Ein einziger Tag
Es war ein schöner Tag und die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Annalena erwachte und sich mit müden Augen in ihrem Zimmer umsah. Es war nicht groß, doch viele Kleinigkeiten schmückten es aus, an dem Fenster hingen Bilder von Clowns. Eigentlich war Annalena ja schon zu alt für Clowns und doch machte sie diese Bilder nicht ab. Sie waren ein Stück Kindheit und Erinnerungen an ihr Leben. Es klingt schon komisch, wenn man davon spricht, aber Annalena war mit ihren 17 Jahren schon sehr erwachsen. Doch trotzdem blieb sie immer noch Kind, denn wie bei anderen Jugendlichen in ihrem Alter, hingen in dem Zimmer Bilder von Annalena´s Lieblingsband. Und doch war Annalena anders. Langsam drehte sie sich wieder in Richtung Fenster. Sie liebte diese Stille. Sie liebte es einfach nur da zu liegen und zu träumen. Sie wollte nicht daran denken, dass sie in zwei Tagen wieder ins Krankenhaus muss. Sie wollte einfach noch diese beiden Tage genießen. Morgen hatte ihre kleine Schwester Marie Geburtstag. Sie wollte dabei sein und sich genauso freuen wie Marie, dass sie 5 geworden ist. Sie liebte es, wenn ihre Schwester sich so freute, denn dann vergaß sie alles, was passiert war und noch passieren würde. Sicher hatte sie dabei die ganze Zeit im Hinterkopf, dass übermorgen der nächste Block Chemotherapie begann, doch daran wollte sie lieber nicht denken. Langsam setzte sich Annalena auf. Erst jetzt sah man, dass sie kaum noch Haare hatte, aber das störte sie nicht. Sie musste jedoch oft an ihre Freunde denken, wie sie draußen spielen während sie vor Schmerzen gekrümmt im Krankenhaus lag und nichts essen konnte, weil ihr Mund so geschwollen war. Viele Freunde hatte sie seitdem verloren, denn sie wollten einfach nichts mehr mit ihr zu tun haben. Sie dachten, dass Krebs ansteckend sein kann, und diese Gefahr wollten sie nicht auf sich nehmen. Wenn Annalena daran dachte war sie auf der einen Seite sehr traurig auf der anderen Seite musste sie, aber auch lächeln, denn sie dachte immer heut weiß jeder, dass Krebs nicht ansteckend ist. Es gab jedoch auch noch andere Freunde in Annalenas Leben. Sie hielten die ganze Zeit zu ihr besuchten sie im Krankenhaus und waren einfach nur für sie da, wenn sie jemanden zum Reden brauchte. Keinen von ihnen störte es, dass Annalena nicht mehr mit in die Disko konnte. Viele verzichteten selber darauf um bei Annalena sein zu können. Langsam raffte sie sich ganz auf und ließ ihre dünnen Beine über die Bettkante baumeln. Sie schaute sich verschlafen im Zimmer um. Sie wusste, dass sie, wenn sie gleich aufstand, wahrscheinlich wieder zusammenbrechen würde, also blieb sie noch einen Moment sitzen bis sie sich sicher war, es bis in die Küche zu schaffen. Annalena war immer noch sehr geschwächt, aber sie wusste ihre restlichen Kräfte gut einzusetzen. Langsam ging sie in die Küche. Ihre Mutter stand am Herd und bereitete gerade das Mittag zu. Annalena hatte gar nicht auf die Uhr geschaut. Als ihre Mutter sie hörte, drehte sie sich um und wünscht Annalena mit einem Lächeln einen schönen Morgen. Annalena mochte die Stimme ihrer Mutter. Diese Stimme hatte ihr so oft Mut zugesprochen und sie mit Geborgenheit umhüllt. Sie hatte Annalena beruhigt, wenn sie nicht schlafen konnte, und aus ihr sprach einfach so viel Liebe. Annalena liebte ihre Mutter sehr. Ihren Vater hatte sie zwar kennengelernt, aber nachdem sich ihre Eltern kurz nach der Geburt von Marie getrennten hatten, hatte auch er sich nie mehr bei ihnen gemeldet. Nicht mal, als er von ihrer Mutter erfahren hatte, dass Annalena Krebs hatte, meldete er sich bei ihnen. Sie hatte ihn einige Zeit lang gesucht und herausgefunden, dass er bereits wieder verheiratet war und wieder ein Kind hatte. Annalena war das inzwischen egal. Sie