Was ist neu

Ein Freund

Mitglied
Beitritt
22.08.2001
Beiträge
10

Ein Freund

„Guten Morgen Mrs Weingarden ! Furchtbares Wetter heute, nicht wahr.“
Wie jeden Morgen, ausser an Sonn und Feiertagen, wartete Mrs Weingarden schon pünktlich an ihrer Haustüre auf die morgendliche Post, die wie jedesmal von dem selben Postboten gebracht wurde. Er schenkte der alten Frau, die ihre besten Jahre schon längst hinter sich gebracht hatte und nun nur noch ihre letzten Tage in ihrem kleinen Haus in der Franklin-Street 23 verbrachte, ein freundliches Lächeln. Insgeheim fragte er sich schon seit langem was sie überhaupt noch am Leben hielt, denn ausser einer Tochter, die ihr ab und zu schrieb, schien sie niemanden mehr zu haben. Ausser ihrer Katze natürlich, die wie gewöhnlich im Haus auf der Fensterbank sass und sehnsüchtig nach draussen schaute.
Ihr Mann hatte schon vor vielen Jahren das zeitliche gesegnet und ihr ein recht anständiges Erbe hinterlassen, von der sie gut leben konnte. Unter anderem ihr Haus in der Franklin-Street, dass zwar einige Schönheitsreparaturen nötig hatte, aber noch immer gut in Schuss war; jedenfalls im Verhältnis zu den anderen Häusern des Dorfes Castle Stone, die allesamt noch aus Bruchstein gebaut waren und wie Reste aus dem Mittelalter wirkten. Vor hundert Jahren schien sich die Weiterentwicklung wohl mal gedacht zu haben, dieses Englische Dorf zu meiden und sich lohnendere Plätze zu suchen.
„Guten Morgen. Ja, dieses Wetter steckt einem wirklich in den Knochen.“
Der Postbote kramte in seiner Tasche und brachte zwei Briefe zum Vorschein, welche die Alte mit ihren von Arthritis verkrümmten Händen entgegennahm und einen kurzen Blick auf den Absender warf. Der eine stammte von ihrer Tochter und der andere von irgendeinem Staatlichen Unternehmen.
In Gedanken bei ihrer Tochter drehte sie sich um und war im Haus verschwunden, ohne den Briefträger eines weiteren Blickes zu würdigen.

Mit vor Schmerzen verzerrtem Gesicht liess die Alte sich in ihrer kleinen, staubigen Küche nieder und legte die Briefe vor sich auf den Tisch. Dann ergriff sie ein Messer und öffnete den Umschlag des Briefes von ihrer Tochter. Vorsichtig, nahm sie das gefaltete Papier heraus und überflog die Zeilen mit einem Lächeln im Gesicht.
Ja, ihrer Tochter ging es wieder gut, doch sie hatte sehr viel durchmachen müssen. Ihr erster Mann war bei einem Autounfall ums Leben gekommen und ihr zweiter hatte sich zu einem Geldgierigen und Wettsüchtigen Wahnsinnigen entwickelt, der sie beinahe erst in den Ruin getrieben hatte und dann mit einer anderen Frau auf und davon gerannt war. Doch ihre Tochter hatte sich wieder gefangen und sich ein neues Leben aufgebaut.
Vor Wut dachte sie an das Schwein, welches sich erst in das Herz ihrer Tochter eingeschlichen hatte, sie dann ausgenutzt und geschlagen hatte. Und was das Schlimmste war, sie hatte ihm einen Gefallen getan und alle Versicherungen bei ihm abschlossen.
Mrs. Weingarden legte den Brief ihrer Tochter beiseite und um den zweiten zu öffnen.
Ein Gerichtsbeschluss !
Sie erinnerte sich an die Mahnungen, die ihr von ihrer Versicherung zugeschickt worden waren und die sie nie bezahlt hatte, da das letzte Geld was sie besass vor drei Monaten zur Neige gegangen war. Alles nur wegen diesen überteuerten Versicherungen !
Zum Glück hatte sie sich vorher einiges zur Seite gelegt um über die Runden zu kommen, aber ihr Kontostand war tief in die roten Zahlen gerutscht, und wo sollte sie sich auch Geld beschaffen ?
Plötzlich klingelte es an der Türe und sie fuhr erschrocken aus ihren Gedanken. Wer konnte das sein ? Vorsichtig stemmte sie sich in die Höhe, durchquerte die Küche und die Diele und öffnete die Tür.
„Ja, bitte ?“ fragte sie und blickte auf einen etwa fünfzig Jahre alten Mann, der höflich seinen Hut abnahm und sie anlächelte. Mrs. Weingarten stockte der Atem, denn im ersten Moment hatte sie ihn für ihren verstorbenen Ehegatten gehalten, denn die Ähnlichkeit war verflüffend.
„Entschuldigung, Madam. Ich wollte sie nicht erschrecken.“ Sagte er.
„Ist schon gut, sie haben mich nur an jemanden erinnert.“
Der Mann nickte.
„Das geht uns allen ab und zu so. Ich hoffe ich störe sie nicht gerade, aber ich habe gehört, dass sie Finanzielle Sorgen haben ?“
Mrs. Weingardens Blick verdunkelte sich und sie wollte die Türe einfach zuknallen, doch ihr Zorn verflog und eine Woge des Vertrauens schwemmte jegliches Misstrauen hinfort.
Sie bat den Mann herein, erzählte ihm von ihren Problemen und den überteuerten Versicherungen die ihr der Exmann ihrer Tochter aufgeschwatzt hatte. Er hörte ihr zu und versprach ihr, sie von ihren Problemen zu befreien.
„Das mit dem Exmann werde ich erledigen. Wie heisst er eigentlich ?“
„Anrnold Riverstone.“ Antwortete sie.

