zurück an die Front.
Karen drückt gerade Ihre Kippe, mit ihren langen perfekt manikürten fingern im Aschenbecher aus und tauscht einen Vielsagenden Blick mit Amber aus. Na ihr Süßen? Noch einen Drink? Fragt sie, während sie sich die nächste Kippe anzündet. Ich habe das Gefühl, dass mich alle anstarren, inklusive mir selber. Bestimmt malt sich Karen schon aus, wie sie die Kaskastory auf der nächsten Party ausschlachtet:
Hei Sharon wie geht’s dir Darling, wir waren letzte Woche in der Bar und haben einen total „netten“ Abend gehabt. Eve hat sich völlig lächerlich gemacht, die dämliche Kuh hat doch allen ernstes KASKAESK gesagt, kannst du dir das vorstellen? Und so jemand arbeitet in einer Redaktion, wahrscheinlich lesen wir in der nächsten Ausgabe einen Artikel über John Grinsham oder Anni Prust. Na ja was soll man denn schon von einer erwarten die sich über die Strumpfhose pinkelt. Ja in der Bar auf der Toilette. Nein sie hat behauptet sie hätte eine Laufmasche drin gehabt …
Halt, Stopp, die Pinkelstory weiß sie ja gar nicht.
Um uns herum dröhnt die Musik. Gläser klirren, Leute kichern. Ich nehme alles wahr als wäre mein Hörvermögen extrem geschärft, ungefähr so wie bei Wonderwoman, im Gegensatz dazu hab ich aber das Gefühl, dass mein Sehnerv extrem beeinträchtigt ist, ungefähr so wie bei diesem blinden Superhelden.
>> Ich hab mich verliebt …<<
Höre ich Vivien sagen und bin angesichts der Tatsache, dass ein neues Thema vorherrscht, wieder voll dabei.
>> Ja es war liebe auf den ersten Blick. <<
Sie nimmt einen großen Schluck und verdreht die Augen, um zu zeigen, wie intensiv es dieses mal ist.
>> Aber du bist doch mit Edward zusammen? <<
>> Nein, schon seit fast drei tagen nicht mehr. <<
>> Ja und wann hast du …. <<
>> Michael <<, sagt sie strahlend, >> hab ich vorgestern an der Tankstelle kennen gelernt. Er arbeitet dort als – ich weiß nicht genau als was, auf jeden Fall arbeitet er da. Er hat mir geholfen meinen Tankdeckel aufzuschließen, ich weiß ja nie, wie das geht. Na auf jeden Fall hatte er dann gleich Feierabend und hat mich gefragt, ob ich ihn mit nach Hause nehmen könne. <<
>> Das hast du natürlich nicht gemacht, oder? << Fragte Amber ungläubig.
>> Doch, es war doch auf dem weg. <<
>> Ach so. Nicht mit zu dir nach Hause. <<
>> Nein natürlich nicht erwidert sie und verzieht beleidigt den Mund. <<
>> ja und dann …? Fragen wir gleichzeitig und müssen lachen. <<
>> Dann haben wir bei ihm noch eine Tasse Kaffee getrunken. <<
>> Und dann….? <<
>> Nichts und dann…<<
>> Wie nichts und dann…? <<
>> O. k. wir haben uns geknutscht <<
>> Weiter …<< drängt Karen.
>> Und … haben liebe gemacht. <<
Vivien ist die einzige Person, die ich kenne, die ernsthaft „Liebe gemacht“ sagt. Wir sitzen mit offenem Mund da und Vivien sonnt sich in unserer Verblüffung.
Amber ist, die erste die sich wieder einfängt.
>> War – war’s gut? <<
>> Es war der beste Sex meines Lebens, << schwärmt sie.
>> wirklich! Er hat so einen schönen Lümmel. <<
Vivien ist übrigens auch die einzige Person, die ich kenne, die ernsthaft „Lümmel“ zu einem Penis sagt.
>> Es war so gemütlich - und er hat mich gut behandelt. <<
Jetzt ist es an uns die Augen zu verdrehen. „gut behandelt“ ist Viviens Lieblingsbeschreibung für ein harmonisches Zusammensein.