wollte ihn gar nicht mehr kennen, denn was war das denn für ein Vater, der sich nicht mal bei seiner schwer kranken Tochter meldet. Viele Dinge waren ihr in der letzten Zeit egal geworden. Es waren meist diese Nebensächlichkeiten, die sie nicht mehr interessierten. Sie erfreute sich inzwischen an ganz anderen Dinge, die normale Menschen als alltäglich empfanden. Sie beobachtete das Ziehen der Wolken, wie Käfer über das Gras hinter dem Haus liefen und nahm die Gerüche des Alltags ganz anders wahr. Es schien, als hätte die Krankheit Annalena total verändert, und vielleicht war es wirklich so. Sie war viel nachdenklicher geworden. Das Leben war in ihren Augen viel mehr wert. Sie dachte oft an den Tod, wie es wohl sein wird, wenn man stirbt, ob man dann große Schmerzen hat. Oft, wenn sie in der Klinik lag, dachte sie darüber nach. In manchen Momenten, wenn die Schmerzen so groß waren, hoffte sie zu sterben um die Schmerzen nicht mehr spüren zu müssen. Annalena hatte aber auch gute Tage, Tage, an denen sie gar nicht mehr daran dachte Krebs zu haben, Tage, wo sie sogar mit ihrer Schwester herumtobte und die beiden Unfug anstellten. Sie spielen dann teilweise sogar Streiche. Es waren diese einfachen Dinge, die Annalena plötzlich so viel Spaß machten. Annalena sah ihre Mutter an und begann zu lächeln: „Guten Morgen Mama“, Annalena freute sich ihre Mutter zu sehen. Sie war so ein liebenswürdiger und wirklich sehr hübscher Mensch. Sie war groß und schlank, hatte braune, freundliche Augen und immer ein Lächeln auf den Lippen. Sie arbeite als Kindergärtnerin und wenn man sie sah und mir ihr zu tun hatte, dachte man wirklich, dass man dieser Frau nichts anhaben kann, dass sie unendlich stark sein muss. Annalena wusste jedoch, dass das nicht so war. Wenn sie zu Hause war und nachts nicht schlafen konnte, hörte sie ihre Mutter oft weinen. Dann ging sie meistens zu ihr um sich neben sie zu legen. Die beiden redeten dann oft noch bis in die Morgenstunden und meistens ging es danach beiden besser und sie schliefen Arm in Arm ein. Annalena schaute sich im Zimmer um überall lagen Maries Spielsachen verteilt. Es war erstaunlich still im Haus, denn normalerweise tobte Marie, sobald sie Annalena sah, freudestrahlend durch das ganze Haus. Annalena fing bei diesem Gedanken an zu lächeln. „Wo ist denn Marie?“ fragte sie ihre Mutter. „ Sie ist draußen im Garten, kein Wunder bei diesem Wetter. Wenn du Lust hast, geh doch mal hinaus schauen was sie gerade macht. Das Essen ist auch bald fertig.“ Langsam erhob sich Annalena wieder. Es war wirklich ein sehr schöner Tag. Der Himmel war blau und die Sonne schien mit einer Wärme, die Annalena einfach nur glücklich machte. Als sie den Garten betrat, kam auch gleich Marie angerannt. Sie spielten dann beide, bis die Mutter sie zum Essen rief. Früher hatte Annalena gerne und viel gegessen, jetzt jedoch waren die Portionen sehr klein. Sie konnte einfach nicht mehr essen. Sie war in den letzten Monaten so abgemagert. Annalena wollte sich immer gerne zum Essen zwingen, aber sie bekam es meistens nicht herunter. Wenn sie grade Chemo hatte, war ihr Mund zu geschwollen um etwas zu essen, wenn sie dann etwas aß war es meistens Schokolade oder andere süße Sachen, denn das war das einzige was sie dann schmeckte. Nach dem Mittagessen, brachte Annalena Marie ins Bett und las ihr noch eine Geschichte vor. Als Marie dann endlich eingeschlafen war, blieb Annalena noch sitzen und betrachtete ihre kleine Schwester. Sie sah so lieb aus. Ihre blonden Locken fielen ihr ins Gesicht. „Wie ein Engel“ dachte sich Annalena immer wieder. Wenn sie so bei Marie saß, betete sie häufig. Sie glaubte nicht an Gott, aber hoffte, dass ihr Gebet erhört wird und Marie und alle Menschen, die sie liebte, nie so krank werden