Mitglied
- Beitritt
- 13.12.2007
- Beiträge
- 8
- Anmerkungen zum Text
Sorry für die nervigen "Absatz - Striche", ich überlege die Geschichte nem Selfpublisher Verlag zu geben. Nur für mich, damit ich den Spaß als gebundene Novelle habe.
Da bin ich allerdings an ein Format gebunden, dass die Seiten- und Kapiteltrennung schwierig gestaltet.
Möchte einfach sehen ob es doll nervt.
Eine Örnopie - Drei Tage mit Örnie
Der Ofen - Tag 1
Es ist Ende März, die Terrasse ist wieder eröffnet. Die Professoren von nebenan kommen in den Genuss vom Tageslicht und die Nachbarschaft darf wieder teilhaben an Holsten Edel, Zigaretten und nur dem HSV.
"Der Dorsch ist der atlantische Kabeljau, wenn ich es dir doch sage", höre ich jemanden übertrieben wichtig sagen: "Verarsch mich nicht, ich hab Kabeljau gegessen und Dorsch gibt es gefühlt jeden Dienstag. Das schmeckt anders, das sieht anders aus, das´n anderer Fisch", entrüstet sich sein gegenüber. "Genau, und außerdem ist da Panade an dem Kabeljau. Den frittierst du. Das würd ich mit nem Dorsch ja nie machen" ,mischt sich der Tisch von nebenan ein. "Nein, nein. Was seid ihr denn für Trinkwassermatrosen alle zusammen", übernimmt Vogel Nummer Eins wieder das Wort, "Das ist ein und derselbe Fisch, genau wie Deutschland im Ausland ja auch nicht Deutschland heißt. Da heißen wir ja auch Germany oder El Alleman."
Diese Unterhaltung ist Gold, denke ich. Sitze wunderbar unter meinem Sonnenschirm und trinke einen Kaffee, auf meiner Terrasse. Vom Ofen trennt mich nur eine 1,50 Meter hohe dichte Hecke.
"Los komm wir trinken noch einen.", sagt die neue Stimme. "Wie alt bist geworden fremder Mann?", ah ja, Manni ist auch wieder da.
"So, bitte die Herren. Zwei edle Biere, wohl gefällt's", das ist Ralf, die Stimme kenne ich. "Weißt du Ralf, du bist mir im Leben der zweitliebste Wirt", spricht Manni euphorisch. "So so, der zweitliebste also", entrüstet sich Ralf. "Der erste ist im Zuchthaus gestorben." Und alle lachen los.
Ich verstehe es bis heute nicht. Manni macht diesen Witz einfach jedes Mal, zugegeben, er schafft es, ihn wie einen nie gehörten wirken zu lassen, aber das Level erschließt sich mir einfach nicht.
Gedanklich bin ich gerade eigentlich eher bei den aktuellen Nachrichten. Ich frage mich tatsächlich, worauf die USA als Nächstes ihr Augenmerk legen, nachdem sie sich aus Europa zurückgezogen haben werden, denn Trump erzählt doch Quatsch, wenn er behauptet, die USA würde sich ab sofort mehr auf sich konzentrieren. Die haben Waffen! Ne Menge Waffen, und die werden von den Staaten auch benutzt. So war es immer und Trump ist nicht derjenige, der diesen riesigen Militärapparat still liegen lässt. Die USA werden, genau wie Israel, ein starkes Interesse am syrischen Luftraum haben. Taiwan, China könnte es sein. Oder das Nordpolarmeer?
Deutschland schaut derweil in Richtung Jerusalem und verurteilt die Siedlungspolitik im Westjordanland öffentlich. Politische Kritik an Israel ist verdammt selten, aber es ergibt insofern Sinn, dass sich Deutschland, bzw. Europa, mehr auf sich und die Ukraine konzentrieren. Mit dem Nahen Osten will Europa nichts zu tun haben.
Ich habe keine Ahnung …, vielleicht stell’ ich die Frage im Ofen.
"Der Trump bringt uns den Frieden, der macht auf Kumpel mit Putin und fickt die Ukraine!", sagt so'n Typ am Tresen sitzend, mit drei schwarzen Stumpen im Maul, die nach vorne stechen, als er redet, sein verwaschenes Cap trägt er zielsicher nach hinten und trinkt genüsslich an seinem Bacardi Cola. "Der übernimmt die ganzen Kernkraftwerke, ...", noch ein Schluck, "der wird die Ukraine besetzen, sich alle Bodenschätze in die Taschen stecken und dann wird der Trump schön alles nach und nach dem Russen geben. Damit der Putin dem Chinesen auf den Sack geht", philosophiert er weiter.