>> Ja aber wieso war der Sex so gut? Was habt ihr gemacht << will Amber wissen.
Wir warten ganz gespannt auf Viviens detaillierte Ausführungen über ihr „Liebe machen“.
Mit wissendem Lächeln raunt sie geheimnisvoll.
>> Er hat keinen hochbekommen - und ihr wisst, was das heißt. <<
>> Nein!!! Kommt es wieder im Chor. <<
>> Das heißt. << Sie seufzt und macht eine lange Bedeutungsschwangere pause.
>> Das heißt – dass er mich liebt. <<
>> Nein dass heißt nicht, dass er dich liebt, das heißt dass er keinen hochbekommen hat kichert Amber. <<
>> Und …<<
Vivien zieht theatralisch ein Stück Papier aus der Tasche.
>> Ich habe ihm einen Brief geschrieben. <<
Blitzschnell reiße ich Ihr den Brief aus der Hand und muss nach dem ersten Satz laut loslachen.
Vivien schaut mich wütend an und will wissen, was so komisch ist.
>> Hast du nicht gesagt der Typ, in den du dich verknallt hast heißt, Michael<<
>> Ja und? <<
>> Warum schreibst du dann Liebster Wulf…<<
>> Ich hab in einem Buch gelesen, dass wenn man einen wirklich schönen Brief schreiben will, soll man den Namen des Liebsten durch einen Namen ersetzen, den man am allerschönsten findet…. Wulf.<<
>> Wulf? Wer um Himmels willen findet Wulf schön?<<
>> Ich finde Wulf sehr schön << und versucht mir den Brief wieder abzunehmen,
Ich lese laut vor:
Liebster Wulf,
Wir kennen uns jetzt schon einen Tag, das war der schönste tag meines Lebens. Du bist so toll. Ich mag dich sehr gerne. Ich habe dich leider nicht mehr erreicht aber wahrscheinlich bist du arg eingespannt bei deiner Arbeit. Nach dieser wunderschönen Zeit, die wir miteinander verbringen durften, brennt eine Frage in mir, die ich dir nun unverblümt stellen möchte. Oh liebster Wulf …
Ich hole kurz Atem und wische mir eine Lachträne aus dem Auge.
…Oh liebster Wulf, werden die Samen der Liebe, die wir sähten, Blüten tragen? Oder werden sie eingehen wie die Pflanzen in deinem Zimmer?
Mein Lachen gleicht eher einem hysterischen Anfall und Vivien schafft es den Brief aus meiner Hand, zu reißen. Vor lauter Lachen könnte ich sowieso nicht weiter lesen. Wir beruhigen uns erst als Enzo an unseren Tisch kommt und uns bittet doch ein bisschen Rücksicht auf die anderen Gäste, zu nehmen.
Vivien packt schweigend den Brief, ihr Handy und ihre Kippen in ihre Tasche, holt Ihre Jacke von der Garderobe und zischt uns beim Rausgehen noch ein.
>> Ihr könnt mich mal << zu.
Eine Weile sitzen wir ohne etwas zu sagen einfach nur da.
Karen bricht das Schweigen, macht eine wegwerfende Handbewegung und sagt:
>> Ach die beruhigt sich schon wieder. Ich muss jetzt sowieso heim ich wollte noch ein bisschen in „Der Prozess“ lesen. Ihr wisst schon von Franz Kaska. <<
Karen und Amber Lachen sich schlapp und beruhigen sich erst wieder als Enzo erneut an den Tisch kommt und um Ruhe bittet.
>>Ich bin sowieso stinksauer, er deutet auf den Eimer, den er in der linken Hand hält. Irgend so eine Dumpfbacke hat ihre Strumpfhose in die Toilette geschmissen und ich durfte den ganzen Scheiß wieder rausholen. <<
Amber und Karen Starren entsetzt auf meine nackten Beine, bevor sie wieder in hysterisches Gegacker ausbrechen.
Jetzt ist es an mir, mich mit einem Deutlichen.
>> Ihr könnt mich mal << zu verabschieden.