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Ein Schlag ins Gesicht

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25.03.2007
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Ein Schlag ins Gesicht

“Das war ein beschissener Witz”, sagte Stefanie, als sie durch die kühle Herbstnacht gingen.
Christian zuckte mit den Schultern, bevor er wieder lachen musste.
Mathias stimmte in das Gelächter mit ein und versuchte Christian zu verteidigen: “Also ich halte den Witz für einen Evergreen. Wer kann den wissen, dass die Kellnerin keinen Spaß versteht?”
“Wenn du dich zurückgehalten hättest, könnten wir noch im Warmen sitzen, anstatt durch die halbe Stadt zu laufen.”
Christian entgegnete Gelassen: “In der Milchbar haben sie eh die besseren Getränke. Und das Gesicht von der Kellnerin, war einfach unbezahlbar.”
Eine weitere Lachsalve. Stefanie, eben noch tadelnd, viel auch mit ein.
Die Drei gingen durch die nassen Straßen von Merlnfurt und lachten oft. Eigentlich war es ungewöhnlich sie alle so harmonisch zu sehen. Mathias und Stefanie waren ein Paar. Christian konnte Mathias nicht leiden, nur der Humor verband sie diese Nacht. Und der Humor war nur ein dünnes Band.
In einer Nebenstraße der Kleinstadt fuhr ein 3er BMW an ihnen vorbei und stellte sich quer über die Straße. Steffi und Mathias fielen in erschrockenes Schweigen. Christian wunderte sich über diese extreme Variante des Falschparkens, doch das Schweigen seiner Begleiter ließ ihn wachsam werden.
Aus dem Wagen stieg ein Mann aus. Er hatte die typische Türsteherstatur und er baute sich vor seinem Auto auf, als ob er eine Straßensperre errichten würde.
Chris stand zwei Meter vor dem Fremden, als er merkte, dass Steffi und Mathias ein gutes Stück hinter ihm blieben.
“Ich sollte zwar eine andere holen, aber wenn ich schon Marvens Liebling finde ...”
Der Kerl mit der Türsteherstatur hob die Hände zu einer dankenden Geste um seine Rede zu vollenden.
Christian war das Lachen ebenso vergangen, wie den anderen Beiden. Er wusste nicht wovon der Kerl redete, doch er ahnte, dass er seinen Kampfstil einer neuerlichen Probe unterziehen könnte. Er entwickelte einen eigenen Kampstil. Harte, gezielte Schläge und Griffe, die Knochen und Gelenke barsten ließen, machten Christians Art des Kampfes zu einer vernichtenden Waffe, welche er nur im Notfall einsetzte. Er war niemand der Streit suchte, doch wenn man ihm eine Portion anbot, nahm er sie dankend an.
“Ich weiß nicht was du willst, aber ich bitte dich, uns aus dem Weg zu gehen.”
“Ich will die Kleine für meinen Boss holen.”
Der Fremde zeigte dabei auf die zarte Gestalt von Stefanie.
Christian lächelte und drehte sich um. Da fiel ihm das Lächeln aus dem Gesicht. Steffi und Mathias blickten erniedrigt zu Boden. Er konnte sich nur über Mathias aufregen.
Ich erledige seine Aufgabe. Eigentlich müsste er seine Freundin vor solchen Typen bewahren.
“Ich hab immer noch keine Ahnung was hier gespielt wird, doch ich glaube nicht, dass sie mit dir gehen will.”
Der Zornige ging zwei Schritte auf seinen potentiellen Gegner zu. Dieser trat auf Armlänge an ihn heran.
“Es geht hier aber nicht nach wollen”, sagte er mit aggressiven Ton.
Stefanie sah wie sich unter der Kleidung von Chris die Muskeln spannten. Die Waffe war entsichert und geladen.
“Lass gut sein.”
Christian konnte nicht glauben was er hörte und als er das Grinsen auf dem Gesicht des Türstehertypen sah, fühlte er sich rat- und hilflos. Er sah immer noch den Fremden an und hatte die Hände zu Fäusten geballt, während er hörte, dass Steffi langsam in seine Richtung kam.
Es war hilflose Wut, die in ihm pulsierte. Doch dann gab es einen kurzen Lichtblick. Im vorbeigehen strich Steffi über seine Schulter. Diese Geste, so nutzlos und verzweifelt, war der Lichtblick für Chris. Für einen flüchtigen Moment war sein Zorn verflogen. Unter der Berührung ihrer Hand, wurde er ruhig.
