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Ein unbewegendes Ereignis

oc

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20.07.2001
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Ein unbewegendes Ereignis

"Gehen Sie endlich!", "Hauen Sie ab !" "wir brauchen Sie nicht mehr, Sie sind ein Versager!" Ich verlasse den Raum, den Raum in den ich all meine Hoffnungen auf eine weitere Chance im Leben der doch so harten Gesellschaft gesteckt hatte.

Ich arbeite bei einer relativ gut angesehenen Agentur. Ich war nie der Beste, ich habe es nie zu irgendetwas gebracht und ich habe immer gerade soviel getan, dass es gereicht hat. Doch seit ich gehört hatte, dass sie bei der Agentur eine neue Führungsperson suchen, in ihrem eigenen Haus einen Mitarbeiter, der einen neuen Anfang beginnen kann, habe ich mich mit vollem Ehrgeiz in die Sache hinein gesetzt und arbeitete an meiner Bewerbung, die ich dann dem Vorstand zukommen lassen und mich von meiner Konkurrenz überzeugend absetzen wollte. Doch dazu kam es erst gar nicht. Ich hatte mal wieder einen Fehler gemacht, einen Fehler der nun schon wieder einmal mein Leben in die negative Bahn lenkte. Der Chef war nicht zufrieden und sagte mir endlich mal, was ich für ein Mensch bin. Ein fauler, unnutzer Mann, der vom „einfachen“ Leben träumt.

Ich geh, voller Schmerz und Unwillen zu Leben aus dem Büro. Ich knalle die Tür zu und schreie noch irgendwas, was aber keiner versteht.

Ich werde schnell ärgerlich, ich habe mich selten unter Kontrolle und nun ist mein Wunsch, mit der Führungsrolle neu anzufangen, auch nur eine Illusion, genau wie mein ganzes Leben, nur eine Illusion ist. Eine unscheinbare Person mit einer unscheinbaren Vision.

Auf dem Weg zu meinem Stammkasino in dem ich jeden Abend meinen Feierabend verbringe, komme ich auf die Idee, mich an dem zu erfreuen, was ich dennoch habe: ich bin gesund! Ich beschließe, wie ich es schon oft von „intelligenten Menschen“ gehört habe, mich an dem zu erfreuen, was ich sehe. Ich schaue mich um, sehe den Himmel, die Sterne, die Büsche, die neben mir im Wind tanzen und eine Nutte, die probiert, ihren Körper so gut es geht erotisch darzustellen, obwohl es bei ihrem Gewicht scheinbar unmöglich ist. Und ich sehe neben mir einen Hauch von Nebel, nicht größer als eine Bettdecke, der wie regungslos in der Luft liegt und irgendwie nett aussieht. Doch was ich da sehe, gefällt mir nicht. Mir ist das Leben so schön erzählt worden, es ist kostbar und das Beste was es gibt, doch ich sehe nur einen einsamen arbeitslosen Versager, der auf dem Weg ist, sein weniges Geld was er noch hat in einem Kasino zu verspielen.

