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Ein Tag lang sich vergessen
Dir zu begegnen, während einer peinlichen Situation. Dann dich daraus zu winden und dich zum Milchkaffee einzuladen. Aber wir kennen uns. Du lässt es nicht zu dich aufzufangen. Statt dessen erzählst du mir was von Jagdinstinkt, der dich immer wieder Nachts aus dem Haus treibt und schlaflos verbringst du die Woche. Deine unsinnige Suche nach dem Moment des Ankommens, des Vergessens. Deine Sucht nach Männern. Du erzählst mir von Alpträumen, wenn du dann doch mal eine Stunde schläfst. Deshalb ist Schlaf für dich ein Wort, welches nicht mehr existiert. Jeden Tag bist du dünner, jeden Tag werden deine Augenringe größer. Könnte man an ihnen dein Alter bestimmen, wie bei Bäumen, wärst du hundert Jahre bestimmt.
Dies schrieb mir einmal ein Freund und ich wusste damals nichts damit anzufangen. Heute denke ich, verstehe ich diese Rastlosigkeit, den Anspruch nach Neuem den ich an meine Umwelt stellte und meine krampfhafte Unruhe.
In der U-Bahn. Ein Typ sitzt mir gegenüber. Er dreht sich eine Zigarette mit einer Hand, in der anderen den Spiegel. Er liest, er tut zwei Dinge auf einmal. Ich beobachte ihn, eine Tätowierung auf seinem Unterarm lässt mich überrascht erröten, denn nicht nur dieses Tattoo nennt er sein Eigen.
Wann war nur diese Party bei Anke? Wo ich ihn abends einfach mit nach Hause nahm und wir uns darauf nur beim Licht meines Globus einen Tag lang liebten, ohne Pause. Ein Kampf zwischen Erregung und Erschöpfung.
Eine Begegnung, die sich in meine Gedanken eingenistet hat und nicht durch andere Begegnungen ersetzt werden konnte.
Dieser Mann sitzt hier und liest Zeitung.
Ich kann mich nicht mehr an seinen Namen erinnern oder wusste ich ihn überhaupt. Sein Gesicht sagt mir nichts, wäre da nicht diese Tätowierung. Ihm würde es ähnlich gehen, da bin ich mir sicher.
Solche Situationen machen mich wahnsinnig, wenn ich Entscheidungen treffen muss und diese forderte eindeutig eine.
„Kannst du mir auch eine drehen?“ Er blickt kurz auf, kramt das zerknüllte Tabakpäckchen aus seiner Jackentasche und dreht sie wieder mit einer Hand. Dabei fixiert er mich.
„Ich glaube wir kennen uns!“ sage ich und im gleichen Moment denke ich, wie plump.
„Ach ja... .“, kommt es gedehnt. Ich kann ja nun schlecht erzählen, du da vor zwei Jahren haben wir miteinander geschlafen. Der Mann neben mir verzieht auch schon das Gesicht. Ich muss hier raus. Er gibt mir die Zigarette und ich sprinte zur Tür. Endlich fahren wir in den Bahnhof ein. Kaum bin ich aus der Tür, stecke ich mir die Zigarette an und inhaliere tief. Neben mir wird ein Streichholz angezündet. Er grinst mich an:„Ich kann mich an deinen Globus erinnern.“ Also doch nicht vergessen, was für eine Frage, wie auch?
Diesen Tag versuchte ich schon so oft wiederzuholen, in anderen Begegnungen. Diese Zärtlichkeit, dann wieder Gehetztheit, ein Laster unserer Gesellschaft. So schnell wie möglich den anderen zu erforschen. Den Augenblick effektiv auszunutzen. Aber etwas war anders, es hätte auch nur eine Nacht sein können. Wir aber, nach dem der erste Hunger gestillt, konnten nicht voneinander lassen.
Wir liebten uns mit Variationen, ließen einander nicht zu Atem kommen. Eine Begegnung dauerte Stunden, Ich ließ ihn nicht kommen, er mich nicht. Manchmal war ich so weit zu schreien, ihn zu zwingen mich zu erlösen. ich krallte mich an ihm fest, ließ ihn nicht aus mir heraus, er wehrte sich nicht, hörte einfach auf sich in mir zu bewegen. Um so mehr versuchte ich mich durch eigene Bewegungen zum Ende zu bringen. Er aber hinderte mich daran und so lagen wir ineinander verschlungen, bis er es nicht mehr aushielt, von meiner Wärme umschlossen. Wir kämpften um den eigenen Höhepunkt endlich zu erreichen. Um den anderen war es uns egal. Nur der Höhepunkt war in den Vordergrund gerückt. Ich hasste ihn dafür, doch waren wir dadurch um so enger miteinander verbunden, lernten uns mit geschlossenen Augen nur durch unsere Gerüche wahrzunehmen.
Der Geruch des anderen nahm zu, sehnte er sich nach dem Ende, dann wurden seine Bewegungen schneller, zwingender, fordernder.
Ich hatte das Gefühl ich ertrinke in seinen Flüssigkeiten, die überall auf mir und in mir. Die Wahnsinnigkeit, die mich befiel es zu beenden.
