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Ein Buch für ein Leben

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16.11.2006
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Ein Buch für ein Leben

Traurig nahm Lena Mamis Tagebuch in die Hand. Diese wenigen Seiten billigen Papiers, in Kunstleder gebunden und völlig ohne Zierde sollten ihr ganzes Leben beinhalten? All die Weisheiten, mit denen Mami so freudig aufgewartet hatte, die Herzlichkeit, die Geborgenheit, die sie in jede neue Wohnung der Tochter in so kurzer Zeit zu zaubern vermochte?
Lena erinnerte sich an Vatis Umzug in die große Stadt, vier Stunden entfernt von zuhause. Vier Stunden nur und doch eine Ewigkeit, Mami und er konnten sich nur an den Wochenenden sehen. Das kleine Mädchen Lena war mit Mami kurz nach Weihnachten hingefahren und hatte geholfen, Vati ein Nest zu bauen. Hatte beiden immer wieder Bilder geschenkt, selbst gemalte und auch Fotos von sich, später Fotos von Mami und Vati, die sie gemacht hatte.
Eine Träne stahl sich ihre Wange hinab, als sie die erste Seite öffnete.
Über ihre eigene Geburt, die Trennung ihrer Eltern, Lenas Heirat und die Geburt der Enkel, schließlich den Tod des Stiefvaters, dem Mami so bald gefolgt war, waren nur Stichworte hastig hingeworfen und mit kurzen Daten versehen. So etwas wie: „Mai 2005: nach einem halben Jahr Überreden zum ersten Mal Museumsmarkt. Jetzt sind wir in der Szene.“ und „April 2006: mein erstes Buch erscheint“ stand da, wie im Nachherein erst notiert. Die jüngeren Einträge, schon in zittriger Altfrauenhandschrift. „20.Juli 2027: Geburt Luisa und Juri, die Zwillingsengel“

Kaum eine Zeile über die heftigen Streits, als sie noch Teenie war, die Traurigkeit, die Lena so manches Mal in den grünen, fältchenumkränzten Augen gesehen hatte, kaum ein Zeichen von Gefühl. Die ungefähre Chronologie von Glück und Trauer, Freude und Niedergeschlagenheit verpackt in nüchterne Fakten. Nur selten und ganz gegen die Gewohnheit, ihr Schicksal in Geschichten zu kleiden, hatte die Mutter einen längeren Satz oder gar einen ganzen Text geschrieben.
Diese Sätze drehten sich meist um Lena selbst, ließen den Mutterstolz zwischen nüchternen Zeilen erahnen („November 2007: Lena ist Vereinsvizemeisterin im Judo. Gut gemacht!“) oder ihre Liebe zu Lenas Stiefvater. Mami und Vati waren sich innig verbunden gewesen.

Als er in Ruhestand ging war Lena längst ausgezogen. Erst nach Heidelberg für ihr Studium, dann nach Belgien zur ersten Arbeitsstätte und schließlich nach Kaluga, wo sie heute lebte und arbeitete, wenn sie nicht gerade über die Kontinente flog. Kurze Telefonate und lange Mails voll von guten Ratschlägen und interessierten Fragen nach ihrem Wohlergehen waren geblieben, eine innige Freundschaft, die Mutter, Stiefvater und Tochter trotz der Entfernung verband. „Zu Ostern kommen wir euch wieder besuchen, meine Maus. Wir freuen uns schon sehr darauf. Was können wir den Kindern denn mitbringen?“
Und irgendwann sah Lena den Schmerz in der Mutter Augen nicht mehr, wenn sie sich am Flughafen von den beiden verabschiedete.

Nun war sie nach Jahren wieder an den Ort gekommen, in dem sie aufgewachsen war. Mami lag seit ein paar Tagen unter der Birke im Friedwald, wie es schon immer ihr Wunsch gewesen war. „Keine Arbeit für meine Kinder und Enkel und doch ein Platz, an den sie gehen können“, hatte sie diese Wahl begründet.
Lenas letzte Aufgabe hier war, den Nachlass durchzusehen, und dabei fiel ihr das Buch in die Hände.
Sie schniefte wieder, machte sich einen Tee und setzte sich in das Esszimmer, das sich in all den Jahren nicht verändert hatte. Die Vitrine mit den Gläsern und dem Geschirr in der Ecke. Das kleine Regal in der zugeschraubten Durchreiche, auf dem Mamis gemütliche Teekanne mit den beiden Tassen stand. Lena hätte es als Frevel gesehen, Mamis oder Vatis Tasse zu benutzen, aber die Kanne stand vor ihr auf dem Stövchen und dampfte duftende, heimelige Teewölkchen in das Sonnenuntergangsrot der kühler werdenden Herbstluft. Mami hatte diese Tage geliebt, die bunten Blätter an den Bäumen, den erdigen, pilzigen Geruch des Waldbodens, über den sie so oft mit Vati spaziert war.
Nein, Mami hatte jeder Jahreszeit etwas Schönes abgewinnen können, korrigierte sich Lena in Gedanken und lächelte, als sie das Buch erneut aufschlug. Sie blätterte die Seiten durch und blieb an einem Text hängen, der sich zwischen den kurzen, datierten Einträgen seltsam ausnahm. Er war zwei Seiten lang und trug keinerlei Datum. Lena begann zu lesen.