Ich betrete das Kasino, immer noch mit dem Blick, mich an allem zu erfreuen. Mir fällt auf, dass dieses Kasino, welches ich noch gestern als schön und gemütlich ansah, in dem ich immer ein Gefühl der Geborgenheit hatte, mir auf einmal als ein eklig, hell erleuchteter Raum mit ein paar unmöglich gekleideten Personen erscheint. Mich überfliegt eine Gänsehaut: "Was habe ich nur die ganzen Jahre hier gemacht"?! Mir fällt eine kleine Katze auf, die gerade probiert, auf einen der dreckigen Automaten zu springen. Das muss wohl die Katze der Besitzerin sein. Sie ist ein dicker Mensch mit fettigem Haar und einem übel riechenden Atem. Das Einzige was mir hier gefällt ist die Katze, der das alles egal ist, wer wo eine Arbeit hat oder ob wir arm oder reich sind; das interessiert die Katze nicht. Nein, sie probiert nur, auf diesen Automaten zu springen und erfreut sich an den schönen Dingen in diesem kalten Raum, mit denen sie spielen kann. Ich werde neidisch und ärgerlich zu gleich, dass ich mich nicht an diesem kalten Raum mit all den unnützen Sachen erfreuen kann. Mir fällt wieder dieser Hauch von Nebel auf, der neben mir fast unsichtbar wirkend in der Luft liegt. Ich bekomme einen Schrecken. Habe ich diesen Nebel immer übersehen weil ich mit falschen Blicken die Welt betrachtete oder ist es Realität und dieser Nebel ist wirklich neben mir in diesem kalten Raum. Ich will mich nicht für eine Alternative entscheiden, weil die eine nicht besser ist als die andere. Ich hebe die Katze hoch und streichele sie, zumindest versuche ich es, da ich noch nie einen anderen Menschen zart berührt habe oder probiert habe, einem anderen Menschen oder gar einem Tier einen Gefallen zu tun, da ich ja selbst jeden Gefallen gebrauchen kann. Mir hat man auch nie einen Gefallen getan.
Doch bei der Katze kommt es mir so vor, als wenn sie das Leben lebt, was ich immer leben wollte. Dann treffen meine Blicke jedoch wieder den Nebel, der sich jetzt um mich gedreht hat und direkt vor mir ist. Ich denke, dass ich vielleicht doch nicht gesund bin und irgend etwas mit meinen Augen nicht stimmt, vielleicht habe ich einen Schleier vor den Augen, oder es liegt daran, dass ich lange nicht mehr geschlafen habe. Ich bleibe die meisten Nächte in diesem Kasino, da fühle ich mich geborgen und beachtet. Aber das kommt mir jetzt auch anders vor. Ich fühle mich von diesem Nebel belästigt, von diesem Kasino angewidert und bin von mir enttäuscht. Ich bekomme Angst. Eine Gänsehaut und der kalte Schauer, der mir den Rücken herunter kommt, bewegen mich dazu, den Raum zu verlassen. Ich renne auf die Straße, meine Blicke nur noch auf die Katze gerichtet, die ich in der Panik auf dem Arm gelassen habe. Die Katze springt aus meinen Armen auf die Straße und bleibt da sitzen. Ich werde langsamer und beobachte die Katze, die ganz ruhig auf der Straße sitzt und schon wieder nur die schöneren Seiten sieht. Sie hat nichts von meiner Panik mitbekommen, sie hat nichts von diesem seltsamen Nebel mitbekommen und vermutlich hat sie auch nichts von mir mitbekommen, wer ich bin und dass ich jeden Abend in diesem Kasino war, dass interessiert sie nicht. Sie sitzt auf der Straße und schaut sich das Schattenspiel der Äste, die von einer Straßenlaterne angestrahlt werden, auf der Straße an. Ich fange an, mir auch dieses Schattenspiel anzuschauen, es gefällt mir.
Doch ich bemerke den Nebel wieder, der jetzt genau über der Katze ist und komme wieder in die Welt, in der ich nichts aus mir gemacht habe, zurück und bekomme eine Wut. Eine Wut auf diesen Nebel, der mir jetzt schon über zwei Stunden verfolgt. Doch meine Blicke weichen für kurze Zeit von dem Nebel weg, da ich in der Ferne einen Lastwagen entdecke, der mit schneller Geschwindigkeit auf die Stelle hinfährt, auf der die Katze unter dem Nebel sitzt. Die Katze scheint wie hypnotisiert von diesem Schattenspiel und wie abgeschnitten von der Welt durch diesen Nebel. Wieder bekomme ich eine Gänsehaut. Doch zum erstenmal fürchte ich mich nicht um mein eigenes Wohlergehen, nein, ich fürchte mich um das Wohlergehen der Katze, die bis jetzt noch nichts von dem Lastwagen mitbekommen hat. Ich kann es nicht länger mit ansehen, dass dieses von Menschen gebaute Gefährt, die heile, beneidenswerte Welt der Katze zerstören wird. Ich springe auf die Straße, versetze der Katze einen sanften aber doch starken Stoß mit meiner Handoberfläche. Der Lastwagen scheint mir auf einmal viel näher als ich erwartet habe und ich will auch die Straße verlassen, doch ich kann nicht. Ich bin wie gefesselt von diesem Nebel, der nun vor mir tanzt und eine Form annimmt. Kurz bevor der Lastwagen mich aus dem "Dasein" holt, erkenne ich, dass der Nebel die Form einer spielenden Katze annimmt und ich freue mich mit der spielenden Katze und meine Gefühle entweichen für einen Augenblick aus der Welt, in der ich nie eine Chance gehabt hatte, bevor auch mein Körper diese Welt verlässt.

Kaskow

 

Der Anfang der Geschichte war ziemlich gut und vielversprechend, leider lies die Geschichte am Ende etwas nach. Ich hätte mir doch mehr als das alte Normalobürger-lernt-dass-sein-Leben-sinnlos-ist-und-stirbt Schema erwartet.
In so fern war die Lektüre Deine Geschichte eher ein unbewegendes Ereignis.

;)

 

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