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Ein Säuferleben

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06.11.2006
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Ein Säuferleben

Der Dieb In Meinem Schrank

Eines Tages stand ich auf, früh um fünf wie jeden Tag, schlurfte mit verklebten Augen ins Badezimmer und lauschte auf dem Weg dem Geräusch von Füßen auf Linoleum. Wie immer war dies der längste und schwerste Weg des Tages, denn erst dort genehmigte ich mir meinen ersten Drink. Ich knipste das Licht an und blickte schüchtern in den Spiegel. Schlimm. Nach einem Schluck aus der Pulle war es schon besser und die Guten-Morgen-Prozedur verlief mal wieder wie in Trance: Zähneputzen, noch ein Schluck (diesmal aber vom Mundwässerchen), Rasierschaum, Klinge, Aftershave (nur im ordinären Zweck verwendet) und so weiter. Ich ließ gerade etwas kaltes Wasser über meine roten Säuferhände laufen, als mir ein dumpfes Klappern zu Ohren kam. 'Die Katze!' dachte ich und massierte meine tauben Finger.
Einige Schlückchen und Minuten später stand ich in der Küche und da kam mir in etwa folgender Gedanke: 'Die Katze ist doch vor zwei Jahren davongelaufen, an Weihnachten oder so. Als die Emma grad weg war. Hat die Emma ganz schön lieb gehabt, die Katze.' Einige Sekunden nichts, dann: 'Wie komm ich eigentlich auf die Katze?'
Ich zuckte die Achseln und warf den Toaster an. Als ich den Küchenschrank über der Spüle öffnete um nach einem Glas mit Marmelade zu suchen, da entfuhr mir ein Schrei des Entsetzens. Ich sprang rückwärts auf den zweiten Stuhl am Esstisch, doch da ich weder eine Frau noch gute Freunde hatte blieb er meistens leer und war wohl auf die plötzliche Belastung nicht vorbereitet. Ein Krachen wie ein alter Knochen und für einen Augenblick schien meine Küche tatsächlich mit 30 Kilometern pro Sekunde durchs Weltall zu rasen, mit mir selbst als starren Fixpunkt und Beobachter. Dann saß ich am Boden, keine 30 Kilometer später, mit Schmerzen am Steiß und weit aufgerissenen Augen und starrte in den Küchenschrank.
"Keine Panik," murmelte der Dieb und blinzelte freundlich hinter seiner schwarzen Sturmhaube hervor.
"Wie..." (ich suchte nach den Worten) "...kommen Sie in meinen Schrank?"
Nach einem zögerlichen Räuspern - er musterte mich wie ein Stück Schmuck, bei dem man nicht genau weiß ob es echt ist - begann er voller Stolz: "Ich habe einen Tunnel gegraben, bin durch ihn hindurch in eine Bank geraten, habe dem Tresorraum Geld und Sinn genommen und bin auf der Flucht - ich weiß nicht wie - in deinen Schrank gekommen."
"Aha." Ich war völlig perplex, und dass im selben Moment zwei Scheiben krossen Weißbrots aus dem Toaster sprangen, half mir auch nicht wirklich weiter.
"Hab auf einen Mann geschossen, hab ihn an der Stirn getroffen, hatte grüne Kleidung an, war wohl ein Gendarm der Mann."
Langsam stand ich auf, als wäre ich eine Pflanze im stetigen Wachstum, ging hinüber zu meinem verbliebenen Küchenstuhl und setzte mich. Vorsichtig, denn dieser Morgen schien mir unberechenbar. Ein Dieb, ein rundes, dunkles Mondgesicht. Und unförmig im Ganzen, denn da mein Küchenschrank zwei Türen hatte, konnte der Körper höchstens gleichgroß sein, nicht aber größer als sein Kopf. Über die rein physikalische Unmöglichkeit dieser Tatsache dachte ich noch gar nicht nach und trotzdem kam es mir ein wenig seltsam vor.
Ich sah auf die Uhr neben dem Schrank. Es war halb Sechs und ich musste zur Arbeit. Deshalb beschloss ich, den Kerl hinauszuwerfen: "Na gut, Herr Dieb..." begann ich im autoritären Slang meines Vorarbeiters, doch weiter sollte ich nicht kommen.
"Lässt du mich in deinem Schranke leben, werd ich dir 'nen Anteil meiner Beute geben," und an seinem Kopf vorbei, mehr sah man von ihm sowieso nicht, flog ein Bündel Geldscheine im hohen Bogen durch den Raum, gab dem ganzen tristen Umfeld etwas Farbe und landete direkt in meinem Schoß. "Und das ist noch nicht alles..."
Wow, was für ein Bündel! Schwer und mächtig lag es da: Hunderter, glänzend, seidig, wie frisch aus der Presse. Und als ich von dem Bündel aufsah, dorthin, wo früher Marmelade war, kam ich mir vor wie Alice unterm Baum der Grinsekatze und meine Küche war das Wunderland.
"Was ist, Alice, ziehst du mit?"