Arnold Riverstone stieg aus seinem nagelneuem BMW, und schritt die Stufen zu seinem Apartment hinauf, das er sich in der Londoner Innenstadt angemietet hatte. Seine Geschäfte liefen in letzter Zeit recht gut und er konnte mit den Provisionen der Versicherungsgesellschaft für die er arbeitete zufrieden sein. Wäre da nicht seine Wettsucht und seine Exfrau gewesen, hätte er richtig gut leben können. Er rieb sich seine Hände, als er sich in seinem Wohnzimmer auf seiner Couch niederliess. Es war ein guter Tag gewesen, denn er hatte mehrere Lebensversicherungen abgeschlossen. Bei einer Familie sogar eine über zwei Millionen. Die Beiträge waren zwar extrem hoch, aber das war ja nicht sein Problem.
Plötzlich klingelte das Telefon.
„Ja ?“
„Guten Abend, Sir. Ich bin von LH Versicherung und möchte ihnen ein Angebot machen.“
Arnold runzelte die Stirn. Von einer solchen Versicherung hatte er noch nie gehört, und er war ja ein absoluter Fachmann auf dem Gebiet.
„Worum geht es ?“ fragte er.
„Um einen Vertrag. Wir möchten Sie abwerben und bieten ihnen die doppelte Provision.“
Arnold scluckte, dann sagte er : „Wann haben sie Zeit ?“

Eine Woche später....
Arnold Riverstone konnte sein Glück kaum fassen, als er den Vertrag, den er am Vormittag unterzeichnet hatte, noch einmal durchlas. Er hatte ihn nur kurz überflogen und war sofort begeistert gewesen. Die Zahlen waren geradewegs unnormal ! Wie konnte eine Versicherungsgesellschaft solche Provisionen zahlen ?
Ist ja nicht mein Problem, dachte er und sah auf seinen Terminkalender. Morgen hatte er sechs Termine, bei Kunden, die er seit längerem kannte und die mit Bestimmtheit eine weitere Versicherung gebrauchen konnten.
Er griff zum Telefon und rief seine Mutter an, um ihr die gute Nachricht zu sagen. Sie würde stolz auf ihn sein !
Nachdem Gespräch setzte er einen weiteren Namen in den Terminkalender. An siebter Stelle. Seine Mutter war begeistert gewesen und da sie Probleme mit ihrer Kfz-Versicherung hatte, wollte sie bei ihm eine neue abschliessen.
Entspannt setzte er sich vor den Fernseher und liess seine Phantasie spielen...Was er sich jetzt alles würde leisten können...
Noch einmal las er sich den Vertrag durch, liess sich die Zahlen durch den Kopf gehen und erst jetzt entdeckte er das Kleingedruckte, direkt über seiner Unterschrift:

Der Vertragspartner verpflichtet sich der Organisation Luzifers Hell Versicherung, die Seele jedes siebten Kunden der Hölle zu opfern. Kommt der Vertragspartner dieser Verpflichtung nicht nach, muss er selber mit seiner Seele dafür bezahlen.

Fast hätte Arnold aufgelacht, doch obwohl dieser Text lächerlich klang, durchzuckte ihn eine kalte Angst. Jeder siebte Kunde....Er sah noch einmal auf den Terminkalender...seine Mutter !
Was für ein Blödsinn...oder nicht ?

Mrs. Weingarden verstarb eine Woche später an Alterschwäche mit einem Lächeln im Gesicht. Auf ihrem Küchentisch fand man einen geöffneten Briefumschlag, der die Todesanzeige von Arnold Riverstone und ein Schreiben enthielt.
Das Schreiben lautete:

Ich habe das Problem gelöst.
Ihr Freund.

ENDE

 

Jo, ganz nett!
Leider sind noch ein paar Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler drin, solltest Du vielleicht noch mal durchsehen. :)
Die Idee aber fand ich gut. Leider kam der Gruseleffekt nicht ganz rüber. Hätte mich gefreut, wenn der Gewissenskonflikt von dem guten alten Riverstone noch beschrieben worden wäre. :rolleyes:
Und schade fand ich, dass die alte Dame dann so schnell ableben musste...

Grüsse,
Maja.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom