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Ein Zombie im Kaufhaus

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14.02.2007
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Ein Zombie im Kaufhaus

„Junger Mann?“
Sie schien nicht zu bemerken, dass ich mich bereits mit zwei Kunden gleichzeitig unterhielt.
„Junger Mann?!“
Sie schien es wirklich nicht zu bemerken.
„Junger Mann, ich suche einen Jogingschuh. Könnten Sie mir vielleicht helfen?“
Das war keine Frage, das war eine Aufforderung…
„Sofort, ich mache nur grad die beiden anderen Kunden fertig.“ Ähm, ich meine ich bringe nur grad das Verkaufsgespräch mit den beiden anderen Kunden zum Abschluss, verbesserte ich den Satz in meinem Kopf. Fertig machen tut man sich schließlich nicht im Einzelhandel.
„Alles klar, dann wünsche ich Ihnen viel Spaß mit Ihren Laufschuhen. Sie können die Schuhe auch gern noch für ein paar Stunden in Ihrer Wohnung ausprobieren, falls Sie sich noch nicht hundertprozentig sicher sind. Wenn Sie die Schuhe einmal draußen getragen haben, erlischt natürlich Ihr Umtauschsanspruch, es sei denn es tritt später ein Materialfehler oder Ähnliches auf. Ein schönes Wochenende wünsch ich Ihnen!“

„So, junger Mann, jetzt haben Sie ja Zeit, oder?“
Wieder war es keine Frage…
Und überhaupt, was sollte das eigentlich sein, ein „junger Mann“? Das berühmte Zwitterwesen aus Junge und Erwachsenem, und meist waren es selbstbewusste Damen über Fünfzig die einen so nannten, die sich „nichts andrehen lassen wollen“, „sämtliche Testurteile gelesen haben“ und „am liebsten einen reduzierten Jogingschuh haben möchten“. Ja ja, einen Joginschuh, das zweite ‚g’ war wohl auf dem stressigen Weg von Köln-Marienburg in die City verloren gegangen. Schluss jetzt…
„Was können Sie mir denn für einen empfehlen? Also, am liebsten was Reduziertes!“ Ich wusste es...

„Am besten ziehen Sie zunächst einmal Ihre Schuhe aus, krempeln Ihre Hosenbeine ein Stück hoch und stellen die Füße etwa schulterbreit auseinander.“ Jetzt hörte ich mich an wie so ein Cop in einem amerikanischen Provinznest, der arglose Touristen drangsaliert, die sich irgendwie dorthin verirrt haben. Wow. Das hatte was.
„Wieso, wenn ich fragen darf?“
„Ach so, es geht darum zu erkennen, ob bei Ihnen eine Fußfehlstellung vorliegt. Das wäre nicht weiter schlimm, Sie bräuchten dann lediglich einen Schuh mit Pronationsstütze, die ein möglichst gerades Abrollen Ihrer Füße gewährleisten soll.“
Ratlosigkeit in ihren Augen.
„Also, in Ihrem Fall würde ich dringend einen Schuh mit Stütze empfehlen. Beide Sprunggelenke senken sich bereits in der Statik nach Innen ab.“ Jetzt wurde ich gemein.
„Schauen Sie mal, dort die Schuhe, die auf den grünen Platten stehen, die haben alle eine Stützfunktion.“
„Haben Sie mal die Preise gesehen?!“ Natürlich, ich arbeite hier…“Da kostet ja keiner unter hundert Euro!!!“
„Ich schaue mal im Lager nach, ob ich eins der günstigeren Modelle in ihrer Größe da habe. Was haben Sie denn für eine Schuhgröße in Ihren Lederschuhen? Die Laufschuhe fallen sehr klein aus, da müssen Sie meist noch mal zwei Nummern draufrechnen.“
„Ähm, das wäre dann die Größe 36. Also in meinen herkömmlichen Schuhen, meine ich.“
Alles klar, macht dann circa 38 überschlug ich es in meinem Kopf und verschwand ins Lager. Erstmal anlehnen. Und Durchatmen. Und einen Blick in den Spiegel werfen. Oh Mann, diese Gesichtsfarbe. Tiefblaue Augenringe füllten
beinahe mein gesamtes Gesicht aus. George A. Romero hätte mich vom Fleck weg für seinen neuen Film gecasted.

„Arbeiten Sie eigentlich hauptberuflich hier, junger Mann?“
Da war die Frage. Sie stellte sie, als ihren zierlichen mittfünfziger Fuß per Schuhhörnchen in einen 120 Euro teuren Laufschuh zwängte. Die Frage, die mich immer wieder in schwerste Gewissenskonflikte brachte. Wenn ich zu vehement darauf pochte, „bloß Aushilfe zu sein“ und „eigentlich zu studieren“, pisste ich doch im gleichen Atemzug meinen (festangestellten) Kollegen an den Karren, die sich hier tagtäglich abschufteten. Das konnte ich nicht bringen.
„Natürlich nicht!“
Sorry Jungs, aber Schuhverkäufer?! Jetzt mal ernsthaft…
„Ich studiere. Auf Lehramt. Sonderpädagogik.“ Jetzt müsste erfahrungsgemäß eigentlich der zweite obligatorische Gedankengang samt geheucheltem anerkennendem Respekt folgen.
„Sonderpädagogik?!“
Ja, ja, und…
„Mensch junger Mann, dass ist aber bemerkenswert. Ich könnte das nicht.“
…zack, da war er.
Na gut, über Berufserfahrung verfügte ich überhaupt noch nicht. Lediglich zwei, mit Samthandschuhen absolvierte, Praktika konnte ich vorweisen. Aber was soll´s:
„Ja damit haben Sie absolut Recht. Für diesen Beruf sind nur Menschen mit einem Höchstmaß an sozialer Kompetenz geeignet. Menschen, die auch mal dazu bereit sind, Opfer zu bringen.“

