Was ist neu

Ein Soldat auf dem Fluss

Mitglied
Beitritt
10.03.2008
Beiträge
8
Zuletzt bearbeitet:

Ein Soldat auf dem Fluss

Leigh sprach in seinem gedehnten, melodiösen australischen Dialekt und blickte mich mit leuchtenden Augen an. „Ich wollte immer einen kleinen Laden aufmachen. Kuchen, Kekse, guter Kaffee und die Inneneinrichtung mit großen, dunklen Holztischen, auf denen weiße Tischdecken liegen. Meine Frau kann wunderbar kochen, aber der Kuchen und die Kekse… da bin ich der Spezialist.“ Als er das Gebäck erwähnte, schaute Leigh in die Dunkelheit. „Wunderschön hier. Man kann kaum das Ufer sehen… nur, wenn Licht in den Pfahlhäusern brennt – wie viel Uhr ist es?“ Ich schätzte die Zeit, indem ich mit den Achseln zuckte, meine Augenbrauen hochzog und vier Finger in die Luft hielt.
„Das kann sein“, sagte Leigh und nickte.
„Was machst du, wenn du wieder in Australien bist?“ fragte ich.
„Ich gehe nach Afghanistan, das wird mein dritter Einsatz im Ausland sein.“ Leigh blickte mir fest in die Augen.
„Dein dritter?“ fragte ich und erschrak darüber, wie laut ich sprach, da es sehr still war und wir nur das Motorgeräusch aus dem Schiffsrumpf hören konnten.
„Ja, mein dritter. Ich war schon in Ost-Timor und im Irak. Aber beide Male nur sehr kurz. Jetzt werde ich für ein Jahr am Rand des Hindukusch stationiert sein.“
„Und was ist deine Aufgabe dort?“
„Oh, das ist eigentlich ziemlich easy.“
Ich wunderte mich, was Leigh damit meinte. „Warum gehst du dorthin?“
„Ich habe mich… gemeldet.“
„Ich verstehe.“
„Ja, ich bekomme 60.000 australische Dollar nach meinem Einsatz, von dem Geld will ich mein Cafe aufbauen.“
Wir schwiegen und tranken Bier. Ich fand meine vietnamesischen Zigaretten auf dem Boden der Terrasse, die uns zwei Meter über dem Wasserspiegel des Flusses trug. Ich bot Leigh eine Zigarette an, aber er winkte ab. „Ich rauche nur, wenn ich an der Front bin.“
„Hast du schon mal jemanden getötet?“
„Ja.“
Erneut setzte ein kurzes Schweigen und ich hörte wieder den Motor, der mir immer leiser vorkam.
„Aber ich kann nicht darüber reden.“
„Ich verstehe.“
Leigh nickte, als ob er ebenfalls verstehen würde, dass ich ihn überhaupt danach gefragt hatte. „In zwei Stunden sind wir an der kambodschanischen Grenze.“
„Da könntest du recht haben“, erwiderte ich und schaute wieder zum Ufer. Es war schon etwas heller geworden und ich konnte jetzt ein paar Details der kleinen Häuser erkennen.
„Was hast du für einen Rang? Ich meine, hast du selbst den Befehl über andere Soldaten?“ Ich erwartete, dass Leigh, wie in einem Film über die Ausbildung von amerikanischen Soldaten für den Krieg in Vietnam, seinen Rang und seine Einheit wie automatisiert herunterrasseln würde. Er antwortete jedoch sehr leise.
„Ja, über ein paar Soldaten.“ Er trank einen Schluck Bier und berührte kurz mit Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand seinen Mund. Er redete weiter, jetzt wurde er währenddessen jedoch immer schneller und seine melodiöse Stimme wurde eintönig. „…Und ich würde nicht einen einzigen Augenblick zögern, einen von ihnen zu erschießen, wenn er eine Gefahr für die anderen wäre. Nicht eine Sekunde würde ich zögern!“ Leigh atmete schwer und warf seine Bierdose in den Mülleimer, der zwischen uns stand und der fast gänzlich mit den Dosen der anderen Fahrgäste gefüllt war. Leighs Dose rutsche den Haufen herab und blieb am Rand des Mülleimers stecken. Plötzlich wurde mir wieder bewusst, dass wir die einzigen wach gebliebenen Fahrgäste waren. Alle anderen waren schon in den Schlafsaal gegangen, in dem zehn Doppelbetten untergebracht waren.
„Aber wenn du einen von ihnen erschießt, verlierst du doch einen Mann, der in einem anderen Augenblick wichtig werden könnte…, “ sagte ich und bemerkte, wie unpassend mein Gedanke war, den ich einfach nur laut ausgesprochen hatte.
„Du verstehst nicht, Jacob.“ Leigh sprach meinen Namen deutsch aus. „Du verstehst nicht. Ich kann niemanden in Gefahr bringen. Ich würde sofort schießen!“ Er sprach mittlerweile sehr laut und ich sah Leigh nicht an, weil ich befürchtete, er könnte eine Geschichte erzählen, die ich nicht einzuordnen wüsste. Ich legte meine leere Dose auf den Berg im Mülleimer, steckte die Zigaretten in die Brusttasche und stand auf. „Ich gehe ins Bett, eine Stunde Schlaf kann nicht schaden.“
„Ja, ich gehe auch gleich. Die Betten im Boot sind wirklich gut. Ich habe sie mir vor ein paar Stunden angesehen“, murmelte Leigh, ließ seinen Kopf gegen die Lehne seiner Liege sinken und blickte in den Himmel, der seine schwarze Farbe verloren hatte. Ich ging zur Treppe, drehte mich aber noch einmal um und sah, dass Leigh sich wieder nach vorn gebeugt hatte, um nach einer frischen Bierdose zu greifen, die zwischen seinen Füßen stand. Er blickte auf, schaute mich träge an und lächelte verlegen. „Jacob, warte… Ich trinke noch ein Bier. Bleibst du noch?“ Er war betrunken.
Ich schüttelte mit dem Kopf. „Nein, danke, ich bin wirklich müde…vielleicht morgen…“
„Ist schon in Ordnung, …aber könntest du mir vielleicht eine von deinen Zigaretten geben?“

