- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 4
Ein fast normaler Tag
Wie die Finger von Skellethänden reckten sich die Zweige der Bäume hinauf zu dem klaren, blauen Himmel. Es war kalt und hell hier draußen. „So um die null Grad.“ dachte er sich, als er die Wolke seines Atems betrachtete. Scheinbar ziellos setzte er seinen Weg, an den Skelletbäumen vorbei, fort. Die Häuser auf der anderen Straßenseite starrten, mit ihren leeren, dunklen Fenstern, seine Hände an. Das störte ihn nicht, er ging einfach weiter.
Ein kleines Lächeln machte sich auf seinen Lippen breit, als er sich daran erinnerte, was er heute getan hatte.
Sein Lodenmantel hielt ihn warm, als ein kleiner Windstoß ihm entgegen blies. Seine Kopfhaut war immer noch ein wenig empfindlich und ziepte leicht, als der Wind darüber fuhr.
Die halb offene Gasse, die er gerade durchschritten hatte, führte ihn in die Fußgängerzone. Dort schienen die Passanten nur in ihre eigenen Probleme vertieft zu sein, ansonsten wäre ihnen der stille, lächelnde Mann aufgefallen, der sich alle Paar Schritte, unbewusst, die schmerzenden Rippen hielt.
Er setzte sich an einen kleinen Metalltisch vor einem Café und bestellte sich etwas zu trinken – er wußte nicht einmal was er sich bestellt hatte, bis es vor ihm stand. Es war ein gewöhnlicher Becher Kaffee, schwarz, ohne Milch, ohne Sahne, ohne Zucker, ohne Süßstoff, ganz normal. Trotzdem gab die Kellnerin dem dampfenden Becher Kaffee, der von seinen Händen umschlossen war, einen kurzen, doch eigenartigen Blick. Schnell entfernte sie sich von dem Tisch, an dem er saß.
Er nahm einen Schluck von dem Kaffee und bereute es im selben Moment, denn seine Lippen brannten und er spuckte den Kaffee aus. Als der Schmerz nachließ schaute er an sich hinunter und stellte fest, dass sein Mantel befleckt war. Er nahm eine Serviette um ihn ein wenig zu säubern. Die kleineren Flecken konnte er abtrocknen, allerdings befanden sich noch ein Paar größere Flecken auf der Jacke, die sich nicht entfernen ließen, egal wie sehr er es versuchte. Die Beschäftigung ermüdete ihn und allmählich schmerzte sein Oberkörper merklich. Schließlich gab er auf und wandte sich wieder dem Becher zu, dessen Inhalt er nun behutsam trank.
Der Kaffee schmeckte sonderbar, als ob sich etwas Metallenes darin befand. „Eisen...“ dachte er. Sein Mund war voll von dem Geschmack. Er wurde ihn nicht mehr los.
Plötzlich setzte sich jemand zu ihm. Er sah nicht, wer es war bevor derjenige sprach. Es war ein Mann, etwas jünger als er, unrasiert, ungewaschen und mit vollkommen verdreckte Klamotten am Körper. Er hatte eine Mütze über das fettige Haar gezogen und saß nervös auf dem Stuhl gegenüber. Man konnte erkennen, dass der Mann nicht darauf aus war eine Unterhaltung zu führen, sondern eher hinter seinem nächsten Flasche Korn oder Bier her war.
Der Abhängige, konnte die Beine nicht still halten und summte vor sich hin, bis er fahrig nach etwas Kleingeld fragte. Seine Ambitionen waren klar und er schaute erwartungsvoll den Mann an, zu dem er sich gerade gesetzt hatte.
Dieser schaute seinen Gegenüber erst an, dann sagte er, lächelnd: „Nein, tut mir leid, ich brauche mein Geld selbst.“ Als hätte er den Satz nicht gehört fragte der Abhängiger ein weiteres Mal – dieses Mal setzte er Nachdruck darauf, dass er das Geld nicht für Alkohol benutzen würde, er würde es nicht „versaufen“ meinte er. Doch der lächelnde Mann sagte weiterhin, jetzt allerdings beharrlicher: „Nein, such dir Arbeit, dann kannst du mit dem Geld machen was du willst.“ Enttäuscht ließ der Abhängige seiner Frustration freien Lauf und fuhr den Mann an; er würde nicht verstehen wie schwer es wäre auf der Strasse zu leben.
