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Ein guter Tag

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23.05.2005
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Ein guter Tag

Er wacht auf und streckt sich. Die Sonne kitzelt ihn in der Nase. Wie schön warm und weich ist doch das Bett, und dann die frisch bezogene Decke, wie eine luftigweiche Wolke senkt sie sich auf ihn.
Im Bett fühlt man sich geborgen, es ist ein schöner Ort.
Doch es gab Tage, da kam er nicht aus dem Bett, da wurde es zur Qual. Alle Knochen spürte er vom langen Liegen. Aber er hatte nicht genug Kraft um aufzustehen. Das Knurren im Magen wurde zu einem Grollen. Die Leere breitete sich aus, doch nur im Magen, sein Kopf schien voll und schwer von all den mächtigen Gedanken. Zu schwer um ihn zu heben. Langsam krochen die traurigschwarzen Gedanken hinunter, von den Windungen im Hirn in den Hals, liessen dort den Knoten anschwellen, von dort in den Magen und breiteten sich aus. Das nagende Hungergefühl wich dem ohnmächtigen Gefühl der Traurigkeit.
Die Decke hatte an diesen Tagen ihre Leichtigkeit verloren, wie tonnenschweres Blei lag sie auf ihm, er fühlte, wie ihr Gewicht ihn niederdrückte, er wollte entfliehen und schaffte es kaum.

Doch dies war früher, heute ist alles anders. Er spürt es mit jeder Faser seines Körpers.
Dieser Tag wird ein guter, denkt er, als er unter der Dusche den Wasserperlen nachsieht, wie sie sich zu einem Strom vereinigen und sich Wirbel drehend in den schwarzen Abfluss stürzen. Heute macht es ihm nichts, er lacht den dunkeln Schlund aus, heute wird er ihn nicht mit hinunter ziehen.
Nach und nach spürt er, wie sich seine Muskeln entspannen, er mag es heiss zu duschen, er dreht den Strahl auf, bis an die Schmerzgrenze, manchmal erträgt er die Hitze kaum. Doch wenn er dann mit dampfender, roter Haut vor dem Spiegel steht, dann lächelt er seinem Spiegelbild zu, so spürt er wenigstens seinen Körper, spürt, wie neue Kräfte entstehen.
Er würde sich gerne rasieren, doch sein elektrisches Gerät ist kaputt, schon seit Tagen, und die Rasierklingen hat er schon lange nicht mehr im Badezimmerschrank. Sylvia hat sie mitgenommen, aus Angst er würde sich etwas antun. Er hatte sie darauf angeschrien, was sie sich nur denke, er würde so etwas nie tun. Er hatte gedacht, wenn er das nur laut genug brüllen würde, dann glaubte er es am Ende auch selbst. Doch Sylvia kannte ihn besser.
Vielleicht war es auch besser so, mit den kurzen stacheligen Bartstoppeln fühlte er sich verwegener und sie verdeckten seine eingefallenen Wangen. Er wusste, dass er eine gewisse Anziehungskraft auf Frauen ausübte. Sylvia hatte ihm einmal gestanden, dass seine dunkle und stille Art sie fasziniert hatte. Sie fühlte sich von ihm angezogen. Als sie dann mit jedem Kleidungsstück, dass sie in seiner Wohnung liess, als hätte sie es vergessen, in seine Welt eindrang und ihn besser kennenlernte, hielt sie es nicht mehr aus.

Mit einem Knall schlägt er die Schranktür zu, das Spiegelglas zittert noch eine Weile. Er weiss, er muss sie vergessen.
Er geht in die Küche, einen starken Kaffee, das braucht er jetzt, er würde Sylvia einfach wegschwemmen, der würzige Geschmack würde seine Gedanken von ihr losreissen fort locken.
Als er die Milch aus dem Kühlschrank nimmt, fällt ihm ein Päckchen aus dem Kühlschrank entgegen, er wirft es achtlos wieder hinein, er weiss sehr gut, was darin liegt. Eigentlich müsste er jeden Tag eine davon nehmen, doch er weigert sich. Es gefällt ihm, wie sie weiss und rund im knisternden Silbermantel strammstehen.

Mit der heissen Kaffeetasse in der Hand setzt er sich auf den Balkon, draussen herrscht reger Verkehr. Die Sonne blendet ihn, er streckt ihr sein Gesicht entgegen, er nimmt ihre Wärme dankbar auf, wenn er sie nur speichern könnte, für die traurigen, einsamen Stunden. Er stellt sich vor, wie er gläserweise Sonnenlicht in den Schrank räumt und ihm die honiggelbe Wärme entgegen strahlt, jedes mal, wenn er ihn aufschliesst. Bei dem Gedanken muss er lachen, zuerst ist es nur ein heiseres Lachen, es hört sich an ,als würde er husten, doch dann sprudelt und quillt es aus ihm hervor. Er hält sich den Bauch, kann kaum damit aufhören. Die Tränen rinnen ihm über die Wangen, sie verfangen sich in den Stoppeln, platzen und nässen seine Haut.

Ja jetzt fühlt er sich gut, er weiss, dass es wieder bergauf geht. Heute wird er sich mit Barbara treffen, er hat sie am Freitag in der Disco kennen gelernt, sie sieht Sylvia in keinster Weise ähnlich und das ist gut so. Mit Barbara wird alles gut, er fühlt sich beschwingt.
Rasch schlüpft er in seine Kleider, plötzlich fühlt er eine Unruhe in ihm, die ihn zur Eile zwingt. Jetzt nur nicht nachdenken, er versucht seine Gedanken zu verscheuchen. Es ist wie früher, als er ein Junge war, als er immer wieder versuchte nicht an den roten Elefanten zu denken und je mehr er sich abmühte, umso mehr drang der Elefant in seine Gedanken und machte es sich dort gemütlich.
Er möchte jetzt nicht an Sylvia denken, auch nicht an Anna, Manuela oder Lea. Eine folgte der andern, als wären sie Perlen auf einer Kette, jede einzigartig, doch dem selben Zweck dienend, sie halfen ihm sich gut zu fühlen, sich aufzuraffen und die nächste Zeit zu überstehen. Er wusste, je besser und froher er sich fühlte, umso tiefer war danach der Abgrund.
Doch das war bisher, mit Barbara würde alles anders, er würde sich ändern, so wie sie es wollte, er würde mit ihr ein normales Leben führen und die dunklen Seite einfach verscheuchen, das würde schon gut gehen, einmal musste doch auch er Glück haben.

Mit einem Schatten auf dem Gesicht verlässt er fluchtartig seine Wohnung.

 

Hallo Patrica,

herzlich Willkommen auf Kurzgeschichten.de!

Ehrlich gesagt war ich anfangs öfters nahe daran aufzuhören. Die Eingangsszenen, das Herausquälen aus dem Bett, hast du zwar schon relativ realistisch beschrieben, insgesamt aber viel zu langatmig, für meinen Geschmack. Grundsätzlich geht es in deiner Geschichte ja darum, einen Mann zu beschreiben, der seine große Liebe verloren hat, anscheinend krank ist und sich nun von einer Frau zur Anderen hangelt, um das Leben überhaupt durchstehen zu können. Da Sylvia jedoch eine sehr zentrale Rolle innerhalb der Geschichte spielt, solltest du ihr auch mehr Bedeutung einräumen. Was fand er an Sylvia so toll? Hier könntest du vielleicht kleine Einblicke in ihr gemeinsames Leben schildern und Sylvia so dem Leser nahe bringen. Ich hätte auch gern über die Krankheit mehr erfahren. Was waren das für Pillen?
Die Hoffnungslosigkeit des Prot. hast du hingegen sehr schön eingefangen. Man konnte sich gut vorstellen, wie er sich durch die Einsamkeit der Tage quält.

Insgesamt hat mir deine Geschichte eher nicht so gefallen. Zum Einen wegen der oben genannten Punkte, zum Anderen, weil du ein sehr altes Thema behandelst und dem eigentlich auch nichts Neues hinzugefügt hast.

LG
Bella

 

Hallo Bella,

Vielen Dank für dein Feedback.

Es war nicht meine Absicht Sylvia in den Vordergrund zu stellen, es sollte keine Liebesgeschichte werden.
Die Frauen in seinem Leben sind wie Eckpunkte, er geht von einer zur anderen, und Sylvia gehört auch zu ihnen.
Ich wollte zum Ausdruck bringen, wie er sich jedes Mal vorspielt, dass es jetzt klappen würde.
Seine Krankheit "Depression", habe ich bewusst nur angedeutet, mit den Stimmungsschwankungen, der Traurigkeit, und seiner Beziehung zu Frauen, um zu zeigen, dass er es selber immer verdrängt.

Welche Änderungsvorschläge hast du mit diesen zusätzlichen Infos?
Wie könnte ich deiner Meinung nach meine Absichten besser zur Geltung bringen und die Schwerpunkte verlagern?
LG
Patricia

 

Hallo Patricia,

ich finde, wenn Sylvia nur eine von vielen ist, dann müsstest du das besser andeuten. Für mich war sie wirklich DIE Frau in seinem Leben, die quasi alles verändert hat. Unter anderem auch deswegen, weil sie sogar die Rasierklingen weggenommen hat, weil sie einen Selbstmord befürchtet hat.
Ich würde deinen Prot. vielleicht etwas anders darstellen - so dass klar wird, dass er sich quasi von Frau zu Frau hangelt, um damit sein mangelndes Selbstwertgefühl zu kompensieren. Sprich: Ich würde nicht mehr von einer Sylvia sprechen, sonder noch eine Anne, Caro, Melanie und Sophie ins Spiel bringen. So in der Art.
Stell ihn vielleicht ein wenig Machomäßig da, als einen, der "aufspricht", wenn er eine Frau an seiner Seite hat und wieder in sein Loch fällt, wenn es wieder nicht geklappt hat. Vielleicht könntest du sogar schreiben, warum es nie klappt?
Ich ahnte schon, dass dein Prot. an Depressionen leidet. Allerdings hätte es auch sein können, dass er eine sehr schlimme Krankheit hat, die bewirkt hat, dass Sylvia ihn verlassen hat - aber ok, da ich Sylvias Rolle falsch gesehen habe, hat sich diese Theorie sowieso erübrigt.

Das waren jetzt nur meine Vorschläge. Natürlich musst du das nicht umsetzen.

LG
Bella

 

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