_
"Ich hab Geburtstag", stellt sein Bier neben den Deckel ab, "darum sag’ ich da jetzt auch mal was!", viel zu laut, "Wir sind genau eine Wahl hinter Trump und diese Wahl kommt schon bald. Diese ganze scheiße da, die pumpen tausend Milliarden in irgendwelche", Pause …", ich nehme noch 'n Helbing, ...", den er auch prompt eingeschenkt bekommt, "... Kriegs-scheiße!".
"Bald zahlen wir mit unseren Zigaretten", zischt es zwischen den Stumpen her. "Darauf Prost", sagt der Geburtstagsidiot, kippt den Helbing und verschwindet wieder nach draußen. Dort geht das Gespräch ohne jedweden roten Faden weiter. Ich jedenfalls habe meine Antwort bekommen und biete mein auf Wiedersehen an, denn ich will mich noch ein wenig frisch machen.
Pauli gegen Bayern im Dschungel. Ich glaube, in der Atmosphäre gönne ich mir drei Bier.
"Alter! Das heißt St. Pauli!", schreit Malena gegen die Menge und die Glotze an, "Oh fick dich einfach Malena, echt jetzt. Warum müssen alle Fußballfans in Hamburg so nervig sein?" , schreie ich zurück.
Malena ist schwer in Ordnung, auch wenn sie so ihre ecken und kanten hat, aber wer hat die nicht. "Die sollen mich in Ruhe lassen, mit ihren First World Problems, klar gehört das Wort verboten, aber wie oft unterhält man sich im Jahr über Schaumküsse? Zweimal vielleicht? Jetzt reden ständig alle über Schaumküsse. Weiß ja nicht, ob das besser funktioniert." Hans-Christian erhebt sein Glas. "So! Bevor wir hier herausfliegen oder so ein Quatsch. Prost! Forza St. Pauli!"
Die zwei sind irgendwie ein Paar oder auch nicht. Beide leben in polygamen Beziehungen, nur trennen sie sich deswegen auch ständig. Da ich mit beiden befreundet bin und die zwei auch miteinander abhängen, wenn sie gerade getrennt leben, habe ich mir abgewöhnt nach dem Beziehungsstatus zu fragen.
Malena hat gerade eine Umschulung zur Kauffrau abgeschlossen. Daher kennen wir uns. Prüfung glatte eins. Aber da sie über 50 Jahre alt ist, und in der Branche allgemein bekannt ist, wie schlecht die Schulen in der Erwachsenenbildung arbeiten, hat sie keine Chance auf einen Job. Über 60 Bewerbungen in zwei Monaten sind herausgegangen. Nun ist sie zum Handeln gezwungen, das Arbeitslosengeld läuft aus.
"Was machst du denn jetzt? Jobben? Gastro?", frag’ ich? Etwas verlegen spricht sie, "... ähm, tatsächlich direkt die nächste Ausbildung. Ich werde Schaffner."
"Ha! Wie geil ist das denn? Zugbegleiterin?", frag’ ich.
"Ja, zwei Monate durchpowern und fertig! Montag geht es los. Und vor allem das Beste, ich werde übernommen!" , spricht sie schon wieder stolz. "Wie wenn aus kacke Gold wird", sag’ ich und hebe das Glas.
Das Spiel gerät mehr und mehr in den Hintergrund, zu angeregt sind unsere Bierseeligen Gespräche.
_
"Der Goldpreis steigt und steigt", sagt Hans-Christian. "Ja, scheiße!", stimme ich nickend zu. "Vor einem Jahr habe ich meine Unze mit Gewinn verkauft. Ging alles für die Ausbildung drauf. Was in diesem Jahr passiert, ist schon krass. Heute hätte ich noch einmal Tausend Euro mehr für die Unze bekommen."
"Nichts hättest du mehr bekommen!", entgegnet Malena. "Gold hat immer die gleiche Kaufkraft. Die Dinge, die du dir mit deiner Unze geleistet hast, kosten heute Tausend Euro mehr."
