Lieber Cannan,
jetzt kommen wir uns doch näher. Du hast dir also doch etwas gedacht oder dir wenigstens hinterher Gedanken über die Bezüge gemacht.
Das war doch schon meine erste konkrete Frage, die du dann mit einer allgemeinen Literaturtheorielehrstunde beantwortet hast.
Es geht hier aber eben nicht um absurde Texte im allgemeinen sondern um deinen.
Es geht um deine Intention zu dem Text.
An den Reaktionen kannst du sehen, dass die offensichtlich nicht ankam.
Und erst, wenn mir deine Intention oder deine Gedanken bekannt sind, kann ich mir doch Gedanken machen, woran das liegen könnte.
Wie schon im ersten Beitrag geschrieben. Ich habe es hier zu oft erlebt, dass ich mir mit kryptischen Texten Mühe gegeben habe, um dann von den Autoren dafür ausgelacht zu werden, dass ich in ihrem Text noch so etwas wie eine Intention gesucht habe. Solche Erfahrung macht misstrauisch. Wenn ich also das Gefühl habe, jemand hat nur Sätze aneinandergereiht, ohne sich etwas dabei zu denken, denke ich auch nicht mehr, sondern frage höchstens nach.
Kommen wir zu deinen Aussagen:
Für dich steht der April für Ostern. Meine Assoziation zu April war "April April", an Ostern habe ich dabei nicht gedacht, trotz der Frage nach Jesus.
Hier hättest du sogar eine Chance, mit einem bisschen Klarheit, die Absurdität des Dialogs zu erhöhen und den Leser dabei weniger im Dunkeln tappen zu lassen. Stelle dir den Dialog so vor:
"Welchen Monat haben wir heute?", fragte der Alte.
"April", sagte ich.
"Ostern", wiederholte er leise.
Aussage und Wiederholung haben dann offensichtlich erstmal weniger miteinander zu tun, das erhöht die Absurdität und hilft dem Leser gleichzeitig bei dem Bezug. Auch zeigt es deutlicher, aus welch unterschiedlichen Welten die beiden kommen. Der Alte denkt in ganz anderen Zeitrechnungen, vielleicht nach dem Kirchenkalender.
Mit dieser Information könnte man deine Frage nach "Vielleicht ist er schon immer Christ gewesen" sogar weiterspinnen, wenn man sich die Beschreibung des Mannes anschaut. Man könnte sich auch fragen, vielleicht ist es Gott? Auch, wenn das natürlich die Frage aufwerfen würde, warum der zu sich selber beten sollte. Doch dabei könnte es sich ja auch um eine Segnung handeln.
In keinen intendierten Zusammenhang bekomme ich übrigens den Satz "Ich bestand darauf", der im luftleeren Raum hängt, weil es keinen Grund gibt, auf irgendetwas zu bestehen.
Gleich zum Einstieg gibt es noch einen Punkt, an dem du den Text wunderlicher machen könntest.
Die Anrede "Menschenfreund" ließe ja vermuten, dass der Alte in seinem Gegenüber Jesus sieht. Hier wird also eine Verwirrung in der Sicht der beiden zueinander eingeleitet. Der Alte möchte im Anfassen anbeten, der Junge sucht Weisung. Sie sehen sich also eventuell beide als Höheres, auch wenn der Junge eher atheistisch erscheint. Er ist auf der Suche. Gestaltest du nun den Satz:
"Eine Kutsche, denk ich. Siebzehntes Jahrhundert."
um zu:
"Eine Kutsche", dachte ich. "Siebzehntes Jahrhundert.", vermittelst du in der auf einen Gedanken folgenden Gegenfrage dem Alten weiterhin etwas "Göttliches" und treibst diese Sichtweise etwas auf die Spitze, pointierst sie sozusagen. Wenn es aber darum geht, dass beide nur arme Sterbliche ohne jegliche Weisheit sind, ist natürlich deine Form die Bessere. Ich fände das Spiel mit der Idee, der Jüngere könnte vielleicht auch Gott gesehen, aber nicht erkannt haben
ganz reizvoll.
Zum Ende hin ist die Suche deines Prot vergeblich. Er hält die religiöse Inbrunst nur für Wahnsinn (der eher wie Tollwut dargestellt wird). Eine verbreitete Sichtweise. Wer glaubt, muss verrückt sein. Dann lieber nach Hause und die Suche aufgeben. Letztlich ist die Eingangsfrage damit beantwortet. "Wohin, wohin nur ...?"
"nach Hause."
Die Entscheidung ist gefallen. In der Realität bleiben, Boden unter den Füßen genießen, aber auch keine Wagnisse mehr eingehen, sich vielleicht abfinden.
Etwas, das mich abgelenkt hat, war "Görlitz". Wer denkt dabei schon an Italien?

Auch die Kutsche, selbst wenn ich da eine Vorschlag gemacht habe, hängt mir zu leer im Raum. Wozu ein Verweis aufs siebzehnte Jahrhundert? Er eröffnet mir keine zusätzliche Perspektive. Ich weiß nicht, warum es genau eine Kutsche sein muss, dazu eine aus dem siebzehnten Jahrhundert. So kurze Texte haben einfach den Nachteil, dass wirklich jedes Wort an seinem Platz stimmen muss. Sie erfordern eine unglaubliche Präszision.
Natürlich sollte auch bei längeren Texten alles stimmen, aber bei kurzen fällt es viel mehr auf und ins Gewicht.
Man muss (siehe April=Ostern) schon recht sicher sein, dass ein Begriff in jedem ungefähr ähnliche Assoziationen wachruft. Ein Satz, der in einem Leser keine Verknüpfung erschließt, kann schon dafür sorgen, dass du nur Schulterzucken erntest.
Selbst, wenn es nicht um das Vernünftige, Verständige geht, muss eben eine andere Intention zu erkennen sein als:
Im Grunde ging ich selber nicht mit Überlegung an die Geschichte. Hab sie einfach so aufgeschrieben, ohne mir Gedanken zu machen, was da für Bilder für euch, aber auch bei mir selber rauskommen.
Auch bei absurden Geschichten.
Wie du siehst, gibt es schon Gedanken, die man sich zu deinem Text machen kann. Nur ist die Mühe eben ärgerlich, wenn der Autor selbst erklärt: Ich habe mir selbst nichts dabei gedacht. Betrachtet es doch als Absurdum.
Lieben Gruß, sim