Ich kann mir nicht erklären wieso, aber die Laufschuhe hat sie letztendlich mitgenommen. Die teureren. 160 Euro das Paar.

 
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Moin,

als Riesenfan von Dawn of the Dead freue ich mich ganz besonders, deinen Einstand hier kommentieren zu dürfen.

Hat mir eigentlich durchgehend gut gefallen. Aber:

Na gut, über Berufserfahrung verfügte ich überhaupt noch nicht. Lediglich zwei, mit Samthandschuhen absolvierte, Praktika konnte ich vorweisen.

Irgendwie erwartet man der Stelle, ein bisschen was über die Praktika zu erfahren. Ging mir jedenfalls so. Sonst fügt sich der Satz irgendwie nicht in die Geschichte ein (inhaltlich).

Ansonsten sagt mir deine Story, dass ihr Autor ein sehr aufmerksamer Beobachter ... seines Alltags ist. :)

Grüße

Jan-Christoph

PS: Der Jogingschuh ist klasse ... hatte ihn mir schon als Rechtschreibfehler rausgeschrieben.

 

Hi,

Recht authentische Schilderung eines studentischen Schuhverkäufer-Alltags:D

Nur den Titel kapier ich nicht. Beide Figuren leben. Wer von denen ist der Zombie?
Vielleicht lässt es sich durch Szenen aufpeppen, in denen du Kunden mit stumpfem Blick durch den Laden laufen lässt. Das wär dann auch näher an Romeros Film.

 

Hallo,
eine unterhaltsame Geschichte über den Alltag, die ich teilweise lustig fand. Die "G's" sind ein guter Einfall. Zuerst der Jog(g)ingschuh mit nur einem davon, im anderen Fall hast Du das G in der "Sonderpädag(g)ogik" untergebracht :) War das Absicht??? :)

Könnten Sie mir vielleicht helfen?!“
Das war keine Frage, das war eine Aufforderung…

Ich sehe das nicht als Aufforderung, sondern als Frage; sonst müsste es ja heißen: "Würden Sie mir bitte helfen!!!"

oder das Fragezeichen müsste weg.


Mensch junger Mann, dass ist aber bemerkenswert. Ich könnte das nicht.“

Mensch, junger Mann, das ist aber bemerkenswert ...

Der "junge Mann" ist oft erwähnt - zu oft!

Bei allen Fragezeichen machst Du zusätzlich ein Ausrufezeichen, so dass ich unsicher bin, wie es aufgefasst werden kann (?!)

Schauen Sie mal, dort die Schuhe, die auf den grünen Platten stehen, die haben alle eine Stützfunktion.“

zweimal ein "die" klingt für mich komisch. Ich würde schreiben: Die Schuhe auf den grünen Platten dort drüben haben alle eine Stützfunktion; wenn sie mal schauen möchten?

Die Frage die mich immer wieder in schwerste Gewissenskonflikte brachte.

Nach Frage ein Komma

In Bezug auf die Überschrift nehme ich an, dass die alte Frau der Zombie sei???

Wenn man genau hinschaut, sieht man einige Fehler. Aber wie schon gesagt, ganz witzig geschrieben. :)
LG KaLima

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi!

Danke euch allen für eure konstruktive Kritik...
Habe die Romero-Referenz im Endeffekt nur gewählt, weil ich sie ganz passend fand. Steckt nicht wirklich viel dahinter. Der Zombie kann somit entweder der Protagonist oder die Kundin sein.

Mir sind im Nachhinein auch viele Fehler aufgefallen. Das doppelte 'g' in Sonderpädagogik war definitiv NICHT beabsichtigt, auch wenn ich das natürlich an dieser Stelle behaupten könnte:)

Kenne halt ein paar Leute, die sich tagtäglich im Einzelhandel abschufften und habe aus deren Erlebnissen/Erzählungen eine kleine Geschichte gebastelt...

 

Moin Schwarzenbach,

wirklich sehr kurzweilig, dein kleiner Einblick in die Gedankenwelt eines Al Bundy mit Abitur. :schiel:

Den Jogingschuh fand ich dafür jetzt nicht soooo lustig, die Einlagentipps aber umso mehr. Da lob ich mir doch meine 10 Euro - Treter von Aldi!

MfG, Marvin

PS: Zombies im Kaufhaus war doch auch eine Rubrik bei den Freitag Nacht News ...