Ich bin mir heute nicht mehr sicher, ob er das wirklich gesagt hatte, doch das Geld war mehr wert als meine komplette Wohnungseinrichtung und so sagte ich zu: "Mein guter Freund, ich muss jetzt los. Die Arbeit ruft. Fühl dich wie zu Hause. Der Fernseher steht im Wohnzimmer, zu Essen gibt's im Kühlschrank, Schnaps steht überall. Ein Schluck auf dich," und weg war ich.
Auf dem Nachhauseweg, als der Tag zu Ende ging, kaufte ich ein Glas Marmelade, Zucker, Mehl und Kaffeefilter und was sonst noch so im Schrank über der Spüle war. Und ich kaufte nur das Beste vom Besten, denn genug Geld hatte ich ja nun. Ich hatte mir den ganzen Tag über Gedanken gemacht, glaubte manchmal, ich verliere den Verstand, und musste mich immer wieder vergewissern, dass der Bündel Scheine noch in meiner Tasche lag. Als Beweis, sozusagen. Wenn meine Finger ihn berührten wurde ich wieder ruhig und ein Lächeln huschte über mein sonst so hoffnungsloses Antlitz.
Am Abend saß ich dann bei einem Tässchen Cognac in der Küche. Ich trank den Cognac übrigens immer aus dem selben Tässchen, aus dem ich schon als Kind meinen Kakao gesüffelt hatte. Die Zeitung von gestern lag auf dem Küchentisch, ordentlich gefaltet, ebenso eine Schachtel Streichhölzer, Drehtabak und genau in der Mitte, im Zentrum des doch eher bescheidenen Lichtkegels der Lampe: zwei Stapel Hunderter. Den einen hatte ich den Tag über mit mir herumgetragen und es fehlten schon drei Scheine. (Drei von fünfzig, noch viertausend und siebenhundert Mark!) Der zweite hatte in der Spüle gelegen, als ich nach Hause kam.
So ging das nun die ganze Woche. Der Dieb ließ sich nur selten blicken, und wenn, dann blieben unsere Gespräche kurz. Jeden Tag beschenkte er mich, und so viel ich auch ausgab, die Menge an Scheinen, die ich hinter meinem Schrank im Schlafzimmer bunkerte, wuchs und wuchs. Manchmal hörte ich ihn schnarchen wenn ich in der Küche saß, bei Cognac, Lachs und Kaviar. Am Wochenende ging ich abends aus, was ich lange nicht mehr getan hatte. Ich hatte Spaß und lernte Frauen kennen. Bei vielen von ihnen schien es, als hätten sie ihr Leben lang auf meinen Schwanz gewartet; sie küssten, leckten und massierten ihn und ich bespritzte sie mit Wein aus der Champagne.
So hätte es gerne mit mir weiter gehen können, doch eines Tages kam ich von der Arbeit nach Hause und es lag kein Bündel in der Spüle. Es lag auch keines neben, unter oder hinter ihr, und als ich die gesamte Küche abgesucht hatte, da kam mir die Idee: Er hatte es vergessen, der Dieb, mein Untermieter.
Erbost stand ich vor meinem Küchenschrank, ging dann jedoch zeitig ins Bett, denn es war Mittwoch und ich musste am Donnerstag früh raus. Fünf Uhr, wie jeden Tag.
Als am nächsten Abend wieder kein Bündel in und vor und neben meiner Spüle lag, da wurde ich nervös und ging mit einem leichten Zittern ins Bett. Und obwohl ich mir die halbe Flasche Cognac in den Rachen geschüttet hatte, abends am Küchentisch, schlief ich unruhig. Ich wachte mehrmals auf des nachts, schwitzte wie ein Nilpferd in der Sauna und als ich es nicht mehr ertragen konnte rannte ich in die Küche, stellte mich vor meinen Küchenschrank und riss beide Türen auf.
Der Schrank war leer. Ich meine, er war wirklich leer. Es fehlte nicht nur der Dieb, es gab auch keine Spur von seinem sonstigen Inhalt, Himbeermarmelade, Kaffeefilter und so weiter. Der große Schock war mir ein Tässchen Cognac wert.
Nach dem Cognac kam die Wut: Ich raste wie ein Irrer durch die Wohnung, saufend und randalierend, vernichtete den Küchenschrank zuallererst, dann mein Schlafzimmer, den Flur, das Bad, auch drei Flaschen Schampus vielen mir zum Opfer und der Regen peitschte durch kaputte Fenster. Irgendwann muss ich gegen eine Wand gelaufen sein, denn ich erwachte im Flur, in einer Lache Blut und mit furchtbaren Schmerzen. Gerädert, geteert und gefedert. Gevierteilt. Mit einem Block Granit am Bein weit unten in der Themse.
Ich hatte mich gerade aufgerichtet, mit dem Elan eines toten Elefanten, als die Polizei die Tür eintrat.
"Im Küchenschrank! Er war im Küchenschrank," rief ich, doch es nützte nichts. Sie packten mich so wie ich war, legten mir Handschellen um meine tauben Gelenke und so schreibe ich diese Zeilen nun in einer stinkenden Gefängniszelle irgendwo im Ruhrgebiet, als verurteilter Dieb und Polizistenmörder. Doch ich sage Euch, ich bin unschuldig, er hat tatsächlich in meinem Schrank gelebt, der Dieb, das Mondgesicht, die Grinsekatze!
Er hat mich gelinkt!

