Mitglied
- Beitritt
- 01.09.2007
- Beiträge
- 7
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 2
Ein merkwürdiges Fortbewegungsmittel
Sie sitzen in ihren Sesseln und machen es sich darin so bequem wie möglich.
Die Sessel sind zwar schon etwas älter, aber sie sind aus reinen Samt und in einen schönen Rot, so dass jeder gerne in ihnen sitzen möchte.
Louise und Liselotte, zwei Geschwister sitzen in diesen Sesseln.
Sie sind bei ihrer Mutter zum Kaffeetrinken eingeladen.
Louise und Liselotte sind schon in den 40ern und deren Mutter ist deshalb schon eine alte Frau.
Um den Sesseln herum toben zwei putzmuntere Mädchen, namens Nicole und Tanja.
Sie sind die Töchter von Louise und Liselotte.
Nicole ist die Tochter von Louise und Tanja die von Liselotte.
Sie hecken einen Plan aus und lachen.
Louise und Liselotte unterhalten sich währenddessen ruhig mit ihrer Mutter, bis es ihnen zu viel wird und sie die beiden Mädchen in ein anderes Zimmer zum Spielen baten.
Diese Bitte befolgten die zwei Mädchen aber nur eine kurze Zeit und schon waren sie wieder im Wohnzimmer und tobten um die Sessel herum.
„Nicole! Bitte! Geh nebenan spielen!“, bat Louise ihre Tochter. Doch die beiden Mädchen, beide 10 Jahre alt, kicherten weiter und wollten nicht in ein anderes Zimmer spielen.
„Ja, kommt geht nebenan spielen!“, bat nun auch Liselotte, aber anstatt auf die beiden zu hören, krallten sich plötzlich Nicole und Tanja Louises Sessel und versuchten sie damit durch die Stube zu rollen.
Die beiden schafften es den Sessel ein wenig auf den Rollen durch die Gegen zu schieben und etwas zu drehen, so dass Louise Angstzustände bekam. „HALT! HÖRT SOFORT AUF DAMIT!“, schrie Louise „Ihr wisst doch, dass ich nicht schwindelfrei bin!“
Louise bekam grosse Augen und der Schweiß stand ihr schon im Gesicht. Doch die beiden Mädchen amüsierten sich prächtig.
Obwohl sie den Sessel nur ein wenig drehten, anhebten und durch die Stube fuhren, schrie Louise so laut sie konnte. „Oh, Kinder! Mein Teppich! Passt auf meinen schönen Teppich auf!“, rief die Oma, doch die Gören hörten nicht auf ihre Oma!
Erst als Louise richtig sauer wurde, hörten die beiden auf und entschuldigten sich bei Louise.
Als die beiden Mädchen ein weiteres Mal mit zum Kaffeetrinken kommen mussten, hielten sie sich an die Abmachung auf ein anderes Zimmer zu gehen und dort zu spielen.
Sie kamen ja auch bei der Oma nicht zu kurz, sie bekamen dort Kuchen und Kakao und durften von ihren Freundinnen und über ihr Pferde-Hobby erzählen.
Doch manchmal möchte man eben auch einmal seine Ruhe haben und deshalb möchte man halt, dass die Töchter einige Zeit miteinander spielen. Doch Nicole und Tanja wollen nicht alleine spielen, weil sie zu gerne bei ihren Müttern sein wollen.
„Ich mache ein Vorschlag! Wenn ihr beide jetzt schön lieb seit und nebenan ohne uns miteinander spielen geht, gehen wir nachher auch ein Eis essen!“, hieß Louises Zauber-Methode um die beiden nach nebenan verbannen zu können. „Au ja!“, riefen beide im Chor.
„Malt doch zusammen mal ein Bild!“, schlug Liselotte vor. „Genau!“, Louise „Malt mal ein Bild davon, wie ich auf ein schönes Pony sitze!“
Die beiden Mädchen waren einverstanden mit dieser Idee und ließen sich von ihrer Oma ein Blatt Papier und Stifte holen.
Danach verzogen sich beide auf das Zimmer.
Wenig später kamen sie wieder ins Wohnzimmer und Louise war froh, dass sie einmal mit ihrer Mutter und Schwester für sich sein konnte.
„Na, was habt ihr beide denn schönes gemalt?“, fragte Louise und freute sich.
Die beiden Mädchen hielten ihr Bild hoch.
Louise dachte natürlich, dass die beiden das vorgeschlagene Bild gemalt hätten, aber es war etwas anders ...
Auf den Bild sass Louise nämlich nicht auf ein Pferd, sondern auf den Sessel!
„Warum habt ihr mich denn nur auf den Sessel gemalt?“, fragte Louise.
„Ich hab ja Nicole gesagt, sie soll ein Pferd malen, aber weil sie sagte, dass ihr das zu schwer sei, hat sie eben nur den Sessel gemalt!“, antwortete Tanja.
„Tanja hat dich gemalt und ich den Sessel!“, antwortete Nicole.
„Ist ein besonderer Sessel!“, sagte Tanja.
„Was ist denn an den Sessel so besonderes?“, fragte Louise.
„Der bringt dich überall hin! Zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Eisessen! ÜBERALL!“, erklärte Nicole.
„NICHT SCHON WIEDER!“, sagte Louise genervt und schüttelte den Kopf.
„Ist besser als Auto und macht auch die Welt nicht so kaputt!“, sagte Tanja.
„Ihr habt eine blühende Fantasie!“, sagte die Oma.
„Ist es denn ein Wunder? Es sind Kinder!“, sagte Liselotte.
Nach den Besuch gingen Louise, Liselotte und die Kinder wie versprochen ein Eis essen.
Als die Vier aber ein weiteres Mal bei ihrer Oma zum Kaffeetrinken eingeladen waren, passierte etwas, womit die gar nicht gerechnet hatten.
Wie jedes Mal bekamen alle erst einmal von ihrer Oma ein Stück Kuchen und Kakao oder Kaffee. Danach unterhielten sich alle miteinander, bis Nicole und Tanja in ein anderes Zimmer zum Spielen verwiesen wurden.
Diesmal verlief auch alles sehr harmonisch ab, fast unheimlich harmonisch. Die Kinder gehorchten und ärgerten ihre Mütter diesmal nicht.
Im Nebenzimmer spielten die beiden ganz still und unaufdringlich Mau-Mau und blieben lange auf diesen Zimmer.
Doch dann plötzlich zu einem nicht vorausgesehenen Zeitpunkt und mitten im Erwachsenen-Gespräch, passierte es! ...
Sie unterhielten sich gerade über Reisen und darunter wo sie mit den Auto überall hinfahren, über die hohen Spritkosten, über die Abgase und die Umwelt, bis Louise ganz ruhig und ohne zu ahnen, was danach passieren wird, sagte „Ja, mein Mann benutzt auch viel zu oft unser Auto! Strecken die ich mit dem Rad fahre, fährt er noch mit dem Auto, die man eigentlich auch zu Fuss gehen könnte! Wir haben einen Einkaufsladen direkt bei uns um die Ecke. Das ist nicht weit. Meist bist du zu Fuss schneller da als mit dem Auto, denn wenn du erst einmal ein Parkplatz gefunden hast ...
Und mit der Arbeit genau das Selbe!
Das Stückchen kannst du mit dem Rad fahren, doch mein Mann der fährt mit den Auto überall hin: Zum Einkaufen, zur Arbeit, überall!“
Kaum hatte Louise diesen Satz zu Ende gesprochen, war sie plötzlich wie nichts, aus dem Wohnzimmer verschwunden. Als hätte sie sich in Luft aufgelöst.
Noch so gerade konnten Liselotte und ihre Mutter einen lauten Schrei hören und als die Kinder aus ihren Zimmer lugten, sahen sie noch so gerade, wie da Louise auf ihren Sessel durch den Flur entlangfuhr!
Der Sessel auf dem Louise sass, durchbrach die Wohnungstür, rollte die Treppe hinunter, durchbrach die Haustür und die vier Zurückgebliebenen sahen, aus dem Fenster, wie Louise kreischend auf den Sessel die Straße hinunterfuhr.
Der Sessel hatte sich verselbstständigt!
Die Mädchen bekamen Schuldgefühle und erschreckten sich zutiefst. Ihre Schwester brach in Panik aus und die Oma fiel in Ohnmacht.
„Oh mein Gott!“, rief Nicole. „Was machen wir denn jetzt?“
„Das ist doch alles nur deine Schuld!“, wimmerte Tanja „Du hast den Sessel gezeichnet!“
Louise raste mit riesiger Geschwindigkeit durch die Stadt und durch Einkaufsläden und stattete ihren Mann auf der Arbeit einen Besuch ab!
Der Sessel der nicht aufzuhalten war, rollte Treppen rauf und wieder runter, fuhr auf Dächern und sprang, wie ein Fahrstuhl von den Dächern wieder runter.
Der Sessel verursachte Verkehrsunfälle, sorgte bei einigen Leuten für Verwirrung und war beliebt bei Fotografen.
Louise aber, fand das gar nicht lustig, sondern war schweißgebadet und krallte sich am Sessel fest.
Der Sessel drehte sich ab und zu auch mal, fuhr auf die Autobahn und wenn der Sessel an einen Freizeitpark angekommen war, fuhr er auch mal ein paar Runden Achterbahn, oder Loopingbahn mit!
Der Sessel rollte auch durch Möbelgeschäfte und Autoläden und weil der Sessel zu schnell fuhr, wurde er auch meistens geblitzt und von der Polizei verfolgt, doch der Sessel war durch nichts und niemanden aufzuhalten!
In totalster Panik beschlossen die Vier deshalb nun die Feuerwehr zu alarmieren.
Als diese wenige Minuten später eingetroffen war, erzählten die Vier ihnen aufgeregt ihre unglaubliche Geschichte.
„Schnell, Sie müssten uns helfen! Unsere Tante ist mit den Sessel weggefahren!“, erklärte Tanja.
Die Feuerwehrleute lachten.
„Aber es stimmt! Er ist durch nichts aufzuhalten und nicht mal die Polizei kann ihn aufhalten!“, erklärte Nicole.
Die Feuerwehrleute lachten nun noch mehr.
„Ihr habt eine blühende Fantasie!“, lachte einer der Feuerwehrmänner.
Nicole war beleidigt.
„Aber es stimmt tatsächlich!“, rechtfertigt sich Liselotte: „Es stimmt was die Mädchen sagen!“
Die Feuerwehrleute waren vor lauter Lachen nicht mehr ein zu kriegen.
„Auf so einen Schwachsinn fallen wir doch nicht hinein!“, lachte einer der Feuerwehrmänner.
Doch kaum hatte er diesen Satz ausgesprochen und die Feuerwehrmänner lagen schon vor lauter Lachen halb am Boden, fuhr plötzlich Louise auf ihren Sessel an ihnen vorbei und schrie: „Aaaah!“
Die Feuerwehrleute hörten sofort auf zu lachen und erkannten nun, dass es sich tatsächlich um keinen Spaß handelte.
„So! Reicht das als Beweis?“, fuhr Liselotte die Feuerwehrmänner an, doch die riefen „Los hinterher! Verfolgen wir den Sessel!“
Die Feuerwehrmänner nahmen die Vier zu sich aufs Feuerwehrauto und fuhren sofort den Sessel nach.
Louise fuhr auf die Autobahn und raste in höchster Geschwindigkeit auf einen Stau zu.
Nun war es höchste Zeit sich etwas einfallen zu lassen. Wie bekommen die Vier Louise bloß von den Sessel hinunter?
Während Liselotte und die Mädchen nun fieberhaft nach einer Lösung suchten, fiel die Oma währenddessen erneut in Ohnmacht.
„Es bleibt uns nur die eine Lösung!“, meinte einer der Feuerwehrmänner „Sie muss springen!“
„Springen?“, erschrak Liselotte „Bei dieser Geschwindigkeit?“
„Uns bleibt nix anderes übrig!“, sagte der Feuerwehrmann.
