Ein ganz normaler Tag im Mai
Pünktlich um 6 Uhr morgens macht dieses grausame Geräusch, eine Mischung aus pfeifen, rasseln, piepsen und klingeln, der Nachtruhe ein Ende.
Nachdem ich diesem Geräusch mit einem Knopfdruck ein Ende mache, war es wieder mal soweit…ein neuer Tag.
Ein Tag Anfang Mai, eigentlich ein ganz gewöhnlicher Tag, aber schließlich kommt es drauf an, was man daraus macht.
Und ich wollte etwas draus machen, denn dieses Mal, das nehme ich mir ganz fest vor, würden sie mich nicht kleinkriegen und zur Verzweiflung bringen, nein, dieses Mal nicht, dazu war es ein viel zu schöner Tag.
Gut, der Nebel wird sich sicher noch verziehen und der Raureif auf der Autoscheibe lässt sich sicher mit dem Scheibenwischer beseitigen.
Mist, kein Kaffee mehr da und wer hat denn schon wieder das letzte Brot gegessen, aber nein, ich lass mir die Stimmung nicht verderben, trink ich eben eine Tasse Milch und esse eine Scheibe pappiges Knäckebrot mit Käse (müssen sich die Ränder eigentlich nach oben biegen?).
Schnell noch ins Bad und die Spuren der Nacht verschwinden lassen. Diese Streifen auf der Wange waren doch keine Falten? Ach was, über Nacht kann die Haut doch nicht dermaßen Altern, war sicher nur der Abdruck des Kopfkissens, das praktischerweise mit Reißverschluss versehen war, man sah es ganz deutlich an meiner Wange.
Ich versuchte die Backen aufzublasen und mit beiden Händen das Muster von meiner Wange zu reiben, aber was soll’s, ich werde mich schon wieder entfalten.
Noch ein letzter Blick zurück, und schon fällt die Haustür hinter mir ins Schloss.
Puh, kalt ist es, vielleicht sollte ich doch die Jacke…? Ach was, ich mach’s mir gleich muckelig warm, steige in den VW Bus, der der Farbe und der Aufschrift nach erkennen lässt das es sich um ein Taxi handelt.
Nachdem ich die Frontscheibe mit dem Eiskratzer wieder durchschaubar gemacht habe, konnte ich endlich meine Hände aufwärmen, ich setze mich einfach abwechselt mal auf die eine, dann auf die andere Hand, so ein fülliger Hintern kann auch Vorteile haben.
6:40 Uhr, nun aber los, i n 15 Min muss ich die 18 km Landstraße bis zum ersten Halt zurücklegen. Aber da um diese Zeit wenig Verkehr ist, ist das auch problemlos zu schaffen.
Die orangefarbenen Lampen waren schon von weitem zu sehen, Bauarbeiter machen sich auf der rechten Fahrbahnseite breit und sperren großzügig die Straße ab. Das erklärt natürlich den Stau, indem ich seit 5 km stecke.
Nur nicht aufregen, die machen schließlich auch ihre Arbeit…. genau wie ICH, verdammte Algengrütze, muss das jetzt sein? Warum machen die das nicht in den Ferien, nachts oder an Feiertagen? Am besten in den Osterferien, oder in den Nächten von Karfreitag bis Ostermontag?
Gerade fing ich an meine innere Ruhe zu verlieren, da ging es schon weiter, zwar im Schneckentempo, aber es ging voran.
Natürlich, eine fahrbare Ampel darf nicht fehlen, eine feine Sache, besonders wenn sie grün zeigt wenn man’s eilig hat.
Die Rotphase dauert aber nun doch schon ziemlich lange, schon ärgerlich, denn mittlerweile zweifle ich an meiner Pünktlichkeit. Wenn dann noch weit und breit kein Gegenverkehr zu sehen ist, werden aus den realen 3 Min schnell mal gefühlte 15 Min….
Was soll’s, pünktlich bin ich nun eh nicht mehr, nun kommt es auch nicht mehr darauf an.
Mit meinem gewohntem Lächeln und freundlichen Worten sammle ich schließlich meine acht Kinder im Alter von 4 bis 7 Jahren ein.
Die spitzen Bemerkungen einiger Mütter, bezüglich meiner kleinen Verspätung kann mich nicht wirklich ärgern, die haben doch keine Ahnung, die können sich sicher noch 2 Stunden ins Bett legen und ungestört weiterschlafen…schließlich hab ich ja nun ihre unausgeschlafenen Kinder an der Backe.
Mich wundert immer wieder wie kleine Kinder so früh am Morgen schon so laut sein können und natürlich wird jedes kleine Vergehen des Sitznachbarn sofort gepetzt und mit Genugtuung auf die mahnenden Worte von mir gewartet.
Ob nun ein Mittelfinger in der falschen Stellung gehalten wird, ein Fuß ausversehen das Bein des Nebenmannes berührt, oder ein Grinsen zur falschen Zeit, alles muss sofort lautstark geahndet werden. Und wehe ich reagiere nicht sofort auf solche Verfehlungen, dann nimmt ein Drama mit Tränen seinen Lauf.
Erst als ich die Bande wohlbehalten im Sprachheilkindergarten abgebe, ist Zeit zum durchatmen.
Inzwischen ist es 8:15 Uhr und ich freu mich auf einen Kaffee und die bildende Tageszeitung.
Als ich fast zuhause ankomme, bin ich sicher, das es doch noch ein schöner Tag wird, die Sonne kommt langsam, aber sicher raus und blendet mich genau in Augenhöhe. Vor lauter Augen zusammenkneifen und Tränen abwischen, bemerke ich erst gar nicht die rosa Schleifchen und das tiefe Schnaufen aus der hinteren Sitzreihe.
Vor Schreck bremse ich den Bus stärker als gewollt ab, einen Moment später ist auch schon das ungute Geräusch von quietschenden Reifen und das Scheppern eines auffahrenden Autos zu hören.
Der kleine Ruck sorgt dafür, das eine kleine Kindergartentasche mit Lillifee Motiv quer durch den Bus bis vor meine Füße rutscht.
„Sind wir schon daaaaa?“, piepst eine verschlafene Stimme aus der letzten Sitzreihe……