Doch ein solcher Augenblick war selten von Dauer. Als er die Wärme ihrer Hand nicht mehr spüren konnte, war er sich wieder der Situation bewusst. Stefanie stieg wiederwillig zu jemanden ins Auto. Es machte den Eindruck, als ob sie diesen Gang schon mehr als einmal antreten musste.
Als sie auf der Rückbank saß und der BMW losfuhr, wusste Christian nicht, wann er sich zuletzt so nutzlos vorgekommen war.
Er wollte Antworten.
Er würde sie sich holen.
Mathias stand noch immer an seinem Platz und stierte zu Boden. Als er aufblickte, sah er Chris aufgeregt und wild gestikulierend auf sich zukommen.
“Was war DAS gerade?!”
Mathias stammelte herum. Die unzusammenhängenden Fetzen einer Erklärung, trieben Chris zur Weißglut. Er wiederholte seine Frage und verlieh ihr Nachdruck indem er Mathias am Kragen packte. Er ließ ihn fast augenblicklich wieder los, und Mathias begann zu reden.
“Steffi muss Schulden begleichen.”
Seine Hände waren wieder zu Fäusten geballt und er schnaubte vor Wut. Mathias wollte die Situation aufklären.
“Ich hatte Geldprobleme. Da hab ich mir Geld geliehen, von der falschen Person. Als ich einmal nicht zurückzahlen konnte, stand er bei uns in der Wohnung, zusammen mit zwei Schlägertypen. Da hat er Stefanie gesehen. Den Rest kannst du dir wahrscheinlich denken.”
“Ich will es hören”, sagte er, so ruhig wie nur möglich. Mathias atmete tief durch, bevor er das Offensichtliche schilderte.
“Dreimal im Monat muss sie eine Nacht bei ihm verbringen. Normalerweise gibt er uns ein, zwei Tage vorher Bescheid. Diesmal jedoch nicht.”
Christian stapfte schnaubend im Kreis, während er seine nächsten Fragen bellte:
“Seit wann? Wie lange?”
Mathias seufzte.
“Seit April. Bis zum Juli noch.”
Der wütende Mann rannte nun fast im Kreis. Er machte ständig den Mund auf und drohte Mathias mit dem Zeigefinger. Doch das Talent, sich zu artikulieren, hatte ihn wohl gerade verlassen.
Mathias sah ihm ein paar Minuten zu, dann machte er den Mund auf um etwas zu sagen. Doch das Wort wurde ihm abgeschnitten.
Christian hatte nur gesehen wie sein Gegenüber den Mund aufgemacht hatte, da hatte er seine Faust schon im Gesicht von Mathias versenkt. Chris spürte, wie unter seinen Knöcheln, das Nasenbein von Mathias nachgab und sich warmes Blut auf seiner Hand ausbreitete.
Es war nicht halb so erfüllend, wie er gedacht hatte - Falsche Person, zu weicher Schlag.
Mathias ging zu Boden.
Christian fand wieder Worte.
“Weil du nicht mit Geld umgehen kannst, ist Steffi eine Hure?!”
Mathias wimmerte nur beim Anblick des durchtrainierten jungen Mannes, welcher sich über ihm aufbaute. Es kostete alle Willenskraft von Chris, den feigen Kerl unter ihm nicht totzuschlagen.
Er ging zwei Schritte zurück und stieß einen langen Schrei in die Nacht hinaus. Mathias gefror das Blut in den Adern. Der Blick von Christian war erschreckend klar, als er sich zu Mathias kniete und seine Hand nahm.
Er hatte Angst.
Vollkommen zurecht.
“Wo ist sie jetzt?”
“Was hast du vor?”
Der rechte Zeigefinger wurde ruckartig so verdreht, dass er auf dem Handrücken lag. Mathias schrie vor Schmerzen.
“Du hast noch neun andere Finger. Und glaub bloß nicht, dass wäre das einzige was ich dir brechen könnte.”
“Ich weiß es nicht”, sagte Mathias heulend.
“Deine Freundin lässt sich seit einem halben Jahr von einem Möchtegern-Vito-Corleone ficken, damit du nicht zusammengeschlagen wirst. Und du willst mir erzählen, dass du nicht weißt wo sie ist?”
Der Mittelfinger verabschiedete sich mit einem Knack und Mathias schrie erneut.
Er begann zu weinen und als Christian seinen Ringfinger nahm, antwortete er:
“Im Talgrund.”
“Du meinst die Gärten?”
Mathias nickte, während ihm Tränen übers Gesicht rannen. Chris erhob sich langsam. Er glaubte ihm. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging er weg von Mathias und ließ ihn seine Schmerzen genießen.

