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Ein Spiegel für den Winter meiner Seele
Ich schwebe, schwelge in meinen düsteren Gedanken. Tief in den purpurnen Himmeln meiner Ebene, weit über einem dunkel leuchtenden Meer lausche ich einem leisen Flüstern in meinem Schädel. Am Horizont schwarze Schlieren, wie gestocktes Blut. Pervertierte, sich wie in unendlicher Qual windende Nordlichter.
Ziehende Versprechungen. Verlockungen auf unaussprechliche Grausamkeiten, Aussicht auf weiche, warme Leiber. Wer weckt meine Sehnsüchte? Kennt mein Verlangen? Meine Gier schmerzt mich, wird unerträglich. Faulender Geifer tropft mir in Strömen auf die Brust.
Tief unter mir. In einem schrill reißenden Aufstöhnen öffnet sich ein spiegelndes Portal. Grelles Licht, so etwas wie „Reinheit“ harkt mit grausamen Widerhaken in mein Auge. Dennoch, mein Verlangen, meine Gier ist zu groß.
Ich falte meine ledrigen Schwingen, stürze mich kreischend in die Tiefe. Kann nicht widerstehen. Die Stimme lockt, verspricht. Sie weiß was ich begehre und ich komme nicht dagegen an. Will nicht dagegen ankommen.
Vor mir schillert das Portal, übel wird mir von diesem Geruch. Reinheit. Angeekelt von soviel Güte betrachte ich mich in diesem Spiegel. Der helle Zwilling meiner schwarzen Seele. Mir graut und dennoch. Geifernde Gier treibt mich, ich strecke eine meiner Krallen aus. Zaghaft berühre ich den Spiegel. Dunkle Hoffnung, Vorfreude auf Qual und Leid lassen mich jede Vorsicht vergessen.
Jetzt! Das Kontinuum stülpt sich in einem Zucken nach außen. Zerrt mich nach innen. Schmerz und Wahnsinn in der absoluten Ewigkeit eines Blinzelns. Mein Sein zerreist…
Brüllen finde ich mich in einer fremden Ebene wieder. Ein unnatürliches, tiefblaues Meer unter einem schwarzen Himmel. Myriaden von funkelnden Lichtern. Grell über mir, tun mir weh. Verbrennen meine schwarze Seele und verspotten mich in meinen Schmerzen.
Vor mir. Ein seltsames, haarloses Wesen in weiten dunklen Gewändern. Wispert Versprechungen. Fordert. Befiehlt. Ich verstehe es nicht, sein helles Stimmchen quält meine Ohren. Wo sind die warmen Leiber? Wo ist die unaussprechliche Qual die mir versprochen wurde? Zitternd sehe ich mich um…
Wieder fordert dieser sich windende Wurm meine Aufmerksamkeit. Deutet gestikulierend auf den Boden der spitzen Felsnadel, auf der wir stehen. Leuchtende Kreise hat es um mich gezogen. Neun an der Zahl. Es grinst mich an, macht befehlende Gesten. Was will es, ich verstehe nicht!
Ich wurde betrogen! Kein Leid, keine Qual. Keine Aussicht auf unnennbare Grausamkeiten. Der Wurm hat mich betrogen! Zu meinen Füssen, einer dieser Kreise ist nicht geschlossen. Kaum zu erkennen, eine Lücke fein wie ein Haar. Ich weiß nicht, was dies bedeutet. Es interessiert mich auch nicht.
Vor Wut fauchend, strecke ich einen meiner Arme aus. Packe dieses widerliche, haarlose Wesen mit meinen Krallen und lache gellend. Fassungslos, starr in meinen Armen sieht es mich an. Weint dicke, blutige Tränen. Kichernd sehe ich zu, wie seine Kopfbehaarung sich langsam schlohweiß färbt, seine glatte Haut falltig wird. Wie es sich windet und lustige Geräusche von sich gibt, als ich zu fressen beginne. Ich bin nicht sehr hungrig, ich lasse mir Zeit.
Ich werfe die noch zuckenden Reste hinter mich und betrachte mich im Spiegel des Portals. Betrachte meinen wunderschönen schwarzen Körper, meine kraftvollen Schwingen. Mein wunderschönes Auge, wie Eiterfäulnis so gelb, sehe ich in diesem Spiegel meiner Seele. Das Ding hinter mir hat zu schreien aufgehört und ist jetzt ganz ruhig. Es ist nicht mehr viel übrig. Was wollte es nur von mir? Warum hat es mich betrogen?
Das Portal flackert nun, scheint zu schwinden. Voller Furcht werfe ich mich in den verräterischen Durchgang. Ich will nicht hierbleiben. Hier in dieser stinkend gütigen, grausamen Ebene. Hier, wo sich am Horizont langsam ein rötlich, goldener Gigant erhebt. Mit seinen kalten Strahlen nach mir krallt, mich in namlosen Grauen erzittern lässt.
Ich gehe heim. Heim in meine Ebene. Frei fliegend im purpurnen Himmeln über einem blutgestockten Meer. Hin zu den sich windenden, schwarzen Nordlichtern. Wo süßes Kreischen endloser Qualen mich begleiten. Weg von dieser Hölle, zurück in mein Paradies. Da wo ich glücklich bin…