Manchmal, wenn meine Welt mal wieder im Schwarz versinken möchte, male ich mir aus was gewesen wäre, wenn ich diesen oder jenen Weg eingeschlagen hätte. Weit ab von meinem jetzigen Leben. Weit ab von den ewig gleichen Tagen im Büro, von der Leere in meinem viel zu großen Haus. Weit ab von dem Schmerz der noch immer nicht verarbeiteten aber vergangenen Ehe, wie auch der langsam schreckliche Routine werdenden allsonntäglichen Trennung.

Angefangen haben diese gedachten Wege, als ich in die Schule kam. Wie so viele andere Mädchen auch wollte ich Ärztin werden, anderen helfen können. Dass ich dafür bessere Noten hätte haben müssen, übersah ich geflissentlich.

Viel wichtiger als die Hausaufgaben in der fünften und sechsten Klasse waren mir meine Instrumentalstunden, der Schulchor, das Schulorchester. Musik bestimmte mein Leben so sehr, dass ich sie studieren wollte. Oboe und Gesang als Hauptfächer, nebenher Gitarre und Klavier. Selbst musizieren mit anderen, wunderschöne Kompositionen schreiben. Mich, wie ich es in den ersten Pubertätsjahren so oft tat, in die Musik versenken können, nur für mich allein spielen und singen oder für ein großes Publikum. Doch Begabung allein reicht für ein solches Studium nicht aus und zum Üben hatte ich erst keine Lust und später keine Zeit mehr.

Wäre ich zum Beispiel Goldschmiedin geworden, wie ich es mir mit der unschlagbaren Überheblichkeit des Teenageralters vorstellte. In einem eigenen kleinen Geschäft neue Schmuckstücke kreieren, edle Metalle bearbeiten, Steine einsetzen. Kundenwünsche in wahre Träume aus Gold, Silber, Platin, Edelsteinen und Perlen verwandeln. Zu den großen Börsen fahren und mit vor das Auge geklemmter Lupe die Reinheit der angebotenen Diamanten schätzen.
Oder bei einem Juwelier im Hinterzimmer sitzen, bei schlechtem Licht Uhrenbatterien tauschen und Eheringe gravieren? Nein, das kam in diesem Traum nicht vor.

Dann die Schauspielerei. Auf der Bühne stehen, mich selbst hinter so vielen verschiedenen Masken verstecken, die Welt Welt sein lassen. Hier konnte ich prahlen und protzen oder leiden und weinen, nie wusste jemand anderer als ich, was echt und was nur gespielt war. In der Theater AG lebte ich das aus, was ich zuhause nur meinem Tagebuch anzuvertrauen wagte.

Kurz vor dem Abitur hatte ich Biologin werden wollen. In England studieren, die beiden Leistungskurse in einem Beruf vereinen. Das jedoch war immer verschwommen, wie die klaren Wellen der weiten, weißen Strände die Korallenriffe darunter verschwimmen lassen. Die scharfen Klippen der Stellenarmut für Biologen zerstörten schließlich die Wellen.

Danach kümmerte mich eher die Natur des Menschen. Aus einer Schulzeit heraus geboren, in der ich die seelische Müllhalde vieler Klassen- und Jahrgangskameraden war, wollte ich entweder als Journalistin über die Fehltritte anderer berichten oder mich ganz im Stillen als Psychologin um ihr Seelenheil kümmern. Von Religion hielt ich auch da schon nicht mehr viel.

Als Schneiderin und später dann Modedesignerin hätte ich die wildesten Kreationen auf die großen Laufstege der Welt gebracht. Angehaucht vom Charme vergangener Jahrhunderte wären meine Modelle in einer modernisierten italienischen Renaissance, den Reifröcken, Korsetts und Schnürmiedern des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts, den dünnen Hemdchen des Empire über die Bretter geschwebt. Königinnen haben keine Beine. Jedenfalls niemals solche, die man sehen kann. Nur das Biedermeier hätte ich ausgelassen, diese hochgeschlossene Gutbürgerlichkeit stößt mich heute noch ab.