Auf seinem Weg zum Busbahnhof atmete Chris schwer und kämpfte gegen den Drang an, irgendetwas zu zerstören, um seiner Wut freien Lauf zu lassen.
Neben den sechs Haltestationen, war ein kleiner Parkplatz auf dem fünf Taxen standen. Der Rasende trat an einen beigen Mercedes heran, in dem ein Taxifahrer eine Zeitung las.
Er klopfte an das Fenster und der Fahrer ließ die Scheibe herab. Ein Mann in den Vierzigern sah Christian fragend an. Sein dichter Oberlippenbart und der dicke Bauch, ließen ihn irgendwie zutraulich aussehen.
“Ich muss in den Talgrund.”
Obwohl Christian sich alle Mühe gab, ruhig und höflich zu klingen, schaffte er es nicht. Der Taxifahrer antwortete in einem herzlichen Ton, als wäre er ein Wirt in einer gemütlichen Dorfschenke: “Dann steigen sie mal ein, junger Mann:”
Während der Fahrt, die etwa eine viertel Stunde dauerte, wurde er immer ruhiger. Es war als ob der unbändige Zorn, einen Kompromiss mit seinem Denken geschlossen hätte.
Als sie die Gartensiedlung erreichten, wurde der Fahrer angewiesen, ihn aussteigen zu lassen.
“Das macht 17,50 €.”
Chris gab ihm einen Zwanziger und stieg aus. Der Fahrer bedankte sich für das Trinkgeld und fuhr wieder zum Busbahnhof.
Christian stand allein in der Hauptstraße der Siedlung. Von ihr zweigten viele Nebenstraßen ab, die sich alle ähnelten. Kleine Gärten, in denen verschiedene Blumen, Büsche, Hecken und Zwergzüchtungen von Bäumen angepflanzt wurden. Im Sommer war es sicherlich ein schöner Anblick, doch um diese Jahreszeit, war es nur trostlos. In jeden Garten stand eine Laube oder ein Pavillon.
Er ging entschlossen die Straße entlang und blickte in jede Abzweigung, auf der Suche nach dem BMW, in den Steffi einsteigen musste. Als er fast die gesamte Siedlung durchkämmt hatte, glaubte er, von Mathias in die Irre geführt worden zu sein. Immerhin lohnte es sich für ihn. Seine Freundin musste diesen kleinen Gangster über sich ergehen lassen und er war in ein paar Monaten schuldenfrei.
Als er schon überlegte, noch einmal mit Mathias zu reden, erblickte er das Fahrzeug in der vorletzten Seitenstraße. Ohne zu zögern ging er auf das Grundstück, vor dem das Auto parkte, zu.
Christian blickte auf einen ungepflegten Garten. Ungemähter Rasen, laublose Sträucher und ein zugewucherter Weg aus Terrakottaplatten. Begrenzt wurde er durch einen Metallzaun, der etwa einen Meter hoch war. In der Mitte des Grundstücks, stand eine Gartenlaube mit Veranda.
Er ging langsam auf das Gebäude zu, aus dem etwas Licht schien. Er war kein bisschen aufgeregt. Zwar wusste er nicht was ihn erwartete, doch er wusste was er wollte. Er probierte den Türdrücker und zu seiner Freude, war sie nicht verschlossen. So lautlos wie möglich, betrat er die Laube.