"Das war schon Quatsch vor der Wahl und ist jetzt noch Quätscher!" prostet Hans-Christian. "Genosse Arschloch", prosten wir zurück.
"Was soll das hier? Was Genosse Arschloch? Seit hier falsch, oder was?", zickt es vom Nebentisch. "Hör mal zu, Karen!", zischt Malena zurück. "Das ist der Wehner! Der hat mehr im Kampf gegen die Nazis geopfert als du in deinem ganzen Leben gegen die AfD irgendwo posten und liken könntest!" Karen, matt. Malena, sehr zufrieden.
Das Spiel hält leider keine Überraschung parat. Das 3:2 am Ende sieht spannend vom Ergebnis aus, war es aber nicht.
Auf dem Heimweg schau’ ich noch im Ofen vorbei.
Als ich die Tür aufreiße, kommt mir der Sound von Andrea Berg entgegen, genau wie Ralf.
Sein Oberteil zeugt von einem harten Abend. Das Shirt vom Hals bis zum Dekolleté nass. Er fällt mir um den Hals. "Du musst mit mir Tanzen! Niemand tanzt hier mit mir", schreit er mir ins Ohr. "Ich, äh … was?" Nun gut, tanz’ ich also mit ihm. Stepp links, Stepp rechts, den Ralf drehen lassen, nochmal drehen, kurzer Stepp, zu mir eindrehen, einen Kreis tanzen und Drehung. "Ralf, ich wollte eigentlich ein Bier!", schrei’ ich gegen die Musik an und lass ihn sich noch einmal drehen. Er stoppt und bleibt schwankend stehen. "Wow, du kannst das ja richtig, aber mir ist schwindelig. Großes?", haucht er und ein beißend süßlicher Geruch von erbrochenem kommt mir entgegen. "Ja, bitte", wünsche ich mir und trete einen Schritt zurück.
"Den Höcke kann ich ja auch nicht leiden, aber die Weidel find’ ich klasse, die hätte hier einen Tag nach der Wahl direkt aufgeräumt", sagt er völlig ausgewechselt hinter dem Tresen angekommen. Ist wohl einer der Abende, wo man sich nur schämen kann, hier ein und aus zugehen. Nur was soll man machen, Familie und Nachbarschaft kann man sich nicht aussuchen.
"Ich komme aus Thüringen", sagt ein Gast. "Ist ja klasse, dass ich hier so offen reden kann. Man traut sich ja nicht mehr seine Meinung irgendwo öffentlich zu äußern." "Doch, doch …", fährt Ralf fort," und wir werden immer mehr, und nicht nur Deutsche, mehr und mehr Ausländer finden selbst das es zu viele von ihnen gibt. Jeder 4. will uns wählen!"
"Bitte schön.", grinst und stellt mir mein Bier hin. "Nein Danke", sag’ ich. "Ist mir heute eine Spur zu 33 hier." Und bin auch schon wieder weg. Der Wecker klingelt eh früh.
_
Im Klinikum - Tag 2
"Hey Ocho, Mäusezahn." Was freu’ ich mich nach Hause zu kommen. Der Hund blickt kurz hoch, gähnt, schwänzelt einmal links rechts mit dem Schwanz - er freut sich auch. Kurz leg’ mich zu ihm auf den Boden. War kein harter Tag heute, aber ich bin seit fünf Uhr früh auf den Beinen.
Nach zehn Minuten nappen muss ich los. Ocho schaut wie jedes Mal, wenn ich gehe, vorwurfsvoll aus dem Fenster. Sorry, mein Hund. Ich kann dich nicht mit in das Krankenhaus nehmen.
"Moinsen, ich bin der Termin zur Thrombo-Spende um 14:30 Uhr", erkläre ich mich. "Bitte ausfüllen und direkt in Raum eins oder drei durch", erklärt sie.
Ich habe wenig Lust auf die nächsten 90 Minuten, aber irgendwie fühlt man sich gut nach der Spende. Schon ein wenig Heldenhaft.
Das Anti-Gerinnungsmittel, damit mein Blut nicht in der Maschine stockt, lässt meine Zunge, meine Lippen und die Fingerspitzen eigenartig kribbeln. Als stände das High kurz bevor, nur da kommt keins. "Dass doch Blödsinn!", sagt so ein Typ neben mir. "Ja, sind ja alle nett und freundlich, aber die haben einfach keine Zeit mehr für einen", antwortet eine ältere Dame neben ihm. Sie spendet nicht, begleitet den Typen nur. Ist das ihr Sohn? "Ich habe das Karpaltunnelsyndrom", fährt sie fort. "... muss operiert werden. Spüre meine Finger nicht mehr."