 

Hallo Namensvetter!

Setz dich, nimm dir nen Keks, fühl dich ganz wie zuhause.:)

sprachlich finde ich die Geschichte schonmal ganz gelungen, inhaltlich konnte ich dir insgesamt leider nicht so ganz folgen. Ich habe den Verdacht, dass der Australier Anschluss doch die Zigaretten annehmen möchte, weil er etwas mit den Passagieren zu tun gedenkt, denn er hatte ja sagt, er rauche nur, wenn er an der Front sei. Vorher wird so etwas allerdings nicht angedeutet, weshalb ich das als sehr konstruiert bezeichnen würde. Sollte es nicht so sein, frage ich mich, was du eigentlich erzählen wolltest. Ich denke, du müsstest etwas konkreter werden.

streckenweise - vor allem am Anfang - fühlte ich mich sehr an den Dialog aus Apokalypse Now! erinnert, in dem sich der Soßenkoch mit einem seiner Kameraden unterhält. Das meine ich nicht negativ, ist nur eine Beobachtung.

Ein paar weitere Anmerkungen:

Als er das Gebäck erwähnte, schaute Leigh in die Dunkelheit. „Wunderschön hier.
ich verstehe zwar, was du meinst, aber ich finde das etwas unglücklich. Wenn es dunkel ist, muss man die Schönheit eines Ortes an anderen Dingen festmachen, als am sehen.

Ich fand meine Zigaretten auf dem Boden der Terrasse, die uns zwei Meter über dem Wasserspiegel des Flusses trug. Ich bot Leigh eine vietnamesische Zigarette an,
dass die Zigaretten vietnamesische sind, solltest du bei der ersten Erwähnung der Zigaretten einflechten. Die zweite Nennung könntest du dir somit sparen und nur schreiben »ich bot Leigh eine an«.

