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Ein Sommer noch

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19.03.2010
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Ein Sommer noch

Nein. So machte das keinen Spaß - das mit dem Leben. Sie hatte schon so oft versucht das zu ändern. Es bunter zu machen, damit endlich der Frühling kommen konnte. Aber es hatte nie funktioniert. Es blieb Winter in ihrer schwarz-weißen Welt.
Sie saß in ihrer leeren Badewanne, die Beine angezogen, den Kopf auf den Knien, weil sie nicht wusste, wo sie sonst Ruhe finden konnte.
Zu ihren Füßen lag das Telefon. Eben hatte sie noch mit ihrer liebsten Freundin gesprochen. Worte des Zorns waren gefallen, von beiden Seiten, nicht mehr zurückzunehmen. In Wut aufgelegt und mit zerbrochenem Herzen.
Wie überflüssig.
Ihre zitternden Finger fuhren am Deckelrand der kleinen Dose entlang. Das weiße Plastik fühlte sich nicht real an. Ihr Körper fühlte sich nicht real an. Er war zu leicht, zu blass, zu zittrig. Als würde er zu Luft werden.
Jetzt nur ein bisschen beruhigen. Sie schraubte die Dose auf, betrachtete die kleinen blauen Tabletten und schluckte eine. Den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen, versuchte sie, nicht zu denken.
Schlechtes Gewissen kündigte sich trotzdem an. War es wirklich notwendig gewesen die Tablette zu nehmen? Wer brauchte schon eine Tablette, nur wegen eines Streits? Sie war so schwach. Ein schwacher Mensch. Sinnlos. Wertlos. Mutlos.
Sie ließ den Blick durch das Badezimmer wandern. Es war ihr Badezimmer, in ihrer Wohnung. Das erste Badezimmer, in dem sie sich wohl fühlen konnte. Hier gab es einen Schlüssel und niemand konnte zu ihr kommen, wenn sie duschte. Vor dem Schlüsselloch hing immer ein Handtuch, Hier konnte sie allein sein. Hier konnte sie niemand mehr anfassen - nichtmal mit den Augen. Und doch kamen bei diesem Gedanken Erinnerungen hoch. An ihre Kindheit. Eine Zeit, in der sie noch kein Bad mit Schlüssel hatte.
Unerwünscht. Hochgewürgt. Wie Erbrochenes. Und nicht runterzuschlucken.
Wieso wirkte diese verfluchte Tablette denn nicht? Es wurde einfach nicht besser. Sie musste noch eine nehmen. Oder noch zwei. Die ganze Packung. War doch egal. Nur runter damit.
Minutenlange Regungs- und Gedankenlosigkeit.
Mit der leeren Dose in der Hand, wurde ihr schlecht. Sie dachte an den letzten Sommer, als sie mit Freunden gefeiert hatte. An diesem Abend war ihr auch schlecht gewesen - vom Alkohol -, aber sie war sorglos gewesen, für diesen Abend. Warum konnte das Leben nicht wie der letzte Sommer sein? Gleich würde das Leben vielleicht gar nicht mehr sein. Zumindest ihres.
Panik. Was hatte sie getan? Das wollte sie doch gar nicht. Sie wollte doch nur ruhig werden, vergessen und aufhören zu zittern. Schwindel. Die Welt verschwamm vor ihren Augen und wurde immer grauer. So musste sich das anfühlen, wenn man plötzlich blind wurde. Ihr Kopf wollte nach Hilfe rufen, aber ihr Körper konnte nicht. Das Telefon. Sie griff danach. Mehrmals. Bis sie es endlich in der Hand hielt. Die Nummer vom Notruf. Wie lautete sie doch gleich? Verdammt - die Nummer! Einfach irgendwas wählen. Irgendwer würde abnehmen. Hoffentlich. Bitte. Sie wollte doch noch einen Sommer erleben. Das konnte es nicht gewesen sein. Nein, nein, nein, nein, nein... .

 

Sehnsucherin schrieb unter ihre Geschichte:

Bitte seid nicht zu streng mit mir, es hat mich einige Überwindung gekostet, etwas von mir zu veröffentlichen. Dennoch freue ich mich auf kontruktive Kritik.
Solche Zusätze bitte immer in einem Extra-Beitrag posten. Der erste Beitrag in den Geschichtenthreads ist ausschließlich der jeweiligen Geschichte vorbehalten.