"Ach, Gundel. Wir waren doch schon durch mit dem Thema." und wendet sich an die Schwester. "Könnte ich noch Calcium bekommen?"
"Wir müssen noch den Kohl kaufen, das weiß ich.", sie bringt damit das Gespräch in eine neue Richtung. "Weißkohl oder Spitzkohl?", fragt er sichtlich gelangweilt nach. "Weißkohl; und Mayonnaise, Möhren brauchen wir auch."
"Super Gundel, dies noch und das noch", regt er sich auf," am Ende heißt es doch nur, das ganze Geld hier, geht direkt wieder für den Einkauf drauf. Für den Kohl - 7 €, die Möhren noch …, 10 €."
"Lieber für Gemüse Mark, als dass du wieder direkt in die Kneipe läufst."
"Ja, ist ja gut. Nervt mich halt tierisch. Ich sitz’ hier ewig mit dieser scheiß Nadel im Arm und kann uns nicht einmal dafür belohnen."
"Wir haben auch noch Pfand zu Hause.", sagt sie beschwichtigend.
"Pfff, für den Einkauf reicht das längst nicht."
"Warte Mark, du hast da was." und streicht ihm zärtlich etwas von der Schulter. "Vielleicht sollten wir dieses Jahr auf Fuerte bleiben, länger als die drei Wochen, einfach dortbleiben.", säuselt sie sich selbst etwas verträumt zu.
Da kommt die Schwester zurück.
"Bitte schön, ihr Cocktail." Sie reicht den Calciumdrink und er stürzt ihn mit einem Zug hinunter. "Dieses Kribbeln", sagt Mark, "hoffentlich hilft es."
_
"Trump haut die Zölle rauf, die Länder werden sich auf Rüstung konzentrieren, um die Wirtschaft am Laufen zu halten.", höre ich mich laut sagen als die Nachricht auf meinem Handy erscheint.
"Die Autoindustrie hat da bald eine Menge Kapazitäten frei.", antwortet mir Gundel. Ich schau’ zu ihr rüber und muss lachen. Obwohl sie weiß, dass es hier keinen Anlass zur Freude gibt, lacht sie mit.
"In Frankreich spricht man vom l´avant-guerre, dem Vorkrieg.", meint Mark
"Und mit wem? Mit Trump?", entgegnet Gundel.
"Kein Plan, kann ich mir nicht vorstellen. Wir schaffen uns gerade überall Feinde, vielleicht sind wir tatsächlich nach Corona so am Arsch, dass nur noch Rüstung hilft.", überlegt Mark und ich füge hinzu, "die Idee, den Klimawandel zu nutzen und die Wirtschaft so zu pushen kam ja nicht so gut an."
"Wie meinst du das?"
"War ja Habecks großer Traum. Den Karren mit extremen Investitionen in den Klimawandel aus dem Dreck zu ziehen."
"Der Habeck ist mir tierisch auf die Nerven gegangen", sagt Gundel augenrollend, "wenn der im Fernsehen war, habe ich sofort auf Durchzug gestellt."
"Ja …", sage ich," schwer erträglich, aber recht hat er leider."
Der Rest ist Schweigen. Sind aber auch nur noch zwölf Minuten. 30 Sekunden Entnahme und den Ball kneten, 30 Sekunden Rückfluss. Das wiederhole ich zwei Dutzend Male, dann stöpselt mich die Krankenschwester ab.
"Auf Wiedersehen", verabschiede ich mich in die Runde. "Bis in vier Wochen Mister GalacticSuperstarPrasidentMcHammergeil!". Hat sie nicht gesagt, aber so fühle ich mich gerade.
Osterstraße U2
Ich sitze in der U-Bahn. "Manchmal muss man Medizin nehmen, um etwas zu reparieren", spricht mich ein ganz in Orange gekleideter Mann an. "Bitte?", sag’ ich und mach die Musik leiser.
"Niemand kennt das System besser als ich. Deshalb kann nur ich es reparieren. Für einen Euro."