Doch ich habe den sicheren Weg gewählt. Keine hochtrabenden Träume, die mich am Hungertuch nagen lassen, stattdessen einen bodenständigen Beruf, der mir das tägliche Brot und die Butter darauf bezahlt. Und Glück hab ich damit gehabt. Ein Kind und eine große Liebe, die mein Leben begleiten, ein Haus mit Garten und ein Auto, das ich mir leisten kann. Hobbys, die mich so manches Wochenende in Atem halten. Liebevolle Freunde, die auch für mich da sind, wenn ich nicht mehr weiter weiß.
Auf der anderen Seite eine gescheiterte Ehe, stetige Gleichförmigkeit, viel zu wenig Zeit und immer öfter Leere. Meine Musik verfolge ich nur noch in den allmontäglichen Chorproben, die Psychologie erschöpft sich in der völlig unzureichenden Erziehung Lenas, die mehr und mehr einem Machtspiel gleicht. Nähen kann ich, aber neue Kleider erfinden? Dafür ist keine Zeit. Und immer wieder die drehenden Gedanken, die Schwärze, die Traurigkeit, die Angst, das Gefühl der Unzulänglichkeit …

Der Text brach ab. Lena weinte bittere Tränen um die Mutter, die ihr meistens so fröhlich und optimistisch erschienen war. Die schwarzen Tage tat Mami nur mit einem „Tut mir Leid, Mausi, mir geht’s heut nicht so gut“, ab.
Sie erinnerte sich daran, dass Mami ihr ab und zu von ihren Berufswünschen erzählt hatte, besonders als sie selbst Tierärztin werden wollte. Neun Jahre alt war sie gewesen und hatte keine Lust auf Rechnen in der Schule gehabt. Mami hatte ihr immer wieder gepredigt, wie viel sie auch als Tierärztin würde rechnen müssen.

Am nächsten Tag fuhr Lena zur Birke hinaus. „Hallo Mami, ich hab dein Tagebuch gelesen. Hätte ich es nicht tun sollen? Doch, ich bin mir sicher, dass du genau das gewollt hast. Weißt du“, Lena setzte sich neben die Birke und lehnte ihren Kopf an den Stamm, „du bist all das gewesen, was du immer hattest sein wollen. All das und mehr. Wenn ich krank war pflegtest du mich wie eine Ärztin. Du kauftest mir ein Lupenglas, damit ich Käfer und Insekten beobachten konnte, du brachtest meine Pflanzen immer wieder durch. Wie oft hab ich mir gewünscht, deinen grünen Daumen geerbt zu haben!

Mein Schultag war stressig, ich hatte Ärger mit Freunden, aber du warst immer für mich da und hörtest mir zu, gabst mir so manchen guten Rat. Erinnerst du dich, was du mir früher immer gesagt hast? Versuch diese Tricks gar nicht erst, ich kenne sie, denn ich hab sie selbst probiert. Wie oft haben Luisa und Juri diesen Satz schon zu hören bekommen.
Deine Erziehungsmethoden mögen nicht gerade die Höhenflüge der Psychologie gewesen sein, du warst oft genug gereizt und genervt und hast mich auch häufig abgekanzelt, als ich noch klein war. Aber du hast mich zu einem starken Menschen gemacht. Und das ist vieles mehr, als so manch einer dieser Manager von sich behaupten kann.

Und die Journalisterei? Wie oft hast du meine Aufsätze korrigiert, hast Artikel für die Schülerzeitung und unser Dorfkäseblättchen geschrieben.
Ein Faschingskostüm oder eine Verkleidung für die Feste des Literaturvereins musstest du nicht kaufen, du machtest sie selbst. Aus Stoffen, die mir immer wieder die Augen übergehen ließen, die Schnitte mindestens abgewandelt, meistens erfandest du sie allein. Selbst die ersten Bühnenkostüme hast du mir genäht!
Schmuck machtest du nicht immer aus edlen Metallen und Steinen sondern auch aus Glas- und Tonperlen. Ohrringe, Broschen, Ketten. Was wir beide brauchten oder haben wollten.

