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Ein deutsches Märchen

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29.07.2003
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Ein deutsches Märchen

Es war einmal ein junger Mann. Falsch. Es war einmal ein junger Prinz. Das ist auch nicht ganz richtig. Es war einmal ein Prinz, der noch nie in seinem Leben eine Frau geküsst hatte. Jetzt stimmt es. Der Prinz hatte nichts gegen Frauen, nein, im Gegenteil, er wurde von ihnen sogar sehr angezogen. Er mochte sie, und er kannte sogar viele von ihnen gut. Zudem war der Prinz keineswegs dumm oder hässlich (was damals wie zu jeder Zeit ausschlaggebend für die Anzahl von Lebens(abschnitts)partnern sein dürfte), aber er lebte in einem kleinen abgeschiedenen Dorf, von dem sich heute nicht einmal mehr sagen lässt, in welchem Land oder, der Vollständigkeit halber, in welchem Königreich es sich damals befunden hatte.
Der junge Mann fühlte sich einsam. Weil ihm seine Freunde immer öfter einredeten, dass sein Zustand schrecklich sei, fühlte er sich nicht nur einsam, es war ihm sogar sehr peinlich, alleine zu sein und keine Partnerin zu haben, wie es – so schien es ihm – beinahe allen Männern in seinem Alter, außer ihm selbst, erging. Seine Freunde aber konnten ihm in seiner Not nicht helfen. Also ging der Prinz in den Wald, um die Tiere um Rat zu fragen.

Von der Waldlichtung her konnte der Prinz ein Gespräch belauschen: „Wenn, ... Moment, ich muss anders anfangen. Also, wenn im Wald ein Baum steht, ja?“ „Jo“ „Also, wenn hier ein Baum steht, und der Baum, wenn der Baum dann mal umfällt-“ „Jo“ „Aber wenn keiner da war, der gesehen-“ „Oder gehört“, warf eine dritte Person ein. „Wenn da keiner war, der gesehen oder gehört hat, wie der Baum umgefallen ist – woher weiß man dann, dass es überhaupt passiert ist?“
„Interessante Geschichte“, gab der Gesprächspartner zurück. „Jo, darum sag ich das ja.“

Der Mann trat auf die Lichtung hinaus. Im Gras saßen vier Igel und rauchten einen Joint. Sie schauten zu ihm hinauf und reichten den Glimmstengel herum.
„Hallo“, begrüßte sie der Prinz und weihte sie alsbald sie in sein Problem ein.
„Jo, das ist mal eine Geschichte“, sprach der eine Igel, nachdem der Mann geendet hatte. „So etwas hab ich auch noch nicht gehört“, rief der andere und blies den Rauch in die Luft. „Ich würde dir raten, sie so richtig betrunken zu machen. Das hilft immer“ Dabei grinste er wie benebelt.
Der Mann war nun verwirrt. „Aber dann mögen mich die Frauen ja nicht meinetwegen, sondern weil sie nicht bei Verstand sind ...“
„Jau, das ist ein guter Einwand“, meinte der eine. „Lass uns mal eine Weile drüber nachdenken. Ohne nachzudenken würde es keinen Sinn ergeben, dir einen Rat zu geben, richtig?“ „Richtig“
Die Igel rauchten weiter.

„Wer da?“, quiekte eine Stimme hinter den Büschen. Es raschelte, und dahinter kam ein Schwein zum Vorschwein. Vorschein. „Oh, ein Schwein!“, stieß der Prinz hervor. „Mensch, ich bin doch kein Schwein“, gab das Schwein zurück. „Ich bin ein Eber“ Dabei fletschte es die Zähne und versuchte böse auszusehen. Der Mann lächelte freundlich. Die Igel murmelten weiter so vor sich hin und lachten dazwischen mehrere Male lauthals auf.
„Komm runter, damit ich dir in die Augen schauen kann“, rief das Schwein keck. „Lieber nicht“, erwiderte der junge Prinz. „Ich muss jetzt weiter, mich um mein Problem kümmern.“
„Was hast du denn für ein Problem?“
„Nunja, ich bin auf der Suche nach einer Partnerin. Bisher hat es aber nie geklappt“
„Da bist du bei mir genau an der richtigen Stelle, mein Junge.“, antwortete das Schwein freundlich. „Meine Großmutter – eine gute Frau, Gott hab sie selig, aber den bösen Wolf hatte sie niemals verdient – hat immer gesagt: 'Wenn du bei den Schweinen bist, verhalte dich auch wie eins'.“
„Wie darf ich das verstehen?“
„Du darfst nicht nett sein, verstehst du? Du musst dich wie ein Schwein verhalten. Mach es wie ein Schwein, dann wird es auch klappen“
„Also gut, ich werds versuchen“, beschloss der Prinz, der noch keine Ahnung hatte, wie er diesen Rat umsetzen sollte. „Das kannst du sogar auf alle Lebensbereiche ausdehnen, mein Junge“ Damit verzog sich das Schwein wieder in die Büsche und so kehrte der Mann zu den Igeln zurück.

„Wisst ihr, was mir durch den Kopf geht?“ „Sag an!“ „Wenn wir mal sterben, ja?“ „Hm-hm“ „Wenn wir sterben und niemand erinnert sich an uns – was vielleicht wohl oder übel ein paar Jahre nach dem Ableben eintreten wird -“ „Jau“ „Wenn das passiert, ist es dann wichtig jemals gelebt zu haben?“
„Schwere Frage, muss ich drüber nachdenken ...“

Da wurde der Mann ärgerlich: „Wie sieht es aus, ihr Igel. Habt ihr denn keine Lösung für mein Problem? Oder seid ihr den ganzen Tag nur damit beschäftigt irgendwelche pseudo-philosophischen Fragen abzuwägen?“
„Sehen wir aus als wären wir allwissend, Mensch? Mach es wie es die Igel machen, dann klappt das auch mit der Freundin“
„Wie denn das? Einrollen und abwarten?“
„Mehr-“, und dabei rümpfte der Igel abfällig die Nase „können wir dir auch nicht raten“
Damit schickten sie den jungen Prinzen nach Hause. Niedergeschlagen ließ er sich dort auf das Sofa seines Palastes fallen. Dort schlief er ein und vergaß seine Probleme – und wenn es nur für eine Nacht war.

Was mit ihm geschehen ist weiß keiner so genau, aber wenn ihn niemand vergessen hat, - und das können wir alle nur hoffen - dann lebt er noch heute.

 
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Das ist eine nette Geschichte, die mich stark gerührt hat. Die Stilmittel sind gut gewählt und präzise eingesetzt.

Gruß
c.r.

 

Hallo Yaso,
am Anfang fand ich die Stilmittel noch ganz witzig, aber dann verlor der Text sich in sinnfreiem Geschreibsel. Schade eigentlich. Anfangen konnte ich damit nichts.

gruß
vita
:bounce:

 

Danke c.r., für deine Meinung. Auch dir vita vielen Dank. Schade, dass du so von dem Text denkst, aber jeder hat wahrscheinlich einen anderen Geschmack (Gott sei dank) :)

Liebe Grüße,
Yaso

 

Meine Grüße der Allgemeinheit und Yaso im Speziellen.