würden. Wenn sie daran dachte, dass Marie diese Schmerzen ertragen müsste, die sie zu Zeit erträgt, stiegen ihr immer wieder Tränen in die Augen. Dann wollte sie Marie einfach nur in den Arm nehmen und sie nicht mehr loslassen. Langsam schlich sich Annalena aus dem Zimmer, immer auf der Hut, dass Marie nicht aufwacht. Obwohl sie noch kaum etwas gemacht hatte an diesem Tag, war sie schon wieder sehr müde. Da es draußen relativ warm war, nahm sich Annalena ihr Kopfkissen und eine Decke und setzte sich auf einen Schaukelstuhl, der unter einem alten Apfelbaum im Garten stand. Sie liebte diesen Platz, denn hier konnte sie einfach entspannen und vor dem Alltag fliehen. Hier merkte sie jeden Windhauch, der ihr über ihr Gesicht strich. Wieder musste Annalena an den Tod denken. Sie hatte gleich am Anfang ihrer Krankheit gesagt, dass sie nicht im Krankenhaus sondern zu Hause sterben möchte. Als sie das zu ihrer Mutter sagte, fing diese an zu weinen. Sie wollte Annalena immer wieder überzeugen, dass sie nicht sterben wird, aber Annalena dachte immer wieder darüber nach. Denn sie wollte sich nicht einreden, dass sie es schaffen wird, wenn immer noch die Gefahr bestand, dass ihre Kraft und ihr Wille nicht reichen würden.. Wie würde es sein? Würde ein Engel kommen und ihre Seele mitnehmen? Würde sie verwehen wie so ein Windhauch? Sie wusste es nicht. Langsam schloss sie die Augen. Als ihre Mutter sie weckte, war es bereits dämmerig geworden und so ging sie langsam ins Haus... Sie setze sich noch zu ihrer Mutter und die beiden sahen sich noch einen Film an. Danach war Annalena dann aber so müde, dass sie ins Bett ging. Sie lag noch eine Weile wach und fiel dann in einen tiefen Schlaf. Am nächsten Morgen wurde Annalena nicht wie sonst von den Sonnenstrahlen geweckt, die sie wachkitzelten, sondern das Lachen von Marie hallte durch das Haus. Annalena hatte so gut geschlafen wie schon lange nicht mehr. Langsam stand sie auf und zog sich an. Als sie nur in Unterwäsche da stand, stellte sie sich vor den Spiegel und betrachtete sich. Wären da nicht die Narben gewesen, hätte man denken können, dass Annalena später einmal Model wird. Sie hatte einen sehr schön geformten und weiblichen Körper. Ohne länger darüber nachzudenken, zog sich Annalena fertig an. Sie schaute sich im Zimmer um. Man sah deutlich, dass Marie dort gewesen war, als sie Nachmittags geschlafen hatte. Überall lagen Sachen und Spielzeug rum. Annalena schmunzelte nur. Sie konnte sich gut vorstellen, dass Maries Neugierde gesiegt hatte und sie unbedingt das finden wollte was Annalena ihr zum Geburtstag schenken würde. Langsam stieg sie auf einen Stuhl um das Geburtstaggeschenk für Marie vom Schrank zu holen, doch als sie auf dem Stuhl stand, wurde ihr so schwindlig, dass sie beschloss ihre Mutter zu fragen. Schon als sie das Zimmer verließ, roch sie, dass ihre Mutter gebacken hatte. Es roch einfach zu lecker. In der Stube angekommen, sah sie eine große Geburtstagtorte, auf der stand „Für Marie zum fünften Geburtstag“. Die Torte war ihrer Mutter wirklich sehr gut gelungen. Eigentlich wollten sie sie ja gestern zusammen backen, aber Annalena hatte einfach nicht die Kraft dazu. Kaum hatte sie die Stube betreten kam auch schon Marie auf sie zugestürzt. „Alles gute zum Geburtstag, meine Prinzessin“ sagt Annalena und Maries Augen strahlten vor Freude. „Hast du auch ein Geschenk für mich?“ fragte sie. „Lass mich nachdenken“ antwortete Annalena und grinste. „Natürlich habe ich das. Ich kann doch meiner Prinzessin nicht nichts zum Geburtstag schenken“ Marie schlang ihre Arme um Annalena und drückte sie ganz fest. „Hauptsache, du bleibst bei mir, das ist das größte Geschenk“, sagte Marie. Annalena stiegen unwillkürlich die Tränen in die Augen. Was sollte sie dazu sagen? Die kleine Schwester wollte eigentlich nur, dass sie Annalena nicht verliert. Ihre Mutter hatte wohl mitbekommen, dass Annalena die Tränen in die Augen stiegen, und so fragte sie „Wo hast du denn nun das Geschenk für unser großes Mädchen?