Ansonsten herzlich willkommen hier und noch viel Spaß auf kg.de!
Kerstin

 

Hallo und willkommen!
Hehe, also, Kritiker müssen natürlich streng sein ... Nun, im Fall der Geschichte ist das nicht unbedingt nötig. Vom Schreibstil her finde ich sie gelungen. Du hast ein paar schöne Bilder in einfachen Worten beschrieben (etwa die Frau, die in der leeren Badewanne sitzt oder das Handtuch vor dem Schlüsselloch - damit sagst du viel über die Person aus ohne ihre ganze Lebensgeschichte erzählen zu müssen). Womit ich dann eher Mühe habe, ist der eigentliche Inhalt. Solche Texte (Suizid, Einsamkeit, Selbstmitleid, ...) habe ich wohl einfach schon zu oft auf kg.de gelesen. Wenigstens, und das gefällt mir, begreift deine Figur am Schluss, dass doch nicht alles nur negativ ist und dass sie sich vielleicht auch etwas für ihr eigenes Glück bemühen muss. Nur Pech, dass es schon zu spät ist ...
Versuch es doch mal mit etwas positiveren Themen! Würde mich freuen mehr in diese Richtung zu lesen.
Viel Spass noch auf kg.de!

 

Hui, auch wenn, wie mein Vorredner bereits angemerkt hat, der Inhalt nicht gerade neu ist muss ich sagen, ich fands gut! Also ich hab gar nicht so sehr auf die Handlung gschaut, war mir auch nicht wichtig, ich fands einfach super wie du dieses kleine Fenster von etwa 5 Minuten wunderschön beschreibst. Es kommen sehr viele Bilder und Gefühle rüber und man kann die Situation nachvollziehen! Auch das Ende ist nicht zu platt :)

Freue mich auf weitere Geschichten von dir, dann hoffentlich mit fesselnder Handlung und vielen schön ausgemalten Szenen!

Viele Grüße Zz.

 

Also erstmal danke an katzano für die Richtigstellung. Ich werde in Zukunft darauf achten. ;-)

Und auch danke an euch beide für die Kritik. Es freut mich wirklich sehr, dass euch meine Geschichte vom Stil her gut gefällt. Der Inhalt ist ja von Geschichte zu Geschichte anders, aber wenn man einen unerträglichen Stil hat, ist das schwer zu ändern.
Zum Inhalt: Ich musste diese Geschichte einfach schreiben, weil ich eine ähnliche Szene geträumt habe. Nicht so detailreich allerdings. Einfach nur, dass ich in der Badewanne sitze und versehentlich eine Überdosis Medikamente genommen habe. Und dieses panische Gefühl war in meinem Traum so intensiv, dass es mich noch ewig beschäftigt hat. Deswegen musste es niedergeschrieben werden.

 

Ich empfinde diesen als eine der besten hochgeladenen Kurzgeschichten.
Unglaublich wie viele Gefühle und Gedanken in diesem 'kurzen Zeitraum'
liegen.

Respekt.
Die Situation ist klar nachvollziehbar & man kann sich gut reinversetzen.

 

Hallo Sehnsucherin,

also die Thematik ist auch nicht so mein Fall, irgendwann will man einfach keine Selbstmordgedanken lesen ( es sei denn Hronby schreibt darüber), aber die Umsetzung ist wirklich okay, dein Schreibstil lässt sich lesen.

mfg,

JuJu

 

Hallo Sehnsucherin,

das Problem mit den sog. Selbstmordgeschichten ist, dass es zuviele immer im gleichen Schema ablaufende davon gibt. Von daher hat es deine Geschichte verdammt schwer, vor den Augen des Lesers zu bestehen. Ein Thema das oft verarbeitet wird, nutzt sich, so dramatisch es dann für den einzelnen Autor ist, leider erheblich ab und der Leser verlangt, dass ein bekanntes Thema dann wenigstens innovativ umgesetzt wird.

Du hast es dir also, vermutlich unwissentlich, nicht einfach gemacht mit dieser Selbstmordgeschichte.

Dass ich sie dennoch ein einem Rutsch durchlesen mochte, ohne mich gequält oder gar gelangweilt zu fühlen, lag daran, dass dir trotz einiger recht holzschnittartigen Darstellungen, plötzlich Spannung aufkam.

Ab der Stelle, wo du vom Handtuch über dem Schlüsselloch schreibst, packt es mich. Ab da will ich weiterwissen, was nun passiert. Ab da steigerst du die Spannung auch recht gut.

Insoweit ist dir am Ende eine sog. Selbstmordgeschichte gelungen, die durchaus lesbar war und das kannste dir bereits als recht ordentliches Kompliment verbuchen, denn meist sind Selbstmordplots unendlich eintönig in Geschichten verpackt.

Weiter so !

Lieben Gruß´
lakita

 

Über das das Thema kann man geteilter Meinung sein, aber es muss heissen: "Einen Sommer noch" (in der KG schreibst du es richtig)
LG

 

Ich mag deine Geschichte sehr gerne und nicht zuletzt, weil du es geschafft hast, die richtige Stimmung in mir auszulösen. Außerdem beschreibst du die Situation Klasse. Es ist fast als würde man auf dem Badewannenrand sitzten und zuschauen. Auch das Ende finde ich gut. Deine Figur sieht ihren Fehler ein. Das finde toll. Dein Schreibstil gefällt mich auch gut.

Liebe Grüße von
Mia Castell

 

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