Deine Liebe zur Musik hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Hätte ich nicht schon als kleines Mädchen mit dir singen und spielen dürfen, wäre das nicht mein Beruf.
Geschauspielert hast du dein ganzes Leben lang. Ich hab mit Vati darüber gesprochen, sonst wüsste ich gar nicht, was du alles befürchtet und beweint hast. Wie oft ich dir Kummer bereitete, welche Sorgen du dir um Vati und mich machtest. Du hast mich gelehrt, dass viele andere das eigene Seelenleben nicht im Geringsten interessiert.
Bitte verzeih, dass ich die Angst und den Kummer nie sehen wollte. Ich verstehe sie jetzt, glaub mir.“

Lena legte die weißen Lilien an den Baum und wandte sich schweren und doch leichten Herzens ab. „Bis bald, Mami“, sagte sie, „das schwarze Büchlein hat noch ein paar leere Seiten“.

 

Hallo Tamlin!

Ich weiß nicht so recht ob mir die Geschichte gefallen soll.
Zum einen fand ich es störend, dass die ganze Zeit von einer Mami und einem Vati die Rede war. Anfangs dachte ich, dass die Protagonistin ein Kind ist. Diese Kindersprache finde ich unpassend, sie zieht sich durch den ganzen Text, bis auf die wörtliche Rede am Ende. Das ist so ein krasser Bruch, von der Kindersprache zum allerhöchsten Hochdeutsch. So spricht keiner, unterstelle ich jetzt mal, zumindest nicht bei einem solchen Anlass.

Am nächsten Tag fuhr Lena zur Birke hinaus. „Hallo Mami, ich hab dein Tagebuch gelesen.
Das ist so ein Plauderton. Das klingt als würde sie nach Hause kommen und ihrem Mann sagen, dass sie heute eine alte Freundin getroffen hat. Oder so.

Andererseits, irgendwas schönes ist ja an der Geschichte, bei der Länge hätte ich sie sonst nicht zu Ende gelesen (ist ja nicht übermäßig lang, aber wenn man betrachtet, dass mich die Sprache schon ziemlich gestört hat ...), allerdings lenkt der Erzählton viel zu sehr davon ab. Mich zumindest. Ich würde das überarbeiten und das alles ein bisschen angemessener gestalten.

Liebe Grüße,
apfelstrudel

 

Hej apfelstrudel,
vielen Dank fürs lesen und kritisieren.

Zum einen fand ich es störend, dass die ganze Zeit von einer Mami und einem Vati die Rede war. Anfangs dachte ich, dass die Protagonistin ein Kind ist. Diese Kindersprache finde ich unpassend, sie zieht sich durch den ganzen Text, bis auf die wörtliche Rede am Ende. Das ist so ein krasser Bruch, von der Kindersprache zum allerhöchsten Hochdeutsch. So spricht keiner, unterstelle ich jetzt mal, zumindest nicht bei einem solchen Anlass.

Ich gestehe, hier bin ich von mir selbst ausgegangen. In unserer Familie werden die Kosenamen auch noch nach dem Tod der betreffenden Person benutzt. Und dass mensch zu einem Grab (oder in dem Fall zur Birke im Friedwald) geht, um wirklich und wörtlich mit dem Verstorbenen zu sprechen ist denke ich durchaus normal. Wenigstens mach ich das mit meiner Omi ;);)

Aber dass Du Dich bei der "Kindersprache" nur auf diese beiden Worte stützt ... okay, kann man so interpretieren.

Schaunmermal, ob noch jemand was dazu schreiben möchte, ich würde es eigentlich gern so lassen, um die Verbundenheit zwischen Mutter und Tochter zu zeigen, die sich trotz der Distanz erhalten hat.

Danke noch mal und liebe Grüße
Tamlin

 

Hallo Tamlin,

die sie in jede neue Wohnung der Tochter in so kurzer Zeit zu zaubern vermochte
Das ist kein schöner Satz, in jede/in so kurzer Zeit; und vor allem das „der Tochter“. Er liest sich sehr schlecht.

Zeile über die heftigen Streits
Ich weiß, „Streits“ ist richtig, aber das ist ein Wort, das sich in Deutschland einfach nicht durchgesetzt hat, weil es doof klingt. Streitereien z.B.

Und irgendwann sah Lena den Schmerz in der Mutter Augen nicht mehr,
Das ist eine andere Stilebene, das ist veraltetes Deutsch und passt nicht zum Rest. Unverkrampft würde man sagen: in den Augen der Mutter

und dampfte duftende, heimelige Teewölkchen in das Sonnenuntergangsrot der kühler werdenden Herbstluft.
„Heimelig“ kann man sich sparen, das Szenario erzeugt ja dieses Gefühl, Sonnenuntergangsrot ist ganz schön dick, aber noch okay, aber „kühler werdende Herbstluft“ würgt den Satz ab. Herbstluft einfach, reicht doch. Kühler werdend … wer würde je so was sagen? Wie ist die Herbstluft? Ach, die … die ist kühler werdend.

den erdigen, pilzigen Geruch
Pilzig ist das starke Adjektiv. Dass Waldboden erdig richt … ja, geschenkt. Und außerdem ist das erdig in dem „pilzig“ doch schon mit drin.

wie ich es mir mit der unschlagbaren Überheblichkeit des Teenageralters vorstellte.
Bah, da rollen sich mir die Fußnägel hoch. Unschlagbare Überheblichkeit? Wie kann das unschlagbar sein? Und Teenager-Alter, da knallt Englisch auf Deutsch, solche Wörter sollte man eher meiden und nicht noch gezielt suchen. Und durch solche Konstrukte wird auch alles so abstrakt und unpersönlich. Sowas würde man in einer Diplomarbeit vermuten, so ein Wort, aber doch nicht in einem Tagebuch. Als ich vierzehn war, wollte ich Goldschmiedin werden.

Die scharfen Klippen der Stellenarmut für Biologen zerstörten schließlich die Wellen.
Mal ganz hart: Das ist furchtbar. Mit Gewalt eine völlig aus der Luft gegriffene Allegorie durchziehen, das ist einfach richtig mies. Klar, hier schreibt die Mutti, aber … dann sollte man sich als Autorin eben Personal suchen, das nicht so was schreibt.
Moah scharfe Klippen der Stellenarmut.

Du kauftest mir ein Lupenglas, damit ich Käfer und Insekten beobachten konnte, du brachtest meine Pflanzen immer wieder durch. Wie oft hab ich mir gewünscht, deinen grünen Daumen geerbt zu haben!
Man spricht so nicht. Man bildet nicht das Präteritum, sondern das Perfekt. Du wirst im alltäglichen Leben ein Wort wie „kauftest“ oder „brachtest“ nicht hören, sondern „hast gekauft“ und „hast durchgebracht“. Ehm, deinen grünen Daumen zu haben reicht, das geerbt gibt dem ganzen Satz was Gestelztes.

Am Anfang hat mich extrem gestört, dass Mami, Vati und Stiefvati so durcheinander gingen, ich kenn die Leute ja noch gar nicht und wenn ich dann ständig damit bombardiert werde, dass Leute, die ich noch gar nicht kenne, dies und das gemacht haben, da rauscht es an mir vorbei.
Der Text besteht – für mich – eigentlich fast nur aus dem Erzählrahmen. „Wie erzähle ich von 2 Frauen?“ Das hat glaub ich Arno Geiger in dem einen Roman auch so gemacht, dass da jemand das Tagebuch seiner Vorfahren findet und so ein Bild entsteht. Das Bild entsteht hier nie so richtig von der Mutter, man sieht nur einzelne Bilder und keine zusammenhängende Szenen. Und ein Leben im Zeitraffer beschrieben … was soll mir das als Leser geben? Die Mutter hat dieselben Probleme und Wünsche wie unzählige andere auch. Sie weiß nicht, was sie werden soll, sie hat Angst, dass sie es nicht gebacken kriegt, sie sehnt sich nach Aufregung in ihrem Leben und die Tochter sieht ihre Mutter dann mit anderen Augen.
Das hätte eine stille Geschichte sein können, eine irgendwie intime, dadurch dass du den Leuten keinen Namen gibst, nicht in die Szenen reingehst und alles so ein wenig bieder bleibt, wird die Geschichte überhaupt nicht „intim“, an keiner Stelle. Man liest von einer Frau, von der man das Gefühl hat, so wie sie tickt, ticken Millionen andere. Ich glaube schon, dass du als Autorin ein bestimmtes Bild von der Tochter und der Mutter im Kopf hattest, aber es kommt bei mir nicht an. Das bleibt alles an der Oberfläche und der Stil versucht da an manchen Stellen eine „Tiefe“ hineinzubringen, die der Text inhaltlich nicht rechtfertigen kann.

Gruß
Quinn

 

Und dass mensch zu einem Grab (oder in dem Fall zur Birke im Friedwald) geht, um wirklich und wörtlich mit dem Verstorbenen zu sprechen ist denke ich durchaus normal.
Ja so war das auch gar nicht gemeint. Die Tatsache, dass die dort mit ihrer Mutter spricht hat mich gar nicht gestört, nur die Art und Weise, wie sie das getan hat. Plauderton eben.

 

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