“ Annalena schaute zu ihrer Ma und dankte ihr innerlich, denn sie wollte nicht, dass Marie sieht, wenn Annalena weint. Bei mir auf dem Schrank, aber ich komm nicht ran, weil mir schwindlig wird. Kannst du es bitte holen? Es ist in dem großem Karton.“ Maries lächeln wurde immer breiter. „Da hatte ich nicht nachgeschaut“ sagte sie und sie rannte hinter der Mutter hinterher. Ihre Löckchen sprangen auf und ab. „Wie ein Engel“ dachte sich Annalena wieder einmal. Als ihre Mutter mit dem großen Geschenk auf dem Arm und Marie im Anhang wiederkam, setzten sich die drei auf die Couch und Annalena gab Marie das Paket. Maries Augen wurden immer größer. „Nun mach es schon auf, Prinzessin“, sagte Annalena. Mit ihren kleinen Fingern riss sie das Päckchen auf. In dem Paket waren Sachen für Maries Lieblingspuppe und Süßigkeiten. Marie freute sich sehr. „Ich habe noch was für dich und für Mama“, sagte Annalena. Jetzt schaute ihre Mutter etwas verdutzt, denn eigentlich war es doch Maries Geburtstag. „Was ist es?“ fragte Marie mit großen Augen. Annalena ging in ihr Zimmer und kam mit einem großen Buch wieder. Sie gab es ihrer Mutter und setzte sich wieder Langsam schlug sie es auf und zum Vorschein kamen Bilder von Annalena, Marie und ihrer Ma. Die Bilder waren alle von vor der Krankheit, aber es waren auch viele Bilder dabei wo sie mit Marie drauf ist, wo sie aber eine Perücke trug. Jetzt stiegen ihrer Mutter Tränen in die Augen. Annalena bemerkte das und meinte deshalb zu Marie. „Was hältst du davon, wenn du schnell rüber zu Oma läufst und ihr das Buch zeigst?“ Marie sprang mit dem Buch auf und rannte schnell hinüber zur Oma, die nebenan wohnte. Ihre Mutter war inzwischen in den Garten gegangen. Annalena ging ihr nach. „Ich will nicht, dass du weinst“ sagte sie zur ihrer Ma. „Es tut mir Leid. Ich will nicht weinen, besonders nicht gegenüber Marie, aber das Buch hat einfach zu Tränen gerührt. Annalena, du bist ein großes Mädchen. Bitte versprich mir eins. Kämpfe weiter und gib dich nicht auf. Ich weiß, das hast du schon, aber du kannst es schaffen. Du kannst Annalena, bitte glaub mir das. Bitte kämpfe. Ich weiß nicht wie es weitergehen sollte, wenn du nicht mehr da bist, aber ich weiß, nur wenn du daran glaubst gesund zu werden, kannst du es schaffen. Ich weiß es ist nicht leicht für dich daran zu glauben, aber bitte versuch es wenigstens. Für mich und für Marie. Wir sind eine Familie und wir glauben an dich, also tu du das bitte auch und gib dich nicht einfach auf.“ Annalena wusste nicht was sie sagen sollte. Ihre Mutter hatte ja Recht. Sie musste kämpfen um zu gewinnen, aber irgendwie hatte sie nicht mehr die Kraft. Es war, als würde der Krebs alle Kraft aus ihr heraus saugen. Sie wusste, dass es sich lohnte zu leben. Grade wegen solche Momente wie heute früh. Allein das Lächeln ihrer kleinen Prinzessin und das ihrer Mutter bauten sie wieder auf. Da Annalena nicht so recht wusste, was sie antworten sollte, nahm sie ihre Mutter in den Arm. Sie blieben noch eine Weile eng umschlungen stehen. „Ich liebe dich und ich liebe Marie. Ich werde kämpfen so lange ich kann, aber mich verlassen im Moment die Kräfte. Ich will einfach nur die paar Tage glücklich sein, die ich zu Hause habe. Ja, ich mache mir oft darüber Gedanken wie es ist zu sterben, aber ich denke nicht, dass es soweit kommen wird solange ich eure Unterstützung habe. Ich liebe dich Mama und ich danke dir für alles was du für mich tust.“ Jetzt weinten sie beide. Ihre Mutter küsste sie. „Ich liebe dich auch, mein Engel“, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. „Der Engel steht doch eigentlich Marie zu“ sagte Annalena und lächelte. Nachdem sie sich die Tränen abgewischt hatten, gingen sie wieder ins Haus, denn Marie würde sicher bald wieder kommen. Einige Stunden später, nachdem Annalena und Marie alles für die Party vorbereitet hatten, wurde es laut im Haus, denn 6 Freunde im selben Alter wie Marie machten doch ganz schön Krach. Annalena beschäftigte sich eine ganze Zeit lang mit den Kleinen, spielte mit ihnen im Garten und machte ihnen das Abendbrot. Gegen 19 Uhr war dann auch der letzte verschwunden und Marie lag auch im Bett. Annalena, der es den ganzen Tag ganz gut gegangen war, ging es auf einmal gar nicht mehr so gut, doch sie dachte sich, dass es einfach nur die Anstrengung des Tages gewesen sein muss und die Aufregung wegen morgen. Also ging sie bald ins Bett. Doch sie konnte einfach nicht einschlafen. 3 Stunden später ging sie in das Schlafzimmer zu ihrer Mutter. Sie zitterte wie Espenlaub. Als ihre Mutter ihre Stirn berührte merkte sie, dass sie ganz heiß war. Sofort holte ihre Ma ein Fieberthermometer und stellte fest, dass Annalena fast 40 °C Temperatur hatte. Während der Chemo kam es öfter mal vor, dass sie hohes Fieber bekam, aber nach einer Pause und kurz vor der neuen Chemo fand ihre Mutter das sehr eigenartig. Sie überlegte, was sie machen sollte. Da Annalena ja sowieso morgen ins Krankenhaus musste, dachte sich Annalenas Mutter, dass sie sie wohl lieber gleich hinbringt, denn sicher war sicher. Mit Fieber konnte nicht zu spaßen sein, das wusste auch Annalena. Als sie aufstehen wollte um sich anzuziehen, sank sie wieder zusammen. Ihre Mutter befahl ihr sich hinzulegen. Eigentlich wollten sie ja so ins Krankenhaus, aber so wie es Annalena ging, rief ihre Mutter lieber den Notarzt. Als der dann kam, ging es Annalena noch schlechter als vorher. Ihre Mutter brachte Marie schnell rüber zur Oma, denn sie wollte nicht, dass Marie zusieht, wie Annalena Spritzen bekommt. „Was ist mit Lena?“ hörte Annalena sie aus der Ferne hören. Kurze Zeit später war ihre Mutter wieder da. „ Schläft sie wieder?“ konnte Annalena gerade noch fragen. Dann wurde sie ohnmächtig. Als sie wieder erwachte, war sie bereits im Krankenhaus. Draußen stand die Sonne hoch am Himmel. Ihre Mutter saß neben ihr und hielt ihrer Hand. „Mama“ brachte sie heiser hervor. „Sei still, Kleines. Du musste deine Kraft schonen“ Sie sah, dass ihre Mutter geweint haben muss. „Du hast sehr hohes Fieber“ Gerade als Annalena die Augen wieder schließen wollte, saß sie es vor sich. Ein Engel stand vor ihrem Bett. „Es wird Zeit“, sagte er leise. „Es wird Zeit, dass du gehst. Auf dich wartet etwas Neues. Ein Leben ohne Schmerzen. Glaube mir, es wird nicht weh tun, wenn du gehst. Den Menschen, die dich lieben, wirst du fehlen, aber du kannst immer vom Himmel auf sie niederschauen und wirst immer auf sie aufpassen. Du wirst sehen wie Marie heranwächst. Du wirst weiter in ihrem Leben sein, wenn auch nur als Geist, aber du wirst immer für sie existieren. Glaub mir. Schließe die Augen und komm mit mir auf die Reise.“ Annalena flüsterte leise. „Ich liebe euch, Mama. Bitte vergesst mich nicht.“ „Nein, du wirst nicht sterben, Lena. Hörst du?“ schrie ihre Mutter. Annalena schloss langsam die Augen. „Ich bin bereit zu gehen“, dachte sie. Langsam schloss der Engel seine Flügel um Annalena und nahm ihre Seele mit auf die Reise. Ein langer Piepton erfüllte den Raum. Aus der Ferne hörte sie, wie die Ärzte und Schwestern ins Zimmer gelaufen kamen und sie hörte, wie ihre Mutter weinte. Doch sie wusste, es gab kein Zurück. Sie war endlich frei. Endlich frei von den Schmerzen. Draußen zog sich der Himmel zu und es begann in Strömen zu regnen. Es war, als würde der Himmel bittere Tränen weinen...