Die Müdigkeit, die immer wieder verdrängt wurde durch Erregtheit. Ich hatte das Bedürfnis endlich zu schlafen. Aber er hielt mich zurück und flüsterte mir Dinge ins Ohr, die mich wieder ins Licht des Globus, in die vor Erlösung schreiende Atmosphäre zurück holten und das Spiel begann von vorn.
Unser letzter Höhepunkt brach über uns ein und wir schrieen alles Aufgestaute hinaus. Es war wie eine Qual und erst jetzt spürte ich wirklich die Erschöpfung, als alles vorbei war. Wir lagen neben einander und alles kam mir unwirklich vor. Als sich dann mein Verlangen nach einer Zigarette steigerte, wusste ich es ist vorbei und man würde es nicht zurück holen können.
Vom ersten Zug schwindelte mir und ich sah dem Rauch sehnsüchtig nach, dabei sah ich das die Scheiben beschlagen waren.
Ich fürchtete mich vor dem Augenblick, wenn er aufstehen würde, andererseits wollte ich es. Aber ich wollte ihn jetzt schon wieder in mir spüren. Mir fröstelte und ich hätte alles darum gegeben, ihm wieder ganz nah zu sein. Er lag da und ich sah es ihm an, auch an ihm ging es nicht spurlos vor rüber und er rang innerlich weiter zu machen und ich hätte ihn mit Freuden wieder aufgenommen.
Aber es hatte keinen Sinn, wir wollten keinen schnellen Akt. Wir brauchten die Ekstase bis zur Explosion. Er sammelte seine Sachen zusammen. Die Tür fiel leise ins Schloss und ich hörte seine Schritte die Treppen zur Straße hinunter gehen.
„Wollen wir noch einen Kaffee trinken gehen?“ fragte er mich.
Dann saßen wir uns gegenüber, aber jedes Gespräch versackte irgendwann im nichts. Was hatten wir auch zu bereden? Eigentlich wollten wir beide nichts über einander erfahren, es würde eine Erinnerung zerstören. Es existierte ohnehin nur sein Körper in meinem Kopf. Ich begann mich langsam wieder nach ihm zu sehnen. Verrückt.
Mir wurde schwindelig und ich entschuldigte mich und ging auf die Toilette. Ich hielt mein Hände unter das kalte Wasser und benetzte meine heißen Wangen, dabei betrachtete ich mich im Spiegel. Der unberechenbarer Glanz in meinen Augen und die geröteten Wangen spiegelten meine Erregung wieder. Unruhe breitete sich in mir aus.
Als ich wieder aus der Toilette kam, war er verschwunden. Der Kellner sagte mir, dass er bezahlt hätte und er solle mir das hier geben. Es war ein Bierdeckel und auf der Rückseite war gehetzt seine Adresse geschrieben.
Mein Kopf war leer, nur eine schreckliche Sehnsucht nach ihm, kam in mir hoch und mit jeder Faser meines Körpers durchlebte ich noch einmal diese vierundzwanzig Stunden. Immer mehr spürte ich diese enge und einzigartige Verbundenheit zu ihm.
Außer Atem stand ich vor seinem Haus. Ich stieg die dreckigen Stufen zu seiner Wohnung hinauf. Die Tür stand offen. Ich schloss sie hinter mir und schon im Flur begann ich mich auszuziehen. Nackt stand ich dann vor ihm. Ich weiß nicht mehr wie lange wir uns einfach nur angesehen haben, bis wir endlich mit einer Wildheit über einander herfielen, die berauschend war. Irgendwie gehörte er zu mir. Und je tiefer er in mich eindrang um so mehr spürte ich die Vollkommenheit, wie bei keinem anderen. Die Spannung wich mit keiner Minute. Wir erspürten Altes neu und fanden uns immer wieder atemlos und staunend in unseren Umarmungen. Das war es was ich immer wollte. Ich hatte auf einmal das Gefühl nicht mehr unsere Körper standen im Mittelpunkt sondern das unsere Sinne mit einander kommunizierten, sie sagten sich was sie brauchten und stellten sich auf einander ein.
Während dieser ganzen Zeit wechselten wir kein Wort. Aber unsere Körper schrieen und pulsierten, rangen mit sich um den anderen das Letzte abzufordern. Komischerweise befiehl mich diesmal nicht einmal Erschöpfung und Müdigkeit, schon längst hatte ich jegliche Kontrolle über mich verloren. Aber auch er war nicht mehr Herr seiner selbst. Sein Körper war überall.
Ich befand mich in einem Stadium von Losgelassenheit und empfand noch nie da gewesene Gefühle. Er streichelte jede Stelle meines Körpers.
Wir kannten uns nicht, doch brauchten unsere Körper sich dafür um so mehr. Und sie zwangen uns immer wieder zu einander um sich zu ertasten und Nachrichten auszutauschen.
Als sich unsere Blicke zum ersten mal seit dem Café trafen, fiel ich urplötzlich in die Realität zurück und ich wusste das ich gehen muss. Es war nicht der Mann, der mich erregte, es waren andere Dinge, die uns steuerten, die unsere Sehnsucht begründen ließen. es waren unsere Körper die nacheinander verlangten. Nicht unser Verstand, unser Denken.
Er drehte mir eine Zigarette und wir rauchten sie im stummen Einverständnis und ließen unsere Körper sich von einander verabschieden. Dann stand ich auf und verließ seine Wohnung.