Nachdenklich nahm der Mann ein Schluck von seinem Kaffee. Als er den Becher absetzte, lächelte er nicht mehr und fragte seinen Gegenüber, gereizt: „Weißt du überhaupt, wie anstrengend es ist Geld zu verdienen? Jeden Tag aufzustehen, jeden Tag dieselben Kollegen zu sehen, die dir jeden Tag, immer auf die selbe Art und Weise, gelogen, einen guten Morgen Wünschen? Kannst du das begreifen? Und jetzt kommst du und willst mir mein Geld nehmen? Mein Geld... Für das ich jeden Tag arbeiten gehe. Das bekommst du nicht, du mieser, kleiner Penner!“ Er nahm einen weiteren Schluck von seinem Kaffee. Der Becher war halb leer und als er ihn von den Lippen nahm, wußte er, wie er dem Menschen gegenüber von ihm, klar machen konnte, dass er sein eigenes Geld verdienen sollte anstatt das von anderen zu stehlen.
Mit einer ruckartigen Bewegung, war der, immer noch heiße und dampfende Kaffee aus dem Becher und spritzte seinem Gegenüber ins Gesicht. Dieser schrie auf und versucht abwehrend davon zu kommen.
Der andere stand erst, dann stand der Mann. Dieser holte aus und schlug dem Abhängigen mit der Faust ins Gesicht. Protestierend rief dieser was dem Mann einfiele, während er rückwärts auf den Boden stolperte.
Ohne zu wissen wie oder warum, holte der Mann plötzlich mit dem leeren Kaffeebecher aus und warf ihn mit all seiner Kraft auf den Kopf des am Boden liegenden. Der Becher zerschellte in ein paar größere Splitter an der Stirn des Abhängigen und hinterließ einen Riss. Das Blut begann an der Stirn hinunter zu laufen und dem Opfer in die Augen. Das Flehen des anderen ignorierend, trat der Mann ihm mehrmals in die Rippen. Er wußte, dass es weder fair oder richtig war, doch es war ihm egal. Er hob den kleinen, Metalltisch an, der nichts zu wiegen schien, drehte ihn mit den Beinen nach oben, und trug ihn zum Kopf seines Gegners, der weiterhin am Boden lag und jammerte. Der Tisch befand sich genau über dem Kopf des Abhängigen, doch er konnte nichts sehen, wegen dem Blut in seinen Augen.
Einige Passanten blieben nun stehen und schauten schockiert zu, niemand tat irgendetwas. Von irgendwo konnte man das Martinshorn eines Streifenwagens hören.
Doch der Mann konnte nur den Tisch in seinen Händen sehen und das Gejammer des dreckigen, anderen hören. Er hielt das Möbelstück an seinen Beinen fest so, dass die Tischplatte, die etwas größer als ein halber Meter war, sich über dem Kopf des Abhängigen befand. Mit einem Stoß flog der Tisch nach unten und brach eine Nase. Der Mann hob den Tisch an und jagte ihn mit noch mehr Kraft wieder nach unten. Dann noch einmal und ein weiteres Mal, immer wieder, bis das Geschrei und Gejammer aufhörte. Er warf den blutigen Tisch von sich – fiel fast auf seinen Stuhl. Sein Magen schmerzte und er betastete seinen Körper unter der Jacke. Die Hand, die hervor kam, war voller Blut. „Das muss der Brieföffner des Chefs gewesen sein.“ Dachte er und fiel vom Stuhl. Ein letztes Mal sah er den hellen und kalten Himmel. Immer schwächer und schwächer wurde er, bis er schließlich los ließ und ging. Im aller letzten Moment sah er noch wie jemand in Uniform sich über ihn beugte. Er spuckte ihm sein Blut ins Gesicht und ließ dann, ein letztes Mal, eine Wolke aus seinem Mund hinaus.