"Okay, das ja günstig. Nimmst du ne Anzahlung?".
"Ungern", sagt er und hält mir seinen Becher hin. Ich schmeiß’ mein Kleingeld hinein, "... reicht nicht ganz, um das System zu reparieren.", und schau ihn achselzuckend an. "Macht nichts", höre ich ihn noch im Drehen, "komm schon noch auf den Euro.", und verschwindet aus der Tür.
Viel Glück im nächsten Abteil denk’ ich.
_
Zurück auf der Terrasse
"Entschuldigung, darf ich einmal zu ihnen kommen?"
"Worum gehts denn?"
"Firma AON. Es geht um die Strom- und Gasversorgung."
"Kein Interesse. Danke."
"Trotz der steigenden Kosten?"
"Kein Interesse! Danke!"
"Wie war das?", fragt meine Nichte.
"Penetrant, äußerst nervig und dein rotes Kostüm schmerzt in meinen Augen", antworte ich ihr.
"Die Klamotte ist Kacke stimmt, aber penetrant muss ich sein! Kein nein ist zu akzeptieren", schnippt sie mir entgegen, "und jetzt unterschreibe das. Ich brauche die Provision."
Entgeistert schau’ ich sie an. "Nein heißt nicht mehr, nein? Denkst du nicht Nichte …", und muss schmunzeln, "..., dass es der Welt schon beschissen genug geht. Ich unterschreibe bestimmt nicht bei diesem Atomverein."
"Atom, Wind, Sonne, Gas..., das ist mir doch komplett scheißegal!", schimpft sie, "ey, ich zahl’ vierstellig Miete für mein verkacktes WG-Zimmer! Mein Kater hat ne appe Pfote und ich sitz’ auf der Rechnung vom Tierarzt, die auf ewig bleibt, scheiße, ich bekomme ja kaum was in den Kühlschrank."
"Du kommst gleich sowas von mit", sag’ ich, "in der Baracke spielen die Oi Angels und du brauchst dringend einen guten Abend!"
Da schaut Ralf über die Hecke. "Aber vorher kommt ihr noch auf ein Bier rüber und dann reden wir, was ich zahlen muss, dass du bei mir arbeitest."
"Meine Nichte wählt aber nicht die AFD", beantworte ich als onkeliger Beschützer.
_
"Oh was? Jetzt wegen die Tage, oder was?"
"Das war gestern", sag’ ich.
"Weißt du", fährt Ralf fort ", was der an Trinkgeld dagelassen hat? Hör ma kleine, du redest den Leuten ein bisschen nach dem Mund und allein vom Tipp kommst du über die Runden." "Ja, ne danke. Ich habe keine Lust auf ne Nazi-Brown-Nose." Gute Antwort denke ich stolz. "Ach komm, ist doch dein Onkel, der immer von der Kooperative spricht. Kooperatisten dieser Welt vereinigt euch!"
"Hab ich ja auch recht mit", sag’ ich. "Mit Nazis macht man keine gemeinsame Sache. Das ist auch keine Kooperation, wenn die ihren Hass bei dir abladen dürfen und du dafür fürstlich entlohnt wirst."
"Ach? Ist es nicht?" und lacht, "Ich muss wieder rein, Mädchen, überlege es dir. Besser in der Bar arbeiten, als wie ein Ampelmännchen durch die Stadt laufen." "Ja, aber muss ja nicht deine sein", und wendet sich mir zu. "Alles klar Onkel, ich werde noch arbeiten. Wir sehen uns später."
Da knallt es die Treppe runter und ein Hundenapf rollt durch die Haustür. Der Hund steht bellend am oberen Ende der Treppe. Gut, denk’ ich, den Hund füttern und ab zum Oppa bringen.
"Örnie ich hab kein Bock auf den Köter." und wendet sich Ocho zu. Nimmt ihren Kopf sanft in die Hände, krault sie unter beiden Ohren. "Ich freu’ mich ja auch, du kleine du, der Oppa wollt nur gleich noch in den Ofen rüber."
"Ja nimm sie mit. Da ist nichts los heute."
"Machst du Witze? Da ist später noch Karaoke, ich sing’ die Internationale´ und Meine Söhne bekommt ihr nicht´."
"Okay" lege ein charmant schelmisches Grinsen auf und lasse Ocho los. Sie huscht sofort an ihrem Oppa vorbei. "Sing im Ofen so laut, dass sie dich in Berlin hören können und bring den Köt vorher in die Wohnung hoch."