 

Hi Dominic,

"Der Dieb in meinem Schrank" würde mir als titel wesentlich besser gefallen als "Ein Säuferleben", denn letztlich erzählt die Geschichte das. Auch etwas plakative Hinweise auf den Alkoholismus deines Prot finde ich manchmal ärgerlich. Sie nehmen der Geschichte die etwas absurde Leichtigkeit. Außerdem reicht es, wenn er ständig von seinen Schlückchen erzählt, da sind die "roten Säuferhände" zum Beispiel eine Spur zu dick aufgetragen.
Einige Fehler sind noch im Text, wie etwa "des nachts", das groß geschrieben werden müsste.

Aber unabhängig von diesen Mäkeleien hat mir die Geschichte als ganzes gefallen. Ich würde sie nur eher in Seltsam platzieren, auch wenn es sich für deinen Prot sicherlich um Alltag handelt.

Lieben Gruß, sim

 

Die Idee wäre lohnend für eine weitere Überarbeitung, Aber in sich ist der Text schwach und weitschweifig formuliert, zu viele Rechtschreibfehler, solche Sachen wie " Bespritzen, wie mit Wein aus der Champagne" sind einfach nur ärgerlich, und mindern die Leselust erheblich. Mit der Brechstange komisch sein wollen funktioniert nicht, wie das lebende beispiel Ingo Appelt immer wieder plakativ vor Augen führt.
Vielleicht gelingt es dir, das ganze etwas feinsinniger, hinterhältiger zu gestalten, vielleicht auch noch ein wenig böser im Humor und den Dialogen, dann kann es was werden, so ist es für mich noch nicht das, was es sein sollte, als es entstand... beim Schreiben immer daran denken, dass das ganze ein rauschhaftes Erlebnis sein soll, also schreib es genau so... atemloser...
Lord

 

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