„Das wird sie nicht schaffen!“, rief Liselotte verzweifelt.
„Gibt es denn wirklich gar nix was den Sessel aufhalten kann?“, fragte der Feuerwehrmann.
Die beiden Mädchen schüttelten im Chor mit den Kopf.
„Wirklich gar nix!“, sagte Nicole.
„Aber die kann doch jetzt nicht bis an ihr Lebensende mit ´nen Sessel durch die Gegen fahren!“, rief der Feuerwehrmann.
„Doch! Denn der fährt überall hin!“, erklärte Tanja.
„Wie überall?“, fragte sich der Feuerwehrmann verwundert.
Plötzlich wurde der Feuerwehrmann aber von Liselotte unterbrochen: „OH MEIN GOTT! Seht doch! Sie rast direkt auf einen Stau zu!“
Die Mädchen erschreckten sich zutiefst.
„WO ÜBERALL?“, fragte der Feuerwehrmann nun noch einmal lauter als das Mal zuvor.
Während Liselotte aus dem Fenster um ihre Schwester bangte, antwortete Nicole „Der fährt überall hin! Zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Eisessen! ÜBERALL!“
In diesen Augenblick drehte sich Liselotte um und sagte „Nun ist es passiert! Ich kann bloß jetzt die letzte Sekunde einfach nicht sehen, in der nun meine Schwester stirbt!“
Die Mädchen begannen zu weinen.
Der Feuerwehrmann blinzelte vorsichtig aus dem Fenster.
Und das sah er, als er das Stauende und Louise auf dem Sessel sah:
Sie war nicht tot!
Sie stand mit dem Sessel, wie alle anderen Autos, im Stau, die Augen zugekniffen, die Beine angezogen und die Hände an der Lehne festgekrallt!
Als der Feuerwehrmann den Vieren diese gute Nachricht überbrachte, fiel ihnen ein Stein vom Herzen und sie waren erleichtert.
Die Vier stiegen mit den Feuerwehrleuten gemeinsam aus.
Immer noch hatte Louise die Augen zugekniffen, die Beine angezogen und die Hände an der Lehne festgekrallt.
Alle versammelten sich um den Sessel und Nicole rief „Mama! Es ist vorbei!“
Schon öffnete Louise die Augen.
„Du kannst wieder aufstehen! Es passiert dir nix mehr!“, erklärte Liselotte.
Noch etwas steif und vorsichtig versuchte sich Louise aus ihrer Haltung zu lösen, aus Angst der Sessel würde wohl gleich wieder wegrollen, doch schon bemerkte sie bald, dass sie wieder ungestört aufstehen konnte.
„Tschuldigung!“, sagte Nicole beschämt zu ihrer Mutter.
Louise aber streichelte Nicole durchs Haar und sagte „Jetzt ist es ja endlich vorbei!“
Bald waren Louise, Liselotte und die Mädchen erneut zum Kaffeetrinken zu ihrer Oma eingeladen.
Sie bekamen Kuchen, Kakao oder Kaffee und unterhielten sich.
Die Oma setzte sich im Wohnzimmer aufs Sofa, Liselotte auf einen der zwei Sessel und die Kinder tobten im Zimmer herum.
„Louise möchtest du dich denn nicht setzen?“, fragte die Oma, als sie sah, dass Louise die ganze Zeit nur im Wohnzimmer herum stand.
„Nein, ich stehe lieber!“, gab Louise zu verstehen.
„Aber der Sessel der war dir doch schon immer sehr angenehm! Es war dein Lieblingssessel und ...“, sagte die Oma „Die Zeiten ändern sich!“, sagte Louise und machte ein Schritt zur Seite.
Schon war Louise schreiend aus dem Wohnzimmer verschwunden!
„Oh, Nicole!“, schimpfte Liselotte.
„Was hab ich jetzt denn schon wieder gemacht?“, rief Nicole.
„Das weißt du ganz genau:
Musst du deine Rollschuhe denn immer mitten im Weg stehen lassen?“ ...