Mir gefiel der Text durchaus, er ist gut zu lesen, allerdings fehlt mir etwas zum Ende hin. Es mag das sein was vita mit ihrem Satz "Anfangen konnte ich damit nichts." zum Ausdruck brachte.
Irgendwie finde ich keine konkrete Aussage in dem Text. Der Prinz sucht Rat bei seinem Problem, oder er denkt darüber nach, wie auch immer man das interpretieren würde. Die Igel und das Schwein stellen verschiedene Positionen dar, mit denen er konfrontiert wird, bzw. Positionen, die er im Geiste gegeneinander abwägt.
Zuerst stellen sich die klassischen Märchenstrukturen ein (was durchaus kein Kritikpunkt ist):
Die verschiedenen Ratgeber vertreten verschiedene Extrempositionen.
Generell würde man jetzt noch ein oder zwei weitere Figuren einbauen, die weitere Extrema vertreten, und dann den Prinzen selber daraufkommen lassen, dass ein Mittelweg oder ähnliches die Lösung ist.
Hier aber bricht das nach dem zweiten Ratgeber ab, und der Prinz bleibt untätig, wobei man eine Erkenntnis ganz einfach als analoge Fortführung der Aussage des Schweins konstruieren könnte:
"Wenn du unter Menschen bist, verhalte dich wie ein Mensch."
Das wäre dann die klassische Moral: Sei du selbst, und es wird schon klappen.
Insofern der Text so nicht weitergeht, sondern einfach damit endet, dass der Prinz sich schlafen legt, und die Augen sozusagen vor dem problem verschließt, hätte ich eine Frage:
Bezieht sich das ganze auf die deutsche Mentalität des Kleinbürgertums, die darauf hinausläuft, dass in Anbetracht eines Problems die Lösungen zuerst bei anderen gesucht werden, nämliche dann aber missfallen und man das ganze auf sich beruhen lässt, und wie der Prinz beim Einschlafen "die Augen vor dem Problem verschließt"?
Insofern würde für mich auch der Titel Sinn machen

Hochachtungsvoll
Johannes

 

Hallo Johannes,

die Geschichte scheint - nachdem ich noch ein paar Mal drübergelesen habe - tatsächlich gegen Ende hin abzuflachen. Ich wollte den Protagonisten allerdings zurücklassen, ohne ihn aus dem Erlebnis einen Schluss ziehen zu lassen.

Die Wahrheit ist: Der Prinz ist weder Igel noch Schwein. Daraus könnte man natürlich "Wenn du unter Menschen bist, verhalte dich wie ein Mensch" schließen.

Aber gerade wenn ich ihn diesen Schluss ziehen lasse, geht die Aussage verloren. Der Prinz wusste die ganze Zeit nicht was er tun soll, wieso sollte er es jetzt wissen? Er hat sich zwei Geschichten angehört, den Rat der Igel und den des Schweins. Aber dadurch ist er nicht schlauer.

Ich glaube schon, dass so etwas ein speziell deutsches Problem ist ;).

LG
Yaso

 

Hallo Yaso,

warst ja lange nicht da. ;)

Mir hat deine Geschichte gefallen. Denn das Lamenteo der Männer, die glauben, sie bekommen nur keine Frau, weil sie zu nett sind, weil sie nicht Schwein genug sind, hat schon etwas Komisches, das du in deiner Geschichte, gut eingefangen hast. Woran es dann meistens tatsächlich hapert ist ein langes Kapitel. Das konnte und wollte deine Geschichte sicherlich auch nicht klären. Die Psychologen und Soziologen schreiben bestimmt gerade erst an ihren Abhandlungen. :)
Ich bin aber sicher, dein Märchen ist nicht nur ein deutsches. ;)

es war ihm sogar sehr peinlich alleine zu sein und keine Partnerin zu haben
Tücken der Rechtschreibreform: das Komma vor einem Infinitiv mit zu ist mormalerweise optional, wird der Satz aber mit es eingeleitet, ist es Pflicht. peinlich, alleine ...
Aber dann mögen mich die Frauen ja nicht wegen mir, sondern weil sie nicht bei Verstand sind ...“
schöner Satz. Noch schöner wäre er im richtigen Casus. ;) nicht meinetwegen, sondern ... (wegen mir ist Dativ, meinetwegen Genitiv)

Lieben Gruß, sim

 

Tag sim,

ja du weißt schon, Abi und so :D Es freut mich auf jeden Fall, dass dir der Text gefallen hat. Die Grammatikfehler werd ich gleich mal ausmerzen. Das Komma nach peinlich hatte ich instinktiv gesetzt, beim Korrigieren dann aber rausgenommen ... hmmm :)

 

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