Ocho dreht sich auf dem Teppich im Flur dreimal im Kreis und macht es sich gemütlich.
Der Oppa nickt, "Hat sie gekackt?"
"Danke dir." und wende mich ab.
"Hat sie gekackt?", ruft er mir ein zweites Mal hinterher.
Ich laufe noch ein paar Stufen. "Nein, gerade erst gegessen, Tchüsseldorf!"
_
Das Konzert
"Dass ja Quatsch", sagt Hans-Christian. "Eine Band, die den neunziger Kram nehmen, der schon immer scheiße, war, und da jetzt Punk raus-machen."
"Du musst das mit der gewissen Ironie nehmen", sag’ ich als die Band die Bühne betritt. Der Schlagzeuger ist lang und schlaksig, angezogen wie ein Tennisspieler. Noch zwei Typen kommen dazu. Der eine als Schlumpf, der andere als eine Artischocke verkleidet. Der Sänger sieht seltsam bodenständig aus, irgendwie so im Pädagogen Leherschick und dann ist da noch diese Frau an der Gitarre, ..."ihretwegen sind wir hier, oder?", wirft meine Nichte ein, ... Leopadenlegings, ein rosa Tütü und zwischen ihren Beinen ein dicker hängender Lederschwengel. Warum weiß ich nicht.
"Das ist Maria", fahr’ ich fort und wende mich wieder an Hans-Christian, "Damals hast du bei Robbie nicht mitgesungen, weil alle Mädels auf Robbie standen und nicht auf dich. Aber heute! Wenn du hier aus voller Inbrunst I´m loving angels instead mitsingst, dann bist du der Mann, der heute da ist, und versteht, was die Mädels von damals gefühlt haben."
"Der Frauenanteil hier ist tatsächlich sehr hoch,", bemerkt Hans-Christian, "lierum larum, lass uns feiern!"
Ich quetsche mich zur Theke durch. Es ist brechend voll und die Band fängt gerade an. Ein Transparent mit zig gemalten Brüsten wird entrollt. So wie man früher Vögel gemalt hat. Nur auf dem Kopf und mit Punkten auf den Flügeln.
"TITTEN!", schreit die Frau voller Stolz in das Mikro. "WHOOOOOO …!", kommt es aus der Menge zurück.
Wenn ich nur immerzu Augenkontakt mit dem Thekenpersonal halte, denke ich mir, bemerken die mich am ehesten.
"Ey, du schaust so creapy. Was möchst du?", na super, "Drei Bier, bitte."
Ich muss mich von der Menge mitnehmen lassen, schwimm nach und nach in Richtung Bühne und steh da nun mit meinen drei Bieren.
Da Springt mir eine Frau, die mir bis zur Brustwarze reicht, Ellenbogen voraus in die Seite. "Du musst Tanzen Junge! Sonst spring’ ich dir noch mal rein!".
"Oh, Fuck mein Bier, ey!" und rette alle Biere.
"Ich find’ dich scheiße! So scheiße! So richtig, schschschschsch scheiße!"
Da springt Maria mit Gitarre auf dem Rücken, bäuchlings in die Menge. Ich greif’ mit dem linken Arm nach oben, mit dem rechten balanciere ich die Biere. Und fuck! Habe ich gerade ihre Brust gesqueezt?
Maria zieht ihr Knie nach vorne und donnert gegen meine Stirn. Ich Torkel zur Seite, da steht sie vor mir und zieht mir ihren Schwengel quer übers Gesicht. Stolpernd falle ich auf den Rücken.
_
Lass die Augen zu, denk’ ich, wie unangenehm ist das hier.
"Ey digga, der ist doch safe Tod!"..., um mich herum bildet sich eine Traube, "Nimm ihm ma´ einer die Biere ab." ... "So hart hab ich den Grabscher nun auch nicht geswoffelt", geht so denk’ ich, öffne die Augen und sage, "Du bist unglaublich schnell! Gerade noch war ich von mir selbst überrascht und schon habe ich dein Knie im Gesicht."
Sie reicht mir ihre Hand. "Haste auch verdammt verdient!".
"Ja sorry", sag’ ich, "War ein reiner Reflex, ich bin tatsächlich ein ziemlicher Idiot. Kann ich dir ein Bier anbieten?"