„Oh, das ist eigentlich ziemlich einfach.“ Leigh benutzte das Wort „easy“ und ich fragte mich, was er damit ausdrücken wollte.
warum benutzt du das Wort nicht einfach in dem Gesprochenen? fände ich nahe liegender und der Erzähler könnte immer noch erwähnen, dass er nicht so recht wüsste, was der Australier damit meint.

berührte kurz mit Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand seinen Mund
durch die Genauigkeit der Beschreibung bekommt das ein zu hohes Gewicht in Anbetracht dessen, dass es keine weitere Bedeutung hat. Vielleicht findest du eine etwas knackigere Beschreibung.

Ich legte meine leere Dose auf den Berg im Mülleimer, steckte meine Zigaretten in meine Brusttasche und stand auf.
Das Erste kannst du stehen lassen, die anderen beiden sind überflüssig.

Ich habe sie mir vor ein par Stunden
paar

insgesamt fand ich deine Schreibe recht angenehm und ich konnte mir die Szene gut vorstellen, allerdings gehst du manchmal zu sehr ins Detail. Lässt sich aber definitiv was draus machen, davon bin ich überzeugt.
Georg

 

Hallo georg79, willkommen hier!

Das nenne ich doch mal ein rundum gelungenes Debüt. Dir gelingt es hier, auf eine sehr leise und doch wirklich eindringliche Weise, von diesem modernen Söldner Leigh zu erzählen. Ohne dass tatsächlich viel über ihn und seine Vergangenheit gesagt worden wäre, hat der Leser am Ende einen starken Eindruck von der Person.
Die Sache mit den Zigaretten würde ich schlicht so deuten, dass Leigh geistig einfach gar nicht mehr wirklich von der Front weg kommt. Im letzten Teil scheinen ihn ja Dinge, die er früher erlebte, einzuholen. Deshalb die Zigarette.
Im Detail habe ich nichts mehr anzumerken, da hat Schreibär bereits alles raus gesucht.


Gruß,
Abdul

 

Danke...

...für eure Rückmeldungen, habe die Verbesserungen eingebaut. Allerdings, Schrei Bär, die Sache mit den FIngern am Mund - da war dein Nachredner ein besserer Interpretator ;-)

 

Abduls Interpretation, so weit wie er war ich auch, nur dieser eine Satz, der mit den beiden Fingern, scheint mir mit der Zigarettenfrage nicht wirklich verknüpft zu sein.

Georg

 

Tauchen kann rötlich sein

Bist du Raucher? Wenn nicht, würde es das erklären :-)
Nein, im Ernst, habe selbst lange über dieser Zeile gesessen, aber für mich macht sie perfekten Sinn. Das Ganze ist doch so was wie "Phantomrauchen", so sehe ich das - auch, wenn ich mich jetzt hier zu weit aus dem Fenster lehne.

 

dann ist es wohl eine Geschichte für Raucher. Bin ich aber nicht.:D
ich sehe ein, dass es kontraproduktiv wäre, den Vorgang etwas zu erklären, allerdings werden wohl nicht alle Nichtraucher verstehen, dass es sich "Phantomrauchen" handelt.

 

Hi Georg,
sprachlich gibbet hier nichts zu meckern. Rundum solide und passend. Was mich aber stört ist die fehlende Geschichte. Man kann hier und da interpretieren, was auf der einen Seite positiv zu sehen ist, weil man so dem Leser nicht alles direkt mundgerecht präsentiert, aber auch negativ, weil man einfach nicht weiß, was genau du erzählen willst. Im Grunde erzählst du uns gar nichts. Wir haben zwei Männer, die über den "Krieg" reden. Vielleicht geh ich ja auch etwas zu oberflächlich an die kg ran, aber mir reicht das leider nicht. Ein wenig mehr Input wäre schon ganz nett gewesen ;)

Einen lieben Gruß...
morti

das war mein 777. Beitrag! :) Und der war für dich ;)

 

Das ehrt mich, danke!
Zur fehlenden Geschichte: Das ist doch out - Geschlossene Geschichten sind leider nicht mein Ding, sorry. Habe zuviel modernes Zeugs gelesen... Verdorben für immer ;-)

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom