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Ein letzter klarer Moment

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01.05.2009
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Ein letzter klarer Moment

Ein kleiner Funke schwebte durch den Raum, durch diesen wunderschönen Raum. Langsam begann er zu verblassen, erglühte noch ein letztes Mal, bevor er nur noch Asche war und auf seiner ausgestreckten Hand landete. Von diesem Funken war genauso viel geblieben wie von ihm selbst und vom seinem Glanz und von seinem Ruhm und von seiner Macht.

Er seufzte laut über diesen überaus pathetisch kitschigen Moment, aber das Seufzen war nicht zu hören, zu sehr dröhnte es von draußen unter dem Balkon, vor dessen geöffneter Tür er stand. Er betrachtete die Asche in seiner Hand, nicht wissend ob sie von einem Haus oder einem Menschen stammte, alles brannte schon seit Tagen. Ein wohliger Schauer durchlief seinen Körper. Er dachte an ein prasselndes Kaminfeuer auf seinem Landsitz im Winter. Eng umschlungen mit. Mit. Er drückte die Hand zusammen und die Asche flog davon. Er spürte seine Finger kaum noch, überhaupt hatte er schon so lange nichts mehr gefühlt. Keine Sonne, keine Wärme, keine Liebe. Aber er hatte nichts vergessen, er wusste noch genau wie es sich anfühlt, ohne Bedingungen, ohne Gegenleistungen. Es war nur zu lange her, so lange, dass es für eine Träne nicht mehr reichte.

Wann habe ich es verlernt? Was habe ich dafür bekommen? Ich bin betrogen worden von all diesen Menschen. Ich bin betrogen worden von Gott. Er wurde wütend, sein linker Nasenflügel bewegte sich, eine Ader trat auf seiner hohen Stirn hervor. Er legte sein Jackett ab und tupfte seine Stirn mit einem Taschentuch. Sie sind Schuld, sie haben mich benutzt, weil ihr kleines Leben einen Sinn brauchte. Gott hat mich benutzt, weil er zu feige oder zu gleichgültig war mit seinen Kindern zu sprechen. Aber ich… Ich war immer für sie da. Sie sind wie kleine Schafe, ohne ihren Hirten. Und wer war dieser Hirte? Ich. Ich habe ihnen zugehört, ihnen einen Sinn gegeben. Ohne mich waren sie blind, nicht fähig als eine Einheit zu handeln, sie waren schwach, dumm und hilflos. Ich war ihr Vater, ihre Mutter. Er bemerkte wie er die letzten Worte laut aussprach und nicht mehr nur dachte. Als er sich dabei ertappte musste er wieder lächeln. Er lies sich auf einen großen, lederbezogenen Sessel fallen, den er von jemandem genommen hatte.

Er starrte an die Decke und betrachtete die biblischen Malereien und nahm im Augenwinkel das Glitzern eines silbernen Pokals war. Draußen hörte er ein Kind schreien und es war ihm als ob nur dieses Kind rufen würde und alle anderen würden verstummen, die Feuer löschen, die Waffen niederlegen und lauschen was dieses Kind zu sagen habe. Wenn dieses Kind heute Nacht überlebt, so wird schon morgen seine Zeit gekommen sein, ein neues Kapitel mit neuen Helden. Und so stellte er sich vor, er wäre dieses Kind, dem das Morgen gehören würde, während sein Gestern unterging. Er stellte sich vor, wie er durch die zerstörten Straßen rennen würde, zwischen all die Menschen. Und dann würde er sich einen sicheren Platz suchen, vielleicht im Keller einiger Trümmer. Dort würde er sich im Dunkeln verstecken und sich fest zusammenrollen, würde Weinen um Vater, Mutter und Bruder. Die ganze Nacht würde er da liegen und der Schmerz würde aus ihm heraus gespült, nicht in ihm steckenbleiben und zu Hass wachsen. Und nach einer unglaublich langen Nacht würde die Sonne wieder aufgehen, kein Geräusch läge mehr in der Luft. Kein Schreien, kein Sterben, nur Frieden. Sein Morgen hätte begonnen.

Ein Krachen schreckte ihn aus seinen Träumereien und er blickte instinktiv zum Balkon, doch das Geräusch kam von unten. Er seufzte, wusste er doch genau was dies bedeutete. Er ging zu einem schweren Eichenschrank und öffnete die kunstvoll verzierte Tür. Darin standen sechs Kristallgläser aus einem anderen Land, die er immer sehr gemocht hatte, stellten sie doch ein Symbol für seine. Aber jetzt standen sie für nichts mehr, als er so an dieses andere Land dachte. Er nahm ein Glas in die Hand und betrachtete es, drehte es und hielt es direkt vor seine Augen. In dem Kristall brach sich das flackernde Licht vom Balkon, der verzerrte Raum vor ihm verwandelte sich in ein surreales Gemälde in rotem Schimmer getaucht. Wie das andere Land aus dem diese Gläser stammten. So sieht es also auf der anderen Seite aus dachte er und wusste doch genau, dass er es nicht mal erahnen konnte. Er lies das Glas aus seiner Hand gleiten und die Realität rückte wieder in sein Blickfeld. Während das Glas vor seinen Füssen zersplitterte blickte er in die Augen auf dem Gemälde vor ihm, so klar wie nie zuvor. In diesen Augen war Stolz zu sehen, passend zur aufrecht übertriebenen Haltung und der mit Entschlossenheit, leicht angewinkelten, geballten Faust. Zum erstem mal seit Jahren sah er sich so wie ihn andere sehen sollten. Aber dieses Bild war für ihn immer zu weit weg gewesen, dass er es nie wirklich hat sehen können. Er hatte in diesem Bild immer den schwachen. Nein. Schwach waren. Nicht er. Schwache Leute hätten nicht mit eigener Hand. Aber ganz ehrlich, hätte man ihn nicht festgehalten, wäre dann. Aber. Stärke, ich…

Er merkte wie seine Gedanken abglitten, wie zuvor zu oft. Aber er hatte sich fest vorgenommen, in diesem Augenblick klar zu sein, es sollte ein letzter klarer Moment sein. Sein Moment. Egal was er getan hatte, egal wie ihn die Geschichte sehen würde, egal wie Gott ihn sehen würde, dieser Moment gehörte ihm, ein letzter klarer Moment. Er bückte sich und nahm einige Scherben in die Hand, ballte mit aller Kraft die Faust und endlich spürte er etwas. Blut tropfte auf den unglaublich wertvollen Teppich, der schon immer in diesem Palast gewesen war, noch bevor er hierher kam. Er ging tatsächlich erstmals genauso aufrecht wie auf dem Bild, sein Ziel der Balkon und die Menschen.

Er schloss die Augen und trat heraus auf den Balkon, die letzten blutigen Splitter fielen von seiner Hand ab und funkelten dabei rot. Es tut mir leid, schrie er heraus und konnte die Stimme kaum halten. Ich wollte Euch ein guter Hirte sein. Immer hatte ich nur Euer Wohl im Auge, das Wohl meines geliebten Volkes. Es ist nicht meine Schuld was passiert ist, es hätte nie dazu kommen müssen. Ihr hättet mir auch jetzt noch die Treue halten müssen, ich hätte euch nicht enttäuscht. Aber so wie es jetzt ist. Er verstummte, der Geruch von verbranntem Fleisch drang an seine Nase und ihm wurde Übel. Klarheit? Welche Klarheit? Er trat einen Schritt nach vorne. Er hatte das alles so gut geplant, aber klar war es gar nicht. Er streckte die Arme zu den Seiten aus. Eine große Geste sollte es sein. Noch ein Schritt, er spürte die Mauer des Balkons an seiner Hüfte. Ich. Für Euch. Behaltet. Niemand sah ihn, niemand hörte ihn. Er stand da oben, aber schon längst hatte eine neue Zeit begonnen, der kleine Junge rannte zwischen den Menschen hindurch. Er schloss die Augen und kippte nach vorne, in seinem Magen drehte sich alles.

Dann hörte er hinter sich das Krachen einer Tür. Sie kommen, aber sie werden mich nicht kriegen, er lehnte weiter vor, stellte sich auf die Zehen. Niemand sah ihn. Niemand hörte ihn. Das Morgen war gekommen, sein Gestern vergangen. Menschen hinter ihm stürmten zum Balkon. Ich bin der Hirte. Er kippte nach vorne, als plötzlich eine Hand seine Schulter packte und ruckartig zurückzog. Was macht ihr da? Schnell kommt, bevor Eure Feinde euch finden, Herr. Er blickte sich um. Und begann zu lächeln. Ein letzter klarer Moment. Schon wieder. Vorerst.

 

Hi ChriZ!
Willkommen auf Kg.de!
Wahrscheinlich bin ich nicht die beste Kritikerin, weil ich deine Geschichte nicht durchstiegen habe. Meine Interpretation: Ein Geistesgestörter, hat Gebäude angezündet, um sich an der Welt zu rächen. Er befindet sich in einem der brennenden Gebäude. Vmtl. einem Palast. Am Ende wird er rausgeholt. Vielleicht kannst du mir ja sagen, ob ich richtig liege.

bevor er nur noch Asche war und auf seiner ausgestreckten Hand landete
Hier ist der Bezug für mich nicht ganz klar.
aber das Seufzen war nicht zu hören, zu sehr dröhnte es von draußen unter dem Balkon,
Ich würd es hier nicht so allgemein lassen, sondern sagen für wen es nicht zu hören war. Dann könnte ich mir den Geräuschpegel besser vorstellen. Vllt. "nicht mal für ihn selber zu hören" oder so etwas.
Er starrte an die Decke und betrachtete die biblischen Malereien
Ich fände persönlich hier Details oder Assoziationen toll, aber nur meine Meinung.
stellten sie doch ein Symbol für seine
Ist da vielleicht ein Wort verloren gegangen, oder ist das Absicht?
Er lies das Glas aus seiner
Ließ von Lassen nicht von Lesen! kommt glaub ich noch mehrmals vor.
und konnte die Stimme kaum halten
Ich kann mir unter Stimme halten nicht direkt was vorstellen.
Insgesamt denke ich bräuchte deine Geschichte noch etwas mehr Atmosphäre. Aber mir hat sie eigentlich gefallen.
Sonnige Grüße
Cathy

 

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