Er fand sich in einem kurzen Flur wieder. Er war etwa einen Meter breit und ein Stück weiter links fiel Licht hinein. Direkt vor ihm hingen an der Wand Kleidungsstücke. Er zählte zwei Jacken und Steffis Mantel. Chris nahm sich den schwarzen Schal aus einem Ärmel des Mantels und schlich sich an den Raum heran, aus dem das Licht kam.
Es war ein offener Durchgang. Christian presste sich an die Wand und spähte in den Raum. Er war nicht viel größer als ein Wartezimmer beim Arzt und auf der gegenüberliegenden Seite, sass der Mann, welcher Stefanie abgeholt hatte. Er blätterte in einer Zeitschrift. An dem Titelblatt konnte Chris erkennen, dass sie für Erwachsene bestimmt war und nicht zu den Hochglanzmagazinen gehörte.
Zwei Meter.
Zwei Meter trennten Christian von dem Türsteher, den es zu überwinden galt. Er steckte sich den Schal in den Gürtel und machte sich daran, sich so lautlos wie möglich anzunähern, um seinen Gegner schnell zu überwinden.
Marvens Wächter blätterte um. Dann fing er an zu meckern.
“Scheiß Artikel! Weniger Text, mehr Fo...”
Während er sprach, sah er, dass sich irgendetwas bewegte. Als er aufblickte starrte er Christian an, der wegen seiner Entdeckung in der Bewegung erstarrte.
Der Wächter warf seine Zeitschrift weg, sprang hoch und wollte den Eindringling mit einem rechten Haken treffen. Es war ein langsamer und unbeholfener Schlag. Chris trat einen Schritt zurück und packte seinen Gegner am Handgelenk. Christian verdrehte den Arm so, dass er Druck auf die Schulter ausübte und seinen Gegner zwang, den Rücken zu
krümmen. Dann trat er ihm in die Kniekehle und der Wächter sackte zusammen, er stöhnte vor Schmerzen. Chris trat an den kauernden Körper heran und mit der freien linken Hand, schlug er mit voller Kraft auf das Schulterblatt.
Mit einem bizarren ‘Plopp’ sprang der Oberarm aus dem Gelenk und als Chris den Arm losließ, hing er verdreht am Körper herab. Der Wächter schrie vor Schmerzen und Zorn. Er schnellte hoch und versuchte Christian mit der Linken anzugreifen.
Doch auch diese Attacke konnte er abfangen. Chris drehte den Arm und zwang seinen Gegner ihm den Rücken zuzuwenden. Dann wechselte er seinen Griff und packte ihn an Ober- und Unterarm.
Chris kniete sich mit dem linken Bein hin, dann ließ er den Arm, den er im Griff hatte, auf seinen Oberschenkel herunter schnellen.
Der Ellenbogen zerbrach wie ein trockener Ast.
Der Türsteher schrie auf, im selben Moment wurde mit dem Schal geknebelt, sodass er nur noch vor sich hin wimmern konnte.
Der Zorn war befriedigt.
Christian ging zur Tür, hinter der Marven und Stefanie waren. Als er vor ihr stand, trat er sie mit einem kraftvollen Tritt auf. Das Schloss zerbrach mit einem metallischen Klirren und Chris sah den Hauptraum der Laube.
Es war der größte Raum in dem Gebäude. Ein riesiges rundes Bett nahm ihn fast völlig ein, nur ein paar Stühle hatten noch Platz. Gedämpftes Licht und ruhige Musik erfüllten den Raum.
Auf dem Bett wurde Steffi von hinten genommen. Sie waren so ausgerichtet, dass sie in Richtung Tür blickten. Steffi hatte noch immer die Augen geschlossen und verdrückte sich die Tränen. Hinter ihr hörte Marven mit seinen Bemühungen auf und gaffte ungläubig den Fremden an. Sein Gesicht erinnerte Christian, dermaßen an das einer Ratte, dass nur noch Details wie Fell und Nagezähne fehlten, um es komplett zu machen.
“Raus aus der Frau. Raus aus dem Haus.”
Marven nahm tatsächlich von ihr abstand und mit hochrotem Kopf schrie er Christian an:
“Du weißt wohl nicht mit wem du es zu tun hast? Oder?”
Christian blieb weiter gelassen.
“Das beruht auf Gegenseitigkeit. Nur, mir ist es egal, mit wem ich mich anlege.”
Chris griff neben sich und hob Marvens Wächter am Kragen hoch. Die Beiden auf dem Bett konnten sehr gut erkennen, was er ihnen zeigen wollte. Das schmerzverzerrte Gesicht und die Arme, welche in unnatürlichen Winkeln vom Körper abstanden.