"Später vielleicht. Ich bin Maria. Wie heißt du?"
"Örnie, mein Name ist Örnie."
"Alles klar Leute. Es geht weiter! Geben wir Örnie eine zweite Chance, aber passt mir auf, dass er seine Hände bei sich behält!"
Ich für meinen Teil muss an die frische Luft.
"Oh Gott, Onkel. Wie peinlich war das denn?", meine Nichte zieht am Joint und reicht ihn mir weiter. "Auf einer Skala Eins bis Zehn? Zwölf!", sage ich.
Da kommt Hans-Christian dazu. "Du brauchst jetzt kein Gras. Du brauchst Schnaps! Viel Schnaps!"
"Schnaps, Gras … alles! Gib mal deinen Flachmann her."
"Aber vorsichtig.", warnt Hans-Christian, "Das ist Prima Feinsprit. Der löscht nicht nur Erinnerungen, zu viel davon und der Feinsprit löscht dich."
Ich setze an und nehme einen großen Schluck. Das Zeugs brennt wie Feuer. Ich muss würgen und aufpassen, dass mir nichts hochkommt, doch unten angekommen, setzt ein herrliches scheiß-egal-Gefühl ein. "Widerlich! Scheiß drauf! Lass uns Tanzen!"
Auf der Tanzfläche habe ich nur Augen für Maria und auch ihre Blicke treffen mich immer wieder. Sie ist so voll absoluter Energie, so selbstbewusst, lebendig, kraftvoll. Sie raubt mir den Atem. Und dann nach zig Covern der Kelly Family, Britney Spears, Robbie Williams und und und … ist das Konzert vorbei.
"Jetzt darfst du mir ein Ausgeben, du Grabscher", sagt sie zwinkernd und knufft mir in die Seite. "Oh wow, dachte, ich hätte bei dir verkackt."
"Du hast eine zweite Chance, nutze sie." Wir ziehen uns in eine Ecke zurück und reden dort stundenlang. Nicht über den Krieg, nicht über die Inflation, nicht über all die Sorgen die sich momentan alle machen. Wir träumen vom Sommer, wir malen uns an einem Abend eine Zukunft aus. Wir trinken und lachen, lachen und trinken. Und dann küssen wir uns. "Willst du bei mir frühstücken?", frage ich Maria. Sie gibt mir einen Kuss, schaut in meine Augen und antwortet, "Nichts lieber als das."
_
Das Frühstück - Tag 3
Ich reiße meine Augen auf. Das Licht blendet und nur langsam kommt Verstand in meinen Geist. Ich bin nicht allein, da liegt sie, auf der Seite und schnarcht sachte vor sich hin. Ich hatte ihr Frühstück versprochen.
Vorsichtig stehe ich auf, halte mich aufrecht an meiner Stehlampe fest, mache zwei Ausfallschritte nach vorne, fange mich an der Gardine und ziehe sie zufällig, aber geschickt zu. "Schlaf weiter", sag’ ich. "Bin gleich mit Brötchen wieder da."
Auf der Straße bewege ich mich nur langsam vorwärts, meinen Zustand kann ich nicht verbergen. Der Atem schmeckt nach toten Hamstern, kalten Zigaretten und er klebt von all den Cola-Korn. Überall sind Leute.
Fahrradfahrer die knapp an einem vorbeihuschen. "Ey!", schrei’ ich! "Mach ma vorsichtig du Penner!". Dafür, dass ich eine fantastische Nacht hatte, habe ich ganz schön schlechte Laune, denk’ ich mir, aber es ist auch einfach zu früh. Zu früh für all die anderen, ohne die Menschen wäre es ganz schick hier.
Im Kaisers angekommen stehe ich fragend vor dem Brötchenregal. "Was habe ich ihr versprochen?"
"Wie bitte?", fragt eine Dame neben mir.
"Ähm, ich frage mich, ob ich meinem OneNight Stand tatsächlich acht Käsebrötchen versprochen habe."
"Wenn sie es versprochen haben, müssen sie es halten."
"Ja und wenn sie es für einen Witz hielt, dann bin ich der Depp."
"Mit acht Käsebrötchen …", sie überlegt, "... also ich finde es eigenartig, selten, aber auch lustig und Humor ist immer der Schlüssel, ich glaube acht ist genau richtig junger Mann."