 

Hallo Schwarzenbach,

ja, für deinen Einstand hier eine nette Geshcichte. Gleich der Einstieg hat mir gefallen.

„Sofort, ich mache nur grad die beiden anderen Kunden fertig.“ Ähm, ich meine „ich bringe nur grad das Verkaufsgespräch mit den beiden anderen Kunden zum Abschluss“, verbesserte ich den Satz in meinem Kopf. Fertig machen tut man sich schließlich nicht im Einzelhandel.
da solltest du dir was anderes überlegen, nichts ist langweiliger als einen Joke im Nachhinein zu erklären. Schließlich ist der Leser nicht doof.
Vielleicht könntest du eher den Gedanken einbringen, wen der Verkäufer tatsächlich gerne fertig machen würde?
Andersrum schreibst du - tut man sich ja nicht im Einzelhandel - und eindeutig macht dein Prot sich da ja selbst etwas fertig (mit all den Zombis um sich rum ;) )
So, dann kommt der nächste Absatz:
„Alles klar, dann wünsche ich Ihnen viel Spaß mit Ihren Laufschuhen. Sie können die Schuhe auch gern noch für ein paar Stunden in Ihrer Wohnung ausprobieren, falls Sie sich noch nicht hundertprozentig sicher sind. Wenn Sie die Schuhe einmal draußen getragen haben, erlischt natürlich Ihr Umtauschsanspruch, es sei denn es tritt später ein Materialfehler oder Ähnliches auf. Ein schönes Wochenende wünsch ich Ihnen!“
Da ist der Adressatenbezug nicht klar. Um deutlicher zu machen, mit dem dein Prot redet, solltest du vll noch einfügen: "Alles klar", schloss ich das Verkaufsgespräch ab, "dann..."
oder etwas in der Art

weiter geht es. Du benutzt mit Vorliebe Anführungszeichen. Das liest sich auf Dauer etwas anstrengend. Versuch es doch mal mit Kursiv, wenn sich dein Prot beispielsweise was denkt. Auch hier wird dann die Zuordnung deutlicher.

„Schauen Sie mal, dort die Schuhe, die auf den grünen Platten stehen, die haben alle eine Stützfunktion.“
„Haben Sie mal die Preise gesehen?!“ Natürlich, ich arbeite hier…“Da kostet ja keiner unter hundert Euro!!!“
Der Lesbarkeit halber solltest du den fetten Teil unter die wörtliche rede setzen. Dann Absatz und wieder wörtliche Rede.

Die Pointe fand ich stimmig. Alles in allem hat´s mir gefallen.
grüßlichst
weltenläufer

 

@morphin
wer lesen kann, ist hier arg im Vorteil *ganz frech sei*
Bin auch drüber gestopltert, Erklärung ist aber im Text zu finden...

 

@weltenläufer

Hi! Und vielen Dank für die wertvollen Tipps. Werde ich beim Verfassen meiner nächsten Geschichte auf jeden Fall beherzigen. Der hohe Anteil an wörtlicher Rede hat mich zugegebenermaßen selbst etwas "gestört" :)
Da es sich bei der beschriebenen Situation um ein Verkaufsgespräch handelt, ist es natürlich schwierig darauf zu verzichten...

Auf jeden Fall ein sehr konstruktives Forum hier;)

 

Hallo Schwarzenbach nochmal,

der hohe Anteil von wörtlicher Rede ist keineswegs schlimm. Ganz im Gegenteiil, das macht eine Geschichte in vielen Fällern erst richtig lebendig. Du solltest nur darauf achten, immer den entsprechenden Bezug deutlich zu machen.
Und ja, is ein sehr konstruktives Forum hier. Um deine Leser jedoch nicht im Vorfeld zu vergraulen, würde ich dir anraten, die Tipps gleich umzusetzen und das nicht auf deine nächste Geschichte zu verschieben. Sonst gibt man sich das Nchste Mal vielleicht nicht mehr so viel Mühe der konstruktiven Kritik, wenn du verstehst. Das natürlich immer unter der Prämisse, dass du den Kritikpunkten zustimmst.Aber das hast du ja in diesem Fall getan. ;)

grüßlichst
welteläufer

 

Hallo Schwarzenbach!

Fand deine Geschichte durchgehend gut. Sprachlich ist mir auf die Schnelle nichts mehr aufgefallen. Was mich ein bisschen wundert, ist, dass ausgerechnet Sonderpädagogik als Studiengang den Menschen so viel Respekt einflößt. Ich hätte hier eher auf Diplom-Physik getippt.

„Ja damit haben Sie absolut Recht. Für diesen Beruf sind nur Menschen mit einem Höchstmaß an sozialer Kompetenz geeignet. Menschen, die auch mal dazu bereit sind, Opfer zu bringen.“

Der Satz ist zwar nicht schlecht, aber so ganz erklärt er für mich noch nicht, wie es zu dem Stimmungsumschwung der Frau kommt (und das sollte er meines Erachtens andeutungsweise tun). Vieeleicht findest du hier etwas Überzeugenderes.

Viele Grüße

Knäckebrot

 

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