“Ich bin meine eigene Armee. Wie lange braucht deine, um hier zu sein? Los verschwinde.”
“Du wirst verschwinden! Ich setz meine Leute auf dich an! Weißt du, was meine Männer mit dir machen werden?” Marven schrie so laut, dass seine Stimme massive Schwankungen hatte. Er klang so lächerlich, wie ein Chorknabe im Stimmbruch. “Die werden dich ...”
“Halts Maul. Deine Männer sind nicht hier, nur du und ich. Glaubst du, du könntest mich schaffen?”
Der Wächter wurde fallen gelassen und trotz des Knebels, waren seine Schreie fast hörbar, als er auf den Boden aufschlug. Chris verschränkte die Arme vor der Brust und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er Marvens Gesicht sah.
Der Gangster kaute auf seiner Unterlippe und blickte sich hektisch im Raum um. Konnte er Stefanie als Geisel nehmen? Marven hatte nichts um ihr zu drohen. Konnte er verhandeln und so seinen Ruf wahren?
“Was hältst du von einem Deal?”
“Das ist der Deal: Du verschwindest jetzt sofort, oder ich mache aus deinem Körper einen Gordischen Knoten.”
Marven war beschämt, doch auch dankbar, dass er gehen durfte. Er wird schon sehen, was er davon hat. Dachte er als er seine Kleidung einsammelte und fluchtartig die Laube verließ. Chris sah ihm nicht nach. Das Grinsen verschwand von seinen Gesicht und er betrat die Liebeshöhle von Marven.
Es fiel ihm schwer zu glauben, dass sich jemand von diesem Kleinkriminellen einschüchtern ließ. Doch solche Leute hatten andere, welche die Drecksarbeit übernahmen.
Steffi kauerte sich in der Mitte des Bettes zusammen und ließ ihren Tränen freien Lauf. Er nahm sich einen Stuhl, setzte sich vor das Bett und schlug die Beine übereinander, die Füße auf der Bettkante.
“Ich wollte nicht, dass du was davon weißt”, sagte sie schluchzend.
Christian antwortete nicht. Er verschränkte die Arme vor der Brust und wartete, bis Steffi aufhörte zu weinen.
Als der Tränenstrom langsam verebbte, begann sie zu lächeln.
“Wie oft hab ich mir gewünscht, dass diese Tür aufgeht und mich Mathias hier raus holt. Und jetzt, bist du auf einmal hier.”
Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und blickte erwartungsvoll Christian an.
“Warum hast du dich nicht gewehrt?”
Steffi schnaubte resignierend.
“Wie denn?”
“Ich dachte immer du wärst stark. Zu stark um so etwas mit dir machen zu lassen. Da habe ich mich wohl getäuscht.”
Christians Enttäuschung war grenzenlos. Ein allumfassender grauer Schleier legte sich auf seine Gedanken und drückte schwer auf sie nieder.
“Sie haben meinem Freund mit Schlägern gedroht. Du kannst dich verteidigen. Er wäre ein einfaches Opfer gewesen. Ich musste doch etwas tun.”
Stefanies Stimme zitterte, als ob sie selber nicht so recht an ihr einziges Argument glaubte.
Um Verständnis flehend, sah sie Chris an. Dieser rang sich dazu durch, eine umfassende Erklärung abzugeben.
“Weißt du was ich für dich empfand? Liebe. Nicht nur das Verlangen, in deinem Fleisch zu versinken, sondern das aufrichtige Gefühl. Ich sah in dir immer etwas anderes, als in den Mädchen, die ich mit nach Hause nehme. Und dann sehe ich dich hier.”
Stefanie verzweifelte.
“Warum sagst du das jetzt? Warum hast du so lange nichts gesagt?”
Chris wusste zwar die Antwort, doch es fiel ihm schwer, über das was ihn bewegte und antrieb zu sprechen. Nach einigen Momenten, durchbrach er mit leiser Stimme die Stille. In diesem Augenblick war es kaum zu glauben, dass das der selbe junge Mann war, der vor wenigen Minuten erst einen Anderen, so erbarmungslos zugerichtet hatte.
“Weil du einen Freund hast. Ich wollte nicht das es damit anfängt, dass du ihn betrügst. Ich wollte es nicht unter einen solchen Stern beginnen lassen. Klingt ziemlich dämlich, was?”
Als Chris seine Gefühle darlegte, war er aufgeregter, als beim Kampf mit dem Türsteher.