"Das macht 14 €", sagt die Frau an der Kasse, als plötzlich alle Telefone vibrieren und Alarm geben.
Die Menschen schauen sich an. Brennt es? Als auch von draußen die Sirenen erklingen. Ich renne zur Tür, was sehe ich da am Himmel? Der Himmel färbt sich schwarz mit kleinen flirrenden, ... Drohnen? Es müssen Drohnen sein. Da stoßen die ersten Richtung Boden mit gewaltigen Explosionen. Ich schmeiße mich in Richtung Kasse, robbe den restlichen Meter. Da schlägt etwas durch das Dach. Ein Knall. Eine Druckwelle erfasst mich und schleudert mich durch das Fenster auf die Straße. Dunkler schwarzer, schwerer Rauch um mich herum. Ich versuche mich aufzurichten, aber schaffe es nicht von den Knien hoch. Die Welt, sie dreht sich und sie dröhnt, bis tief in meinen Kopf.
Ich schleppe mich in Richtung Häuserwand, versuche wieder aufzustehen, der Brustkorb schmerzt, die Arme haben keine Kraft, da greift mir jemand unter, zieht mich hoch und ich stehe.
Einen Moment wird es ruhig, stumm erscheint der Pilz, ein grelles scharfes Licht. Nichts mehr.
_
Beim Oppa.
Die Luft zittert, Ocho krümmt sich am Boden, denn er weiß, nun folgt wieder ein Knall. Der Schmerz platzt in seinem Ohr und geht durch bis aufs Mark. Er will weg, doch die Pfoten gehorchen nicht, sie wollen ihn nicht halten. Zu sehr schlottert der ganze Körper. Jaulend sucht er Schutz beim Oppa und windet sich zwischen seinen Beinen. Dem Oppa geht es auch nicht viel besser. Weinend und mit nasser Hose hält er sich verkrampft im Türrahmen fest.
Weit vor dem Menschen, fühlt Ocho, dass da erneut etwas auf sie zurollt. Stärker viel stärker als die vorangegangenen Explosionen.
Die Wohnungstür springt aus ihren Angeln, ausgehebelt von der Welle, die das Donnergrollen verursacht. Glas scheppert, Bücher fallen aus den Regalen, nichts in der Wohnung bleibt an seinem Platz und Ocho weiß, hier kann er nicht bleiben.
Sein Instinkt meldet sich und schnell wie die Pest stürmt er aus dem Haus die Straße runter, er rennt sich all den verdammten Stress aus der Haut. Im Affenzahn fliegen die Pfoten über den Asphalt, rein in den Kreisel, da strömt ihm ein phantastischer Geruch aus tausend Köstlichkeiten in die Nase. Wurst, Käse, Alaska Seelachsfilet!
Er schnüffelt mit dem Kopf im Nacken um Spur aufzunehmen. Eine Runde. Eine zweite Runde. Ab weiter in den Park. Schnurstracks Querfeld ein über die grüne Wiese, springt Ocho über Parkbänke hinweg, und huscht durch eine Lücke im Zaun zum Kaiser's.
Ocho springt ein paar Pailletten hoch und durch die zerborstenen Scheiben direkt rein in den Supermarkt. Dort liegt alles Herrliche der Welt offen herum. Mit einem gewaltigen Satz stürzt sich der Hund auf ein gefrorenes Suppenhuhn, das daraufhin quer durch den Laden schlittert. Im Rausch stürzt Ocho hinterher, will gerade schnappen, da bemerkt er den leblosen Körper, an dem das Suppenhuhn liegen geblieben ist.
Die Erinnerung kommt zurück, das Dröhnen, das vibrieren, Ocho will jaulen, aber Schockscheiße, da ist noch ein weiterer, ein vertrauter Geruch. Sofort läuft der Hund raus auf die Straße, bleibt vor einem Haufen Schutt wie angewurzelt stehen.
Da liegt Örnie, Ocho weiß es. Er buddelt ihn halb frei. Keine Regung! "WWWow WWWoW", lauter bellen, "WoWoWoW! WoWoWOWoW!", er leckt mit seiner langen, sabbrigen Zunge das Gesicht ab, bis Örnie endlich zu sich kommt.
Bis ich endlich zu mir komme. "Ocho mein Junge, du bist der beste Hund auf dieser Welt!"