Stefanie saß auf dem Bett und betrachtete die Situation aus einem neuen Blickwinkel. Zwar hatte sie diese Nacht überstanden, doch wie sollte es weiter gehen?
Sie hatte einen Freund, der sie zur Hure gemacht hatte.
Scheiß auf ihn.
Sie hatte einen Kriminellen, der sich jetzt wohl nicht mehr mit ein paar Schäferstündchen zufrieden gab.
Ein verdammt großes Problem.
Sie hatte einen Freund, der ihr seine Liebe gestand.
Die Hoffnung.
“Wie soll es weiter gehen?”
Christian schnaufte, dann gab er eine weitere Erklärung ab.
“Vielleicht bin ich ein Pessimist. Doch alles was ich sehe sind Schlampen, Lügen so weit das Auge reicht, sinnlose Kriege, Geldgier und Arroganz. Nur um einiges zu nennen.
Was mich am meisten erschüttert, ist dieser Marven. Merlnfurt ist nur eine Kleinstadt. Und selbst hier, können solche Typen gut leben. Während andere auf dem Arbeitsamt um Kohle betteln, kann der sich ein schönes Leben machen. Die Welt geht vor die Hunde. Doch ich dachte mir ‘Solange es ein paar aufrechte Menschen gibt, kann alles nicht so schlimm sein’.
Dann sehe ich dich hier, mitten unter den Wölfen. Ich habe viel von dir gehalten.
Zu viel.
Du bist auch nur ein Glied in der Nahrungskette, die bei Typen wie Marven endet. Alle Menschen die ich als ‘gut’ betrachtete, haben mich eines besseren belehrt. Bei manchen schien es, als hätten sie nur auf eine Chance gewartet, um mir in den Rücken zu fallen.”
Stefanie hatte den Eindruck, als ob Christian in ein Selbstgespräch verfallen war. Doch dann hob er den Kopf und sah Steffi mit klaren Blick an.
“Ich gehöre hier nicht hin.”
Das gefiel Stefanie gar nicht. Sie wusste nicht was er meinte, doch für sie klang es zu sehr nach Freitod. Sie wollte ihn beruhigen, trösten, ihn bei sich haben.
Christian sah, wie Stefanie langsam auf ihn zu kam. Sie bewegte sich auf allen Vieren über das Bett auf ihn zu. Ihre Bewegungen waren grazil, sie erinnerten an eine Raubkatze. Chris ließ seinen rechten Fuß auf den Boden sinken. Als Steffi seinen linken Fuß berührte und sich weiter auf ihn zu bewegte, trat er mit seinem Rechten, Stefanie von der Seite ins Gesicht.
Der schwere Stiefel drückte gegen die ihr Wange. Sie kippte zur Seite um. Der Tritt war nicht sehr heftig, aber sie blutete aus dem Mund. Er erhob sich und verließ den Raum. Stefanie blieb mit fassungslosen Entsetzen zurück.
Im Vorraum, in dem Marvens Wächter vor sich hin wimmerte, suchte er Zettel und Stift. Er wurde schnell fündig, kritzelte ein paar Zeilen darauf und trat zu dem Verletzten am Boden.
“Die Kleine hat nichts damit zu tun. Wenn Marven sich an jemanden rächen will, hier steht meine Adresse drauf.”
Er steckte ihm die Nachricht in die Hemdtasche.
Selbstmord war nicht nach Christians Geschmack, dazu waren seine Todessehnsüchte nicht stark genug. Doch Marven konnte ihm sicher helfen, diese Welt zu verlassen.
Der Gedanke an das Sterben, kam ihm nie in den Sinn, doch nun erschien es Chris die richtige Ausfahrt zu sein. Vielleicht ist es auf der anderen Seite besser. Sogar das ewige Nichts wäre besser.

 

Eine weitere Lachsalve. Stefanie, eben noch tadelnd, viel auch mit ein.
Es gibt Fehler, die sind so gravierend, dass ein Autor der sie begeht das Schreiben ab sofort einstellen sollte. Die Verwechslung von viel und fiel gehört ohne Zweifel dazu.

Mehr gibt es von mir nicht, ist dir ja eh egal, was die Leute zu deinen Texten schreiben. Und bisher hast du mal gerade auf zwei Kommentare geantwortet.

 

Hallo
Mir hatte deine geschichte gar nicht gefallen. Weißt du soran sie mich erinnert? An eins von diesen Konsolenspielen, bei denen es ein Mann problemlos schafft, ein ganzes Heer umzuhauen, die Frau zu retten, haufenweise pseudo-tiefsinniges Gebrabbel von sich zu geben und hinterher erkennt, dass das Leben doch irgendwie nicht so das wahre ist. Nach etwa einem Jahr folgt dann Teil 2. Hoffentlich kommt das mitdeiner Geschichte nicht soweit.

 

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